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Ungeheuer am See

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06.08.2005
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Ungeheuer am See


Schon lange steht er dort. Ein bohrender Schmerz in seinem Bauch erinnert ihn daran, dass er seit Ewigkeiten nichts gefangen hat. Seit es hell ist, ist er auf der Jagd, aber bisher ohne Erfolg.

Zuerst hat er lange Zeit in dem kleinen Kanal gestanden, wo das Wasser sonst träge dahindümpelt. Im Sommer ist es brackig und riecht übel, aber nach den Regengüssen der letzten Tage war es braun von der mitgeführten Erde. Wie sollte er da einen Fisch erspähen? Oder andere Beute? Außerdem reichte ihm das Wasser fast bis zum Rumpf und trug in seiner Strömung Treibgut mit sich: knorrige Äste und Zweige mit silbern-pelzigen Früchten, Dinge aus fremdem Material und in unbekannten Formen und immer wieder weiße Blätter. Er stakte durch die Brühe, um auszuweichen, aber als sich ein angespültes Blatt um sein Bein wickelte, wurde es ihm zuviel.

Der Hunger trieb ihn weiter zur Jagd. Ein Stückchen unterhalb fließt der Ablauf des Sees in den Kanal: Plötzlich sprudelnder Tumult! Unterhalb der Einflussstelle zitterten schon nach kurzer Zeit seine Beine bei dem Versuch, gegen die reißende Strömung anzustehen, und er hatte ständig Angst, auf einem schlüpfrigen Stein den Halt zu verlieren und in die Fluten zu stürzen. Krämpfe in seinem Bauch ließen ihn nicht aufgeben, und so suchte er sich eine versteckte Stelle am Ufer.

So steht er dort, braucht dringend Nahrung. Eine Krähe hockt am anderen Ufer, zieht etwas aus dem Wasser. Triumphierend krächzt sie auf, sichert mit einem Fuß den aufgedunsenen Körper einer ertrunkenen Maus. Dann fliegt sie mit ihr im Schnabel davon.

Während er ihr hinterher sieht, spitzt sich seine Lage zu. Ein rotbraunes Monster steht hinter einem Busch und sieht in seine Richtung. Aufrecht auf zwei Beinen steht es wie er, aber mehr als doppelt so groß. Er schwankt noch zwischen Flucht und Weiterjagen, erstarrt einfach, ohne sich zu bewegen. Das Ungeheuer späht mit Raubtieraugen, beide nebeneinander vorn im Gesicht. Was soll er nur tun? Mit unbekannter Sprache redet es auf ihn ein, säuselnd, als wolle es ihm mitteilen, dass er nichts zu befürchten habe. Aber gewiss ist, dass es ihn gesehen hat, dass es ihn meint, und er kann sich nicht mehr rühren vor Schreck. Was nun?

Zeit vergeht, sein Herz rast, und er muss sich zu einer Handlung durchringen. Kann ich sich retten? Wo? Hinüber zum See? Unter den Büschen durch zur Wiese? Stehen bleiben und abwarten? Als das Ungetüm ein Bein bewegt, ist es soweit: er drückt sich vom Boden ab, breitet seine grauen Schwingen aus, streckt den Hals weit vor und fliegt davon.

 

Hallo Elisha,

das Seltsame an dieser KG ist die Unterstellung, dass einer unserer gefiederten Freunde (ein Reiher?) denken kann und dann auch noch über einen PC verfügt, um seine Geschichte niederzuschreiben.

Sorry, gefällt mir nicht. Der Weg zu Pointe gestaltet sich ebenso mühsam wie der beschriebene Fischfang. Und ebenso erfolglos.

Kann aber auch an mir liegen. Ich mag keine denkenden Tiere. Könnten sie denken, dann würden sie sich in der Regel anders verhalten. Und daran mangelt in der Regel dann das Gesamtkonzept solcher Geschichten.

