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Unter dem Himmel

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30.06.2004
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Unter dem Himmel

Für Malinche

Unter dem Himmel

Feuer, die hochschlagen, die ganze Umgebung ausgeleuchtet von zuckendem roten Licht. Schreie, vor Schmerz, vor Wut, vor Kampfeslust. Im Hintergrund Trommelklang. Ein Hornstoß. Hitze, Angst, Tod. Blut, überall um mich herum, auf mir, auf den reglosen Körpern neben mir, auf meiner Waffe. Blut in meinem Mund, es schmeckt schal. Kämpfende Leiber im flackernden Licht.
Was habe ich getan?
Der Mann, den ich gezwungen habe, mir zu Willen zu sein, liegt nackt und still vor mir. Er ist blutverschmiert, sein Blut, und das Blut Dutzender Feinde von meinem eigenen Körper. Der Schnitt in seiner Kehle sieht grotesk aus, ohne ihn wäre er sicher ein hübscher Mann, jung, blond, kräftig.
Noch mehr Schreie, weiter entfernt, Todesschreie diesmal. Die Trommeln werden eindringlicher. Unsere Seite stürmt die Stadt, die letzte Bastion des Feindes.
Feind?
Wann habe ich angefangen, so zu denken? Oder besser: wann habe ich aufgehört, zu denken?
Ich muss hier fort, weit weg, irgendwohin, wo ich Ruhe habe, Frieden, wo es kein Blut gibt, keine Schlachten, keine Feuer, keinen Hass.
Doch wohin? Zurück in den großen Wald, das ist mein erster Gedanke, zurück in den grünen Schatten der Bäume. Aber dort werden sie mich suchen. Nein, ich gehe nicht zurück zu den Stätten meiner Kindheit. In der Ferne zeichnen sich die Silhouetten der schwarzen Berge ab. Zuflucht!
Angeekelt werfe ich das blutverschmierte Schwert weit von mir. Diese Nacht ist das Ende von Schwertmeisterin Noêna.

Kelai war unter dem Himmel aufgewachsen. Zumindest hatte sie es immer so empfunden. Wenn sie abends vor die Tür des kleinen Hauses trat, breitete sich um sie herum der Sternenhimmel aus, über ihr, teilweise auch unter ihr. Er war von einer samtenen Schwärze, die einzelnen Lichtpunkte so klar und hell, dass sie wirklicher schienen als die Lichter, die bisweilen aus dem Tal herauf schimmerten.

Es gab niemanden in Kelais Welt, außer ihrer Mutter, ihr selber und dem alten Mann der immer mal wieder mit seinem Maultier den Berg hinauf gestiegen kam, um ihnen das zu bringen, was sie nicht selber herstellen konnten. Viel war das nicht. Sie hatten Schafe, die ihnen Fleisch, Kleidung und Milch spendeten, einige halbwilde verkrüppelte Obstbäume hinter dem Haus und einen kleinen Vorrat an Grassamen, die sie im Sommer und Herbst sammelten und aus denen sie ein grobkörniges Mehl herstellten. Wenn es nicht reichte, brachte der alte Mann Korn aus dem Tal herauf, oder Knollen oder Gemüse, manchmal auch Nadeln, Messer oder neue Webschiffchen. Immer wieder brachte er der Mutter auch Tonflaschen mit Medizin. Die brauchte sie, gegen ihre schlimmen Träume.

Bisweilen wachte Kelai nachts von einem gellenden Schrei auf. Dann war ihre Mutter wieder krank. Zuerst hatte sie sich immer furchtbar erschrocken, aber mit der Zeit gewöhnte sie sich daran. Ihre Mutter stand dann auf und ging mit unsicheren Schritten zu dem Regal, wo sie die Flaschen mit der Medizin aufbewahrte. Sie nahm eine heraus, setzte sich an den Tisch und leerte sie nach und nach. Die Medizin machte sie immer ziemlich komisch. Sie konnte dann nicht mehr richtig sprechen, sang manchmal mit schwerer Zunge und weinte schrecklich viel. Aber wenigstens schrie sie nicht mehr. Für einige Tage zumindest nicht.

Als Kelai neun Jahre alt war, begann sie, Fragen zu stellen.
„Mama, wie sind die Leute im Tal unten?“
Ihre Mutter, die gerade an einem Brotteig knetete, richtete sich auf und schenkte Kelai einen langen Blick. Sie zögerte etwas, bevor sie antwortete.
„Die Leute im Tal leben sehr gefährlich, Kelai.“
„Gefährlich?“
Ihre Mutter ließ den Brotteig stehen. Sie kam zu Kelai, die am Kamin saß und mit Holzkohle auf dem Boden kritzelte.
„Du musst mir jetzt gut zuhören, Kelai!“ Ihre Mutter zog sie auf die Füße und schloss sie so fest in ihre Arme, dass Kelai fast keine Luft mehr bekam. Der Brotteig blieb an ihrem Kleid hängen und verklebte ihre Haare, als ihre Mutter sie sanft hin und her zu wiegen begann. „Im Tal unten ist es sehr gefährlich, Kleine. Der Boden ist ganz weich, verstehst du? Er gibt unter deinen Füßen nach und verschluckt dich.“
Kelai riss die Augen auf. „Aber wie können dann die Menschen unten im Tal leben?“
„Sie sind anders als wir. Sie können auf dem Sumpf laufen. Aber du, du musst dir merken: wenn du einmal keine Felsen mehr unter deinen Füßen hast, dann lauf! Lauf weg, so schnell du kannst, wieder in die Berge! Sonst wirst du verschlungen werden. Versprichst du mir das?“ Ihre Mutter ließ sie jetzt los, schob sie ein Stück von sich und sah ihr in die Augen. „Versprichst du es?“
Und Kelai, die die Angst in den Augen ihrer Mutter sah, nickte brav und antwortete: „Ich verspreche es.“

Seitdem stellte sie ihre Fragen nur noch dem alten Mann.
Der Mann war schon immer alt gewesen, seit Kelai denken konnte.
„Wie ist es, dort unten?“, fragte sie wieder und wieder.
„Nicht viel anders als hier oben, mein Engel“, antwortete er mit seiner kratzigen, vom Rauch rauen Stimme. „Nur nicht so schön. Es gibt weniger Himmel, dort unten.“
Kelai konnte sich das kaum vorstellen, weniger Himmel. Wie sollte das aussehen? Auf jeden Fall schien ihre Mutter recht zu haben: das Tal war nicht schön. Kein Himmel, keine Felsen unter den Füßen.
Dann folgte sie dem alten Mann in die Hütte, wo er seine Waren auf dem Tisch ablud und von ihrer Mutter einige Geldstücke aus der Steintruhe unter dem Fenster in Empfang nahm. Kelai verstand auch nie, wozu er die brauchte. Aber er hatte ihr mal erklärt, dass die anderen Menschen im Tal diese schimmernden Scheibchen so gerne hatten, dass sie dafür vieles hergaben. Das fand sie sehr seltsam und schüttelte nur verwundert den Kopf darüber.
Immer wieder, wenn ihre Mutter glaubte, Kelai würde es nicht bemerken, nahm sie den alten Mann beiseite. Eindringlich redete sie auf ihn ein, manchmal steckte sie ihm auch noch einige zusätzliche Münzen zu. „Für Euer Schweigen“, hörte Kelai sie einmal flüstern. Dann bemerkte ihre Mutter jedoch, dass sie zuhörte und scheuchte sie aus der Hütte.
An dem Abend erzählte sie ihr zum ersten Mal von dem dreiköpfigen Adler.

