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Ungehörtes Glück

Lev

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06.02.2007
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Ungehörtes Glück

Unerträgliches Kopfweh schreckte mich aus meinen glücklichen Träumen. Verdammt, tat das weh! Kaffee - ja, Kaffee würde helfen. Schlaf- und schmerztrunken schlurfe ich Richtung Küche und versuche, meine Gedanken wieder auf die Reihe zu bekommen. Der ekelhafte Rauch- und Alkoholgeruch, der von mir ausgeht, bringt mir den Ursprung meiner Schmerzen wieder in den Sinn. Es war spät geworden gestern und der Alkohol floss reichlich. Doch wer wollte mir das vorwerfen? Nach jahrelangem erfolglosen Spiel hatte es geklappt. Endlich - ein Lottogewinn. Jetzt war ich ein reicher Mann.
Ein jäher Schrecken durchzuckt mich. Was, wenn ich nur geträumt hätte? Ich greife in den alten Morgenmantel und fühle Papier. Da ist er - der wichtige Schein mit den richtigen Zahlen. Es ist also wahr. Tatsächlich Millionär. Einfach das beste Mittel, um Katerstimmungen zu dämpfen.
Moment! Irgend etwas passte nicht. Ich besitze doch gar keinen Morgenmantel. Wo bin ich hier überhaupt? Das ist nicht meine Wohnung. Eigentlich spiele ich schon seit Jahren nicht mehr Lotto. Verdammt, was ging da bloß ab? Nur langsam dringt die Umgebung in mein Gehirn und wird zu einem schmerzdurchwobenen Wirbel.
Auf einmal sehe ich ein riesiges Fenster, das sich über die gesamte Breite des Raumes erstreckt. Ich stolpere hin und sehe verblüfft lauter kleine Leute jeden Alters und jeden Geschlechts vorbeilaufen. Vereinzelt schauen sie sogar hoch zu mir. Ich muss da weg, etwas anziehen, die unbekannte Wohnung verlassen. Eine noch quälendere Erkenntnis entspringt meinem gepeinigten Kopf. Ich war wohl zu diesem Fenster gekommen, doch nun war es mir unmöglich, mich wieder in den Raum zurückzuziehen. Alles wirkte so ... zweidimensional. Ich komme einfach nicht mehr vom Fleck.
Die Leute draußen - sie müssen mich doch sehen. Ich klopfe gegen die Scheibe, tobe, schreie - niemand reagiert. Manche sehen zwar herauf, gehen letztendlich aber unbeirrt weiter. Keiner bleibt stehen. Ich steigere meine Anstrengungen, werfe mich gegen das Fenster und brülle mir meine Panik aus dem Leib.
Tränen rinnen über mein Gesicht. Meine Stimme versagt mehr und mehr. Trotzdem gebe ich nicht auf. Ich schreie und weine und schreie ...

"Du, Mama - was hat denn der Mann da?"
"Welcher Mann, Schatz?"
"Dort oben."
"Ach so - der Mann. Der freut sich."
"Aber warum schreit er dann?"
"Er jubelt."
"Schau mal, Mama, der weint sogar."
"Du mit deiner Fantasie, Kind. Das sind sicher Freudentränen. Komm jetzt weiter!"
"Mir tut er leid. Können wir ihm nicht helfen?"
"Jetzt reicht es aber! Der freut sich, weil er gerade Lottomillionär geworden ist. Das steht sogar auf diesem Werbeplakat oben. Und jetzt weiter, wir müssen noch einkaufen!"
"Mama, was ist ..."
"Schluss habe ich gesagt!"

 

Hallo Lev,

deine Geschichte hat mir gut gefallen, allein - die Kategorie passt irgendwie nicht, finde ich. Sonstige wäre doch eine echt gute Alternative!
Wirklich gut geschrieben, der auflösende Dialog hat mir auch gefallen, bis auf den entscheidenden Satz:

Der freut sich, weil er gerade Lottomillionär geworden ist. Das steht sogar auf diesem Werbeplakat oben.
Nee ... entweder kann das Kind schon selbst lesen, dann hätte es aber nicht gefragt oder aber es kann eben nicht lesen, dann kann die Mutter aber nicht damit antworten, dass es "sogar" da steht
"Ach so - der Mann. Ich glaube, er freut sich."
Und wieso glaubt die Mutter das nur? "Ach so - der Mann. Der freut sich." fänd ich gut.