Grüße von Rick

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Rick,

danke für den schnellen Kommentar. Ich hatte erst überlegt, es als Experiment zu posten, weil für mich im Vordergrund stand, menschenbezogene Sprache wie "stundenlang", "höllische Schmerzen" etc. zu vermeiden. Und ja: natürlich ist das Denken des Tieres immer noch ziemlich anthropomorph. ;)

EDIT:

und dann auch noch über einen PC verfügt, um seine Geschichte niederzuschreiben.
Nö, das mit dem Tippen war ich, die Autorin und nicht der Erzähler :naughty:

Schön, dass du den Reiher erkannt hast. :)

Gruß, Elisha

 

menschenbezogene Sprache wie "stundenlang" [...] zu vermeiden
na ja:
seit Ewigkeiten

Hi Elisha,

im Gegensatz zu Rick habe ich nichts gegen denkende Tiere (in Geschichten, versteht sich).

Zuerst habe ich lange Zeit in dem kleinen Kanal gestanden, wo das Wasser sonst träge dahindümpelt. Im Sommer ist es brachig und riecht übel, aber nach den Regengüssen der letzten Tage war es braun von der mitgeführten Erde. Wie sollte ich da einen Fisch erspähen? Oder andere Beute? Außerdem reichte mir das Wasser fast bis zum Rumpf und trug in seiner Strömung Treibgut mit sich: knorrige Äste und Zweige mit silbern-pelzigen Früchten, Dinge aus fremdem Material und in unbekannten Formen und immer wieder weiße Blätter. Ich stakte durch die Brühe, um auszuweichen, aber als sich ein angespültes Blatt um mein Bein wickelte, wurde es mir zuviel.
Das liest sich 1. wie ein Bericht und 2. wie von einem Kind berichtet.
Der Weg zu Pointe gestaltet sich ebenso mühsam wie der beschriebene Fischfang.
Was Rick hier mit Pointe meint, erschließt sich mir nicht so ganz. Dass der Vogel einfach wegfliegt, anstatt sich einen Fisch zu fangen? :confused:

Wieso die Geschichte in Seltsam steht, weiß ich auch nicht. Vllt Alltag? So ganz gewagt. Könnte aber so spontan auch nichts empfehlen.
Abgesehen vom Schreibstil und der Kategorie gefällt mir die Idee recht gut :)

Nö, das mit dem Tippen war ich, die Autorin und nicht der Erzähler
Ich hab nicht viel von meinem Studium mitbekommen, aber eins doch: Setze nie, nie, absolut niemals, NIE den Autor/die Autorin mit der Geschichte in Verbindung. Zu keiner Zeit! Also, echt nie.

Tserk

 

Was Rick hier mit Pointe meint, erschließt sich mir nicht so ganz. Dass der Vogel einfach wegfliegt, anstatt sich einen Fisch zu fangen?

Mit "Pointe" meine ich zum einen den Titel, von dem ich schon mal glaube, dass er darauf abzielt, den arglosen Leser in die Irre führen. Und zum anderen bin ich der festen Überzeugung dass jede(r) AutorIn, der/die einen Geschichtenaufbau mit einem tierischen ICH-Erzähler wählt, der seine wahre Identität erst im letzten Satz preis gibt (Ihr habt bestimmt gedacht ich bin ein Mensch, aber in Wirklichkeit bin ich ein Geschichten erzählendes Tier!), durch Wegfliegen z. b., ganz klar auf eine Pointe abzielt. Ich bin auch darauf reingefallen. Nach den ersten Sätzen habe ich auf einen Bären getippt.

Natürlich hat Elisha die Geschichte erzählt und nicht der Reiher. Das war mehr scherzhaft gemeint. Natürlich weiß ich auch, dass Reiher keine Rechner haben und auch nicht klug genug sind, um Texte zu verfassen. Deshalb hat der Reiher vermutlich bei Elisha angerufen und sie gebeten, die Geschichte für ihn zu schreiben - aber natürlich aus seiner Sicht.

