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Uniformiertes Gedankengut auflösen
"Mein Leben" könnte eine Überschrift lauten, aber Nein, das wäre zu konfus; Dinge, die mit mir zu tun hatten, bestanden nicht nur unbedingt aus einem, meinem Leben.
Sie bestanden aus anderen Menschen und imaginären Gefühlen selbiger, die, wie die dazugehörigen Leben ebenfalls Auswirkungen auf mein Leben zu haben schienen. Momente, denen ich nicht beigewohnt habe.
Aber ich war trotzdem anwesend, denn größte Wünsche waren nie meine Spezialität gewesen und das, obwohl man damit wahrscheinlich relativ gut gefahren wäre.
Vor allem dann, wenn man alles gehabt hätte außer ein Fahrrad...
Ein Fahrrad brauchte ich mir nicht mehr wünschen, nachdem ich damit einst einen brennenden Weihnachtsbaum umgestoßen hatte.
Infolgedessen fuhr ich auch nicht besonders gut.
Meist bestanden meine Wege aus holprigen Steinen und aufgewühlten Pfützen, in denen sich Erinnerungen spiegelten und herumgeschmissene Teddybären.
Lügen.
Lügen sind wichtig.
Lügen spiegelten sich wieder und stellten sich mir in den Weg, in Form von pinken Schranken. Sie spiegelten sich wieder. Ausgerechnet in den Augen der Menschen, denen sie galten... Und ich wette, ich habe damit Einiges versaut. Ihnen zum Beispiel. Und mir.
Die Schranken wurden aufgestellt und zwar, um mich in meine Eigenen zu weisen und mich damit immer weiter einzubuddeln, in Löcher aus scheinbarer Missachtung.
Ich vermisste einfach, ich vermisste und bohrte mir selbst Löcher in viel zu dünne Stellen und ich fickte und ich fickte mich selbst und ich lies mich ficken, so gar für Geld; und ich weinte und ich schrie rum und ich dominierte und ich ließ nach und ich wurde verachtet und ich wurde missachtet und im Nachhinein saß ich auf einem Baum und machte unsinnigste Planungen des zukünftigen Leben. Es wurde über ein eigenes Baumhaus nachgedacht und das, obwohl ich in Zeiten spazierte, in denen man definitv nicht in Baumhäusern hätte leben sollen.
Ich bellte nicht, ich war ja kein Hund.
Ich dachte nach, während ich meinen Kopf in einer Schüssel Milch ertränken wollte, weil ich Durst hatte und ein Verlangen nach Wegsein. Eine Chance hätte man nämlich nicht mehr gehabt...
Nicht dann, wenn man nicht mehr rauskam aus seinen Klischees, zumindest noch dann strafend angeguckt, wenn zufällig irgendein Zusammenhang in den Raum gefeuert wurde, wenn auch unbewusst, wenn auch, wenn man ihn gar nicht mal bemerkt hätte... Es hat das Alles zerstört, zumindest teilweise.
Ein Leben, mit dem ich vorhatte zu kämpfen nach diesem hier. Nach dem Zug in den Osten und dem Abschied sämtlicher Erinnerungen und sämtlicher feiner Menschen, deren Verlust ich zu ertragen hatte und die Entscheidung trotzdem geschafft; Ich sagte Ja zu anderen Plätzen und hatte Hoffnung, denn ich hatte schließlich nicht gewusst, mit wem ich es zu tun haben würde.
Nun... der Baum, auf dem ich hockte, um zu bohren im matschigen, zerschossenen Haupt der moralischen Intelligenz, war nicht allzu morsch. Ich vernahm leises Knacken und imaginäre Äste, die prinzipiell hätten abbrechen müssten bei diesen matschigen Versuchen, das knorrige Ding zu erklimmen. Es war ein Kirschbaum, der nicht aussah, als könnte er zwei Menschen mit derartigen Fehlverhalten tragen. Doch es war ein Kirschbaum und er tat es trotzdem.
"Hi."
Kein Anfang eines Gespräches. Spätestens dann nicht mehr, wenn man die quitschblauen Augen und dieses verbotene, gute Aussehen genauer betrachtet hatte und diese Ähnlichkeit mit ihr.
"Was tust du hier?", denn nun war ich dran, "Was tust du hier?" und ich wiederholte mich.
"Ich denke an dich."
"Warum kommst du dafür hierher?"
...Es ging weiter aufgrund einer nicht vorhandenen Missachtung, trotz des viel zu oft fallenden Wortes "Missachtung" und trotz ein paar schlechten Gewissen meinerseits. Des weiteren fragte ich mich, woher sie den Weg gewusst hatte. Den Weg zu mir und zu unserem Kirschbaum, dem ich in diesem Moment dankbarer war als jedem anderen Baum dieser Welt. Er machte mich glücklich und er machte mir Angst, denn Bäume sollten prinzipiell keine große Macht über mich besitzen... er beglückte mich, weil er so war, wie er war und weil er ein gutes Herz hatte, ganz tief innen drin, sonst hätten wir nicht auf ihn drauf gepasst und wären krachend in unser Verderben gestürzt. Herr Kirschbaum hatte Nichts für uns außer Verständnis, desweiteren wurde er dafür geliebt von mir.
"Ich vermisse dich."
"Ich dich nicht."
"Doch, doch."
"Nö."
Desweiteren wurde er dafür gehasst, dass er keine derartig dummen Wortwechsel unterbrach und sie ertränkte in süffigem Gedankengut. Mein Gedankengut war währenddessen nämlich nicht allzu gut geschützt und allzu gut war es leider auch nicht.
"Mein Gedankengut ist leider nicht so gut geschützt."
"Das weiß ich."
Und sie strich mir diese eine, kleine süße Strähne aus dem Gesicht; fast, als würde sie mich bloßstellen und vergewaltigen wollen, auslösenden Kram ans Licht beförden und mich selbst ans Licht beförden. Ich hätte es ihr nicht verziehen.
"Ich würde es dir nie verzeihen."
"Ich hab dir alles schon längst verziehend."
Und dann.
Nahm sie meine Hand und wir waren wieder Schwestern.