Tserk

 
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Danke für die schnelle Kritik.
Ich muss zugeben, ich habe noch gar nicht nachgeschaut, was eigentlich in die Rubrik Sonstige gehört. *betretenzubodenschau* Für mich allerdings wäre es schon ein Horror, in einen Plakat zu erwachen.
Was den ersten Satz betrifft, den du kritisierst; auch hier muss ich ein Geständnis machen. Es ist der Satz in der ganzen Geschichte, der nicht wirklich funktioniert und dabei ist er vielleicht der wichtigste. Aber ich nehme gerne Anregung dankend entgegen.
Dein zweiter Vorschlag gefällt mir so gut, daß ich den glatt übernehmen werde. geändert

Danke nochmals und
LG
Lev

 

Ich muss zugeben, ich habe noch gar nicht nachgeschaut, was eigentlich in die Rubrik Sonstige gehört. *betretenzubodenschau*
Ach, schooon verziehen ;)
Für mich allerdings wäre es schon ein Horror, in einen Plakat zu erwachen.
Ach so ... hm. ich dachte, es wäre einfach aus der Sicht einer Plakatsfigur, und nicht, dass jemand als solche erwacht ... Na ja, musst mal schauen, was andere dazu meinen, zur Kategorie-Frage ;)
Es ist der Satz in der ganzen Geschichte, der nicht wirklich funktioniert und dabei ist er vielleicht der wichtigste.
Genau :)
Aber ich nehme gerne Anregung dankend entgegen.
Hm ... so spontan würde ich sagen:
Der freut sich, weil er gerade Lottomillionär geworden ist. Das steht sogar auf diesem Werbeplakat oben.
Der freut sich doch, weil er gerade im Lotto gewonnen hat, wie es daneben auch auf dem Plakat steht. Du kannst doch schon lesen!

Das ist aber nur ein spontaner Vorschlag, vielleicht fällt dir oder andern was Besseres ein.

Tserk

 

Hi Lev,

die Idee ist nicht schlecht, die Umsetzung begeistert mich nicht so sehr wie Tserk. Der Reihe nach:

Unerträgliches Kopfweh schreckte mich aus meinen glücklichen Träumen. Verdammt, tat das weh! Kaffee - ja, Kaffee würde helfen. Schlaf- und Schmerztrunken schlurfe ich Richtung Küche
Finde den Tempuswechsel von Vergangenheit zu Präsens etwas ungeschickt. Lieber durchgehend im Präsens schreiben.
Schlaf- und Schmerztrunken
-> "Schlaf- und schmerztrunken"

Irgend etwas passte nicht.
Auch hier wieder Präsens.
Verdammt, was ging da bloß ab?
Und hier.
Auf einmal sehe ich das riesige Fenster, welches sich
"... das sich" fände ich eleganter.
Eine noch quälendere Erkenntnis ereicht meinen gepeinigten Kopf.
1. "erreicht"
2. Klingt etwas seltsam ... erreicht die Erkenntnis wirklich seinen Kopf - oder entspringt sie ihm bzw seinem Gehirn nicht eher? Denn von wo sollte sie sonst herkommen, wenn nicht aus seinem Gehirn?
Die Leute draussen
-> "draußen"

Horror passt schon als Kategorie und wie gesagt, die Grundidee, dass der Mann als Plakatfigur erwacht, gefällt mir. Allerdings würde es für meinen Geschmack besser passne, wenn er wirklich wie eine richtige Plakatfigur aufwacht, also auch regungslos ist und zwar alles sieht, was da unter ihm abläuft, aber sich weder rühren noch verständigen kann und ihm dann dämmert, was mit ihm geschehen ist ...

Ginny

 

hi Lev!

