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Unerfüllte Erwartung

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29.01.2010
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Unerfüllte Erwartung

Seit einigen Tagen liege ich nun in Seide, Baumwolle und Damast gebettet. Worauf wartest Du, mich einzuführen in Dein Reich? War ich nicht immer ein guter Hirte, Deine Lobpreisung mir ein Herzensanliegen?

Der Sturm, der am Abend des 28. Septembers 1978 über Rom tobte, hatte abgeschwächt ein Gegenstück in der nervlichen Anspannung von Albino Luciani. 33 Tage zuvor wurde er zum Papst gewählt, in Erinnerung an zwei seiner Vorgänger gab er sich den Namen Johannes Paul I. Warum ich? Es gibt Berufenere als mich, um diesen Verwaltungsapparat zu leiten, die ihren Willen zur Macht nur allzu gern mit dieser Fähigkeit verbunden hätten.
Seit Tagen fühlte er sich nicht wohl. Nicht das Herz, um dessen Schwäche er wusste, machte ihm zu schaffen. Magen, Galle oder was auch immer waren schmerzhaft gereizt und ein Husten quälte ihn.
Bereits mit dem Patriarchat von Venedig war die Grenze des mir möglichen überschritten. Ich sah mich genötigt, Machenschaften anzuprangern, die einzig um des Mammons willen, in unserer Kirche Einzug hielten. Allerdings werteten die Verantwortlichen eine Wahrung des trügerischen Scheins nach aussen höher, als meine Forderung nach rigorosen Konsequenzen. Es braucht eine hart durchgreifende Hand, um solches Geschehen ein für alle Mal zu unterbinden. Ob ich die Kraft dazu finde, liegt in Gottes Hand.
Er brauchte dringend einen Moment der Stille und der Einkehr. Vor dem Kruzifix kniete er nieder, um sich in ein Gebet zu vertiefen. Spiritualität sowie den Menschen im direkten Angesicht die christliche Botschaft zu verkünden, ist meine eigentliche Berufung. Warum hast Du mich nicht diesen schlichten Weg gehen lassen?

Das Nachtgewand lag bereit, das Kissen war neu aufgeschüttelt und so hergerichtet, dass er im Bett sitzend lesen konnte. Die Vorsteherin des päpstlichen Haushaltes kannte seine Eigenheit und nahm diese Verrichtung täglich selbst vor.
Er nahm die Schrift Sacerdotalis Caelibatus der Glaubenskongregation zur Hand. Unerbittlich und klar war der Text abgefasst, vergeblich suchte er nach einem Schwachpunkt. Seit Langem bewegte ihn diese Frage, die manche seiner Glaubensbrüder in unüberwindliche Konflikte stürzte. Sie konnten ihre Körperlichkeit nicht unter Kontrolle bringen, die geistige Sublimation durch den Glauben nicht vollziehen, Kasteiungen, rituelle Selbstgeisselung und kalte Waschungen verfehlten ihre Wirkung. Entgegen dem gewählten Weg, sich im Gebet zu läutern und zu befreien, bürdeten sie sich dem zuwiderlaufende Lasten auf. Vittorio, sein Freund aus früher Jugend und später mit ihm am Seminar, kam so vom rechten Weg ab. Seither hatte er immer wieder darüber nachgedacht, warum Gott – oder war dieses kirchliche Dogma nicht wirklich in seinem Sinne - diesen im alltäglichen Leben schwachen, aber im Glauben starken Hirten keinen praktikablen Weg ebnete? In der Frühzeit kannte man diese Einschränkung nicht, doch bereits in apostolischer Zeit wurde es als notwendig erkannt, um zu wahrer Erkenntnis und Läuterung zu gelangen. Ich zweifle nicht um meinetwillen, nein, nein, eher würde ich mich noch strengerer Selbstkasteiung unterwerfen. Aber Vittorio und all die anderen … Der Körper reift im Glauben, doch bei manchen scheint dieser Prozess sehr langwierig zu sein. Er hatte mit eng Vertrauten darüber gesprochen, ihrer Skepsis seine Hoffnung für eine gütige Lösung gegenübergestellt. In langen Stunden über die Notwendigkeit und die Tragik diskutiert. Die Tradition erweist sich hier als Hemmnis. Es wird viel Zeit und Überzeugung erfordern, um etwas zu bewegen. Dennoch bestärkt es mich, dass es in Gottes Absicht liegt, auch diese Frage anzugehen, da er mir dieses Amt aufbürdete und diesen Gedanken auf den Weg gab. Aber es sind auch viele andere wichtige Aufgaben, die mir bevorstehen, bis die Kirche wieder ohne Makel die wahre Verkünderin der frohen Botschaft ist.

Aufrecht sitzend, es war Zeit zum Schlafen, griff er nach dem Glas Wasser und trank mit grossen Schlucken. Merkwürdig der Geschmack, den es hat. Es ist nicht abgestanden oder ungeniessbar, aber leicht bitter.
Noch einmal blickte er auf seine Papiere. Im Schlaf kann ich meine Gedanken vielleicht ordnen, eine die verschiedenen Meinungen vereinende Lösung finden. Diese Überlegung liess ihn lächeln. Mit Gottes Hilfe werde ich es schaffen.
Nur daran, dass die Schmerzen schlagartig versiegten, spürte er es. Das Uhrwerk seines Lebens war zum Stillstand gekommen ohne ein dramatisches Moment. Noch immer sass er da, lächelnd, in seinen auf der Bettdecke liegenden Händen die Dokumente.
Als die körperliche Hülle sich ihrer Lebensfunktionen entledigte, war das Ereignis nicht eingetreten, wie er es erwartete. Kein nahtloser Übergang der Seele in das Purgatorium zur Läuterung. Nicht der geringste Schimmer einer göttlichen Sphäre. Zwar hatte er sich nie ein klares Bildnis davon geschaffen, wie es sich anfühlen und diese letzte Offenbarung sich weisen musste. Entsprechende Darstellungen in der sakralen Kunst deutete er stets nur als Ausdruck der Freude über diesen gnadenvollen Akt. Dieses Geschehen musste von einer Erscheinung sein, welches jedes weltliche Verständnis überschritt und darum mit menschlich begrenzter Vorstellungskraft gar nicht erfassbar war.
Trotz seiner Bereitschaft geschah auch in den folgenden Stunden nichts. Noch immer nahm er seine Seele als im Körper eingeschlossen wahr. Ich muss mich in Demut üben und warten.

Die Vorsteherin des päpstlichen Haushaltes bekreuzigte sich, als sie den Papst gegen fünf Uhr morgens fand. Sein Privatsekretär eilte herbei, sich überzeugend, dass er nicht einfach im Gebet verharrte. Einige Zeit später trat der Arzt des Vatikans hinzu und untersuchte ihn, nachdem er seinen Körper flach gebettet hatte. In seiner Gegenwart telefonierte der Arzt mit Lucianis früheren Leibarzt aus der Zeit in Venedig. Sie sprachen darüber, dass das Herz der schwache Punkt in seinem Leben gewesen war. Der Abberufung konnte man nichts entgegensetzen.

Das Prozedere um seinen Körper wurde abgehalten, Waschung, Einkleidung und dann die Aufbahrung.
Er wartete, doch noch immer geschah nichts. Herr, ich bin bereit, intonierte seine Seele stumm. Demut und Läuterung ist der Weg, der hinführt in die himmlische Sphäre, widersprach er einmal mehr seiner keimenden Ungeduld.
Die Tage zogen hin. Die Totenmesse in ihrer ganzen Länge war ein rituelles Spektakel, an dem er an gewissen Stellen gern selbst das Wort ergriffen oder im Choral mitgesungen hätte. Doch kein Ton entrang sich seiner Seele.
Herrgott nochmal, warum dauert es denn so lange, rebellierte er.
Oder ist dieses langwierige Warten auf die göttliche Gnade etwa schon das Purgatorium? Die wüste Vorstellung einer Hölle mit loderndem Fegefeuer wurde bereits vor langer Zeit verworfen. In theologischen Disputen gelangte man zum Konsens, dass sich die Läuterung in zu Erkenntnis führender Demut erfüllt. Dies sei der wahre Weg zu Gott. Hatte ich mich denn nicht streng daran gehalten?

Er erinnerte sich an seine Kindheit in der Dorfkirche. Bei Abdankungen war es mir stets gegenwärtig. Gott hat einen Menschen zu sich heimgeholt. Ich spürte diesen wahrhaften Geist, der mich beseelte. Das Wissen, eines Tages auch in seiner nächsten Nähe zu sein.

Im Sarkophag ruhte er nun in der Krypta des Petersdoms, einem der Orte, die er stets nur mit grosser Ehrfurcht betreten hatte.
Die Stille war ihm eine ergreifende Wahrnehmung der Aufhebung von Zeit. Nur, warum lässt Er mich noch immer warten, ist es eine Prüfung, die ich noch vollziehen muss? Ich habe Geduld, Du wirst mich holen, darin bin ich mir gewiss.
Der tägliche Rundgang einer Putzequipe, die Staub wedelte und den Boden wischte, waren die einzigen beinah ehrfurchtsvoll anmutenden Geräusche, die die Ruhe des Totenreichs durchkreuzten. Besucher hatten derzeit keinen Zutritt.

In Gedanken sortierte er die Devotionalien, welche er als Kind zu sammeln begann. Anfänglich waren es Heiligenbildchen, keines der anderen Kinder hatte so viele wie ich. Bei meiner Erstkommunion schenkten mir meine Eltern ein eigenes Kruzifix, anlässlich der Priesterweihe dann einen silbernen Kelch.

Ist bei mir etwas schief gelaufen? Oder sind die anderen Päpste auch noch hier und warten?
Paul, rief er tonlos. Paul VI. antwortete ihm nicht, ebenso keiner der früheren Päpste, deren körperliche Hüllen hier beigesetzt worden waren. Seine Seele muss entfahren sein, ich werde ihm bald folgen, frohlockte er. Die freudige Stimmung seiner Seele erschreckte ihn. Ist es Eitelkeit, wenn ich mich darauf freue, in Gottes Reich zu treten? Nein, nein, das ist es nicht, was mich antreibt, vielmehr unterwürfiges Verlangen in seiner direkten Gegenwart zu dienen.