Der dreiköpfige Adler war ein mächtiges und bösartiges Tier. Er durchstreifte das ganze Gebirge auf der Suche nach Beute. Er war so groß, dass er mit Leichtigkeit einen Menschen verschleppen konnte. Dann trug er ihn davon, zu seinem Nest und zerhackte ihn dort in ganz kleine Stücke.
Immer und immer wieder erzählte Kelais Mutter ihr von dem Adler. Abends, vor dem Kamin, wenn sie ihre dünne Suppe löffelten, oder während des Webens oder Spinnens. Wochenlang hatte Kelai Alpträume von einem riesigen schwarzen Vogel, der sie verschleppte.
Beim letzten Mal, als ihre Mutter über den Adler sprach, hatte sie eine halbe Flasche ihrer Medizin geleert. Kelai merkte, dass es ihr schwer fiel, deutlich zu sprechen. „Der … dreiköpfige Adler … er ist böse, schlecht … du darfst ihm nicht vertrauen!“ Und dann packte sie Kelai so unvermittelt fest an den Armen, dass es richtig wehtat. Ihre Stimme war auf einmal ganz klar.
„Wenn du den Adler siehst, dann lauf’ weg, Kelai! Lauf ganz weit weg. Ich habe es damals nicht getan.“
Kelai wollte fragen, wann ihre Mutter dem Adler begegnet war, aber die hörte ihr nicht mehr zu. Still weinend saß sie am Tisch und nahm nur ab und zu einen Schluck aus der Medizinflasche.

Als Kelai vierzehn war, beschloss sie, sich die Welt im Tal einmal anzusehen. Sie wollte ausprobieren, ob der Boden wirklich so weich war wie ihre Mutter gesagt hatte. Kelai war sich ganz sicher, dass sie rechtzeitig davonlaufen konnte, wenn sie einzusinken drohte. Außerdem hatte der alte Mann erzählt, dort gebe es viele Menschen, mehr, als Kelai Finger und Zehen hatte. Das war für sie genauso schwer vorstellbar wie alles andere, was er über die Menschen im Tal erzählt hatte. Aber ansehen wollte sie es sich doch. So schnürte Kelai ein Bündel mit allem, was sie brauchen könnte, ging zu ihrer Mutter und reckte ihr Kinn entschlossen in die Luft.
„Ich gehe ins Tal, die anderen Menschen sehen!“ Sie hatte erwartet, dass ihre Mutter ihr widersprechen würde, aber das tat sie nicht. Sie sah Kelai nur lange an und nickte dann. Ihr Gesicht war regungslos.
„Tu das, mein Mädchen, aber lass uns erst noch nach den Schafen sehen, ich glaube, eines lammt heute Nacht!“
So blieb Kelai noch einen Tag und half ihrer Mutter mit dem Schaf. Als sie dann am nächsten Tag aufbrechen wollte, widersprach ihre Mutter wieder nicht, aber bat sie, noch die letzten Äpfel zu pflücken. Und am Tag darauf hatte sich Kelais Mutter den Fuß verstaucht und konnte nicht zum Sammeln gehen. Und danach mussten die Schafe auf eine andere Weide getrieben werden.
Irgendwann hatte Kelai ihren Wunsch vergessen. Je älter sie wurde, desto merkwürdiger kam er ihr auch vor. Was sollte sie denn in der Welt dort unten? Wenn sie ihrer Mutter Glauben schenken durfte, dann waren die Menschen im Tal es ohnehin nicht wert, dass Kelai sie besuchte. Hier, unter dem Himmel, war es sowieso viel schöner.

Ihre Mutter starb, als Kelai siebzehn Jahre alt war.
Sie hatte oft gesagt, dass sie schon alt wäre und ihre Zeit bald gekommen. Sie hatte gewusst, dass sie gehen würde und hatte ihrer Tochter das auch wieder und wieder erklärt. Sie hatte Kelai beizeiten beigebracht, wie viel der schimmernden Münzen der alte Mann für seine Waren bekam, auf was sie besonders achten sollte, bei dem Korn, das er ihnen brachte und hatte ihr eingeschärft, nicht auf seine Geschichten zu hören. Alles andere konnte Kelai ganz gut alleine. Trotzdem war sie sehr traurig. Plötzlich kam ihr das Haus unter dem Himmel doch sehr einsam vor.
Sie begrub ihre Mutter unter einem gebeugten Apfelbaum, flocht einen Kranz aus wilden Blumen und legte ihn auf den Grabhügel. Einen halben Tag saß sie dort und ließ es zu, dass ihr warme Tränen über die windgekühlten Wangen liefen. Dann musste sie sich allerdings wieder an die Arbeit machen. Die Schafe schoren sich schließlich nicht von selber.

Als der alte Mann das nächste Mal kam, erklärte Kelai, dass ihre Mutter gestorben war und führte ihn zu dem Grab. Da stand er, drehte seine speckige Mütze in den rissigen Händen und murmelte etwas vor sich hin, das Kelai nicht verstand, bevor er ihr wieder zum Haus hinauf folgte. Und dort fragte er sie.
„Engelchen, willst du denn nicht ins Tal ziehen, jetzt, wo deine Mutter heimgegangen ist? Ich kenne Leute, die dich gerne aufnehmen würden, mit Freuden sozusagen.“
Kelai legte den Kopf schief und wand eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger, wie so häufig, wenn sie überlegte. Sie sah das Funkeln in den Augen des alten Mannes, ein Glitzern wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte, und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Dann schüttelte sie sanft den Kopf und lächelte ihn an.
„Nein, ich bin ganz glücklich hier, unter dem Himmel.“
„Bist du denn nicht einsam, Engelchen?“
Einen Moment lang überlegte sie. Doch dann dachte sie an den Sumpf, unten im Tal, der sie verschlingen würde. Zwar glaubte sie nicht mehr richtig daran, aber ein leiser Zweifel blieb.
„Einsam? Nein, ich denke nicht.“
Da seufzte er und machte sich mit seinem Maultier wieder auf den Weg nach unten. Kelai sah ihm nach und fragte sich plötzlich, ob das Maultier auch schon seit Jahren dasselbe war, so wie er immer derselbe war.
Zwei Jahre lebte Kelai alleine, dann lernte sie Rhianne kennen.