So, wieder mal in der Horrorrubrik gelandet (mein kleiner Liebling:) )

zur Geschichte!:::

Die Leute draussen
Kennst du das evolutionäre ß? ;)

Gut erzählt, gefält mir, aber die Idee ist nicht neu:teach:
So eine ähnliche Folge gab es schon bei X-Factor! inspiration?
Naja, egal. Mir hat diese kurze Geschichte gefallen. Du hast dich kurz gefasst, dass hat mir am besten gefallen. Und den Dialog am Schluss finde ich gut, zu bemängeln habe ich eigentlich nichts.
Gruß,
T. the second

 
Zuletzt bearbeitet:

@Tserk
Danke für den Vorschlag, aber irgendwie zündet er nicht. Mal schauen, vielleicht hat ja noch irgendwer die zündende Idee

@Ginny-Rose

Vorweg mal auch dir Danke.

Der Reihe nach: Finde den Tempuswechsel von Vergangenheit zu Präsens etwas ungeschickt. Lieber durchgehend im Präsens schreiben.

Nicht böse sein. Aber ich habe diesen Satz gelesen und gedacht: Aha, Literaturwissenschaftlerin. Und siehe da: dein Profil bestätigt.
Aber das nur nebenbei. Diesen Tempuswechsel habe ich absichtlich so gelassen. Aber ich verstehe die Verwirrung, die ich damit ausgelöst habe, durchaus.
So kurz wie möglich: Die Ausgangssituation des (nennen wir ihn) Protagonisten ist folgende. Er wacht auf, hat geträumt, bewegt sich (vermeintlich) nach dem üblichen von ihm gewohnten Schema und merkt in dem Moment seines endgültigen Erwachens, daß etwas nicht stimmt. Die Zeiten wechseln darum, weil (zumindest sein Part) so eine wilde Mischung aus Traum, Albtraum und surrealer Wirklichkeit besteht.

"schmerztrunken" und "draußen" sind meine kläglichen Versuche, meine Schreibe der Neuen Deutschen Rechtschreibreform anzupassen. "erreicht" ist schlichtweg ein Tipp-Fehler. Alle drei werden geändert. Danke für diese Hinweise.

"... das sich" fände ich eleganter.

Ich im Normalfall auch. Irgendwie fand ich aber "welches" hier passender.

2. Klingt etwas seltsam ... erreicht die Erkenntnis wirklich seinen Kopf - oder entspringt sie ihm bzw seinem Gehirn nicht eher?

Tut sie, wird geändert.


Allerdings würde es für meinen Geschmack besser passne, wenn er wirklich wie eine richtige Plakatfigur aufwacht, also auch regungslos ist und zwar alles sieht, was da unter ihm abläuft, aber sich weder rühren noch verständigen kann und ihm dann dämmert, was mit ihm geschehen ist ...

Sicher auch eine gute Variante, wollte ich aber nicht.

LG
Lev

 

@Torsten2

aber die Idee ist nicht neu:teach:

Tja, leider hat es fast alles schon gegeben. Schwer, etwas Neues zu schaffen.

So eine ähnliche Folge gab es schon bei X-Factor! inspiration?

Sorry, ich habe noch niemals "X-Factor" gesehen.

Naja, egal. Mir hat diese kurze Geschichte gefallen. Du hast dich kurz gefasst, dass hat mir am besten gefallen. Und den Dialog am Schluss finde ich gut, zu bemängeln habe ich eigentlich nichts.

Freut mich. Danke.
LG
Lev

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lev!

Auch mir hat diese kurze skurile Geschichte gut gefallen. Deine knappen Sätze kenne ich ja bereits aus den Zwölf Schlägen ... dein schöner Erzählstil entbehrt jeglichen Überflusses, mMn. Die Idee zur Geschichte finde ich einfach super, da könnte man bestimmt noch viel mehr draus machen. ;)

Ich muss mich Ginny Rose allerdings anschließen, auch ich hätte den Anfang im Präsens geschrieben, klänge runder, mMn.

Schlaf- und schmerztrunken schlurfe ich Richtung Küche und versuche, meine Gedanken wieder auf die Reihe zu bekommen.