Grüße von Rick

 

Rick:
Die Idee mit dem Bären ist interessant! Aber hier wars für mich klar:

Ich stakte durch die Brühe, um auszuweichen, aber als sich ein angespültes Blatt um mein Bein wickelte, wurde es mir zuviel.
wickeln bedeutet ja immer, ganz rum, und nur ein Vogel ein ein dünn genuges Bein dazu (wie immer man das auch formuliert).
Dass du mit dem PC einen Scherz gemacht hast, habe ich schon verstanden :)
Natürlich hat Elisha die Geschichte erzählt und nicht der Reiher.
Nein! Du darfst doch den Autor nicht ... ich gebs auf ;)

Tserk

 

Hallo Elisha,

so richtig ‚Seltsam’ finde ich das Ganze nicht, Fabeln haben eine ähnliche Erzählperspektive, ist also nichts Unübliches (nur ähnlich, weil sie bewusst menschliche Züge aufzeigen).

Das Ungeheuer, so habe ich das verstanden, ist ein Mensch, vor dem der Vogel auffliegt. Solche Perspektiv (oder Identifikationswechsel) können eine Art Pointe und sehr interessant sein. Vielleicht kannst du das noch etwas ausbauen.

Die Ruhe mit der erzählt wird, die Beschreibungen fand ich passend, konnte mir die ‚Lage’ gut vorstellen.

„Während ich hinter ihr her schmachte“

- Ich weiß nicht, ob Reiher auch Aas fressen würden, wenn nicht, wird das Tier nicht schmachten. Hier wird der Mensch als Prot. unwahrscheinlich.

„Sommer ist es brachig und riecht übel“

- brackig


L G,

Woltochinon

 

Hallo Elisha,

einerseits ist die Geschichte gelungen, denn ich bin natürlich auf die Pointe hereingefallen. In dieser Hinsicht ist wohl deine Absicht zum Ziel gekommen. Dennoch geht es mir ähnlich wie Rick. Ich fühlte mich am Ende irgendwie betrogen. Solche Geschichten wirken bei mir wie das vermaledeite ätsch-alles-nur-ein-Traum-Szenario.
Betrügerein, im Sinne von Falschinformationen streuen, hast du zwar eigentlich ausgelassen, aber uneigentlich sind die Gedankengänge des Reihers schlichtweg zu menschlich.
Will sagen, auch nach zweitem Lesen, nun mit dem Wissen, es handelt sich um einen Reiher, kann ich mir nur schlecht einen echten Vogel vorstellen. Ich sehe jetzt eine Disney-Figut vor mir, die zwar vogelähnlich aussieht, aber von ihrem Handeln her vollkommen vermenschlicht ist.
Mit diesem Bild vor Augen geht natürlich der Anspruch der Geschichte verloren...
Gut geschrieben ist die Geschichte aber trotzdem.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Elisha,

anfangs dachte ich, Du erzählst die Geschichte aus der Perspektive des Ungeheuers und war schon etwas enttäuscht, weil ich glaubte, es durch Deine Erzählweise bereits durchschaut zu haben. Dann kam aber doch noch ein überraschendes Ende, mit dem ich so nicht gerechnet habe.

Begeistert von der Geschichte bin ich aber trotzdem nicht. Wie Woltochinon bin ich der Meinung, daß Du die Pointe vielleicht noch etwas ausbauen könntest. Aber Tips kann ich da leider nicht geben, mir fehlt etwas Passendes auch nicht ein. seufzt.

Nichtsdestotrotz hat mir Dein Stil gut gefallen. :)

Gruß,
stephy

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Tserk

m Gegensatz zu Rick habe ich nichts gegen denkende Tiere (in Geschichten, versteht sich).
Freut mich.

Zuerst habe ich lange Zeit in dem kleinen Kanal gestanden, wo das Wasser sonst träge dahindümpelt. Im Sommer ist es brachig und riecht übel, aber nach den Regengüssen der letzten Tage war es braun von der mitgeführten Erde. Wie sollte ich da einen Fisch erspähen? Oder andere Beute? Außerdem reichte mir das Wasser fast bis zum Rumpf und trug in seiner Strömung Treibgut mit sich: knorrige Äste und Zweige mit silbern-pelzigen Früchten, Dinge aus fremdem Material und in unbekannten Formen und immer wieder weiße Blätter. Ich stakte durch die Brühe, um auszuweichen, aber als sich ein angespültes Blatt um mein Bein wickelte, wurde es mir zuviel.
Das liest sich 1. wie ein Bericht und 2. wie von einem Kind berichtet.
Schade, da habe ich ziemlich dran rumgefeilt, um aussagekräftige Wörter zu benutzen. Ich glaube nicht, dass die sich im aktiven Wortschatz eines Kindes befinden.


