Ungelesener Brief
Manchmal weiß ich nicht, wer Du bist, manchmal machst Du mir große Angst. Solch eine Angst, dass dieser Brief wohl für immer ungelesen bleibt.
Je nähe wir uns kamen, umso mehr taten wir uns weh, desto fremder wurden wir uns wieder. Wir verbringen unsere Zeit zwar noch immer beieinander, doch nicht mehr miteinander.
Du siehst nur noch die Tränen, die ich tatsächlich weine, nicht die, die in mir wohnen. Ich habe das Gefühl, nur noch verletzt zu werden.
Du fragst, was ich von Dir erwarte...? Dass Du mir zeigst, dass Du mich lieb hast und es nicht einfach bloß in den Raum sagst. Gib mir einen Kuss, nimm mich doch nur einmal in den Arm und zeig mir, dass ich Dir nicht gleichgültig bin.
Warum verstehst Du die Welt nicht mehr, wenn ich einmal nicht fröhlich bin? Auch ich kann nicht immer lachen, auch ich bin ab und zu traurig. In letzter Zeit sogar sehr oft.
Vielleicht ist es bereits zu spät. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Doch manchmal möchte ich nicht mehr. Manchmal kann ich Dich nicht mehr ertragen so wie Du bist, wie ich Dich eigentlich liebe. Weil ich Dir nicht ernsthaft böse sein kann.
Geben wir uns denn noch Mühe miteinander? Freuen wir uns wirklich noch aufeinander?
Nein, nicht wirklich. Wir ahnen genau, wie der Tag enden wird. Langeweile.
Ich weiß nicht, ob das noch ausreicht. Ich kann nicht sagen, ob das noch lange gut geht. Zu sehr habe ich mich Dir geöffnet, zu sehr bin ich zu einem Menschen geworden, der ich niemals sein wollte. Verletzlich....
Sag, möchtest Du mich überhaupt in Deiner Nähe haben? Manchmal denke ich, meine Nähe ist Dir zuwider. Sind wir uns denn nur noch körperlich nahe? Ist das denn das Einzige, wozu es noch reicht? Ich ließ mich oft verführen, allein um Dir nahe sein zu können. Auch ich versuchte oft, Dich zu verlocken. In jeder Nacht, in der wir uns küssten, glaubte ich, Dich somit an mich zu reißen, wäre genug und zerstörte es. Ich stellte fest, dass mir diese Art von Liebe nicht mehr ausreicht.
„Was ist los?“, fragtest Du.
„Nichts.“
„Glaub ich nicht.“
„Du bist heute komisch.“, antwortete ich etwas ängstlich. Ich konnte deine Reaktion erahnen. Zitterte. Wartete. Auf irgendetwas.
Du hast geschwiegen. Du standest reglos da und sagtest nichts. Deine Arme ließen mich los, als ich fragte ob Du sauer wärst.
„Ich bin doch sowieso nur komisch!“, dein Blick war vorwurfsvoll, voller Zorn und Schmerz. Du standest vor mir und schautest mich an und doch hattest Du mir den Rücken zugekehrt
„Schatz!“, ich versuchte Dich wieder an mich ranzuziehen, doch Du hast mich weggestoßen. Einfach weggestoßen.
„Ich geh jetzt wohl besser.“, meine Stimme begann zu zittern. Ich wollte nicht, dass Du mich weinen siehst.
Plötzlich warst Du es, der mich festhielt und sagte: „Ich lieb’ Dich doch.“
Ich konnte es Dir einfach nicht glauben. Meine Knie wurden schwach und ich stammelte nur noch, dass ich gehen wollte. Ich wollte Dich nicht mehr sehen, als ich Deine Wohnung verließ und auf den Treppen beinahe heulend zusammengebrochen wäre.
Heute bin ich das erste Mal vor Dir weggelaufen. Und es macht mir Angst. Du machst mir Angst. Ich mach mir selbst Angst.
Nun sitze ich alleine hier. Ich kann nichts sehen. Du bist nicht da. Und all das nur, weil wir verlernt haben, miteinander zu reden.
Ich vermisse Dich in dieser kalten Nacht! Nimm mich in den Arm und lass uns noch mal beginnen und dieses Chaos hinter uns lassen. Oder versuchst Du nicht, mich zu erreichen, bist du froh über meinen Abschied?
Oft weiß ich nicht, wer Du bist, und doch bin ich bei Dir. Sag, weißt du, wer ich wirklich bin? Oder siehst du in mir noch immer das naive, kleine Mädchen? Ich bin mehr als das.
Ich hasse dich dafür, dass du mir das Herz und vor allem meinen Verstand geraubt hast. Du hast mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Ich hasse dich dafür, dass Du mich einst so glücklich gemacht hast! Ich wünschte ich könnte Dich hassen, Dich vergessen und verlassen wenn mir danach zumute ist.
Schuldgefühle. Mir und Dir gegenüber. Dich verlassen...darüber nachgedacht...ja das hab ich. Manchmal glaube ich dann, dass eine Trennung besser für uns wäre. Für mich. Für Dich. Vielleicht sollte jeder wieder seine eigenen Wege gehen. Vielleicht sollten wir tatsächlich einen Schlussstrich ziehen und das „wir“ aufgeben. Kommt mir ein solcher Gedanke, füllen sich meine Augen mit Tränen.
Ich spüre es...Trotz der warmen Luft um uns herum...friere ich. Je länger wir schweigen, desto kälter wird es. Sind es unsere Gefühle, die einfrieren und zu Eiszapfen werden?
Gerne würde ich jetzt Deine Wärme spüren, wie Du mich an Dich drückst, mir über die Wange streichelst und einfach nur da bist. Neben Dir einschlafen, mich an Dich kuscheln, wenn ich aufwache und die schwere der Einsamkeit fühle.
Umarme mich doch! Zerfetze mich und raub meinen Lippen das Verlangen, nach Dir zu rufen. Sei bei mir, bis meine Augen nichts mehr erkennen können. Kein Entkommen, keine Tränen.
Ich fürchte deinen Hass. Mehr als alles andere auf der Welt.
In meinem Schmerz erkenne ich oft nicht, welch ein wunderbarer Mensch Du eigentlich bist. So schöne Zeiten, die wir gemeinsam durchlebten. So viele Tränen, die wir zusammen weinten. So viel Geborgenheit, die Du mir schenktest.
Ich vermisse das.
Ich vermisse Dich.
Lass es uns nicht vergessen.
Lass uns nicht die Worte vergessen, die uns verbinden:
Ich liebe Dich!