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Unten

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15.05.2007
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Unten

Er wollte dort nicht hinunter. Nichts auf der Welt konnte ihn dazu bewegen, die in Dunkelheit übergehenden Stufen vor ihm hinab zu steigen. Dort unten, in weiter Ferne, sah er ein winziges helles Licht flackern, wie ein fett gewordener Stern in einer klaren Sommernacht. Allein die Vorstellung, nicht genau zu wissen, wieviel Stufen es eigentlich hinabging, bereitete ihm Unbehagen. Die vor ihm liegende Gruft, der modrige Geruch, der zu ihm drang, die Dunkelheit, all das und die vielen unbewußten Befürchtungen, die ihm durchs Gehirn zuckten, schreckten ihn ab hinabzugehen.
Mitunter war ihm sogar, als höre er jemanden Rufen, irgendwie klagend und drohend zugleich. Rief da nicht jemand seinen Namen?
Er stand auf einem schmalen Plateau, kaum größer, als sein Körper lang war. Hinter ihm war vor wenigen Augenblicken die Tür mit dumpfem Geräusch zugefallen. Zu beiden Seiten ging es steil hinab. Blaß schimmerten manchmal rötlichgelbe Flammenzungen an den schroffen Wänden zu ihm empor. Über ihm, in großer Höhe, war der Ausschnitt eines vergangenen Sommertages zu sehen.
Er setzte sich. Hier werde ich bleiben, dachte er, bis in alle Ewigkeit. Nichts wird mich daran hindern, niemand wird mich hinabstoßen, ich kann in tausend Jahren noch hier sitzen.

Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er das Geräusch näher kommender Schritte hörte. Langsam stieg jemand mit schwerem Gang zu ihm hinauf. Das Geräusch war noch weit weg, manchmal war es gar nicht zu hören, als ob der Steiger eine Verschnaufpause einlegte.
Er hatte sich langsam erhoben und mit dem Rücken fest an die grobe aus massivem Stein gehauene Tür gestellt. Ganz dicht, als könne sie ihn schützen, als hätte sie die Kraft, ihn fest zu halten, ihn in sich aufzusaugen, ihn zu unverrückbarem Fels zu machen. Wahrscheinlich vergingen Jahre, bis die Schritte sich so weit genähert hatten, daß er allmählich in der Finsternis eine Gestalt zu erahnen glaubte. Was für ein langer Weg, dachte er, wie gut, daß ich ihn nicht gegangen bin, wie mühevoll wäre er für mich, wie quälend langsam muß man hinabsteigen – und wenn ich erst einmal hinabgestiegen bin, gibt es keinen Rückweg mehr. Jede Stufe, die ich nach unten nehme, verschwindet hinter mir, so habe ich es im Traum erfahren. - Wieder verging eine lange Zeit und endlich waren die Umrisse einer Person zu erkennen, die wie unter großen Mühen und mit nun hörbarem, lautem Schnaufen und Seufzen, sich ihm näherte. Je näher sie kam, desto gewaltiger erschien sie ihm. Ein Riese von Gestalt mußte das sein. Er spürte keine Furcht mehr, denn hier brauchte ja niemand Angst zu haben. Er hatte keine Sorge, was mit ihm geschehen würde, denn man hatte es ihm ja überlassen, zu gehen oder zu bleiben.
Dann entschloss er sich, die Person anzurufen: „Hallo!“ rief er und wunderte sich wie flach und hohl seine Stimme geworden war. Die Schritte hörten auf, die Umrisse schienen sich aufzurichten, etwas wie ein Gesicht blickte zu ihm auf. Er beugte sich so weit es ging vor, setzte den rechten Fuß nach vorn, bis an den Rand des Plateaus, da wo die erste Stufe begann, und starrte hinunter.
„Hallo“, rief er erneut, „können Sie mich hören?“
Das Schnaufen wurde wieder hörbar, ging in ein unverständliches Brummen über, das sich aber so anhörte, als antworte man ihm. Er registrierte eine Bewegung, etwas kam auf ihn zu, drang in den erkennbaren Bereich vor, es war eine große Hand, die sich ihm entgegen streckte. Er wich zurück, duckte sich, als sie nach ihm griff. Er hatte nicht viel Spielraum ihr auszuweichen.
„Was wollen Sie denn von mir?“ rief er so laut er konnte. Eine knurrige Antwort kam aus der Tiefe, eine Art Wolfsgrollen. Die suchenden Bewegungen der Hand wurden heftiger, streiften ihn. Ihm blieb kaum eine Chance, ihr auszuweichen. Und wenn er sich greifen lassen würde? Unweigerlich würde er in die Tiefe gezogen. Er spürte die Kraft dieser Hand, ohne dass sie ihn zu berühren brauchte.
Wäre es nicht besser, ihr zu folgen, als ein Sturz ins Flammenmeer, in die Glut der Hölle? Könnte dieses Licht in der tiefen Ferne, der fette Stern, nicht auch eine Annäherung ans Paradies sein? Kam man, um ihn dorthin zu führen?

Eine ganze Weile dauerte dieses Spiel, er bewegte sich wie ein in Ekstase geratener Tänzer hin und her, geriet oft an den einen oder anderen Rand des Plateaus und sah im schwachen Schein des Höllenfeuers seinen verzerrten Schatten an den kalten Wänden wachsen und schrumpfen. Plötzlich wurde die Hand zurück gezogen. Noch einmal erklang dieser unmenschliche Laut. Wieder begannen die Schritte, langsam entfernten sie sich, hielten an, erklangen wieder, leise und leiser werdend, ein jahrelanges Abwärtsschreiten eines Abgesandten der ewigen Mächte.
Er lauschte den kaum noch hörbaren Geräuschen nach, bis sie endgültig verstummt waren.