Auch weiterhin kam kein Zeichen. Die Erlösung der Seele aus dem Kerker des Körpers liess auf sich warten. Muss ich hier Weilen bis zum Jüngsten Tag? Hatte ich nicht bereits in meinem Leben alle Stufen der Läuterung durchschritten, nicht alle Erkenntnis auf Dich gesetzt und in meinen Gebeten offengelegt? Gib mir zumindest ein Zeichen, damit ich mir sicher bin, auf dem rechten Weg zu sein.

Die zersetzenden Aktivitäten in seinem toten Körper verstärkten sich. Merkwürdig, dieses Gefühl, welches mich beschleicht, als wenn kleinste Splitter meiner Seele sich verselbstständigen und abheben. Das kann nicht sein, es ist nur der Körper, welcher sein irdisches Dasein auflöst. Damit muss sich die Bindung der Seele an diesen Körper jetzt auch aufheben. Oder ist da etwas, das ich nicht bedachte?
Er rief sich die Interpretationen über die Seele, selbst über seinen eigenen Glauben hinaus, in Erinnerung. Im hebräisch-biblischen Zeitalter schilderte man die nefesch nirgends losgelöst vom Körper. Die Apologeten in der Frühzeit des Christentums waren in der Deutung den Platonikern nahe, dass die Seele fortbestehen würde. Wegen der Auferstehungslehre kamen sie aber zum Schluss, dass die Verbindung mit dem Körper auch im Tode erhalten bliebe.
Der Interpretationen sind viele, doch nirgends wurde von einer Absplitterung gesprochen. Oder irre ich mich?
In seiner Suche nach einer Erklärung war er bei den Vorsokratikern angelangt. Auch da gab es bereits verschiedene Auffassungen. Demokrit hatte in seiner Weltdeutung, die Seele als eine Zusammenballung von Atomen genannt, die sich von andern Körperatomen präzis unterscheiden. Eine Unsterblichkeit der Seele hielt er hingegen in diesem System für unmöglich. Zerstreuen sich die Seelenatome, sobald die Zersetzung des Körpers die Bindung aufhebt? Ist es dies, was ich jetzt wahrnehme? Eine Auflösung der Seele anstelle einer Auferstehung des Menschen, das darf nicht sein, es wäre ja … Schrecklich dieser Gedanke.
Er seufzte, das merkliche Schaudern noch von sich weisend, und rang weiter nach einer ihm genehmen Deutung. Nach den modernen Wissenschaften gibt es keinen Beweis für das Vorhandensein einer Seele und sie bezeichnen eine solche Auffassung als Spiritualität. Haben sie mit ihrem fehlendem Gottvertrauen etwa recht und es ist einzig eine mystische Erwartung?
Kam Jesus zu einer solchen Erkenntnis, als er sich veranlasst sah zu rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Seine Seele bebte, die aufgekommenen Zweifel erschütterten ihn zutiefst. Es darf nicht sein, dass ich in meinem Glauben und meiner Überzeugung derart fehlging. Seit zwei Jahrtausenden folgen Menschen diesem Weg, sag mir, dass er nicht im Nichts endet. Der Sinn des Glaubens einzig eine moralische Lebensgestaltung beinhaltet. Dann wäre für den Menschen ja auch nur die Endlichkeit gegeben, wie bei niederen Lebewesen.

Seine erste Messe, die er als junger Geistlicher in der Dorfkirche abhielt, wurde ihm gegenwärtig. Ich war nervös gewesen, die Angst es könnte mir ein Fehler unterlaufen, liess meine Hände kurzzeitig immer wieder mal zittern. Innerlich rief ich mehrmals Gott an, mich zu führen. Seine Gegenwart wurde mir da durch eine jeweils aufkommende Ruhe spürbar, gab mir die Kraft, die Zeremonie ohne wesentliche Patzer durchzustehen. Dafür dankte ich Ihm dann in einer langen Andacht, des Abends, allein in der Kirche.
An diese Gegenwärtigkeit von Ihm, die ich damals sehr intensiv wahrnahm, rief ich mir immer in Erinnerung, wenn durch äussere Gegebenheiten mir Zweifel auftraten. Auch in den dunkelsten Tagen schenkte es mir wieder die Kraft, den Weg zu erkennen und meine Last zu tragen.

Mein Gott, antworte mir, rief er flehentlich und horchte vergeblich. Einzig das Gefühl von Absplittern setzte sich fort.
Noch ein letztes Moment bemühte er sich um Klarheit, was da mit ihm geschah. In der Bulle Benedictus Deus wurde 1336 festgesetzt, dass diejenigen, die nicht im Stand der Gnade sterben, für immer in die Hölle kommen. Diese drastische Sichtweise wurde später zwar gnädig revidiert, aber vielleicht war doch etwas an dieser Interpretation, das Gültigkeit hat? Ich war immer ein guter Hirte, demütig einzig auf Dich ausgerichtet, auch wenn ich mein Pontifikat nicht wie erwartet ausübte. Mein Geist war willig, aber der Körper war schwach. Nun ja, ich fühlte mich nicht berufen, aber ich nahm die Aufgabe dennoch ernst. War es nicht Deine Gnade, die mir diesen Weg abkürzte, damit ein dominanter Papst das Werk weiterführe? Oder waren da andere Kräfte am Werk?
Mein Gott, ist es die Hölle oder das Nichts, was unterscheidet es?
Oder ist das Nichts, das ich als Paradies wähnte, die wirkliche Erlösung? Sprich mit mir …
Durch die aufhebende Körperbindung entschwebte eine Splitterwolke, sich zugleich unendlich teilend.

 

Hallo Anakreon,

Der Einstieg deiner Geschichte hat mich gleich tiefer heineingezogen:

Seit fünf Tagen liege ich nun in Seide, Baumwolle und Damast gebettet. Worauf wartest Du, mich einzuführen in Dein Reich? War ich nicht immer ein guter Hirte, Deine Lobpreisung mir ein Herzensanliegen?
Das hat diesen sanften mythischen Klang, man riecht da den Weihrauch beim Lesen.

Für Albino Luciani musste ich allerdings auf Wikipedia zurückgreifen, der bürgerliche Name dieses Papstes war mir unbekannt. Der dritte Absatz:

Seine Unfähigkeit nein zu sagen für ihre Zwecke nutzend, hatten ihn gemässigte, reformorientierte Kreise die Hierarchiestufen hochgetrieben. Dass wahrhafte Demut im Pontifikat münden konnte, war auch für die Kirche eine Eigentümlichkeit, da das Intrigenspiel um Macht sonst anderen Mustern folgte.[...]
hat für mich dann die Spannung leider etwas gelockert, weil es hier vom Persönlichen weg ins Allgemeine und Historische geht. Vielleicht könnte man das anders gestalten, mehr auf die Figur Lucianis und seine unmittelbaren Gedanken beschränkt? Also weniger den kichenpolitischen Hintergrund, nicht, was für die Kirche gewöhnlich oder ungewöhnlich ist, sondern einfach diese Gedanken: Warum konnte ich nicht Dorfpfarrer bleiben? Warum hat Gott mir das auferlegt?

Nach diesem Einstieg, der Hinführung zur Person des Papstes, besitzt die Geschichte noch zwei "Blöcke" zwischen denen der Tod des Protagonisten steht. Beide Blöcke stehen an der Grenze zum Essayistischen: Es geht einmal um die Frage des Zölibats, dann um die nach der Auferstehung. Die zweite Frage gewinnt für den Protagonisten ganz unmittelbar Relevanz, bei der ersten reflektiert er mehr über Vergangenes - Schicksale anderer. Auf der allgemeinen Ebene kennt die Geschichte also zwei Fragen, deren Verknüpfung nicht unmittelbar erkennbar ist.

Was an der Geschichte ungewöhnlich ist, ist die Tatsache, dass der Protagonist eigentlich gar nicht agiert und nicht agieren kann, da er zunächst stirbt, dann tot ist. Er kann nur beobachten und reflektieren, was mit ihm geschieht. Und noch etwas, das vielleicht die Schwäche der Geschichte darstellt: Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Erleben wird nicht ausgespielt. Eine gewisse Beunruhigung Lucianis wird dargestellt, aber bevor er wirkliche Konsequenzen ziehen kann, ist die Auflösung vollendet.

Also, in meinen Augen hat die Geschichte eine gute Atmosphäre und einen ungewöhnlichen Ansatz. Sie weiß aber nicht ganz genau, was sie will und rückt - für meinen Geschmack - zu häufig vom Protagonisten ins Allgemeine ab. Es gibt auch noch ein paar kleine Schnitzer:

was er den Anforderungen die sein neues Amt mit sich brachten, zur Last legte.

Ein Husten, der ihn quälte,
"den" oder "einen"

Seine Unfähigkeit nein zu sagen für ihre Zwecke nutzend,
"nein" würde ich in Anführungszeichen oder kursiv setzen. Außerdem gefällt mir diese Partizipkonstruktion nicht.

Das Nachtgewand lag schon bereit, das Kissen war neu aufgeschüttelt und so hergerichtet, dass er im Bett sitzend noch lesen konnte.
"noch" würde ich streichen.

Seit Langem bewegte ihn diese Frage, die manche seiner Glaubensbrüder in unüberwindliche Konflikte stürzten.

Vittorio, sein Freund aus früher Jugend und später mit ihm am Seminar, hatte dies vom rechten Weg gebracht.
besser: "hatte sie"

diesen im alltäglichen Leben schwachen aber im Glauben starken Hirten, keinen praktikablen Weg ebnete?
Ich glaube, dass Komma ist falsch.

Keinen Deut wichen sie von den Buchstaben ab, die dies festlegten. Es würde Zeit und Geist brauchen, um diesbezüglich etwas zu bewegen.
Du verweist hier auf "die Sache" häufig mit Pronomen, das wirkt hölzern, besonders das "diesbzeüglich" klingt sehr beamtenmäßig.

Doch kein Ton entrang seiner Seele.
"entrang sich"

Du wirst mich holen, diese Gewissheit sehe ich mir hold gestimmt.
Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann.

Der Gärungsprozess, welcher mit dem Ende der Sauerstoffregulation eingesetzt hatte, löste verstärkt Zellstrukturen auf, Bakterien eroberten Neuland und Körpergewebe verflüssigte sich.
Das geht meiner Meinung nach nicht, weil du da aus der Innenperspektive in so eine wissenschaftlich-objektive Distanz springst, nur für den Satz.