Es war an einem kühlen Abend im Frühsommer. Kelai hatte tagsüber die Schafe auf die obere Weide getrieben und saß nun vor dem Haus, um die letzten Strahlen der Abendsonne für ihre Webarbeit zu nutzen. Weben hatte sie nie gerne getan, aber sie brauchte dringend ein neues Kleid, das andere war schon ganz durchgewetzt und wärmte nicht mehr richtig. Lustlos stieß sie das Schiffchen durch die Kettfäden, als sie weiter unten am Hang Steine rollen hörte.
Sie hielt einen Moment inne, um zu lauschen. Wieder das Klacken von Steinen, dann das Geräusch, wie ein Fuß, der im losen Schotter nach Halt suchte. Jemand kam den Pfad hinauf. Verwundert erhob sich Kelai. Der alte Mann kam nie so spät am Abend. Das hieße ja, dass er den Rückweg im Dunkeln zurücklegen musste. Außerdem erwartete sie ihn erst in einiger Zeit wieder. Sie hatte noch genug Korn, um gut auszukommen.
Warum also kam er jetzt? Kelai lehnte ihren Webrahmen vorsichtig an einen großen Stein und lief zum Pfad hinüber. Sie folgte ihm, bis er die Hochebene verließ und zum Tal hinunter abfiel. Von hier aus konnte sie ein gutes Stück des Hanges überblicken. Gar nicht weit unter ihr stieg eine einzelne Person den Weg hinauf. Aber es war nicht der alte Mann.
Überrascht wich Kelai erst einmal einen Schritt zurück. Dann jedoch trat sie wieder an die Kante. Wer war das? Es war eine Frau, soviel konnte sie sehen, obwohl die Person Hosen trug und ein Lederhemd, was sie bisher nur von dem alten Mann kannte. Ihre Haare hatten eine merkwürdige Farbe. Rot wie die Wolken am Abend. Die fremde Frau hatte sie sehr kurz abgeschnitten, was sie in Kelais Augen nur noch merkwürdiger wirken ließ. War das eine der Talbewohnerinnen? Wahrscheinlich, aber was wollte sie hier? Was sollte sie nun tun? Ihre Mutter hatte nie erwähnt, was Kelai machen sollte, wenn jemand aus dem Tal herauf kam.
Noch während Kelai überlegte, hielt die fremde Frau inne, wischte sich mit dem Ärmel ihres Hemdes über die Stirn und blickte dann auf. Direkt in Kelais Augen. Kelai sah eine schmale Narbe auf ihrer rechten Wange und die kleinen Falten, die sich in ihrem ganzen Gesicht eingegraben hatten, obwohl die Frau eigentlich nicht viel älter sein konnte, als sie selber. Einige Momente lang starrte Kelai auf das fremde Gesicht, dann schlug sie verwirrt die Augen nieder und wich wieder etwas von der Kante zurück.
Sie wusste immer noch nicht, was sie tun sollte. Zögernd ging sie zu der Bank zurück, auf der sie gesessen hatte und griff wieder nach ihrem Webrahmen. Das raue Holz fühlte sich beruhigend vertraut an. Kelai bemerkte, dass ihre Hände zitterten, als sie das Schiffchen wieder nahm. Sie ballte ihre Fäuste und wartete, bis das Zittern aufhörte. Gut. Sie würde hier einfach sitzen bleiben, dann würde sie schon sehen, was die Fremde wollte.
Es dauerte nicht lange, bis die Frau über die Kuppe kam. Für einen Moment lang blieb sie stehen, wischte sich noch mal die Stirn und musterte das Haus und die Berge ringsum. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung und ging sie zielstrebig auf Kelai zu. Vor der Bank hielt sie inne und schenkte auch Kelai einen langen Blick, kniete sich nieder und senkte ihren Blick zu Boden.
„Ich grüße Euch, Schwertmeisterin, gut, dass ich Euch endlich gefunden habe. Euer Land braucht Euch!“
Kelai stellte den Webrahmen beiseite. Verwundert betrachtete sie die Frau vor ihr nun genauer. Ihre Stirn war schweißfeucht und sie keuchte etwas. Ganz offensichtlich war sie den Aufstieg nicht gewohnt. Sie trug einen Rucksack, und ihrem Gürtel steckte ein unglaublich langes Messer. Kelai hatte noch nie so eines gesehen und sie hielt es für ziemlich unpraktisch. Das musste doch sehr unhandlich sein, wenn man damit etwas schneiden wollte.
„Warum kniest du vor mir?“, fragte sie. Sie hatte hundert Fragen, aber diese war nun einmal als erstes heraus gekommen.
Die Frau hob den Kopf und stand langsam wieder auf. Sie war etwas kleiner als Kelai, aber sehr viel muskulöser. Die Narbe auf ihrer Wange schimmerte rötlich. „Mir wurde im Tal berichtet, dass Ihr hier oben lebt. Ihr seid doch die Tochter von Schwertmeisterin Noêna, oder?“
Kelai runzelte leicht die Stirn. „Meine Mutter hieß Noêna, aber ich weiß nicht, ob sie eine Schwertmeisterin war. Was ist das, eine Schwertmeisterin?“
Ein verschmitztes Lächeln stahl sich auf das Gesicht der fremden Frau. „Eure Mutter hat unsere Truppen in der Schlacht um Naragoîr geführt. Sie hat den Krieg für uns gewonnen. Hat sie Euch das nie erzählt?“
Verwirrt schüttelte Kelai den Kopf. „Ich verstehe nicht, wovon du redest.“
Die fremde Frau lächelte nur weiter. „Oh, Ihr werdet es schon noch verstehen. Wichtig ist erst einmal, dass Ihr mit mir ins Tal kommt. Ihr werdet gebraucht.“
„Ich werde gebraucht?“ Kelai sah sich zu ihrem Haus um, blickte zu der oberen Weide auf, wo sie die Schafe in Sicherheit wusste. „Warum?“
„Damit Ihr den Krieg gegen Eftharia für uns gewinnt.“
„Was ist das, Krieg?“
Die Frau runzelte ganz leicht die Stirn. „Ich werde es Euch erklären. Dafür bin ich hierher gekommen.“
Doch Kelai wollte von den Talbewohnern gar nichts wissen. „Ich möchte lieber hier bleiben, unter dem Himmel. Hier gibt es genug für mich zu tun.“
Die Frau ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Wartet, bis ich es Euch erklärt habe. Mein Name ist Rhianne. Meine Mutter war die Freundin Eurer Mutter. Ich denke, wir werden auch Freunde werden. Darf ich mich setzen?“

„Ich verstehe es immer noch nicht.“ Zwei Tage lebte Rhianne nun schon bei Kelai in der Hütte. Zwei Tage, in denen Kelai mehr über die Welt im Tal erfahren hatte, als in den neunzehn Jahren davor. Trotzdem sträubte sich ihr Verstand gegen das, was laut Rhianne die wahre Welt sein sollte.
„Warum sollten Menschen einander töten wollen?“ Kelai schauderte. Sie konnte Schafe schlachten, aber sie konnte sich nicht vorstellen, einem Menschen Leid zuzufügen.
Rhianne lehnte sich auf der Eckbank nach vorne, stützte die Arme auf ihre Knie und betrachtete Kelai eindringlich.
„Manchmal ist das notwendig“, meinte sie schließlich, sicher zum hundertsten Mal. „Und vergiss nicht: wir sind im Recht, die anderen haben uns zuerst angegriffen.“
Kelai schüttelte nur den Kopf. Wie konnte das Recht sein?
„Kelai, ich bitte dich, komm mit mir ins Tal!“ Rhianne verwendete nicht länger die höfliche Anrede. In den zwei Tagen waren die beiden Frauen sich erstaunlich nahe gekommen. Kelai hatte niemals eine gleichaltrige Frau zum Reden gehabt und jetzt erst merkte sie, wie sie seit dem Tod ihrer Mutter Unterhaltungen vermisst hatte. Dennoch schüttelte sie wieder den Kopf.
„Ich kann das nicht, was ihr von mir wollt, ich kann nicht kämpfen, nicht töten.“
„Dann komm so mit, ich bitte dich, als Freundin!“
Lange, sehr lange blickte Kelai in Rhiannes Gesicht. Studierte die vernarbten Züge und suchte in den hellen Augen nach Anzeichen darüber, was die andere dachte. Doch Rhiannes Lächeln war offen und freundlich. Schließlich, langsam, nickte Kelai. „Wenn dir so viel daran liegt. Aber ich werde nicht kämpfen.“
Auf Rhiannes Gesicht trat ein Ausdruck tiefster Zufriedenheit.

Der Boden im Tal war genauso fest, wie in den Bergen. Manchmal federte er zwar etwas unter den Füßen, aber er gab jedenfalls nicht nach. Kelai begann, sich zu fragen, wovor ihre Mutter denn solche Angst gehabt hatte. Es gab allerdings tatsächlich weniger Himmel im Tal. Zumindest konnte Kelai ihn kaum mehr sehen. Wenn sie nachts vor das Zelt trat, das sie mit Rhianne zusammen bewohnte, waren die Sterne meist hinter einem Schleier aus Rauch verborgen.

Das Lager war riesig. Und es gab unendlich viele Menschen, so kam es Kelai vor. Sie fühlte sich nicht wohl hier, zwischen all diesen Leuten, die Tag und Nacht in Rüstung herumliefen, die Schwerter gegürtet, die Gesichter steinern. Sie waren auf dem Weg in den Krieg. In einen Krieg, der Kelai nichts anging, der sie verwirrte und ein wenig ängstigte.
Rhianne hatte sie vor den Oberkommandanten geführt. Der hatte sich gefreut, Kelai zu sehen und gemeint, dass der Krieg nun so gut wie gewonnen wäre. Vergeblich hatte sie versucht, ihm zu erklären, dass sie nicht kämpfen konnte, und es auch nicht wollte. Er hatte nur dieses Lächeln aufgesetzt, das auch Rhianne zur Schau trug.
„Wir werden es sehen“, hatte er gesagt und Kelai damit entlassen. Und obwohl sie nicht kämpfen wollte, gab er ihr Geld dafür, dass sie mit ihnen zog. Sold nannte er das, viele Münzen, die Kelai einfach in ihr Bündel steckte. Sie brauchte sie nicht.