@ Rick

Deshalb hat der Reiher vermutlich bei Elisha angerufen und sie gebeten, die Geschichte für ihn zu schreiben
:( Ach, du verstehst mich nicht. Der Reiher hat doch Angst vor den menschlichen Ungeheuern. :lol:


@ Woltochinon

Das Ungeheuer, so habe ich das verstanden, ist ein Mensch, vor dem der Vogel auffliegt.
Ah, auf dich ist Verlass!

Solche Perspektiv (oder Identifikationswechsel) können eine Art Pointe und sehr interessant sein. Vielleicht kannst du das noch etwas ausbauen.
Leider weiß ich nicht, wie. :shy:

Fabeln haben eine ähnliche Erzählperspektive, ist also nichts Unübliches (nur ähnlich, weil sie bewusst menschliche Züge aufzeigen).
Sind Fabeln nicht in der dritten Person?

Ja, mit dem Aas habe ich auch überlegt. Erst an Ekel gedacht, dann an den Hunger. Soll ich das Schmachten lieber rausnehmen?

Und das mit dem brackig ist mir erst bei einem Spaziergang nach Ricks Antwort eingefallen. Na klar, hast recht. Komisch: Brache habe ich im Grundschulunterricht gelernt, Brackwasser viel später. Ob es daran liegt? :Pfeif:

Danke für eure guten Kommentare.

Gruß, Elisha

 

So, weiter im Text!

@weltenläufer

einerseits ist die Geschichte gelungen, denn ich bin natürlich auf die Pointe hereingefallen.
:)

Dennoch geht es mir ähnlich wie Rick. Ich fühlte mich am Ende irgendwie betrogen. Solche Geschichten wirken bei mir wie das vermaledeite ätsch-alles-nur-ein-Traum-Szenario.
Mist! Wie mein Freund. Der mag auch keine Pointen-Geschichten, und das bei mir. :(

Oder liegt es irgendwie an dieser Geschichte? Ich meine, wenn ich eine Pointen-Geschichte schreibe, versuche ich, Fehlinformationen zu vermeiden und Hinweise, auch doppeldeutige, zu streuen. Fühlt sich das für dich als Fehlinfo an, weil Tiere nicht so denken wie wir?

Disney-Figur? :eek: Es sollte schon nah am Erleben von Vögeln sein, aber auch gut lesbar. Nicht nur kurze Gedankenblitze oder Bilder (die ich verbal nicht darstellen könnte).


@ stephy

anfangs dachte ich, Du erzählst die Geschichte aus der Perspektive des Ungeheuers und war schon etwas enttäuscht, weil ich glaubte, es durch Deine Erzählweise bereits durchschaut zu haben. Dann kam aber doch noch ein überraschendes Ende, mit dem ich so nicht gerechnet habe.
:naughty: Ah, dann hat auch das geklappt.


Dank an euch alle für euer Feedback. Inzwischen bin ich etwas ratlos: Ideen zur Überarbeitung habe ich nicht, aber ich zögere auch noch, die Geschichte als Schreibübung anzusehen und zu löschen. Vllt lass ich sie mal archivieren. Wenn euch noch etwas einfällt, dann her damit! :)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

mir war sehr schnell klar, dass du hier ein Tier meinst (Storch/Reiher ..). Das mag daran liegen, dass ich mich als Student für den Bereich Verhaltensforschung sehr interessierte. Deshalb fand ich die Gedanken des Reihers auch nicht zu vermenschlicht, sondern sehr einfühlsam. Die Einordnung in 'Seltsam' hat mich da ein wenig irritiert, denn ich finde deine Skizze gar nicht seltsam.