Was ich mich noch gefragt habe: Warum wählst du - in Verneinung der katholischen Lehrmeinung - diese antike Idee von den "Seelenatomen" die aus heutiger, rein wissenschaftlicher Sicht, doch auch nicht sehr wahrscheinlich ist? Die Funktion für die Erzählung sehe ich: Wenn mit dem Tod sofort alles vorbei wäre, wäre die Reflektion unmöglich. Aber metaphysisch wirkt es erst mal willkürlich. ;)

Oder ist das Ganze so zu interpretieren, dass er am Ende - nach der "Zerstreuung" - doch vor das Antlitz Gottes geführt wird und eben diese Tage des Zweifels das Purgatorium darstellen? Das gefiele mir. Dann müsste ich allerdings umso mehr darauf bestehen, dass die Enttäuschung der Erwartung nicht genug ausgespielt wird. Für eine Seelenreinigung wird da nicht genug gelitten.

Grüße,
Meridian

 

Hallo,

Bereits seit einigen Tagen fühlte er sich körperlich unwohl.
Was leistet das „körperlich“? In den folgenden Sätzen werden ausgiebig seine Wehwehchen beschrieben – die sind alle körperlich. Der ganze Satz ist ein bisschen überflüssig, es ist nur eine allgemeine Behauptung, die danach präziser wird, warum nicht das präzise stehen lassen?

Nicht das Herz, dessen Schwäche ihm bewusst war, machte ihm zu schaffen. Magen, Galle oder was auch immer waren schmerzhaft gereizt, was er den Anforderungen die sein neues Amt mit sich brachten, zur Last legte. Ein Husten, der ihn quälte, schrieb er hingegen der Witterung zu, die sich seit Stunden grossräumig mit einem Herbststurm über die sieben Hügel Roms und den Tiber hinweg austobte.
Das sind alles Relativsätze, es sind 4 Nebensätze und jeder ist ein Relativsatz und es liest sich dann auch umständlich.
, was er den Anforderungen, die sein neues Amt mit sich brachte, zur Last legte.
Sogar 5 Relativsätze, den einen hast du nicht abgeteilt.
Und bei „brachten“ kein „n“n.
Das ist stilistisch einfach nicht gut, so eine Passage.
HS NS,. HS NS NS, HS NS NS
Und der Nebensatz ist jedes Mal ein Relativsatz. Und die Satzgefüge sind ungünstig angelegt, mit den Verben immer hinten in einer relativ schwachen Ausführung „machte ihm zu schaffen, gereizt, mit sich brachten, zur Last legte, quälte, schrieb zu, austobte“. Da ist „austobte“ das einzig starke, aktive Verb, der Rest ist in festen Wendungen gefangen. Der Husten quält, der Magen ist gereizt, das Amt bringt mit sich und es ist ihm zur Last gelegt. Und das austoben ist auch mit dem Herbststurm verbunden.

Ich mein, es ist mir schon klar, dass du deinen Stil jetzt nicht grundlegend ändern wirst, aber … so Passagen eben an der exponiertesten Stelle eines Textes, am Anfang, du bringst dich selbst um die Leser. Was ist das eine Papstkrönung, oder? Das wär schon spannend, wie viele werden das aus den ersten paar Sätzen erkennen? 2% der Leser? 3%?

Als Kaplan war er in seiner Heimatgemeinde um seiner Güte willen sehr geschätzt gewesen. Das ihm eigene Lächeln milderte, in Verbindung mit seinen Worten, den Gläubigen stets ihre Probleme.
Na ja, ich will lieber über die Intrigen lesen, wie ist es denn in der Kirche sonst üblich? Das ist doch das Spannende, dass ein Kirchenmann ein feiner Kerl ist und er in dem Absatz gepriesen wird – ja, herrje. Das ist ein bisschen so als würde man den Wikipedia-Eintrag nacherzählen.

Seither hatte er immer wieder darüber nachgedacht, warum Gott – oder war dieses kirchliche Dogma nicht in seinem Sinne - diesen im alltäglichen Leben schwachen aber im Glauben starken Hirten, keinen praktikablen Weg ebnete?
Du hast übrigens eine kleine Kommaschwäche, bei Einfügungen oder wie in dem Fall vor dem „aber“.

Dennoch bestärkte es ihn, dass es in Gottes Absicht lag dies umzusetzen, da er ihm dieses Amt aufbürdete.
Das Problem mit dem Stil sind wirklich die Satzgefüge und die Partizipialkonstruktionen.
Dennoch bestärkte es ihn – das ist der Hauptsatz.
Dass es in Gottes Absicht lag – das ist ein Inhaltssatz
Dies umzusetzen – das ist ein Finalsatz (der braucht auch ein Komma davor)
Da er ihm dieses Amt aufbürdete – das ist ein Kausalsatz
Und „dennoch“ als Konnektor gibt dem ganzen Satz noch einen konzessiven Anstrich.

Da hast du einen Hauptsatz, an dem ein Relativsatz hängt, an dem ein Finalsatz hängt – und dann hinten noch einen beigeordneten Kausalsatz. Und was sagt der Satz überhaupt aus? Wo ist da der Inhalt? Auf welchem Satzglied liegt da die erzählerische Kraft?

Merkwürdig der Geschmack, den es heute hat. Er ist nicht schal oder abgestanden, aber leicht bitter.
Ach ja, ich erinnere mich dunkel, das ist der vergiftete Papst mit dem Vatikanbankskandal. Davon weiß ich fast gar nichts, das wäre wirklich ein spannendes Thema! Aber wer liest soweit?

Diego Lorenzi, sein Privatsekretär, eilte herbei, sich überzeugend, dass er nicht einfach im Gebet verharrte. Nach einiger Zeit dann trat Renato Buzzonetti, der Arzt des Vatikans, hinzu und untersuchte ihn, nachdem er seinen Körper flach gebettet hatte. In seiner Gegenwart telefonierte er mit Da Ros, seinem Leibarzt aus der Zeit in Venedig.
Es bringt doch gar nichts, den Leuten Namen zu geben, wenn sie nie wieder auftauchen. Also es macht auf mich wirklich den Eindruck, dass hier eher fleißig recherchiert wird, irgendwo und da soll dann zeigen, dass man sich mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Renato Buzzonetti! Das würde in einem Zeitungsartikel so stehen. Der Arzt des Vatikans, Renato Buzzonett (48).

Ich hab mal geguckt, weil ich das schon vermutete. Bei Wikipedia steht:

Der Verstorbene wurde von der Vorsteherin des päpstlichen Haushaltes, Schwester Vincenza, gegen fünf Uhr morgens im Bett seines Schlafzimmers aufgefunden; sie verständigte daraufhin die Privatsekretäre Diego Lorenzi und John Magee. Nachgewiesen ist, dass John Magee um 5:37 Uhr den Kardinal-Staatssekretär Villot über den Tod des Papstes informierte. Dann wurden Renato Buzzonetti, der Arzt des Vatikans, und Da Ros, der Leibarzt des Papstes in Venedig, informiert. Der Todeszeitpunkt wurde auf den 28. September, etwa um 23 Uhr, geschätzt.
Ein literarischer Text ,auch wenn er historisch ist, kann da viel mehr machen, viel mehr erfinden, uns die Leute nahebringen. Sonst erwähnt man sie nicht. Wenn der Leibarzt keinerlei Funktion hat, reicht die Berufsbezeichnung.

So und dann gehst du im letzten Absatz, löst du dich vom Erzählgegenstand und gehst in den Kern deines Textes wahrscheinlich – das hat aber dann nichts mit Historik zu tun – in so eine Art metaphysisch-ironische Geschichte, dass die Seele noch am Körper kleben bleibt, bis sie sich philisophisch in der Lage sieht ,ein Schlupfloch zu finden, um sich von ihm zu lösen. Das ist doch durchaus clever. Da stirbt ein gebildeter Glaubensmann und er kommt vom Körper nicht los, bis er seinen Geist davon überzeugt hat, dass es richtig ist! Das ist eine Geschichte. Aber bis dahin, einen Wikipedia-Artikel nachzuerzählen (oder ein Sach-Buch, eine Kurzbiographie) – das ist doch nicht nötig.
Die Geschichte beginnt im letzten Absatz. Das ist der Text. Das ist das Eigene, das Spannende, das Clevere. Alles davor, braucht man nicht oder man müsste es lebendiger darstellen.
Und stilitisch: Es ist mir klar, dass du einen eigenen Stil hast .Ich hab dir vor x Jahren, bei deinen ersten Texten, Kommentare dazu geschrieben. Es ist absolut okay, wenn du schreiben willst, wie du schreibst. Aber: Schön ist es nicht. Wenigstens ab und an solltest du dir deine Satzgefüge anschauen und überdenken. Es ist auch in der Art zu schreiben sicher viel mehr drin. Nur weil dir Leute sagen: Das ist so schön antiquiert oder es ist so schön gediegen, und weil sich da keiner rantraut, dir auf diesem Feld mal die Sätze auseinander zu bauen, heißt das nicht, dass du völlig von der Stilistik befreit bist.

Der Kommentar ist nicht böse gemeint, aber ich würd’s mir wünschen, wenn du vielleicht mal ein bisschen aus dem stilistischen Trott raus kämst. Das muss jeder produktive Autor von Zeit zu Zeit wohl mal hören.

Gruß
Quinn

 

Hallo Meridian

Der Einstieg deiner Geschichte hat mich gleich tiefer heineingezogen:

Das hat diesen sanften mythischen Klang, man riecht da den Weihrauch beim Lesen.

Das freut mich, dass es einladend wenn auch gewollt salbungsvoll klingt. Ich hatte lange daran gezweifelt, mit einem solchen Satz zu beginnen.

Für Albino Luciani musste ich allerdings auf Wikipedia zurückgreifen, der bürgerliche Name dieses Papstes war mir unbekannt.

Im ersten Entwurf setzte ich den Namen Johannes Paul I. seinem Pontifikat entsprechend. Ich wählte dann jedoch kaschierend seinen bürgerlichen Namen, da ich mit Empfindsamkeiten bei manchen Lesern rechnete. Aber wahrscheinlich werde ich doch noch klar formulieren, um wen es sich handelt, da sonst ein Fantasienamen angezeigter gewesen wäre.

hat für mich dann die Spannung leider etwas gelockert, weil es hier vom Persönlichen weg ins Allgemeine und Historische geht. Vielleicht könnte man das anders gestalten, mehr auf die Figur Lucianis und seine unmittelbaren Gedanken beschränkt?