Tag für Tag wanderte sie nun mit dem Feldlager nach Norden. Sie sprach mit niemandem, außer Rhianne. Die anderen schienen sie gar nicht zu beachten. Sie machten ihr Platz, wenn sie durch das Lager ging, aber das war auch schon alles. Beinahe kam es Kelai so vor, als hätten all diese tapferen erfahrenen Kämpfer Angst vor ihr. Aber warum? Sie war nur ein Mädchen, das noch nie in seinem Leben eine Waffe gehalten hatte. Doch je länger Kelai im Feldlager weilte, desto deutlicher wurde es.
Die gewisperten Gespräche, die immer dann verstummten, wenn sie sich näherte, die tiefen Verbeugungen, das Niederschlagen ihrer Augen. Gemurmelte Entschuldigungen, wenn einer von ihnen auch nur ihren Arm streifte, die Hände der Männer wichen immer weit von den Griffen ihrer Schwerter zurück. Fast als fürchteten sie, Kelai könnte wütend werden, wenn sie auch nur den Verdacht hatte, dass sie ihre Waffen ziehen wollten.
Eines Tages rempelte sie aus Versehen einen jungen Soldaten an, als sie wieder einmal durch das Lager wanderte. Er war vielleicht so alt, wie sie selber und wirkte etwas unbeholfen in der schweren Rüstung. Er rappelte sich auf und wollte schon loslegen, zu schimpfen, als er Kelai erkannte. Von einem Moment auf den anderen wurde er kreidebleich.
„Verzeiht mir, verzeiht, ich habe Euch nicht erkannt, Schwertmeisterin!“
Kelai wollte antworten, ihm sagen, dass sie keine Schwertmeisterin war, aber ehe sie es sich versah, stand der Kommandant bei ihnen.
„Was ist hier vorgefallen?“
„Ich… ich muss gestolpert sein und habe dabei versehentlich die Schwertmeisterin angestoßen, bitte verzeiht!“ Der Junge zitterte nun am gesamten Körper. Wieder wollte Kelai zu einer Entschuldigung anheben, doch der Kommandant packte den jungen Soldaten einfach am Arm uns schleifte ihn mit sich. Kelai sah ihn nicht wieder. Vielleicht war er entlassen worden. Doch der Vorfall hatte den anderen nur noch größere Angst eingejagt. Nun gingen sie Kelai weitläufig aus dem Weg. Wenn sie sie ansprach, wichen sie ihrem Blick aus und brachten alle möglichen Entschuldigungen hervor, um sich nicht mit ihr zu unterhalten. Trotz allem glaubte Kelai, dass sie sehr wohl über sie redeten.

Am siebten Tag ihrer Reise stellte Kelai Rhianne zur Rede.
„Warum fürchten sie mich, Rhianne?“
Ihre Freundin wandte ihren Blick ab, etwas, das sie nicht besonders oft tat. „Wer fürchtet dich, Kelai?“
„Die Soldaten. Und erzähle mir nicht, dass es nicht so ist, denn ich kann ihre Angst spüren. Sie leuchtet in ihren Augen, wenn sie mich ansehen.“
Rhiannes Blick war konzentriert auf ihre Schnürstiefel gerichtet. „Vielleicht sehen sie deine Mutter in dir. Ich meine, nach allem, was ich gehört habe, siehst du ihr sehr ähnlich. Und deine Mutter war eine gute Kämpferin, aber etwas … jähzornig. Sie hatte sich nicht immer gut unter Kontrolle, wenn sie gereizt wurde, wenn du verstehst, was ich meine.“
Kelai verstand nicht. Sie hatte ihre Mutter gütig, sanft und liebevoll in Erinnerung. Nie hatte sie Kelai geschlagen oder war sonst aggressiv gewesen. Doch Rhianne wollte offensichtlich nichts mehr sagen. Sie stand hastig auf und verließ das Zelt.

Immer näher kamen sie Eftharia, einer kleinen Stadt nahe der Landesgrenze. Ihres Landes. Es war ein seltsamer Gedanke. Die Soldaten begannen, unruhig zu werden. Kelai konnte ihre Anspannung bei den Morgenappellen über dem Lager hängen spüren. Und sie spürte die Blicke, die immer wieder zu ihr wanderten. Die Angst war aus ihnen gewichen, stattdessen lag erwartungsvolle Hoffnung darin. Es wurde immer deutlicher für Kelai, dass sie auf etwas warteten.