LG

Jo

 

hallo elisha nochmal

Oder liegt es irgendwie an dieser Geschichte? Ich meine, wenn ich eine Pointen-Geschichte schreibe, versuche ich, Fehlinformationen zu vermeiden und Hinweise, auch doppeldeutige, zu streuen. Fühlt sich das für dich als Fehlinfo an, weil Tiere nicht so denken wie wir?
genau das habe ich versucht zu erklären.
UNd dadurch entsteht eben dieser Effekt:
Disney-Figur? Es sollte schon nah am Erleben von Vögeln sein, aber auch gut lesbar. Nicht nur kurze Gedankenblitze oder Bilder (die ich verbal nicht darstellen könnte).
ist zugegeben schwierig das Tier tierähnlicher denken zu lassen, denn das widerspricht sich ja leicht. Aber genau deswegen funktioniert die kg bei mir eben nicht.
Anderen scheint es aber nciht so zu gehen, also vielleicht nicht zu arg gewichten, meine vegetarische Meinung ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

@ Jobär

Das mag daran liegen, dass ich mich als Student für den Bereich Verhaltensforschung sehr interessierte. Deshalb fand ich die Gedanken des Reihers auch nicht zu vermenschlicht, sondern sehr einfühlsam.
So war es geplant.

Die Einordnung in 'Seltsam' hat mich da ein wenig irritiert, denn ich finde deine Skizze gar nicht seltsam.
Aber wohin sonst? :eek:


@ Basti

mir hat die Geschicht relativ gut gefallen, was vor allem an der Sprache liegt.
Schön.

Der Vogel erkennt im Menschen nur einen Feind, ein Raubtier mit stechenden, nach vorne gerichteten Augen. Sollte das einen Bezug zu anderen Raubtieren herstellen?
Fluchttiere wie Pferde haben die Augen auf beiden Seiten; Tiere, die gut Distanzen abschätzen müssen (Kletterer und Raubtiere), haben sie vorn im Gesicht. Für Fluchttiere ist das ein Warnsignal.


@ weltenläufer reloaded

ist zugegeben schwierig das Tier tierähnlicher denken zu lassen, denn das widerspricht sich ja leicht. Aber genau deswegen funktioniert die kg bei mir eben nicht.
Schade. Danke trotzdem.

Vielen Dank für eure Kommentare.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Es gibt Geschichten, die finde ich gut, z.B. wenn Menschen von Menschen wie Tiere wahrgenommen werden. Wenn aber Tiere wahrnehmen, wie Menschen, schüttel ich unwillig den Kopf. Du wolltest zwar die menschliche Sprache entmenschlichen, aber das Tier ist als Erzähler kognitiv dem Menschen gleichgestellt. Da man noch nicht einmal definitiv weiß, ob Tiere in Ihrer Intelligenz genauso kognitiv wie Menschen denken, ist das Verhalten des Reihers nur vermenschlicht, aber nicht seltsam.

Lieben Gruß
Goldene Dame

 

Die Pointe stört wirklich, Elisha. Der Reiher kennt Krähe und andere Tiere, aber für den Menschen hat er kein Wort? Das ist wenig glaubwürdig, zumal er auch in von Menschen angelegten Kanälen fischt und als fliegender Vogel sowieso viel mehr sieht als andere Tiere, kaum anzunehmen, daß er ihm noch nie begegnet ist. Dazu sagt Wikipedia: In neuster Zeit dringt er immer mehr in städtische Gebiete vor, wo er heute sogar oft in den Innenstädten beobachtet werden kann.

Das Bemühen, seine wahre Identität möglichst lange geheim zu halten, ist der Geschichte anzumerken. Zum Beispiel ist daß er sich vor Schreck nicht rühren kann, eine typische menschliche Eigenschaft. Die Tiere flüchten oder greifen an, und manche versuchen auch, sich tot zu stellen, aber das alles tun sie instinktiv, d.h. ohne die Situation zu analysieren – die Gazelle, die überlegte, ob das, was sich im Gras bewegte, die Spitze eines Löwenschwanzes war, hatte keine oder nur sehr geringe Chance, zu überleben und Nachkommen zu hinterlassen, deswegen flüchten alle Gazellen heutzutage bei geringsten Anlaß: Es haben sich nur die Gazellen vermehrt, die immer sofort flüchteten. :D

Neben dem unpassenden Ungeheuer, hier noch ein Beispiel:

Zeit vergeht, mein Herz rast, und ich muss mich zu einer Handlung durchringen. – auch hier typisch menschliches Denken, denn weiß ein Vogel, daß er ein Herz hat und hat er eine Vorstellung von Zeit?