Beim Kerngedanken zu diesem Stück, eine der vielen Hypothesen zu verwerten, was beim Tod mit der sogenannten „Seele“ passiert, überlegte ich lange, in welcher Art von Geschichte es sich einfügen könnte. Die gewählte Figur von Luciani gab mir dann den Anstoss, ihr einen historischen Anstrich zu geben. Dies bedingte aber rubrikbedingt, in Grundzügen einige geschichtliche Aspekte anzuführen. Wie Luciani persönlich über das Offizielle hinaus dachte, ist schwer greifbar, da er sich m. W. öffentlich keine Blössen gab, und ich seine Gedanken aufgrund seiner Wesensart fiktiv vorstellen musste. Aber ich werde über diesen Abschnitt nochmals nachdenken. Vielleicht lässt es sich egalisieren, wenn ich seine Gedankengänge vertiefe. Sein vorgehendes Amt als Patriarch von Venedig hatte ihm ja einige Kalamitäten besorgt, die ihn sicherlich noch beschäftigten.

Auf der allgemeinen Ebene kennt die Geschichte also zwei Fragen, deren Verknüpfung nicht unmittelbar erkennbar ist.

Da hast du natürlich recht, dies ist nicht ganz geschickt in einer Kurzgeschichte. Mit der Schrift der Glaubenskongregation wird ein Handlungsstrang angerissen, der durch den plötzlichen Tod des Prot. gar nicht weiterführen kann. Ich werde mir überlegen, ob ich da ein mögliches Motiv für sein Ableben daraus deichseln kann, ein solches hatte ich mal ins Auge gefasst aber dann fallen gelassen.

Was an der Geschichte ungewöhnlich ist, ist die Tatsache, dass der Protagonist eigentlich gar nicht agiert und nicht agieren kann, da er zunächst stirbt, dann tot ist.
…vielleicht die Schwäche der Geschichte darstellt: Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Erleben wird nicht ausgespielt. Eine gewisse Beunruhigung Lucianis wird dargestellt, aber bevor er wirkliche Konsequenzen ziehen kann, ist die Auflösung vollendet.

Vor dem Tod noch zu agieren, fehlt ihm effektiv die Zeit. Es kann also nur die angebliche Aktivität seiner Seele zum Tragen kommen. An der Diskrepanz zwischen Erwartung und Erleben nach Eintritt des Todes, hatte ich lange überlegt. Das Problem welches sich mir stellte war, wieweit darf die Grenzüberschreitung gehen, wenn ich den im Kern fiktiven Text in Kontext zu einer religiös-historischen Figur stelle. Es sollte nicht blasphemisch wirken, zwar mit einer ironischen Hypothese gewürzt, aber durchaus in einem tragbaren Rahmen. Deshalb sein letzter Gedanke, dessen Vollendung offen bleibt. Aber vielleicht ist es dadurch doch zu zahm und bedarf einer schärferen Zuspitzung. Ich werde es auch diesbezüglich überarbeiten.

Also, in meinen Augen hat die Geschichte eine gute Atmosphäre und einen ungewöhnlichen Ansatz. Sie weiß aber nicht ganz genau, was sie will und rückt - für meinen Geschmack - zu häufig vom Protagonisten ins Allgemeine ab.

Dass dich die Idee zu der Geschichte anzusprechen vermag, gibt mir doch Bestätigung, dass es thematisch nicht verfehlt ist. Ich werde versuchen, den Fokus enger auf den Protagonisten zu richten, ohne dem historischen Bezug den Boden zu entziehen.

Was ich mich noch gefragt habe: Warum wählst du - in Verneinung der katholischen Lehrmeinung - diese antike Idee von den "Seelenatomen" die aus heutiger, rein wissenschaftlicher Sicht, doch auch nicht sehr wahrscheinlich ist? Die Funktion für die Erzählung sehe ich: Wenn mit dem Tod sofort alles vorbei wäre, wäre die Reflektion unmöglich. Aber metaphysisch wirkt es erst mal willkürlich.

Die Verwendung dieser antiken Hypothese von „Seelenatomen“ war mir natürlich einzig zum Zweck, die Frage der „Unsterblichkeit der Seele“ auszureizen. In der modernen Wissenschaft gibt es keinerlei Hinweise auf eine „seelische“ Existenz über den Tod hinaus. Darüber mögen auch sogenannte „Nahtoderfahrungen“ nicht hinwegtäuschen. Doch für die Geschichte musste ich dies ausklammern, da der Reflektion des Prot. der Boden entzogen gewesen wäre. Insofern ist es also reine Fiktion vor historischem Hintergrund.

Oder ist das Ganze so zu interpretieren, dass er am Ende - nach der "Zerstreuung" - doch vor das Antlitz Gottes geführt wird und eben diese Tage des Zweifels das Purgatorium darstellen? Das gefiele mir. Dann müsste ich allerdings umso mehr darauf bestehen, dass die Enttäuschung der Erwartung nicht genug ausgespielt wird. Für eine Seelenreinigung wird da nicht genug gelitten.

Diese Frage wollte ich in meinem Spiel offen lassen. Aber ich hatte wirklich mit diesem Gedanken gespielt, dass diese Zeit des Zweifels für den Prot. das Purgatorium darstellen könnte. Einer Parusie, also Ankunft im Sinne der katholischen Lehrmeinung, steht dann aber in Konflikt mit dem Vorhaben es in eine KG einzubinden, da Letztere streng genommen eine Zielverfehlung vorsieht. Aber auch hier werde ich mir noch weitere Gedanken machen, es gibt da schon Spielraum beide „Anforderungen“ unter einen Hut zu bringen, es soll letztlich ja fiktiv sein.

Die Schnitzer habe ich vorab schon mal ausgemerzt, während die weitere Bearbeitung doch einen grösseren Zeitraum einnehmen dürfte.

Für deine Auseinandersetzung mit dem Text, deinen Kommentar und die Fehlerhinweise danke ich dir herzlich.

**


Hallo Quinn

Dass ich deine Meinung zu einem meiner Texte wieder einmal vernehme, freut mich, obwohl ich ahnte, dass es mit einer kalten Dusche verbunden ist.

Der ganze Satz ist ein bisschen überflüssig, es ist nur eine allgemeine Behauptung, die danach präziser wird, warum nicht das präzise stehen lassen?

Stimmt, für eine Kurzgeschichte ist der Satz eher belastendes Vorgeplänkel.

Das sind alles Relativsätze, es sind 4 Nebensätze und jeder ist ein Relativsatz und es liest sich dann auch umständlich.

Ich werde den ganzen Absatz überarbeiten und es konkreter fassen.

Ich mein, es ist mir schon klar, dass du deinen Stil jetzt nicht grundlegend ändern wirst, aber … so Passagen eben an der exponiertesten Stelle eines Textes, am Anfang, du bringst dich selbst um die Leser. Was ist das eine Papstkrönung, oder? Das wär schon spannend, wie viele werden das aus den ersten paar Sätzen erkennen? 2% der Leser? 3%?

Um das Thema zu intensivieren, setzte ich bei diesem Text auf einen atmosphärisch angestaubten Ton. Aber dabei habe ich wohl im Zusammenspiel mit dem mir ohnehin eingefleischten Stil weit über das Ziel hinausgeschossen. Ich werde versuchen, den Text mir in der Ausdrucksform moderner Autoren vorzustellen und es anders zu fassen. Wie weit es gelingt, wird sich weisen müssen, da ich meinen Schatten nicht so leicht überspring kann.

Na ja, ich will lieber über die Intrigen lesen, wie ist es denn in der Kirche sonst üblich?

Ein paar Züge seiner Wesensart mussten da schon hinein, um ihn als Person fassen zu können. Natürlich lässt es sich kontrastieren, ohne sich gleich in den dunklen Wandelgängen seiner Welt zu verlaufen. Ich werde mal sehen, was sich da als Widerpart anbietet.

Ach ja, ich erinnere mich dunkel, das ist der vergiftete Papst mit dem Vatikanbankskandal. Davon weiß ich fast gar nichts, das wäre wirklich ein spannendes Thema!

Vielleicht war es ein Fehler, die Idee der Geschichte mit dieser Figur zu verknüpfen, da dieser Papst bereits einen besonderen Hintergrund aufweist. Zur Verschwörungstheorie gibt es ein Buch, weshalb ich diesen Aspekt ausklammerte. Anderseits war es für meine Vorstellung ein amüsanter Aspekt, eben eine solche Figur in seiner geistlichen Erwartung auszuloten. Dabei ging ich davon aus, dass es für diejenigen, die seine Konfrontation mit der Geheimloge P6 kennen, eine zusätzliche Note ist, und andere würden rein die vorliegende KG bemessen.

Es bringt doch gar nichts, den Leuten Namen zu geben, wenn sie nie wieder auftauchen.

Das stimmt grundsätzlich schon, hier schien es mir mehr im historischen Kontext gegeben. Namen oder einfache Sachverhalte zu eruieren – sofern man ihre Richtigkeit beurteilen kann - stellt keine Schwierigkeit dar. Wie du richtig bemerkst, ist Wikipedia hierfür ein Fundus, der sich allerdings selbst anderer Quellen bedient. Wenn es um einfache Sachverhalte geht, hole ich sie mir nicht selten auch da, für vertiefte Zusammenhänge verwende ich jedoch Bücher und Archive.

Die Geschichte beginnt im letzten Absatz. Das ist der Text. Das ist das Eigene, das Spannende, das Clevere. Alles davor, braucht man nicht oder man müsste es lebendiger darstellen.

Es stimmt, dass dies der Kerngedanke zur Geschichte war, und die andern Teile den Rahmen dazu abgeben mussten. Aber dies ist doch bei den meisten Geschichten so, sie haben ihren Aufhänger und werden in eine Rahmenhandlung gebettet. Anscheinend ist es mir nicht gelungen, dies in einer einzigen Gussform einzubringen, da ich mich mit der Verwendung einer einst real existierenden Persönlichkeit selbst hemmte. Diesen Fehler würde ich wahrscheinlich nicht mehr begehen, aber ich werde versuchen, auf der gesetzten Basis doch noch das Beste herauszuholen. Dass du in diesem Teil das Positive erkennen vermagst, ist mir doch auch Grund zur Freude.