Am zwanzigsten Tag ihrer Reise erreichten sie die Grenze. Nur noch einen Tagesmarsch entfernt lag Eftharia und Kelai konnte die Rauchfahnen des gegnerischen Lagers am Horizont ausmachen. Ein drohender roter Schein lag über den entfernten Zelten, wie ein unheiliges Zeichen. Sterne konnte sie gar keine sehen, zu hell leuchteten ihre eigenen Feuer.
Kelai stand alleine, etwas außerhalb des letzten Wachfeuers. Keiner schien sich Sorgen zu machen, dass ihr etwas passieren könnte. Die kühle Nachtluft roch falsch und schmeckte nach etwas, was Kelai nicht kannte. Hinter ihr im Lager begann jemand, leise eine Trommel zu schlagen. Ein einsamer Rhythmus in der Nacht. Raue Stimmen und Gelächter drangen an ihr Ohr, übertriebene Fröhlichkeit, aus der Kelai die Angst heraushören konnte. Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie gar nicht wusste, was sie hier überhaupt tat. Es gab nichts für sie zu tun, dieser Krieg war nicht ihrer. Sie war auf Rhiannes Wunsch hier und vielleicht auch, weil se doch ein wenig neugierig auf die Welt untern im Tal gewesen war, doch das hier war einfach nicht ihr Leben. Sie wollte nur nach Hause, zurück unter den Himmel. Mit einem Ruck wandte sie sich um und machte sich auf den Weg zu ihrem Zelt.
Rhianne saß auf ihrer Schlafstätte und polierte ihr Schwert. Sie blickte etwas überrascht auf, als Kelai ins Zelt gestürmt kam und hastig begann, ihre Sachen zusammen zu packen.
„Was ist los?“
„Ich gehe. Ich gehöre hier nicht hin. Morgen werdet ihr anfangen, euch gegenseitig zu töten, und da möchte ich nicht dabei sein. Es tut mir leid, aber das möchte ich einfach nicht.“
Sie hatte erwartet, dass Rhianne sie aufhalten würde, dass sie versuchte, Kelai zum Bleiben zu bewegen, doch stattdessen nickte sie nur.
„Ich verstehe. Vielleicht ist es auch wirklich besser, wenn du gehst. Du hast Recht, du bist keine Kämpferin. Du wärest hier nur in Gefahr.“
Kelai lächelte. Rhianne war eben doch eine gute Freundin. Sie verstand sie. Sie versuchte nicht, Kelai zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollte.
„Eine Bitte hätte ich noch.“
Kelai hielt im Packen inne und sah zu Rhianne, die aufgestanden war. Ihre Freundin sah sie mitfühlend an.
„Was denn?“
„Geh mit mir zum Kommandanten und melde dich ab. Wahrscheinlich würde er sich sonst Sorgen machen, wenn du so einfach verschwindest.“
Kelai nickte nur knapp. Das verstand sie. Sie schlug ihre alte Decke um ihre wenigen Habseligkeiten und schnürte sie zusammen. Dann schulterte sie das Bündel und verließ hinter Rhianne das Zelt.
Gemeinsam gingen sie durch das inzwischen schweigende Lager. Wolken hingen tief über ihnen und verdeckten die Sicht auf die Sterne. Nur noch ein paar kleine Lagerfeuer flackerten müde und ab und zu passierten sie einen übermüdeten Wachhabenden.
Das Zelt des Kommandanten stand genau in der Mitte des Lagers. Offensichtlich war auch er noch nicht zu Bett gegangen, denn flackerndes Licht fiel aus der Zeltöffnung und malte einen gelblichen Halbkreis auf das kurze Gras. Der Soldat, der vor dem Eingang stand, salutierte nur knapp und ließ sie ohne Widerspruch passieren. Gebückt trat Kelai durch die Öffnung.
Der Kommandant saß im Schein einer Laterne an einem aufklappbaren Tisch, auf dem er mehrere Karten ausgebreitet hatte. Als Kelai und Rhianne eintraten, blickte er davon auf.
„Was wollt ihr?“
Bevor Kelai zu Wort kam, trat Rhianne vor und sprach für sie. „Kommandant, Kelai möchte die Einheit lieber verlassen. Um ehrlich zu sein, ich glaube auch nicht, dass sie hier viel für uns tun kann. Sie ist schließlich nicht ihre Mutter.“ Es klang völlig ernsthaft, dennoch konnte Kelai sich eines schlechten Gefühls nicht erwehren. Etwas stimmte nicht ganz, aber sie konnte nicht sagen, was.
Der Kommandant nickte und erhob sich. „Ich verstehe das. Ich bedauere, Euch zu verlieren, aber es ist schließlich Eure Entscheidung. Darf ich Euch vielleicht noch ein Geschenk machen?“
Kelai zögerte, dann nickte sie. Ein Geschenk, das klang nicht bedrohlich. Der Kommandant trat an eine Truhe, öffnete sie und entnahm ihr ein Langschwert in einer wundervoll verzierten Scheide. Der Griff des Schwertes bestand aus ineinander verschlungenen silbrig schimmernden Strängen. Der Knauf bestand aus einem schwarz schimmernden Stein, in den ein Symbol eingraviert war. Kelai beugte sich vor, um es besser erkennen zu können und fuhr gleich darauf zurück. Es war ein dreiköpfiger Adler.
Mit dem Griff voran hielt der Kommandant Kelai das Schwert hin.
„Es hat Eurer Mutter gehört“, sagte er. „Eigentlich hoffte ich, Ihr würdet es in der Schlacht für uns führen, aber nun möchte ich es Euch zum Geschenk machen. Als ein Andenken.“
Kelai zögerte. Ein Schwert. Was sollte sie damit? Sie brauchte kein Schwert. Und der Adler, das war der Adler aus ihrer Kindheit. Der, der ihrer Mutter solche Schmerzen zugefügt hatte. Sie wollte dieses Ding nicht. Selbst, wenn es tatsächlich ihrer Mutter gehört hatte.
Aber Rhianne war sofort begeistert. „Oh, ein wunderbares Schwert. Bind es um, komm schon, Kelai!“ Und als Kelai nicht reagierte, griff sie nach der Scheide, schlang den Schwertgurt um Kelais Hüften und zurrte ihn fest. Ungewohnt schwer zerrte die Waffe an Kelais linker Hüfte. Rhianne trat zurück und grinste sie an.
„Komm schon, zieh es einmal. Ich möchte sehen, wie deine Mutter ausgesehen hat! Nur einmal, bitte!“
Kelai hatte Angst. Abneigung gegen dieses Schwert erfüllte sie. Aber da war auch ein kleines bisschen Neugier. Ihre Mutter hatte vor so vielem Angst gehabt. Bis jetzt jedoch hatte sich keine ihrer Vorahnungen bewahrheitet.
Kelai sah von Rhianne zum Kommandanten, der sich bereits wieder halb abgewendet hatte. Rhiannes Wangen glühten vor Eifer rot, ihre Augen funkelten schelmisch. Kelai musste lächeln. Wenn es ihr nun einmal Freude machte… Sie würde nicht gleich zu einer Mörderin werden, wenn sie das Schwert einmal zog.
Sie legte ihre Hand auf den Griff. Sie hatte erwartet, dass er sich kühl anfühlen würde, aber stattdessen war er beinahe angenehm warm. Er musste sich in dem Zelt aufgeheizt haben. Ein merkwürdiges, Kribbeln lief durch Kelais Hand. Dann zog sie mit einem Ruck das Schwert aus der Scheide.
Es war viel zu schwer für sie, ihr Arm sank beinahe sofort zu Boden. Die Klinge funkelte und schimmerte im Laternenlicht wie keines der Schwerter, die Kelai bisher gesehen hatte. Und dann geschah etwas.
Das Kribbeln in Kelais Hand breitete sich rasend schnell aus, schoss ihren Arm hinauf und erfüllte dann rasch ihren gesamten Körper. Und mit dem Kribbeln kam noch etwas anderes, etwas Großes, Schnelles und Mächtiges, das mit dem Blut zusammen durch ihre Adern pulste, bis es ihr Herz erreichte. Und dann … gab es keine Kelai mehr, nur noch das Wesen in ihr. Es spürte, wie sein Körper sich straffte, wie sein Arm das Schwert in die Höhe reckte, wie seine Gefühle von ihr Besitz ergriffen. Zorn, unendlicher Zorn, lodernder Hass und Hunger. Sein Herz raste, vor seinen Augen tanzten rote Schleier und nur noch ein Wunsch erfüllte es: töten.
Blind vor Wut warf es sich auf den Kommandanten, der zurückwich. Es wollte ihn zerschlagen, vernichten, sein Blut auf seiner Haut spüren, sein Herz in seinen Händen fühlen. Doch Rhianne warf sich dazwischen. Sie hielt etwas Kleines zwischen den Fingern, ein schimmerndes Symbol, verschlungene Silberbänder mit einem schwarzen Stein in der Mitte. Und das Ding, das einmal Kelai gewesen war, wusste, dass es dieser Frau gehorchen musste.
„Noch ist deine Zeit nicht gekommen, das Töten beginnt erst morgen. Bis dahin, ruhe!“
Widerwillig wandte sich das Wesen ab. Es wollte töten, zerreißen, zermalmen. Aber diese Frau war seine Meisterin. Als es geduckt das Zelt verließ, hörte es noch das leise Lachen des Kommandanten.

Blut, Blut und Raserei. Das Töten bereitete Freude. Das Wesen steuerte den Körper der Frau und machte ihn stark. In der vordersten Reihe stürmte es dem Feind entgegen, brachte seinen Gefährten Mut. Immer wieder warfen sich ihm Gegner in den Weg, vergebens. Es fegte sie beiseite, schmeckte ihr süßes Blut, labte sich an ihren Schreien, genoss ihre Schmerzen.
Der Kampf begann am Nachmittag und zog sich bis in den Abend hinein. Es wurde rasch dunkler.
Es dauerte nicht lange, bis sie flohen, die feigen Hunde. Sie rannten wie die Hasen zurück zu ihrer erbärmlichen Stadt. Doch das würde ihnen nichts nutzen, es würde sie alle bekommen. Alle. Es fegte über das Schlachtfeld, trampelte über die Leichen, Knochen knackten unter seinen Füßen. Ein süßes, erfüllendes Geräusch. Dort vorne, noch einer! Es schlug ihm sein Schwert in den Rücken und genoss das Gefühl des warmen Blutes, das über es spritzte. Bald würden sie die Stadt eingenommen haben. Bald. Doch vorher musste es noch etwas finden. Jemanden finden. Es musste weitergehen, so wie es immer weiterging.
Instinktiv wusste es, dass es nicht allzu viel Zeit hatte. Höchstens bis zum Ende dieser Schlacht. Wenig Zeit, die blieb. Ein einzelner Gegner, weitab, von seiner Einheit getrennt. Er war gut, er war stark. Er würde es sein.
Das Wesen sprang ihm leichtfüßig hinterher, holte ihn ein, riss ihn von den Füßen. Er rollte durch den blutigen Schlamm, kam auf seine Knie und faltete seine Hände. „Verschone mich!“
Das Wesen lachte. „Zieh dich aus!“
Angst und Hoffnung ließen den Soldaten gehorchen. Das Wesen nahm ihn, nahm sich, was es brauchte, dann durchtrennte es seine Kehle. Niemand, der nach dem Kind suchen würde. Es erhob sich, wandte sein Gesicht zu dem rauchverdunkelten Himmel. Es würde weitergehen.