Um die Geschichte zu retten, würde ich eine ganz normale Geschichte schreiben über einen Reiher, der Hunger hat, weil er nichts für ihn Eßbares findet - vielleicht aufgrund von Umwelteinflüssen, die er aber nicht verstehen darf, d.h. nur feststellt, es sind keine Fische mehr, wo früher welche waren, meinetwegen Menschen dabei beobachtet, wie sie etwas Stinkendes ins Wasser kippen oder Ähnliches (er geht hin - alle Tiere sind neugierig! - und stellt das fest, oder ihm wird schlecht, etc.).

Dion

 

Urversion:

Ungeheuer am See

Schon lange stehe ich hier. Ein bohrender Schmerz in meinem Bauch erinnert mich daran, dass ich seit Ewigkeiten nichts gefangen habe. Seit es hell ist, bin ich auf der Jagd, aber bisher ohne Erfolg.

Zuerst habe ich lange Zeit in dem kleinen Kanal gestanden, wo das Wasser sonst träge dahindümpelt. Im Sommer ist es brackig und riecht übel, aber nach den Regengüssen der letzten Tage war es braun von der mitgeführten Erde. Wie sollte ich da einen Fisch erspähen? Oder andere Beute? Außerdem reichte mir das Wasser fast bis zum Rumpf und trug in seiner Strömung Treibgut mit sich: knorrige Äste und Zweige mit silbern-pelzigen Früchten, Dinge aus fremdem Material und in unbekannten Formen und immer wieder weiße Blätter. Ich stakte durch die Brühe, um auszuweichen, aber als sich ein angespültes Blatt um mein Bein wickelte, wurde es mir zuviel.

Der Hunger trieb mich weiter zur Jagd. Ein Stückchen unterhalb fließt der Ablauf des Sees in den Kanal: Plötzlich sprudelnder Tumult! Unterhalb der Einflussstelle zitterten schon nach kurzer Zeit meine Beine bei dem Versuch, gegen die reißende Strömung anzustehen, und ich hatte ständig Angst, auf einem schlüpfrigen Stein den Halt zu verlieren und in die Fluten zu stürzen. Krämpfe in meinem Bauch ließen mich nicht aufgeben, und so suchte ich mir eine versteckte Stelle am Ufer.

So stehe ich hier, brauche dringend Nahrung. Eine Krähe hockt am anderen Ufer, zieht etwas aus dem Wasser. Triumphierend krächzt sie auf, sichert mit einem Fuß den aufgedunsenen Körper einer ertrunkenen Maus. Dann fliegt sie mit ihr im Schnabel davon.

Während ich hinter ihr her schmachte, spitzt sich meine Lage zu. Ein rotbraunes Monster steht hinter einem Busch und sieht in meine Richtung. Aufrecht auf zwei Beinen steht es wie ich, aber mehr als doppelt so groß. Ich schwanke noch zwischen Flucht und Weiterjagen, erstarre einfach, ohne mich zu bewegen. Das Ungeheuer späht mit Raubtieraugen, beide nebeneinander vorn im Gesicht. Was soll ich nur tun? Mit unbekannter Sprache redet es auf mich ein, säuselnd, als wolle es mir mitteilen, dass ich nichts zu befürchten habe. Aber gewiss ist, dass es mich gesehen hat, dass es mich meint, und ich kann mich nicht mehr rühren vor Schreck. Was nun?

Zeit vergeht, mein Herz rast, und ich muss mich zu einer Handlung durchringen. Kann ich mich retten? Wo? Hinüber zum See? Unter den Büschen durch zur Wiese? Stehen bleiben und abwarten? Als das Ungetüm ein Bein bewegt, ist es soweit: ich drücke mich vom Boden ab, breite meine grauen Schwingen aus, strecke den Hals weit vor und fliege davon.