Es ist absolut okay, wenn du schreiben willst, wie du schreibst. Aber: Schön ist es nicht. Wenigstens ab und an solltest du dir deine Satzgefüge anschauen und überdenken.

Ich mache mir da keine Illusionen bezüglich meiner Stilistik. Wenn ich „moderne“ Autoren lese, deren Texte mich mit Faszination reinziehen, denke ich mir schon auch, das ist es. Eben ergeht es mir so bei Ingrid Noll. Es liegt auf der Hand und doch lässt es sich nicht einfach so adaptieren. Man legt seine Eigenheiten nicht einfach ab, man kann stets daran feilen, aber es lässt sich nicht wie ein Kleidungsstück wechseln.

Der Kommentar ist nicht böse gemeint, aber ich würd’s mir wünschen, wenn du vielleicht mal ein bisschen aus dem stilistischen Trott raus kämst. Das muss jeder produktive Autor von Zeit zu Zeit wohl mal hören.

Ich nehme es dir keineswegs krumm, du hast schon recht mit deiner Standpauke, ich weiss das. Der Weg ist klar, das Ziel, na ja es liegt noch fern, wobei ich Schritt um Schritt darauf zugehe, manchmal leider auch mit einem Fehltritt einen Schritt zurück.

Ich danke dir für deine Auseinandersetzung mit dem Text und deinen Kommentar, der mir doch in einigen Aspekten gezielte Anregung gab, die ich bei der Überarbeitung vor Augen haben werde. Die Würdigung, die auch mitschwingt, freut mich sehr.

Schöne Grüsse euch beiden

Anakreon

 

Aufrecht sitzend, es war Zeit zum Schlafen, griff er nach dem Glas Wasser und trank mit grossen Schlucken. Merkwürdig der Geschmack, den es heute hat. Er ist nicht schal oder abgestanden, aber leicht bitter,
was weniger die Bitternis des Lebens oder Amtes sein wird, als ein Hauch von Verschwörungstheorie, wie sie nach dem Tode des ersten Johannes Paul, des 21-Tage-Papstes aufkommen musste, und die Du um eine interessante Variante der Leib-Seele-Problematik erweiterst, was schon zuvor von Meridian angesprochen wurde,

lieber Anakreon.

Ich hoffe, dass ich jetzt nix wiederhole von dem, was die Vorredner – durchaus mit Recht – zum Besten gegeben haben, aber neben der Vorliebe für Partizip-Konstruktionen fällt mir zum ersten Mal der Hang zur verneinenden Vorsilbe „un-“ auf

Unerfüllte/unwohl/Unfähigkeit/unerbittlich/unüberwindliche/unnütze …
Als gäbe es nicht (i. S. von kein) nicht nebst seiner Verwandtschaft.
Beispiel:
Bereits seit einigen Tagen fühlte er sich körperlich unwohl.
Da geb ich Quinn Recht. Wäre es nicht eleganter,
Bereits seit […] Tagen fühlte er sich [nicht] wohl,
um dann die Aufzählung folgen zu lassen?

Manchmal kitzelt Bürostaub – wie schon oft gesagt, Partizipien stören nicht, sofern nicht eine Reitschule daraus wird - in der Nase und es klingelt manchmal im Ohr, wie hier:

Hierarchiestufen
Gibt’s die Zusammensetzung überhaupt? Klingelt bei mir ein wenig nach Bürostaub, wenn die schlichte Ampel zur "ferngesteuerten Signalanlage" sprachlich mutiert.
Gut, eine Hierarchie besteht aus Rangstufen, eine flache Hierarchie folglich eher aus einer flachen, schiefen Ebene.
Zudem gibt’s im Katholizismus zwo - dann aber auch eher steile Wände – in der Weihe- und der Jurisdiktionshierarchie (wobei eher die letztgenannte gemeint sein wird).
Warum nicht
„Stufen der Hierarchie“, „hierarchische Stufen“ oder „Positionen“ u. a.?

Zeichensetzung, der Begriff der „Kommaschwäche“ wird von mir glatt übernommen. So wäre der altbekannte Sachverhalt nun benannt! Einiges ist schon aufgeführt, nur hier ist mir entfallen, ob das auch für den Satz gilt:

…, was er den AnforderungenKOMMA die sein neues Amt mit sich brachte, zur Last legte.
Wenn, dann steht es schon bei Quinn (und den Ausführungen zur Relativitis). Aber das wüsst ich jetzt wieder:
Nur, warum lässt Er mich warten, ist es eine Prüfung, die ich noch vollziehen muss.
Warum für Fragen der schlichte Punkt und nicht das Fragezeichen?

So wenig (oder schon zu viel?) für heute vom immer wieder gern lesenden

Friedel,

der noch fröhliche Ogtern im Sinne Emils wünscht!

 

Es ist wohl der beinah unmögliche Versuch, die mysteriös anmutenden Vorgänge um diesen Papst mit einer kurzen aber neuen Variante zu erweitern, die mich multipliziert zu Un…-Wörtern animierten,

lieber Friedel

Im Zuge der Überarbeitung werde ich auch diese unseriöse Ausdrucksweise eliminieren oder zumindest reduzieren.

Hierarchiestufen

Gibt’s die Zusammensetzung überhaupt? Klingelt bei mir ein wenig nach Bürostaub, wenn die schlichte Ampel zur "ferngesteuerten Signalanlage" sprachlich mutiert.

Es gibt sie schon diese Wortbildung, sogar im Umfeld der Literatur. Ich suchte aber vergeblich, ob es auch in einem literarischen Werk direkt verwendet wurde. Doch es ist ohnehin hinfällig, da ich die Hierarchiestufen im Zuge der Nachbearbeitung bereits opferte. Ein Teil der Geschichte habe ich inzwischen schon umgeschrieben (noch unveröffentlicht), einiges gekürzt, anderes erweitert. Die vergebliche Erwartung eines Übertritts in himmlische Gefilde soll ja den Kern dieser kurzen Geschichte bilden.

Warum für Fragen der schlichte Punkt und nicht das Fragezeichen?

Da hast du vollkommen recht. Vor lautem Mitfühlen mit seiner misslichen Situation entzog sich meiner Aufmerksamkeit, dass ich hier einen Fragesatz formulierte.

So wenig (oder schon zu viel?) für heute vom immer wieder gern lesenden

Zu wenig oder zu viel kann keine Frage sein, es ist das Mass, das sich aufdrängt. Ein Schmunzeln kam mir darüber auf, dass du nur drei Stunden nach dem Verklingen des päpstlichen Urbi et Orbi, diesen Text gerne gelesen hast. Du hast mich erfreulicherweise auf diese Unwörter aufmerksam gemacht, auch wenn keines die Chance hat, als Unwort des Jahres in den Medien Beachtung zu finden. Auch den Sätzen mit beinah versteckter Fragestellung werde ich mehr Aufmerksamkeit schenken und an den bekannten Altlasten arbeite ich.

Für Deinen Kommentar, die Hinweise und das „gerne lesenden“, danke ich dir, und wünsche dir noch einen fröhlichen Restfeiertag. Im Lande Emils trieben zu Ostern nebst Kirschblüten auch Schneeflocken.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Überarbeitung

Mit der vorliegenden Überarbeitung bemühte ich mich, den Kritiken soweit als möglich Rechnung zu tragen. Ob dies zufriedenstellend gelungen ist, fällt mir schwer abzuschätzen. Doch verstärkte ich den inneren Kampf des Protagonisten und nutzte die Zeit vor seinem Tod, um seine Persönlichkeit durchschimmern zu lassen. Was in der ersten Fassung als verschiedene Ebenen wahrgenommen wurde, sollte sich nun mehr zu einem Ganzen gerundet haben.

 

Paul, rief er tonlos. Paul VI. antwortete ihm nicht, …
Deutet sich in dieser Passage so etwas wie Humoreske an (Eulenspiegelei zu schreiben, sträube ich mich), die – seltsam genug – mit einem kurzen Moment der Ungeduld im
Herrgott nochmal, warum dauert es denn so lange,
beginnt,

lieber Anakreon?

Aber das vorweg: der Zuwachs an innerem Monolog (soweit man’s so bezeichnen kann) einer armen, weil verstorbenen Seele, tut der Geschichte gut und Humor, Ironie und Witz können da nicht schädlich sein.

Und doch fallen neben einem sachlichen Fehler vor allem Rückfälle in der Kommasetzung auf – K 117 (2) schlägt erbarmungslos zu, selbst da, wo’s in der älteren Fassung vordem schon überstanden erschien.

Aber eins nach dem andern, ohne jetzt auszuufern:

Schon der erste Satz ist geändert, wenn auch nur minimal. Hieß es zuvor konkret

Seit fünf Tagen liege ich nun in Seide, Baumwolle und Damast gebettet,
so jetzt:
Seit Tagen liege ich nun in Seide, Baumwolle und Damast gebettet,
d. h., was da mit sich selbst spricht, ersetze dem unkonzentrierten Leser die konkrete Fünftagewoche durch unbestimmte Zeit, die wenigstens zwei Tage (wg. des Plurals), aber höchstens eine Ewigkeit bedeuten kann, die aber doch unser Protagonist erst zu erlangen trachtet: Sollte der Tod doch ein langer Schlaf und folglich auf ewig sein?

Dem aufmerksamen und konzentrieren Leser wird sich aber alsbald die Fünftagewoche über andere Daten erschließen, denn gelungen erscheint mir in jedem Fall die Widerspiegelung des Naturereignisses in der Psyche des Mannes, dem sein Gott ein Amt gab, dem der sich aber nicht gewachsen fühlt – als wäre das Nervenkostüm auf links gewendet, die Anspannung des eher ruhigen Mannes nach Außen gekehrt.

Hier folgt aber ein formaler Schnitzer, der unbedingt zu korrigieren ist, denn Albino L. ist als Patriarch von Venedig und Kardinal Albino L gewählt worden, der erst nach der Wahl den Doppelnamen angenommen hat in Erinnerung an seine beiden Vorgänger. Der Satz

… zuvor wurde er als Johannes Paul I. zum Papst gewählt,
lautet so nicht gar zu korrekt.