Feuer, die hochschlagen, die ganze Umgebung ausgeleuchtet von zuckendem roten Licht. Schreie, vor Schmerz, vor Wut, vor Kampfeslust. Im Hintergrund Trommelklang. Ein Hornstoß. Hitze, Angst, Tod. Blut, überall um mich herum, auf mir, auf den reglosen Körpern neben mir, auf meiner Waffe. Blut in meinem Mund, es schmeckt schal. Kämpfende Leiber im flackernden Licht.
Was habe ich getan?
Der Mann, den ich gezwungen habe, mir zu Willen zu sein, liegt nackt und still vor mir. Er ist blutverschmiert, sein Blut, und das Blut Dutzender Feinde von meinem eigenen Körper. Der Schnitt in seiner Kehle sieht grotesk aus, ohne ihn wäre er sicher ein hübscher Mann, jung, kräftig, mit dunkelbraunen blutverschmierten Locken.
Noch mehr Schreie, weiter entfernt, Todesschreie diesmal. Die Trommeln werden eindringlicher. Unsere Seite stürmt die Stadt, die letzte Bastion des Feindes.
Feind?
Wann habe ich angefangen, so zu denken? Oder besser: wann habe ich aufgehört, zu denken?
Ich muss hier fort, weit weg, irgendwohin, wo ich Ruhe habe, Frieden, wo es kein Blut gibt, keine Schlachten, keine Feuer, keinen Hass.
Doch wohin? Zurück in die Berge, das ist mein erster Gedanke, zurück unter den Himmel. Aber dort werden sie mich suchen. Nein, ich gehe nicht zurück zu den Stätten meiner Kindheit. In der Ferne wiegt sich ein scheinbar endloser Wald im Wind.. Zuflucht!
Angeekelt werfe ich das blutverschmierte Schwert weit von mir. Diese Nacht ist das Ende von Schwertmeisterin Kelai.

 

Hallo Felsy,

das ist genau das, was ich sehen will, wenn ich den Browser öffne, eine neue Felsenkatzengeschichte! Und wie immer hat sie mir sehr gut gefallen, dicht, anschaulich erzählt, das ist ja fast langweilig, wenn man nichts mehr zu meckern hat.

Am Anfang sind mir irgendwo ein paar Wortwiederholungen aufgefallen, und auch den Satz "Kelai wuchs unter den Sternen auf" finde ich nicht so schön eingebaut, den würde ich ins Plusquamperfekt setzen, weil sie zu dem Zeitpunkt, als der Satz stattfindet, ja schon aufgewachsen genug ist (und in dem Alter denkt man sowieso immer, man sei schon erwachsen).

Was mich auch noch interessieren würde, ist der Fluch, der offenbar auf ihrer Familie lastet, den handelst du etwas sehr knapp ab. Aber sonst habe ich nichts zu bekritteln!

gruß
vita
:bounce:

 

Hey vita,

Puh *schweißvonderstirnwisch* Warum ist das Warten auf die erste Kritik immer das schlimmste.
Hm, der von dir bekrittelte Satz stand ursprünglich mal im Plusquamperfekt. Dann hab ich gedacht, dass ich ja dann die ganze Kindheit darin abhandeln müsste, und hab's geändert. Na, ändere ich es halt zurück.

Ja, der Fluch. Leider sehe ich keine Möglichkeit, ihn ausführlicher zu erklären. Kelais Mutter wird selber zu wenig drüber wissen und außerdem bestimmt nicht drüber reden. Ich denk nochmal drüber nach.
Im Prinzip habe ich an eine Art Besessenheit gedacht, die sich eben immer wieder in der selben Blutlinie zeigt.

Ansonsten danke für die positive Rückmeldung. :D

Liebe Grüße,

Ronja

 

Meine Güte!
Meine erste Reaktion war: Hurra, eine neue Felsenkatzengeschichte. Und dann klicke ich sie an und sie ist für mich!! :) Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass ich wirklich eine kriege. Ich bin absolut platt. Danke schön! :kuss:
Da ist es natürlich schwer, unvoreingenommen zu lesen. Ein paar Kleinigkeiten hatte ich am Anfang:

Der Mann war schon immer alt gewesen, seit Kelai klein gewesen war.
Ich stolpere immer wieder über das zweimalige „gewesen“, auch wenn ich nicht genau weiß, wie man das eleganter umgehen könnte. Vielleicht: Der Mann war schon immer alt gewesen, solange Kelai denken konnte – oder so ähnlich.
Nicht viel anders, als hier oben
Ohne Komma.
Aber ansonsten habe ich nichts gefunden. Was vermutlich einerseits daran liegt, dass es sonst nichts gibt (schließlich hat vita auch nix) und andererseits war ich dann einfach in der Geschichte drin. Ist das nicht wunderbar: ich liebe die Berge und bekomme eine Geschichte mit einem wundervollen Bergeinsamkeitsszenario. Die Schilderung ihres Alltags hat mir sehr gut gefallen. Vor allem der Kniff Noêmas, mit dem sie Kelai am Abstieg ins Tal hindert. Rhianne habe ich mir lustigerweise sofort als rothaarig vorgestellt, noch bevor das im Text erwähnt wurde. Und dann wollte ich natürlich auch wissen, wohin Kelais Weg mit der Armee sie führen wird. In dem Moment, in dem der Kommandant ihr das Geschenk ankündigt, war für mich allerdings klar, was passieren würde. Dafür ist mir wirklich erst am Ende klargeworden, wie Kelais Mutter zu ihrem Kind gekommen ist – obwohl man das früher hätte merken können. Mir persönlich reicht es auch, dass der Fluch nur so knapp angedeutet ist. Obwohl es sicher interessant wäre, mehr über ihn zu erfahren. Aber für den Leser reicht es eigentlich zu wissen, dass da eine seltsame Verbindung zwischen dem Schwert und den Angehörigen von Kelais Familie besteht.
Auf jeden Fall: Wow! Muss ich gleich noch mal lesen. Das ist so eine richtige schöne Reinrutsch- und Aufsauggeschichte.
Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche,

ich borg mir mal vitas smiley: :bounce:
Schön, dass es dir gefallen hat. Das mit den Bergen hab' ich ja gut getroffen, aber in letzter Zeit fallen mir eh nur noch Berggeschichten ein :D

Dieses doofe Vergleichskomma... ich werde es sofort eliminieren :gunfire:

Auf Noêmas Tricks hab ich sehr viel wert gelegt. Ich hab mir einfach überlegt, wie man bei einem Mädchen in der Pubertät nicht reagieren sollte (nicht nein sagen :D )
Na ja, die Vorahnung mit dem Geschenk ließ sich ja nun irgendwann nicht mehr vermeiden, aber ich denke, bis dahin war's noch einigermaßen unklar.

Jetzt bin ich ja erleichtert... und kann mich neuen Geschichten zuwenden ;)

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo Felsenkatze,

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Du schaffst es, den Leser vom Anfang bis zum Ende zu fesseln. Vor allem beim Anfang: Eigentlich passiert unter dem Himmel nichts sonderlich Spannendes, aber man kann mit dem Lesen trotzdem nicht aufhören - wie machst du das bloß?
Der Schluss hat mir auch gefallen, so ziemlich alle Fragen werden beantwortet, die man sich im Laufe der Geschichte gestellt hat.

Den Fluch näher zu beschreiben find ich auch nicht sehr sinnvoll, da ich nachvollziehen kann, wie schwer eine Beschreibung ohne Perspektivenwechsel eingebaut werden kann.

edit: Wo ist das Gedicht? ;)

Gruß,
131aine

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Felsy!

Ha, da bin ich wieder (mal)! :bounce: (Ich freu mich eben...)

Zur Geschichte ist ja schon einiges gesagt worden.
Sie hat mir natürlich gefallen, wie die meisten deiner Geschichten, aber ich hab auch wieder was auszusetzen (ja, so ist das eben).

Zuerst: Stil, wie immer, gut gemacht, setzten.
Daran gibt es nichts zu rütteln, ein paar winzigkleine Dinge, siehe dazu unten mehr. Nicht der Rede wert.

