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Unsere Heiligabend-Show
Unsere kleine Dorfkirche steht seit einem halben Jahrhundert in der Stadt. Ihre dreihundert Sitzplätze reichen völlig aus. Dass sechzig Menschen zum sonntäglichen Gottesdienst kommen, geschieht selten und wir freuen uns. Einmal im Jahr platzt die Kirche aus allen Nähten- am heiligen Abend. Die Besucher am Eingang drängeln und schubsen, obwohl die, die schon in der Kirche sind wie Sardinen gepackt sind. Vor Jahren sahen wir die einzige Lösung darin, zwei Heiligabend-Gottesdienste anzubieten. Um 15 Uhr für die kleinen Kinder und um 16.30 Uhr für die größeren.
Unsere Kirche ist nicht nur klein, sondern auch alt und farbig ausgemalt. Mit den beiden großen Weihnachtsbäumen im Altarraum entsteht eine festliche Stimmung, die die Menschen anzieht. Bald wurde klar, dass zwei Gottesdienste nicht ausreichten. Heute haben wir vier Nachmittagsgottesdienste und noch einen Nachtgottesdienst. Die Besucher stapeln sich immer noch, aber 45 Minuten sind schnell vorbei.
Für uns beginnt Weihnachten nach den Sommerferien. Der Kinderchor beginnt seine Weihnachtslieder zu proben, die Jungschar übt ein Krippenspiel und der Pfarrer bastelt am Computer hin und her, um alle Teile in fünfundvierzig Minuten unterzubringen. Der Küster bespricht mit seinen Helferinnen und Helfern, wer welche Aufgaben hat.
Dann ist er da, der große Tag. Die erste Besucher kommen eine Stunde vor Gottesdienstbeginn. Der Kinderchor kann im Gemeindehaus proben, aber das Krippenspiel wird in der Kirche vorbereitet und die Mitspielenden sind schließlich so genervt, dass ihr Lampenfieber kaum ausbrechen kann. Dann tritt die Küstergruppe in Aktion und dirigiert die Volksmassen. Zehn Minuten vor Beginn werden die Kirchetüren geschlossen. Ein Pfadfinder hat vor einigen Jahren vom Kirchentag ein großes Schild mitgeschleppt. "Wegen Überfüllung geschlossen". Das hängt jetzt an er Kirchentür, aber die meisten Menschen,. die jetzt kommen, können anscheinend nicht lesen.
Sobald der Gottesdienst vorbei ist, werden die Menschen möglichst zügig aus der Kirche gelotst und ihre Fragen angehört. Die häufigste Antwort lautet: "Der Herr Pastor hat jetzt leider keine Zeit." Es schmerzt, dass die persönliche Begegnung nicht möglich ist, aber wieso fällt allen Gemeindegliedern nur am Heiligabend ein, dass sie einen Pastor haben. Die Kirche wird aufgeräumt und liegengebliebene Dinge eingesammelt. Währenddessen stehen eine groß gewachsene Konfirmanden vor der Tür und hindern die strömenden Besucher daran, in die Kirche zu gehen. Diese Job ist sehr undankbar, die zornbebenden Schimpfereien reichen für ein ganzes Jahr.
Und dann beginnt schon der zweite Gottesdienst mit der zweiten Halbgruppe des Kinderchores und einer neuen Laienspielgruppe. Das Interesse der Kinder und Jugendlichen, bei den Gottesdiensten mitzuwirken ist hoch und wenn sie erzählen, wie Heiligabend zu Hause begangen wird, kann man das gut verstehen.
Nach dem dritten Gottesdienst - mit Kirchenchor und einer dritten Spielgruppe - beginnt die Spannung abzuflauen. Die ersten Mitarbeitenden gähnen verstohlen und schauen immer wieder auf die Uhr. Denn och bleiben die meisten zum Mitternachtsgottesdienst, denn ds ist auch ein Mitarbeitergottesdienst. Es gibt keine Predigt, sondern zwei besinnliche Geschichten und es wird viel gesungen.
Nach dem fröhlichen Ende des Gottesdienstes wünschen sich alle noch eine gesegnete Weihnachtszeit und hier und da kann man hören: "Gott sei Dank, Heiligabend ist vorbei."