Nun folgt (der traditionelle?), des Kommas entgangene Infinitivsatz:

Es gab BerufenereKOMMA um diesen Verwaltungsapparat zu leiten, die …
Wie schon genannt das Stichwort: K 117 (2).
Aber meine alte Kiste streikt zudem mit Kringeln vorm Nebensatz – Gott sei Dank!, denk ich, ist sie doch noch was wert – bei der unglücklichen Substantivierung des Komparatives, zudem darf bezweifelt werden, dass ein feinfühliger Mensch so grob denkt und den Komparativ verkürzt, besser vielleicht „Es gab/gibt Berufenere als mich …“ (wodurch der Kringel übrigens nicht beseitigt wird).

Aber K 117 (2) ist fortgesetzt zu nennen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Ich sah mich genötigtKOMMA Machenschaften anzuprangern, die …

Spiritualität sowie den Menschen im direkten Angesicht die christliche Botschaft zu verkündenKOMMA ist meine eigentliche Berufung.

Entgegen dem gewählten WegKOMMA sich im Gebet zu läutern und zu befreien, bürdeten …
(hier hätt’ ich vom Sprachgefühl her den Genitiv angemahnt – entgegen des … -, aber nun in Besitz + Eigentum einer, meiner – ersten! – Grammatik, die ich sicherlich nicht mit zu Bett nehmen werde, werde ich eines Besseren belehrt und find nun meine Abneigung gegen Gefühlsduseleien bestätigt & erweitert). Hier gab’s übrigens in der alten Fassung das Komma korrekt …

Und auch hier war die alte Fassung korrekter als die neue:

In Gegenwart des Toten telefonierte er mit Lucianis früheren Leibarzt aus der Zeit in Venedig,
dass ich frage „mit wem telefonierte er?

Abschließend solltestu überdenken, ob die Theoriegeschichte zum Abschluss nicht des Konjunktivs bedarf. Hierzu ein Beispiel:

Die Apologeten in der Frühzeit des Christentums waren in der Deutung den Platonikern nahe, dass die Seele fortbesteht.
Für den nebensatz besser Konjunktiv I (für den gläubigen), Konjunktiv II (für den skeptischen) Leser …

Wie immer gern gelesen wünscht der

Friedel

ein schönes Wochenende!

 

Hallo, lieber Anakreon,
tja, mit Päpsten hab ich es nicht so, daher habe ich lange mit dem Kommentieren gezögert, obwohl ich den Anfang deiner Geschichte schon vorher schön fand. Doch nach dem ersten Satz wurde es mir dann zu erklärend, bis der Papst dann tot war. Dann fand ich es interessant, und eine sehr ungewöhnliche, originelle Idee, weil ein toter Christ, und dann auch noch der Vertreter der gesamten christlichen Welt sich damit auseinandersetzen muss, dass er nicht auf die übliche Weise erlöst wird, sondern die ganze Zeit darauf warten muss. Und die "Heimkehr" ins himmlische Reich durch etwas Unchristliches, durch diese Splitterung der Seele, stattfindet. Finde ich toll, diese Idee. Die Ängste und Zweifel des Mannes, seine Veränderung und die Beobachtung und Reflektion dessen, was da mit ihm passiert, das war und ist für mich das Zentrale und Spannende an diesem Text.
Sehr gut finde ich, dass du da schon eine ganze Menge nachgelegt hast. Die Unsicherheit und der zunehmende Zweifel werden für mich jetzt viel deutlicher. Obwohl ich mir immer noch mehr vorstellen könnte. Und was mir auch schwer fällt, das ist die Vorstellung, dass der aufgebahrte Papst da liegt, vor sich hinwest und nicht die vollständige Panik kriegt, dass sein Weltbild komplett verrutscht ist. Dein Papst hat da noch die Zeit, alle möglichen Deutungen auf ihren Wahrheitsgehalt durchzugehen, und das wirkt auf mich immer noch relativ leidenschaftslos. Aber ich muss auch zugeben, dass ich ja hier in einen Geschichtstext reingeschmökert habe, es war dir wohl auch eine Intention des Textes, diese unterschidlichen Deutungen einzuarbeiten.
Also von daher stülpe ich dir möglicherweise auch etwas über, wenn ich mir noch mehr Angst, Zweifel und Unsicherheit bis Panik bei dem Mann wünschen würde.

Eine Idee hätte ich noch, kannst ja mal schauen, ob sie dir gefällt.
Ich persönlich würde die Abfolge seiner letzten Zweifel umbauen, und zwar genau anders herum betonen. Es geht um die beiden Absätze:


Er seufzte, doch rang er weiter nach einer ihm genehmen Deutung. Nach den modernen Wissenschaften gibt es keinen Beweis für das Vorhandensein einer Seele und sie bezeichnen eine solche Auffassung als Spiritualität. Haben sie mit ihrem fehlendem Gottvertrauen etwa recht und es ist einzig eine mystische Erwartung?
Kam Jesus zu einer solchen Erkenntnis, als er sich veranlasst sah zu rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

Mein Gott, antworte mir, rief er flehentlich und horchte vergeblich. Einzig das Gefühl von Absplittern setzte sich fort.
Noch ein letztes Moment bemühte er sich um Klarheit, was da mit ihm geschah. In der Bulle Benedictus Deus wurde 1336 festgesetzt, dass diejenigen, die nicht im Stand der Gnade sterben, für immer in die Hölle kommen. Diese drastische Sichtweise wurde später zwar gnädig revidiert, aber vielleicht war doch etwas an dieser Interpretation, das Gültigkeit hat? Ich war immer ein guter Hirte, demütig einzig auf Dich ausgerichtet, auch wenn ich mein Pontifikat nicht wie erwartet ausübte. Mein Geist war willig, aber der Körper war schwach. Nun ja, ich fühlte mich nicht berufen, aber ich nahm die Aufgabe dennoch ernst. War es nicht Deine Gnade, die mir diesen Weg abkürzte, damit ein dominanter Papst das Werk weiterführe?


Im Moment geht es so:
1) Seele und Gott selbst nur mystische Erwartung, existieren also gar nicht, Gott (ich weiß ich weiß, Dilemma) hat damit seinen eigenen Sohn reingelegt.
2) - wer nicht im Stand der Gnade steht, kommt in die Hölle - Rechtfertigung, dass er sich doch redlich bemüht hat.

Eigentlich ist das für mich eine ziemliche Zuspitzung seines Konflikts, sie müsste nur genau anders herum verlaufen.
Die Angst vor der Hölle oder die Agst davor, den Maßstäben des Himmels trotz alleer Bemühung nicht gehorcht zu haben, das unterstellt ja noch den Himmel, die Seele und Gott. Unterstellt also auch noch den Sinn seines ganzen Daseins, seiner Arbeit, seines Amtes. Aber wenn das alles nur eine mystische Erwartung war, dann hat er gearbeitet, getrebt, sich bemüht - für nichts.
Das stelle ich mir für einen Papst, der ja als gläubiger, sehr freundlicher Mann in der Literatur geschildert wird, als ein viel größeres Leid vor, alles, wofür er gelebt hat und wofür er steht, ist nichts.

Ja, gerne gelesen, wenn ich auch als alte Horrortante da wohl falsche Schwerpunkte setze.
Viele Grüße
Novak

 

Ich ahnte es doch,

lieber Friedel,

dass Luciani mir milde nachtragend noch ein Bein stellen könnte, doch erwartete ich es an anderer Stelle. Im Kampf um eine zeitgemässe Sprache und klangvolle Wortwahl sowie Ändern und Einfügen, Abwägen und Vergleichen, tja was soll ich sagen, habe ich mein Sündenregister wieder aufgepeppt.

Hier folgt aber ein formaler Schnitzer, der unbedingt zu korrigieren ist, denn Albino L. ist als Patriarch von Venedig und Kardinal Albino L gewählt worden, der erst nach der Wahl den Doppelnamen angenommen hat in Erinnerung an seine beiden Vorgänger.

Dein Geschichtsbewusstsein ist hier untrüglich. Der Lapsus, der mir beim saloppen Umgang mit der Papstwahl unterlief, habe ich eliminiert.

(hier hätt’ ich vom Sprachgefühl her den Genitiv angemahnt – entgegen des …

Hier empörte sich mein elektronischer Duden aber – ach wäre er doch in der Sprachinterpretation seiner eigenen Theorien immer so exakt -, beim Versuch es ungekürzt in Genitiv zu setzen. So ist der erste Teil des Satzes, wie von dir angemahnt, wieder der ersten Version entsprechend.

Ich danke dir für das nochmalige Lesen und die lektorierenden Hinweise, welche es den Lesern nun ermöglicht, den Text von diesem Aspekt her unbelasteter anzugehen.


+


Liebe Novak

Doch nach dem ersten Satz wurde es mir dann zu erklärend, bis der Papst dann tot war.

Tja, dieser Teil ist ein Tribut an die Rubrik, die Einbettung in eine historische Gegebenheit. Dafür wird die Perplexität dann doch umso tiefer, wenn der Blick hinter die (fiktive) Kulisse des Lebensendes folgt.

Dann fand ich es interessant, und eine sehr ungewöhnliche, originelle Idee,

Das freut mich sehr, da es in dieses Umfeld eingebettet, natürlich einige sonderliche Anforderungen stellte. Bis gegen den Schlussakt bemühte ich mich, es theologisch kompatibel aufscheinen zu lassen.

Die Ängste und Zweifel des Mannes, seine Veränderung und die Beobachtung und Reflektion dessen, was da mit ihm passiert, das war und ist für mich das Zentrale und Spannende an diesem Text.

Die Unvorstellbarkeit über das Leben hinaus, ist es wahrscheinlich auch, die den Menschen in frühgeschichtlicher Zeit Ängste und Zweifel erzeugten, und sie dem magischen Denken folgend bei vermeintlichen Göttern Zuflucht suchen liess. Beim heutigen Menschen schwingt der Pendel wohl mehr zwischen Sozialisation und Ungewissheit. Im Prinzip ist es aber ein analoger Stoff, auf dem auch Horrorfantasien basieren.

Und was mir auch schwer fällt, das ist die Vorstellung, dass der aufgebahrte Papst da liegt, vor sich hinwest und nicht die vollständige Panik kriegt, dass sein Weltbild komplett verrutscht ist.

Ich ging bewusst davon aus, dass der Tod an sich für den Prot. keinen Schrecken hat, da er eine fixierte Vorstellung über ein anderes Sein besitzt. Der Schock ist erst gegeben, als er merkt, dass dies nicht eintritt.