Die Geschichte selbst, vor allem der Plot, war mir nicht allzu neu. Dieses Schwert, das eine Frau zur mordenen Bestie macht: das ahnt man eigentlich sehr schnell, wenn ich ehrlich bin.
Trotzdem hat mir das Ende dann wieder gefallen, weil es sehr schön die Brücke zum Anfang herstellt, so dass der Plot formal gelungen ist.
Was köntne man anders machen (nicht besser, nur anders): ich würde diesen Fluch, dieses dunkle Geheimnis vielleicht etwas deutlicher herausarbeiten, will heißen, in den ersten Absätzen schon darauf eingehen. Die erste Hälfte bleibt tatsächlich etwas - hm, fad, denn es passiert nicht viel, es wird aber auch nichts wirklich wesentliches erzählt, wie ich finde.
Und das Soldatenlager kommt mir etwas zu kurz, die Atmosphäre dort wird mir nicht stimmig genug beschrieben - da könnte man noch etwas nachbessern. Beschreib doch mehr das Leben dort, die "Ruhe vor dem Sturm", wie man so schön sagt.

Bestensfalls wird das alles angedeutet, wenig gelungen in diesem Absatz:

Die gewisperten Gespräche, die immer dann verstummten, wenn sie sich näherte, die tiefen Verbeugungen, das Niederschlagen ihrer Augen. Gemurmelte Entschuldigungen, wenn einer von ihnen auch nur ihren Arm streifte, die Hände der Männer wichen immer weit von den Griffen ihrer Schwerter zurück.

Das würde ich lieber anhand von konkreten Beispielen erzählen, ein junger Soldat mit blauen Augen fällt mir da spontan ein, der sie aus Versehen rempelt, vielleicht weil er über sein eigenes Schwert stolpert. Und der dann vor ihr auf die Knie fällt, so was in der Richtung eben, wird klar, was ich meine? Würde dem Text mehr Substanz geben.

Tja, genug gelästert, trotzdem wieder mal flüssig zu lesen, schön beschrieben, formal interessant umgesetzt (auch wenn die Idee nicht neu ist).

Details:

Sie begrub ihre Mutter in der Nähe des kleinen Teiches, der ihnen Wasser schenkte
Huch, biologisch gesehen aber ungünstig. Oder?

Das raue Holz fühlte sich beruhigend vertraut an. Kelai bemerkte, dass ihre Hände zitterten, als das Schiffchen wieder nahm
??

Vor der Bank hielt sie inne und schenkte auch Kelai einen langen Blick, kniete sich nieder und senkte ihren Blick zu Boden.

Davon verstehe ich nichts. Ich weiß noch nicht mal was das ist, Krieg. Ich möchte lieber hier bleiben, unter dem Himmel. Hier gibt es genug für mich zu tun.“
Der Dialog scheint mir ein bisschen Holzhammer... Man muss nicht immer alles sagen, um etwas auszudrücken - finde ich. Hier wäre weniger mehr:
"Was ist das? Krieg?" reicht mMn völlig aus.

Lange, sehr lange blickte Kelai in das Gesicht ihrer neuen Freundin.
Hier fände ich: "der Frau" passender. Freundin ist ein Wort, das man nach zwei Tagen nicht gebraucht - finde ich.

Ihre Freundin sah ehrlisie mitfühlend an
Ist mir neulich auch passiert...

Ein merkwürdiges, nicht unangenehmes Kribbeln lief durch Kelais Hand.
Ich spiele jetzt mal Korinthenkacker, denn darin bin ich gut: dieses "nicht unangenehm" ist mir unangenehm (:D). Denn es ist mir zu beschriebend. Ich will hier ein emotionaleres Wort wie zum Beispiel: "warm" (das automatisch positiv konotiert ist, wie ich finde).

„Der Fluch ihrer Familie wird sich wieder einmal für uns nützlich erweisen.“
Ach, bitte. Das ist doch etwas zu billig. Diesen Satz würde ich komplett streichen.

In diesem Sinne
c

 

Hallo ihr,

@Blaine: Danke für das Lob ;) Freut mich, dass es dir gefallen hat.

@chazar: Auch dir danke für's Lesen und Kritisieren. Deine Kritikpunkte sehe ich teileweise als berechtigt. Warum teilweise?

Nun, den Fluch am Anfang andeuten: wie soll ich das machen? Kelais Mutter weiß selber nicht, dass sie verflucht ist/war. Und garantiert wird sie ihre Tochter von der Welt fern genug halten. Insofern muss der "Holzhammer"-Satz auch drinbleiben, weil es die einige Möglichkeit ist, unterzubringen, dass es sich um einen Fluch handelt. Einen Perspektivwechsel wollte ich in dieser Geschichte vermeiden. Außerdem war es mir wichtig, dass Kelai wirklich ohne Vorwissen (quasi die verkörperte Unschuld) in den Krieg geht, das geht schlecht, wenn sie vorher von dem Fluch schon weiß.

Ich stimme dir zu, dass am Anfang nicht viel passiert. Ob der Wichtigkeit können wir uns jetzt streiten. Meiner Meinung nach kann ich zwar sagen, dass Kelai ein unschuldiges Mädchen ist und von ihrer Mutter von der Welt ferngehalten wurde, aber es zu zeigen, finde ich wichtiger.... Vielleicht werde ich den Anfang noch minimal umarbeiten, aber gerade die Kindheit empfand ih eigentlich als wichtig.

Mit der Szene im Soldatenlager hast du siche recht. Ursprünglich gab es mal so ene Szene, die ich dann gestrichen habe, weil ich die Geschichte nicht mit Figuren überlasten wollte, die später nicht mehr vorkommen. Aber die kann ich auch wieder reinnehmen.

Der Dialog scheint mir ein bisschen Holzhammer... Man muss nicht immer alles sagen, um etwas auszudrücken - finde ich. Hier wäre weniger mehr:
"Was ist das? Krieg?" reicht mMn völlig aus.

Super! welsh hatte angemerkt, dass Kelai sicher sagen wird, dass sie auf der Hütte auch gebraucht wird. Schließlich ist das alles, was sie kennt. Was denn nun?
:D Werd mal drübergucken.

Trotzdem danke, dass du dir so viel Mühe gemacht hast.

Liebe Grüße,

Ronja

 

wie soll ich das machen?
Ich meinte damit eher die Stimmung am Anfang. Vielleicht einfach etwas düsterer gestalten... war nur ein Vorschlag, mehr nicht.
Der Holzhammersatz ist trotzdem unnötig, finde ich. Warum muss man den Leser den direkt das Wort auf die Nase binden? Fluch? Wird das nicht ohnehin klar durch die Beschreibung der Schwertszene?
Ich finde: ja. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Vielleicht werde ich den Anfang noch minimal umarbeiten, aber gerade die Kindheit empfand ih eigentlich als wichtig.
Ja, die Kindheit ist auch wichtig, da gebe ich dir vollkommen recht. Mhm. Okay.

Was denn nun?
Tja, ich weiß, wofür ich mich entscheiden würde (:D), aber du bist die Autorin.

Gruß
c

 

Der Mann, den ich gezwungen habe, mir zu Willen zu sein, liegt nackt und still vor mir.
Bei diesem Satz, bin ich mir nicht ganz sicher was du meinst. Vielleicht will es aber auch gar nicht wissen;).

Unsere Seite stürmt die Stadt,
die letzte Bastion des Feindes.
Ich finde, "Seite" passt nicht wirklich. Gibs da kein schöneres Wort. Nebenbei: Eine sehr atmosphärisch coole Einleitung.
Ihre Mutter starb, als Kelai siebzehn Jahre alt war. Sie trauerte ein wenig, aber nicht sehr lange, denn ihre Mutter hatte oft gesagt, dass sie schon alt wäre und ihre Zeit bald gekommen.
Also dieser Satz gefällt mir nicht. Trauert man weniger, weil man weiß, dass der Tod naht? Nein. Vielleicht liege ich falsch, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Kenne den Charakter der Kelai nicht weiter, aber vielleicht ist sie einfach nicht zum "trauern" geboren und es benötigt keiner Erklärung, weil sie einfach so ist?
Das musste doch sehr unhandlich sein, wenn man damit etwas schneiden wollte.
Das finde ich jetzt etwas zu naiv. Aber vielleicht ist das auch okay... bin mir da grad selbst nicht ganz sicher.
Angst und Hoffnung ließen den Soldaten gehorchen. Das Wesen nahm ihn, nahm sich, was es brauchte, dann durchtrennte es seine Kehle. Niemand, der nach dem Kind suchen würde. Es erhob sich, wandte sein Gesicht zu dem rauchverdunkelten Himmel. Es würde weitergehen.
gut, jetzt hab ich verstanden. Arg.


