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Ungewollter Selbstmord

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08.11.2001
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Ungewollter Selbstmord

Der kühle Wind bläst in ihr zartes Gesicht. Sie ist auf dem Dach des Hochhauses angekommen. Kraftlos lässt sie sich auf den steinernen Boden nieder. Sie fühlt sich hässlich. Thorsten hat sie heute Nachmittag wie Luft behandelt. Dabei dachte sie gestern noch, sie seien ein richtiges Traumpaar. Im Frühling vor einem Jahr hat sie Thorsten mit den leuchtenden, hellblauen Augen kennen und lieben gelernt. Sie fühlte sich wie im siebten Himmel, wenn er sie geküsst hat. Und heute ist es passiert: Sie hat ihren Thorsten mit einem schwarzhaarigen Mädchen bei der Eisdiele stehen sehen. Sie haben sich umarmt. Er hat sie nicht beachtet, hat ihr nur einen kühlen Blick mit seinen eisblauen Augen zugeworfen. Ihr fröstelt. Eine Träne verlässt ihr Auge. Langsam erhebt sie sich und steuert auf den Abgrund zu. Vorsichtig steigt sie auf das graue, eiserne Geländer. Sie will ihr Leben hinter sich lassen, nur noch fliehen aus dieser Welt. Der Wind schlägt ihr um die Ohren. Entschlossen blickt sie in die Tiefe. Viele lebhafte Menschen sind unterwegs. Die ersten Weihnachtseinkäufe werden erledigt. Das Fest der Liebe und der Wärme liegt nicht mehr weit entfernt. Doch sie kann sich dieses Jahr nicht darauf freuen. Sie lässt ihren Blick über die Menschenmenge schweifen. Plötzlich erstarrt sie. Auf der Strasse erkennt sie einen kleinen, blonden Jungen, der seinen Zeigefinger auf sie gerichtet hat. Ohne zu zögern ruft er: <<Mama! Da oben, da steht jemand auf dem Dach! Schau doch mal, Mama!>> Sie sieht die Mutter in die Tasche greifen. Die Frau scheint etwas zu suchen. Nun hält sie etwas in der linken Hand. Sie telefoniert. Der Junge starrt wie versteinert nach oben. Inzwischen haben sich einige schaulustige Leute dazugestellt. Alle schauen sie entgeistert an. Vielleicht sollte sie es sich doch noch einmal überlegen. Dieser kleine Junge auf der Strasse hat sein ganzes Leben noch vor sich. Sie mag kaum zehn Jahre älter sein als er und will das ihre schon beenden. Hat ihre Mutter ihr nicht immer zu verstehen gegeben, dass das Leben das Wertvollste ist, was ein Mensch besitzt? Eigentlich will sie doch gar nicht springen. Nicht jetzt. Vielleicht später. Sie beschliesst, sich in ein gemütliches Café zu begeben, um dort eine warme Tasse Tee zu trinken. Das wird sie beruhigen.
Plötzlich ertönt eine dunkle Stimme hinter ihr. <<Hier ist die Polizei. Keine Angst, wir wollen Ihnen helfen.>> Sie erschrickt. Sie verliert das Gleichgewicht. Es gelingt ihr nicht, sich wieder aufzufangen.

 

hi,
sicher - die geschichte ist ausbaufähig. aber an sich ist die überlegung schon gut. und wahrscheinlich hat sich ein teil der geschichte im kopf der autorin abgespielt. was dann nicht aufs papier gekommen ist. mit der zeit wird sich das aber ändern.
das sind dann wahrscheinlich die "fehlenden Klösse"... :)
das einzige, was ich aber wirklich anmerken möchte ist, dass ich schade finde, dass der titel der geschichte schon das ende verrät...

bye, Eowyn

 

Hi Aline!
Deine Geschichte finde ich super!
Ich möchte etwas zu dem Geländer loswerden: Ich denke, dass Aline sich genau vorgestellt hat, wie das Geländer beschaffen ist. Es kann doch gut sein, dass es genug breit ist, damit das Mädchen darauf balancieren kann und doch das Gleichgewicht verliert, wenn es erschreckt wird.
Ich finde die Geschichte stellt sehr schön den inneren Konflikt dar, den es geben kann, wenn man enttäuscht ist und für einen Moment nicht weiss, für was es sich noch zu leben lohnt. Schliesslich stellt man dann doch fest, dass es einen Grund gibt weiterzuleben und, dass die Sache es nicht wert ist, sich dafür das Leben zu nehmen. Dies finde ich sehr schön, zwar kurz aber klar und gut, dargestellt! :) :)

 

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