Eine Idee hätte ich noch, kannst ja mal schauen, ob sie dir gefällt.
Ich persönlich würde die Abfolge seiner letzten Zweifel umbauen, und zwar genau anders herum betonen.

Die Angst vor der Hölle oder die Agst davor, den Maßstäben des Himmels trotz alleer Bemühung nicht gehorcht zu haben, das unterstellt ja noch den Himmel, die Seele und Gott. Unterstellt also auch noch den Sinn seines ganzen Daseins, seiner Arbeit, seines Amtes. Aber wenn das alles nur eine mystische Erwartung war, dann hat er gearbeitet, getrebt, sich bemüht - für nichts.
Das stelle ich mir für einen Papst, der ja als gläubiger, sehr freundlicher Mann in der Literatur geschildert wird, als ein viel größeres Leid vor, alles, wofür er gelebt hat und wofür er steht, ist nichts.


Da habe ich anscheinend im Bemühen niemandem zu schmerzhaft auf die Füsse zu treten, es noch immer zu zurückhaltend formuliert. Das Geschehen impliziert es für mich eigentlich, was du anregst. Die Zersetzung der Seele dem Körper gleich sollte es ausdrücken, alle Materie und Energie löst sich naturgegeben auf. Doch Zeit sich darüber zu grämen bleibt ihm keine, da der Zersetzungsprozess nun sehr schnell erfolgt. Im Prinzip folgte ich da der (wissenschaftlichen) Logik, hängte allerdings als Fiktion für die Geschichte eine Zeitspanne an, in der die Seele sich erst auflöst, als der Körper seine Festigkeit verliert.
Ich habe nun ergänzend noch ein paar explizitere Formulierungen vorgenommen, die dem Vorgang diesbezüglich keine himmlische Hintertür offenlässt, es sei denn, man setzt das danach folgende dem Nichts gleich.

Ja, gerne gelesen, wenn ich auch als alte Horrortante da wohl falsche Schwerpunkte setze.

Das gerne gelesen freut mich sehr. Für Horrorverwöhnte hinkt es natürlich markerschütternden Bildern hinterher. Ich denke jedoch nicht unbedingt, dass du falsche Schwerpunkte setztest, doch vielleicht deutlich intensivere. Ich versuchte eben das Makabre in Verbindung mit der Realität und einem Augenzwinkern umzusetzen, die Geschichte hätte sonst schon in seinem Bett ihr wahrhaftes Ende gefunden.

Ich danke dir herzlich für die Auseinandersetzung mit der Geschichte, fürs Kommentieren und die wertvollen Hinweise auf das noch Unausgegorene. Vielleicht gelang es mir ja nun, dieses Manko ein wenig zu egalisieren.

Schöne Grüsse euch beiden

Anakreon

 

Nix zu danken,

lieber Anakreon,

aber schon die Idee des inneren Monologs der Seele hat's mir angetan - und dann noch im Wartesaal, pardon, wir sind ja nicht in ärztlicher oder anwaltlicher Praxis, also: Wartestand!

Aber da hätt' ich noch eine Anmerkung für Novak:

Hallo Novak,

Du schreibst

Dann fand ich es interessant, und eine sehr ungewöhnliche, originelle Idee, weil ein toter Christ, und dann auch noch der Vertreter der gesamten christlichen Welt sich damit auseinandersetzen -
und schließt u. a. mit den Worten
Seele und Gott selbst nur mystische Erwartung, existieren also gar nicht, Gott (ich weiß ich weiß, Dilemma) hat damit seinen eigenen Sohn reingelegt,
die Geschichte/Erkenntnis aber, die Du in zwo Zeilen erzählst, gibt es bereits, wenn auch nicht als Kurzgeschichte (die gab’s halt zu unseres geliebten Hölderlin Zeiten im 18. Jh. gar nicht). Jean Paul hätte sich in dem Format sicher weniger unterfordert als „unterlastet“ gefühlt mit der „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“, die provozierend mit den Worten beginnt, „Das Ziel dieser Dichtung ist die Entschuldigung ihrer Kühnheit“, dem alsbald die Erkenntnis folgt, „[n]iemand ist im All so sehr allein als ein Gottesleugner - …“ [Vorbericht, in: Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F.St. Siebenkäs].
Die „Rede …“ (von 1795) gibt’s auch in relativ preisgünstigen Anthologien, frag mich aber nicht, in welchen. Im gotteslästerlichen Weltbild Verlag gibt’s m. W. ein „Bändchen“ von ausgewählten Texten Jean Pauls. Da dürfte die Rede nicht fehlen. Und hier im Internet findest Du sie auch, ob vollständig, wüsst’ ich im Augenblick nicht.

Gleichwohl soll und kann diese unbedeutende Anmerkung Anakreons Geschichte nicht schmälern, allein schon wegen der großartigen Idee.

Gruß an Euch beide vom Flachlandtiroler (der tatsächlich Andreas Hofer verehrt)

Friedel

 

Hallo, Anakreon, ich nochmal, die Novak,

Ich ging bewusst davon aus, dass der Tod an sich für den Prot. keinen Schrecken hat, da er eine fixierte Vorstellung über ein anderes Sein besitzt. Der Schock ist erst gegeben, als er merkt, dass dies nicht eintritt.

Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Genau das meinte ich. Dass er am Anfang, wenn er gestorben ist, noch nicht in Panik gerät, das hast du erklärt und so finde ich es auch gut. Für meinen Geschmack hätte man die Verwirrung, Unsicherheit und Panik, als er merkt, dass er nicht heimgeholt wird, verstärken können. Genau um das Merken ging es, dass es nicht wie gewohnt eintritt. Aber vielleicht ist das ja auch ein bisschen Geschmackssache. Und weiter unten gestehe ich auch ein, dass es in diesem Text vielleicht nicht so sehr auf die Stärke der Geühle und ihre farbenfrohe Shilderung ankommt.

Da habe ich anscheinend im Bemühen niemandem zu schmerzhaft auf die Füsse zu treten, es noch immer zu zurückhaltend formuliert. Das Geschehen impliziert es für mich eigentlich, was du anregst. Die Zersetzung der Seele dem Körper gleich sollte es ausdrücken, alle Materie und Energie löst sich naturgegeben auf.

Nein, du hattest doch gar nicht zu zurückhaltend formuliert. Das hattest du schon sehr gut gemacht. Vielleicht habe ich mich sehr missverständlich ausgedrückt. Mir ging es um was anderes. Ich fand es einfach nur logischer, wenn der Papst zuerst Angst hat, dass er in die Hölle kommt. Und dann erst Angst hat, dass alles Gott, der Himmel etc. eine mystische Vorstellung (vom Menschen gemacht) ist. Also seine beiden letzten inneren Monologe einfach vertauschen. So wie du es jetzt formuliert hast, ist es dir sehr gut gelungen, mit dieser Umformulierung ist meine Bedebklichkeit auch obsolet geworden. Hölle oder Nichts, das ist hier die Frage.
:baddevil:

Im letzten Teil hätte ich eine kleine Korrektur:

Oder ist es das Nichts, das ich als Paradies wähnte, die wirkliche Erlösung? Sprich mit mir …
es würde ich weglassen. Hakt irgendwie grammatikalisch und leseflussmäßig.


Ich versuchte eben das Makabre in Verbindung mit der Realität und einem Augenzwinkern umzusetzen, die Geschichte hätte sonst schon in seinem Bett ihr wahrhaftes Ende gefunden.

Da hast du Recht und ich habe die Geschichte erneut total gerne gelesen. Vielen Dank für deine Idee und diese ungewöhnliche Geschichte.

Hallo, lieber Friedel,
vielen, vielen lieben Dank für diese Anregung. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so was wirklich als Erzählung/Rede gibt.
Es ist ja auch gar nicht meine Erkenntnis gewesen, sondern ich hatte nur Anakreons Gedankengang ein bisschen weitergeführt/flapsiger formuliert.

Kam Jesus zu einer solchen Erkenntnis, als er sich veranlasst sah zu rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?

Also - ich werde die „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“ in Ruhe lesen. Geholt habe ich sie mir schon.
Ich freu mich schon drauf. Schön, wenn man andere verwandte (Gottes)lästermäuler findet.

Ich grüß euch beide aus dem sonnigen Rhein-Main-Gebiet. Trotz Kälte dicke Heuschnupfennase gibts sowas?
Liebe Grüße
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Novak

Nein, du hattest doch gar nicht zu zurückhaltend formuliert.

Da bin ich beruhigt. Es war mir einfach ein Anreiz diese „historische Begebenheit“ mal aus einer anderen Perspektive literarisch-augenzwinkernd zu bearbeiten. ;) Die Anwendung von einem ausgewogen Mass, um nicht in alle Fettnäpfchen zu treten, beeinflusste den Inhalt eben auch.

Aber vielleicht ist das ja auch ein bisschen Geschmackssache.

Das ist es ganz bestimmt. Die einen dürften schon die Idee schockierend finden, während es für andere in der Ausgestaltung zu wenig Schrecken beinhaltet. Das ist das Verflixte, wenn man sich auf solche skurrile Themen einlässt. :D

Im letzten Teil hätte ich eine kleine Korrektur:

Oder ist es das Nichts, das ich als Paradies wähnte, die wirkliche Erlösung? Sprich mit mir …

es würde ich weglassen. Hakt irgendwie grammatikalisch und leseflussmäßig.

Da knirschte der Sand in meinem Getriebe, als ich jetzt den Satz wieder las. Du hast vollkommen recht, ja, es ist gar ein böser faux pas. Da ich es in ersten Morgenstunden verbrochen hatte, rechne ich es den Sünden der Nacht zu. Das es, auch wenn es hier keine freudschen Züge zeigte, habe ich umgehend eliminiert.

Ich danke dir für den korrektiven Hinweis und deine neuerlichen Ausführungen. Wenn ich das nächste Mal wieder in solche Unterwelten vorstosse, versuche ich es wieder mehr im Geiste eines genüsslichen Schauderns aufleben zu lassen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

vielleicht versuche ich es nochnmal, wenn es weniger müder bin. Aber jetzt tue mich schon schwer damit. Also generell schwer ist das glaub, wenn hier nur einer zu Wort kommt. Ich mag Dialoge und so. Handlung. Quinn hat schon viel zum Stil gesagt. Also ich glaube das Thema und der Inhalt ist gar nicht uninteressant, aber ja … also so ein Pabst mit Selbstzweifel, der dann redet und ja … also ich habs schon zu 7/8 gelesen oder so. Es sind auch gute Gedanken dabei, aber jetzt auch nichts Neues.

