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Unsichere Zukunft
Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, aber ich kann mich nicht richtig darüber freuen ...
Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere. Vielleicht grüßte mich meine Hauswirtin beim Verlassen der Wohnung etwas freundlicher als gewohnt.
Zierliche Vorgärten mit reichlicher Blütenpracht verschwendeten ihren süßen Duft, Kinder spielten. Alles schien etwas gelöster, freier als sonst. Ruhig schnurrte gemächlicher Autoverkehr durch saubere Straßen, irgendein gewohnter Geruch fehlte ... tatsächlich: Abgase waren nicht zu bemerken. Meine Morgenzeitung in der Hand, ließ ich mich auf einer Parkbank nieder. Nicht die kleinste Schlagzeile über Terrorismus, fallende Aktienkurse oder Existenzangst konnte man lesen, obwohl noch gestern von Anschlägen, Produktionseinbrüchen und Katastrophen berichtet worden war! Wie konnte das sein? Gelassen wogten friedliche Menschenmassen an mir vorbei. Seltsame Stille lag über den Tagesgeräuschen, den flimmernden Farben dieser Stadt. Die gesamte Umgebung schien in behagliche Decken gebettet, behütet. Ein älterer Herr hatte, bequem seine Beine ausstreckend, auch auf der Bank Platz genommen. Ich sprach ihn an, ob er nicht erleichtert sei, dass heute keine einzige Zeitungsmeldung mit Schrecknissen aufwartete. Er lächelte nur verlegen, schien überhaupt nicht zu verstehen, worum es ging ... Verunsichert verabschiedete ich mich.
Plötzlich kam lauer Wind auf, wie man ihn vor Sommerregen häufig spürt. Schon fingen alle Menschen im Park an schnell zu laufen, verließen ihre Bänke, suchten Schutz in Gebäuden und Autos, obwohl kein Wölkchen den Himmel bevölkerte. Verstört schaute ich diesen hastigen Bemühungen zu. Jetzt - schlagartig bedeckten sich Gehsteig, Straße, der gesamte Boden mit unruhig bewegtem Wasser. Regendunst entstand und aus den Pfützen stiegen dünne Wasserfäden auf, glitzernd, stetig dem Himmel zustrebend. Dort vereinigten sie ihre Kräfte, um große graue Wolkenungeheuer zu bilden, welche das unerwartete Nass gierig aufsogen und verschlangen. Bühnenvorhängen gleich wurden letzte Regenschleier nach oben gezogen, sonnige Landschaft, überall wohin man blickte. Alle Wasserlachen waren leer geregnet, kräftiger Wind ließ die satte Wolkenherde davon galoppieren, in hellblauer Klarheit zeigte sich der Himmel.
Ich war vollkommen nass, nur meine Haare nicht. Bilder tobten mir durch den Kopf: ein lächelnder älterer Herr, spöttisch tanzende Zeitungsartikel, Regen, den es so keinesfalls geben durfte.
Eigentlich ein Tag wie jeder andere, zu freundlich, vielleicht. Beunruhigt frage ich mich: „Welchen Preis müssen wir letztendlich zahlen?“