 

@all
Ich ahbe lange überlegt, woran die Geschichte hakt und was ich daraus machen kann. Jetzt habe ich sie umgeschrieben, so dass der Erzähler sich in den Reiher zwar einfühlt, aber nicht identisch ist damit.


@Goldene Dame

Du wolltest zwar die menschliche Sprache entmenschlichen, aber das Tier ist als Erzähler kognitiv dem Menschen gleichgestellt.
Das stimmt. Ich hatte zwei Möglichkeiten der Bearbeitung: mit der Sprache noch experimenteller werden, eher Sprachfetzen, hingeworfene Bilder und so, oder es so umschreiben wie jetzt.


@Dion

Der Reiher kennt Krähe und andere Tiere, aber für den Menschen hat er kein Wort?
Ich wollte erst in der neuen Version die Krähe durch einen schwarzen Vogel ersetzen, aber dann hätte ich für beide das Pronomen er, was den Bezug unklar macht.

Der Mensch ist für den Reiher eine diffuse Bedrohung: viel größer und ein Raubtier; deshalb nur die Nennung "Ungeheuer".

Zum Beispiel ist daß er sich vor Schreck nicht rühren kann, eine typische menschliche Eigenschaft. Die Tiere flüchten oder greifen an, und manche versuchen auch, sich tot zu stellen
In Bochum gibt es mehrere Reiher in den Seen und Weihern der Stadt. Sie reagieren wie beschrieben: erstarren erstmal, fangen sich, fliegen weg.

Um die Geschichte zu retten, würde ich eine ganz normale Geschichte schreiben über einen Reiher, der Hunger hat, weil er nichts für ihn Eßbares findet
Ich habe deinen Rat zumindest teilweise befolgt. Gefällt es dir jetzt besser?


Danke für die Kommentare; haben mir geholfen. Ach so, ich werde die Geschichte nach Sonstige verschieben lassen.

Gruß, Elisha

 

Elisha schrieb:
Ich wollte erst in der neuen Version die Krähe durch einen schwarzen Vogel ersetzen, aber dann hätte ich für beide das Pronomen er, was den Bezug unklar macht.

Der Mensch ist für den Reiher eine diffuse Bedrohung: viel größer und ein Raubtier; deshalb nur die Nennung "Ungeheuer".

Egal warum, aber wenn du für die Krähe und die Maus etc. einen Namen hast, dann bitte auch für den Menschen. Es ist nicht einzusehen, warum er den Menschen nicht mit seinen Gattungsnamen „bedenkt“ – von einem Fuchs, auch einem Raubtier, das ihn bedroht, würde er doch auch nur als Fuchs bezeichnen.


Elisha schrieb:
In Bochum gibt es mehrere Reiher in den Seen und Weihern der Stadt. Sie reagieren wie beschrieben: erstarren erstmal, fangen sich, fliegen weg.
Das habe ich ja nicht angezweifelt, mir mißfällt nur die Begründung für das, was du als „sich fangen“ bezeichnest!

Die für mich entscheidenden Stellen, Elisha, hast du also nicht geändert: Du bleibst beim Ungeheuer und dem Monster, der vergehenden Zeit und der Kenntnis der eigenen Anatomie, und dem Schrecken samt der Überlegung, sich zu einer Handlung durchringen zu müssen - damit sind auch meine Argumente gegen die Geschichte die gleichen geblieben.

Tut mir leid.

Dion

 

Hallo Elisha,

mir ist nicht bekannt, dass eine Fabel in der dritten Person geschrieben sein muss.
Wenn ich mich recht erinnere, wird ein Reiher auch 'Lütke' (oder so ähnlich) genannt (so wie ein Storch 'Adebar' heißt), der Reiher gilt als Sinnbild für einen steifen Menschen, einen Beamten, Bürokraten, wenn man klassische Fabelsymbolik benutzt. Viel mir nur so ein, wegen der Fabelfrage ...

L G,

Woltochinon

 

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