Zerstreuen sich die Seelenatome, sobald die Zersetzung des Körpers die Bindung aufhebt? Ist es dies, was ich jetzt wahrnehme? Eine Auflösung der Seele anstelle einer Auferstehung des Menschen, das darf nicht sein, es wäre ja … Schrecklich dieser Gedanke.
Er seufzte, das merkliche Schaudern noch von sich weisend, und rang weiter nach einer ihm genehmen Deutung. Nach den modernen Wissenschaften gibt es keinen Beweis für das Vorhandensein einer Seele und sie bezeichnen eine solche Auffassung als Spiritualität. Haben sie mit ihrem fehlendem Gottvertrauen etwa recht und es ist einzig eine mystische Erwartung?
Kam Jesus zu einer solchen Erkenntnis, als er sich veranlasst sah zu rufen: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Seine Seele bebte, die aufgekommenen Zweifel erschütterten ihn zutiefst. Es darf nicht sein, dass ich in meinem Glauben und meiner Überzeugung derart fehlging. Seit zwei Jahrtausenden folgen Menschen diesem Weg, sag mir, dass er nicht im Nichts endet. Der Sinn des Glaubens einzig eine moralische Lebensgestaltung beinhaltet. Dann wäre für den Menschen ja auch nur die Endlichkeit gegeben, wie bei niederen Lebewesen.

Das muss man anders anpacken glaube ich. Ein Gespräch zumindest, und kein Monolog. Oder ein Parabel … was weiß ich.
Tut mir leid, wenn ich jetzt nichts Konstruktiveres dazu sagen kann.

MfG,

JuJu

 

Hallo JuJu

Dass eine meiner Geschichten wieder mal deine erkennbare Neugierde weckte, freut mich.

vielleicht versuche ich es nochnmal, wenn es weniger müder bin.

Dass das ES über das ICH herrscht, wenn die Müdigkeit Oberhand hat, versteh ich vollauf. :) Es ist auch eine ungewöhnliche Geschichte, die ich da aufgetischt hatte, vom kausalen Geschehen her historisch aber in der weiteren Darlegung fiktive Hypothese, deren Beweisführung auf ewig ausbleiben wird.

Also ich glaube das Thema und der Inhalt ist gar nicht uninteressant, aber ja …

An dem nicht uninteressant klammere ich mich fest. Solche Worte sind die Brosamen von denen ein unbedeutender Poet wie ich, existiert.

Das muss man anders anpacken glaube ich. Ein Gespräch zumindest, und kein Monolog. Oder ein Parabel … was weiß ich.

Natürlich ist das Selbstgespräch atypisch für eine Kurzgeschichte. Sein vermeintlicher Gegenüber, Gott, schweigt. Handkehrum ist eine reine Dialoggeschichte auch nicht die Norm einer KG. Dass entscheidende bei solch abweichenden Formen ist, denke ich zumindest, ob es die Leser einbinden kann, ansonsten hat es versagt. Leider sehe ich hier keinen dialogischen Ausweg auf dieser Ebene. Als reine Erzählung und nicht KG wäre dies wahrscheinlich besser gelungen.
Eine Parabel mit dieser Ausgangssituation wäre sicher ganz lustig, wenn auch eine total andere Geschichte. Da könnte man als Gegenüber etwa den Teufel, gar von Amt wegen als advocatus diabolis, ins Spiel bringen. Doch ich wollte es in einen realen wenn auch sonderlichen Bezug stellen, dies ist mein Dilemma. Der erste Gedanke war auch, es als Horror aufzubauen, doch da wäre es zu despektierlich ausgefallen. So trat ich die Flucht in die Historik an.

Tut mir leid, wenn ich jetzt nichts Konstruktiveres dazu sagen kann.

Das literarische Ergebnis steht eben manchmal im tiefen Schatten der kreativen Arbeit, deren Gewinn es sein mag aus seinen Fehlern zu lernen. Ich ahne das Murren hinter den Kulissen: Wenn er es doch nur täte! Doch ich freue mich, dass du den Text weitgehend gelesen und kommentiert hast. Das deute ich als ein Zeichen von Wertschätzung. :shy:

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hi Anakreon,
Ich fand die Geschichte sehr gut. Passt für mich mehr in Philosophisches, aber das mag Geschmackssache sein.
Der Einstieg ist sehr gelungen. Was mir fehlt, ist, das ich nicht mit dem Papst mitfühlen kann. Zu wenig kommt mir der Schrecken durch oder die Angst. Er ist zu kühl, als ginge es nicht um seine Seele, als säße er noch immer lebendig da und diskutierte. Hier braucht es für mich mehr Gefühl.

Nach den modernen Wissenschaften gibt es keinen Beweis für das Vorhandensein einer Seele und sie bezeichnen eine solche Auffassung als Spiritualität. Haben sie mit ihrem fehlendem Gottvertrauen etwa recht und es ist einzig eine mystische Erwartung?
Das hier klingt für mich mehr nach Lehrbuch, als nach den Gedanken eines toten.

Generell nimmt diese Tendenz zum Ende hin zu. Hier könntest du ihn deutlicher mit zwei verschiedenen Stimmen sprechen lassen: Einem inneren Zweifler und einem weiterhin gläubigen Papst zum Beispiel.

LG
Bernhard

 

Hallo Bernhard

Ich fand die Geschichte sehr gut. Passt für mich mehr in Philosophisches, aber das mag Geschmackssache sein.

Das freut mich sehr, dass sie bei dir Anklang fand. Es war eine Idee, die mir spontan zufloss, die nach Umsetzung verlangte. Ich gebe dir recht, an sich hätte sie sich in Philosophisches passend eingefügt. Was mich daran hemmte, war, dass ich erst mal Gras über die Unruhe um meine Letzte dort wachsen lassen wollte. So überschreitet es zwar die Grenzen historischer Fakten, die Juristen würden es wohl Beugung der Geschichte nennen, doch nimmt es zumindest wirkliches Geschehen auf und spinnt es weiter.

Zu wenig kommt mir der Schrecken durch oder die Angst. Er ist zu kühl, als ginge es nicht um seine Seele, als säße er noch immer lebendig da und diskutierte. Hier braucht es für mich mehr Gefühl.

Hm, ja, du sprichst da indirekt auch die Seite des schlichten Menschen in ihm an, der sich eigentlich danach sehnte, als gewöhnlicher Pfarrer in der Kirche seines Heimatdorfes walten zu können.

Das hier klingt für mich mehr nach Lehrbuch, als nach den Gedanken eines toten.

Da sprach seine andere Seite, die des Gelehrten, des in theologischem Disput geschulten, der es bis anhin verstanden hatte, aufkommende Zweifel zugunsten des Glaubens zu verdrängen. Aber es stimmt schon, so isoliert, sehe ich diese Gedanken nun auch als nicht formvollendet. Ich werde mich da wohl vertiefter in die theologisch-scholastische Methode einarbeiten müssen, um seine diesbezüglichen Emotionen annähernd nachzuvollziehen.

Generell nimmt diese Tendenz zum Ende hin zu. Hier könntest du ihn deutlicher mit zwei verschiedenen Stimmen sprechen lassen: Einem inneren Zweifler und einem weiterhin gläubigen Papst zum Beispiel.

Da der lächelnde Papst in seinem Sarkophag noch keine Ruhe geben mag, weil seine Persönlichkeit so noch unvollendet gezeichnet ist, werde ich mich nochmals daran machen, diese Seite an ihm zu honorieren und den inneren Disput ausgewogener darzulegen.

Es wird einige Zeit erfordern, dies in einen überlegten inneren Dialog zu führen, aber ich werde daran feilen. Vorab steht noch eine neue Geschichte an, deren Abfassung ich zusagte und die an sich vollendet ist. Zudem zwei weitere Überarbeitungen an Texten, die in der Pipeline ihrer Reifung harren. So werde ich die Vorliegende wohl erst in einigen Monaten neu auflegen können.

Ich danke dir für deine Auseinandersetzung mit diesem Text, die lobenden Worte und die Kritik. Es ist mir Anstoss, mich nochmals daran zu wagen, diese Geschichte möglichst würdig zu vollenden.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Textergänzung

Wie vor Längerem zugesagt, habe ich die Zwiespältigkeit zwischen dem Zweifeln und dem einfachen Glauben verdeutlichend, drei Passagen hinzugefügt.

 

Hi Anakreon,
Es ist auf jeden Fall eine Verbesserung und liest sich am Ende flüssiger.

Dieser Dialog mit ihm blieb mir unvergessen, er war mir immer Leitfaden und Licht, auch wenn die Zeiten manchmal dunkel waren oder Zweifel jeglicher Art mich quälten.
nur hier wirkt der innere Dialog recht unnatürlich

lg
Bernhard

 

Herrgott nochmal, warum dauert es denn so lange, rebellierte er.
Ich bin überzeugt,

lieber Anakreon,

dass Albino L. als (volksnaher) Geistlicher umgangssprachlichen Umgang (merkwürdige Konstellation zwing ich mir auf) pflegte – aber auch, wenn er mit seinem Boss ungeduldig wurde?
Denn der Duden zeigt noch mal an, um mit dem nächsten Atemzug ein „nochmal (ugs.)“ zuzulassen. Dabei hätte ich gedacht, dass der Stand wie beim „so was“ immer auseinander zu halten wäre, wie dieses nämlich eine umgangssprachliche Verkürzung des „so [et]was“ ist, kann’s „noch [ein]mal“ eigentlich auch nur sein - sonst hieße es ja "nochmals".

Was mir beim ersten Lesen des ergänzten Textes auf- und gefallen will, sind die Erinnerungen an die Kindheit, die, das wirstu besser beurteilen können als ich, seine Entwicklung prägten in Richtung Geistlichkeit

Er erinnerte sich an seine Kindheit in der Dorfkirche ….
&
In Gedanken sortierte er die Devotionalien, welche er als Kind zu sammeln begann ...
Bis hin zum Kelch, der nun wahrhaftig nicht an ihm vorbei geht, ringt er doch nun auch mit seiner Überzeugung, wie ja auch dem Juniorchef Zweifel aufkamen …

Nochmalig gern gelesen vom

Friedel

 

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