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Ungehörtes Glück
Unerträgliches Kopfweh schreckte mich aus meinen glücklichen Träumen. Verdammt, tat das weh! Kaffee - ja, Kaffee würde helfen. Schlaf- und schmerztrunken schlurfe ich Richtung Küche und versuche, meine Gedanken wieder auf die Reihe zu bekommen. Der ekelhafte Rauch- und Alkoholgeruch, der von mir ausgeht, bringt mir den Ursprung meiner Schmerzen wieder in den Sinn. Es war spät geworden gestern und der Alkohol floss reichlich. Doch wer wollte mir das vorwerfen? Nach jahrelangem erfolglosen Spiel hatte es geklappt. Endlich - ein Lottogewinn. Jetzt war ich ein reicher Mann.
Ein jäher Schrecken durchzuckt mich. Was, wenn ich nur geträumt hätte? Ich greife in den alten Morgenmantel und fühle Papier. Da ist er - der wichtige Schein mit den richtigen Zahlen. Es ist also wahr. Tatsächlich Millionär. Einfach das beste Mittel, um Katerstimmungen zu dämpfen.
Moment! Irgend etwas passte nicht. Ich besitze doch gar keinen Morgenmantel. Wo bin ich hier überhaupt? Das ist nicht meine Wohnung. Eigentlich spiele ich schon seit Jahren nicht mehr Lotto. Verdammt, was ging da bloß ab? Nur langsam dringt die Umgebung in mein Gehirn und wird zu einem schmerzdurchwobenen Wirbel.
Auf einmal sehe ich ein riesiges Fenster, das sich über die gesamte Breite des Raumes erstreckt. Ich stolpere hin und sehe verblüfft lauter kleine Leute jeden Alters und jeden Geschlechts vorbeilaufen. Vereinzelt schauen sie sogar hoch zu mir. Ich muss da weg, etwas anziehen, die unbekannte Wohnung verlassen. Eine noch quälendere Erkenntnis entspringt meinem gepeinigten Kopf. Ich war wohl zu diesem Fenster gekommen, doch nun war es mir unmöglich, mich wieder in den Raum zurückzuziehen. Alles wirkte so ... zweidimensional. Ich komme einfach nicht mehr vom Fleck.
Die Leute draußen - sie müssen mich doch sehen. Ich klopfe gegen die Scheibe, tobe, schreie - niemand reagiert. Manche sehen zwar herauf, gehen letztendlich aber unbeirrt weiter. Keiner bleibt stehen. Ich steigere meine Anstrengungen, werfe mich gegen das Fenster und brülle mir meine Panik aus dem Leib.
Tränen rinnen über mein Gesicht. Meine Stimme versagt mehr und mehr. Trotzdem gebe ich nicht auf. Ich schreie und weine und schreie ...
"Du, Mama - was hat denn der Mann da?"
"Welcher Mann, Schatz?"
"Dort oben."
"Ach so - der Mann. Der freut sich."
"Aber warum schreit er dann?"
"Er jubelt."
"Schau mal, Mama, der weint sogar."
"Du mit deiner Fantasie, Kind. Das sind sicher Freudentränen. Komm jetzt weiter!"
"Mir tut er leid. Können wir ihm nicht helfen?"
"Jetzt reicht es aber! Der freut sich, weil er gerade Lottomillionär geworden ist. Das steht sogar auf diesem Werbeplakat oben. Und jetzt weiter, wir müssen noch einkaufen!"
"Mama, was ist ..."
"Schluss habe ich gesagt!"