Woher weiß er eigentlich, wo das ist: Richtung Küche. Es ist ja gar nicht seine Wohnung.

Nach jahrelangem erfolglosen Spiel hatte es geklappt.
... jahrelangem, erfolglosen Spiel ... (Komma, wenn ich mich nicht irre.:shy:)

Auf einmal sehe ich das riesige Fenster, welches sich über die gesamte Breite des Raumes erstreckt.

Über diesen Satz wurde bereits ausgiebig diskutiert, deshalb nur ein Vorschlag zur Vermeidung des "welches", welches du vermutlich wegen der sonstigen Wortwiederholung mit "das" verwendet hast.

Auf einmal sehe ich ein riesiges Fenster, das sich über ...


Gerne gelesen!
Liebe Grüße,
Manuela :)

 

Hallo Lev,

die Idee mag vielleicht nicht neu sein, aber ich bin dir voll auf den Leim gegangen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dachte erst, der Kerl hätte jemanden umgebracht, um an dessen Gewinn zu kommen. Gelungen falsche Fährte mit dem Erwachen im falschen Haus. Das der Kerl niemals Lotto gespielt hat, empfinde ich als störend. Ist doch viel gemeiner, wenn dies der tatsächliche Gewinn ist, nach dem alle so fiebern.
Schön finde ich auch, dass es das Kind ist, das einzig die Wahrheit sieht. Eben ungetrübte Kinderaugen...
Ich habe mich alles in allem gut unterhalten gefühlt. *nach nicht vorhandenem Lottoschein kram* ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo,

insgesamt hat mir die Geschichte recht gut gefallen. Mit dem Tempuswechsel hatte ich auch so meine Probleme - liegt vielleicht daran, dass ich ebenfalls einer dieser leidigen Ex-Literaturstudenten bin. ;-)

Das Ende hat mich dann auf jeden Fall noch einmal positiv überrascht. Damit hatte auch ich nicht gerechnet.
Also insgesamt fällt mein Fazit fast vollkommen positiv aus ... ;-)

Weiter so!

 

Hallo Manuela, weltenläufer und coppelius

Euch dreien einmal Danke für Kritik und Gefallen.

@manuela korn

Die Idee zur Geschichte finde ich einfach super, da könnte man bestimmt noch viel mehr draus machen. ;)

Ich werd' mich bemühen, wenn ich sie mal neu schreibe.

Ich muss mich Ginny Rose allerdings anschließen, auch ich hätte den Anfang im Präsens geschrieben, klänge runder, mMn.

Mag so sein. Aber da muß ich dich auf die Antwort verweisen, die ich bereits Ginny Rose gegeben habe. Ich sah im Tempuswechsel einfach eine gewisse Logik, die den Handlungsverlauf entspricht und stehe nach wie vor dazu.

Woher weiß er eigentlich, wo das ist: Richtung Küche. Es ist ja gar nicht seine Wohnung.

Bedenke - das weiß er anfangs in seinem Halbtraumzustand nicht.

... jahrelangem, erfolglosen Spiel ... (Komma, wenn ich mich nicht irre.:shy:)

Nach der Neuen Deutschen Rechschreibung hast du absolut Recht. Manchmal bin ich aber ein wenig altmodisch und früher (in den guten alten Zeiten :) ) war diese Form durchaus möglich.

Auf einmal sehe ich ein riesiges Fenster, das sich über ...

Schön! Gefällt mir! Damit kann ich leben. Nehm ich!

@weltenläufer
Auf den Leim führe ich gerne :D . Freut mich und nochmals Danke. Bei einer späteren Überarbeitung übernehme ich auch gerne deinen Vorschlag betreffs tatsächlichen Lottogewinns. Wäre logischer, ja!

@coppelius (und auch @ginny rose, falls sie noch einmal vorbeischaut)
Falls das so rübergekommen ist, dass ich Vorbehalte gegen aktive oder ehemalige Literaturstudenten habe, entschuldige ich mich in aller Form. Das hatte ich nie so beabsichtigt.
Auch dir nochmals Danke für Lesen und Gefallen.

Liebe Grüße
Lev

 

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