Dann gab es einen Knall. Laut und heftig. Direkt vor ihm. Dann zu beiden Seiten. Er nahm war, wie noch schwärzere Dunkelheit ihn umgab. Er streckte seine Hand aus. Sie stieß gegen eine Wand. Undurchdringlicher Stein, ewiger Fels, tote Materie. Er warf einen kurzen Blick nach oben. Der Ausschnitt des blauen Himmels wurde kleiner, wurde scheinbar weg geschoben. Etwas wurde über ihm geschlossen.

Sein Grab war nun fertig. Er dachte: Wie im Leben, wieder eine Chance nicht genutzt.

 

Hallo Hawowi,
ich hatte die ganze Zeit die Hoffnung, dass die Auflösung der Geschichte einen gewissen Aha-Effekt beinhaltet. Aber als dann nicht mehr viel Text übrig war, dachte ich eigentlich nur noch "oh bitte, irgendeine Auflösung wird doch wohl kommen" und als sie dann kam, wäre es mir doch lieber gewesen, es hätte keine gegeben. Was ich damit sagen will: Du versuchst eine hoffnungslose Stimmung zu schaffen, eine dunkle Stimmung, wenn man so sagen will. Da ist die lange Treppe, die Dunkelheit und der dunkle Mann mit der starken Hand. Bleibt die Frage: Was soll das alles? Ist das der Teufel? Ist das die Treppe in die Hölle? Das könnte man durch die Grabauflösung annehmen und genau da liegt das Problem. Das ist viel zu einfach; zu klischeehaft.
Leider hat mir diese Geschichte nicht gefallen. Für mich ergibt das alles keinen wirklichen Sinn und auch Spannung baust du keine auf.
Sorry, dass ich dir nichts anderes sagen kann.

Viele Grüße...
morti

 

Hallo,

nicht genau zu wissen wieviel Stufen es eigentlich hinabging,
, wie viele Stufen …

schreckten ihn ab, sich zum Hinabgehen zu entschließen.
Bürokratensprache: hinabzugehen.
Oder noch besser: ganz weglassen, wovor sollten sie ihn denn auch sonst abschrecken?

als höre er jemanden Rufen
rufen klein natürlich.

Er stand auf einem schmalen Plateau, kaum größer, als sein Körper lang war.
Viel zu kompliziertes Bild. Beim Lesen sollen sich sofort Bilder einstellen – in meiner Phantasie – und so ein krudes Ding, gibt mir das Gefühl zu blöd für die Geschichte zu sein.

Ein Riese von Gestalt mußte das sein
Es ist einfach eine geblähte, umständliche Sprache. Ein Riese musste das ja sein! Ein Riese vom Geiste her, oder was? Natürlich von der Gestalt. Was denn sonst?

als ein Sturz ins zu erwartende Flammenmeer,
Lass dir das Mal auf der Zunge zergehen. Ein Sturz ins Flammenmeer! Das ist doch was. Eine Alptraumvorstellung, ein archaisches, starkes Motiv. Ein Meer aus Flammen und man stürzt hinein. Aber reicht das? Nein, das Flammenmeer muss noch eine Eigenschaft bekommen und welche: zu erwartend. Börks, das ist wie ein saftiger Braten und dazu gibt’s ne schöne Scheibe Styropor.

an den monolithenen Wänden
Das ist kein Wort. Monolithischen, wenn schon. Aber auch dann entsteht einfach kein Bild. Fugenlos sollen die Wände wohl sein, wie aus einem Stück gemeißelt. Aber was soll das?

Er nahm war,
Wahr

Ja, der Gag ist wohl, dass er die Chance zur Wiedergeburt oder aufs Paradies verpasst, weil er auf Nummer Sicher gehen will. Hab ich mal in ner Twilight Zone-Folge gesehen, ist jetzt nix neues.
Die Idee ist nicht schlecht, aber die Sprache, um Himmels Willen, die arme Sprache! Du kannst ja damit umgehen, aber du quälst sie, du weitest sie aus, du walzt sie platt. Es wird dadurch zäh und öde. Ganz ehrlich, es sind lauter Kleinigkeiten, an denen man drehen könnte. Aber in dem Text steckt richtiger Bürobrief-Mief. Der muss unbedingt raus.

Gruß
Quinn

 

Hi Hawowi!

Ich kann mich meinen Vorkritikern anschließen, für mich war es auch nichts. Meiner Meinung nach ist der Text mehr eine Szene als eine ganze Geschichte, wenn sie auch nicht schlecht geschrieben ist. Allerdings auch nicht gut, die Sprache wirkt auf mich oft überladen. Wenn es vorher eine Geschichte gäbe, in der das "Leben" aus "wie im Leben, ..." vorgestellt würde, wäre das vielleicht ein nettes Ende.
Für sich alleine stehend kann ich aber nicht viel draus gewinnen

Nichts für ungut und viele Grüße,
Seaman

 

Hallo liebe Leser,:hmm:

danke für eure Beiträge und Quinn für deine Änderungsvorschläge, da hab ich nachgedacht und gebe dir recht: die von dir bemerkten Stellen klingen etwas krumm, ich habs geändert.
Das mit der Sprache will ich nicht ändern, so schreibe ich nun mal, wenns nicht gefällt - damit kann ich umgehen.
Seaman - das ist eine treffende Bemerkung, das dich das Ganze an eine Szene erinnert. Es ist wie eine Alptraumszene. Und Morti - Alpträume haben nun mal keinen Plot. Ich bin außerdem auch ein großer Fan davon, auf einen Plot hin zu schreiben. Der Weg ist das Ziel.
Hollywoodfan - danke für deinen Zuspruch. :)

Bis dann
Hawowi

 

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