So, sprachlich bist du wie immer beinahe brilliant. Eine farbenfrohe Erzählung, in deren Welt man sich sehr einfach hineinversetzen kann.
Aber der Inhalt bekommt für meinem Geschmack leider kleine Abzüge. Aber nicht gleich aufschreien, bei anderen wäre sie brilliant, aber nicht für dich, finde ich.
Was ich sehr gut an deiner Geschichte finde, ist der Plot. Dass der Tochter das selbe wie der Mutter passiert. Hast du durch Anfang und Schluss sehr gut herausgehoben. Ich finde den "Dämon" im Schwert und seine Meisterin etc. eine coole Idee. Bis dahin ist es genauso farbenfroh wie deine Sprache. Super. Aber diese Kelai ist mir definitiv zu naiv gehalten. Ich denke, du wollest einen maximalen Kontrast zwischen Krieg und Kelai darstellen. Für meinen Geschmack und nur meinen, anderen mag das gefallen, ist der Bogen überspannt. Das Mädel ist sowas von naiv, das ich mir das nicht vorstellen kann. Als Beispiele sind da das Schwert, die Frage, warum sich Menschen gegenseitig töten etc. Du beschreibst dort eine Utopia. Aus diesem Grund lese ich den Anfang zwar gerne, aber bis mich die Geschichte so richtig aufsaugt, dass ich vergesse, wieviel ich gelesen habe, was ich von deinen Geschichten sonst gewohnt bin, passiert erst, als sie das Lager betritt. Könnte aber eben auch sein, dass ich mehr Action liebe und es davor auch einen Schritt langsamer zugeht.
Trotzdem, ist das eine tolle Geschichte. Ich würde wahrscheinlich auch nichts ändern, weil es garantiert genügend andere Leute gibt, denen auch der Anfang genau so gefällt!

PS: Der Aspekt, dass sie Männer vergewaltigt, hauts mal echt raus. LOL.

LG

Thomas

 

Hallo Tommy,

vielen Danke für deine ausführliche Kritik.

Ihre Mutter starb, als Kelai siebzehn Jahre alt war. Sie trauerte ein wenig, aber nicht sehr lange, denn ihre Mutter hatte oft gesagt, dass sie schon alt wäre und ihre Zeit bald gekommen.

Also dieser Satz gefällt mir nicht. Trauert man weniger, weil man weiß, dass der Tod naht? Nein. Vielleicht liege ich falsch, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Kenne den Charakter der Kelai nicht weiter, aber vielleicht ist sie einfach nicht zum "trauern" geboren und es benötigt keiner Erklärung, weil sie einfach so ist?

Da hast du vielleicht recht. Aber der Anfang ist ohnehin schon für die Überarbeitung vorgemerkt. Was ich ausdrücken wollte war, dass die Mutter der Tochter so ein "Tos ist nicht schlimm" Gefühl übermittelt hat.


Aber diese Kelai ist mir definitiv zu naiv gehalten. Ich denke, du wollest einen maximalen Kontrast zwischen Krieg und Kelai darstellen. Für meinen Geschmack und nur meinen, anderen mag das gefallen, ist der Bogen überspannt. Das Mädel ist sowas von naiv, das ich mir das nicht vorstellen kann. Als Beispiele sind da das Schwert, die Frage, warum sich Menschen gegenseitig töten etc. Du beschreibst dort eine Utopia.

Ich muss zugeben, dass ich diesen Kritikpunkt nicht verstehe. Ich habe mir größte Mühe gegeben, zu schildern, dass das Mädchen keinen Kontakt zu den Menschen im Tal hat. Die Mutter wird mit ihr sicher nicht über Mord und Totschlag reden (nach ihren Erfahrungen und auch, um das Mädchen zu schützen).
Es gibt hier keine Feinde, keine Waffen. Ich finde, da sind solche Fragen durchaus berechtigt. Ich verstehe schon nicht, waum sich die Leute nbedingt gegenseitig töten müssen, wie kann jemand mit einer Kindheit ohne Habgier und Neid das verstehen. Geschweigedenn jemals ein Schwert gesehen haben?
Der einzige Grund zu töten ist für sie, um Essen zu erhalten (schafe schlachten), und dass das die Menschen einander antun kann sie nicht glauben, also fragt sie.
Ihre Unschuld ist ein essentieller Teil meiner Erzählung, deswegen werde ich sie be der Überarbeitung auch so belassen, tut mir leid ;)

Danke für's Lesen und Kritisieren

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo Ronja,

so, jetzt lese ich endlich mal wieder eine "Felsenkatze".

Hat mir gut gefallen. Sprachlich gut, wie immer.
Inhaltich: Die Naivität Kelais ist mir auch etwas zu überzogen. Natürlich verstehe ich, dass sie bisher nicht viel Kontakt zu Menschen hatte, die Mutter sicherlich auch nicht über Mord geredet hat - und denoch wirkt sie mit ihrer Naivität in ihrem Alter etwas unglaubwürdig. Keine Ahnung, ob sie unter den Umständen tatsächlich so wäre, aber ich kann es nicht ganz glauben.

Den Satz mit dem "Fluch" hätte ich persönlich gestrichen. Man merkt ja als Leser, dass mit diesem Schwert etwas "faul" ist und ob man es nun Fluch nennt oder irgendwie anders, ist ja im Grunde genommen egal.

Auf der einen Seite finde ich den Bogen von Anfang und Ende echt genial - allerdings verrätst du dadurch die Sache mit dem Schwert ein wenig. Finde ich, jedenfalls. Ich habe jedenfalls schon vorher gewusst, auf was es hinauslaufen wird - das es irgendeinen Gegenstand gibt, der die Mutter und die Tochter zu Bestien gemacht hat, etwas, dass ihre Persönlichkeit verändert etc.

Versteh mich bitte nicht falsch - deine Geschichte hat mir gut gefallen. Wie immer schaffst du es mühelos, den Leser in eine fremde Welt zu entführen. Das waren jetzt nur ein paar Dinge, dich ich persönlich anders geschrieben hätte.

Einige Kleinigkeiten im Text:

„Davon verstehe ich nichts. Ich weiß noch nicht mal was das ist, Krieg. Ich möchte lieber hier bleiben, unter dem Himmel. Hier gibt es genug für mich zu tun.“

Sie würde wohl eher zuerst fragen, was Krieg ist, bevor sie sagt, dass sie davon nichts versteht.

Der hatte sich gefreut, Kelai zu sehen und hatte gemeint, dass der Krieg nun so gut wie gewonnen wäre.

Ich glaube einmal "hatte" könntest du hier gut streichen.

LG
Bella

 

Hi Bella,

auch dir danke für's Lesen und kritisieren ;)
Wie schon gesagt, die Naivität wird wahrscheinlich so bleiben. Bei dem Satz mit dem Fluch bin ich mir auch nicht sicher. Ich möchte ja deutlich machen, dass sie nicht einfach irgendjemanden brauchen, der das Schwert führt, sondern speziell diese Person... Aber vielleicht kann ich das noch irgendwie ändern.

Versteh mich bitte nicht falsch - deine Geschichte hat mir gut gefallen. Wie immer schaffst du es mühelos, den Leser in eine fremde Welt zu entführen.

:D Danke, das höre ich doch immer gerne :kuss:

Liebe Grüße,

Ronja

 

Quatsch, wenns dir so gefällt, würd ichs auf jeden Fall so lassen! Wie ich schon gesagt habe, gibt sicher genügend, die das nachvollziehen können.

Ich finde, da sind solche Fragen durchaus berechtigt. Ich verstehe schon nicht, waum sich die Leute nbedingt gegenseitig töten müssen, wie kann jemand mit einer Kindheit ohne Habgier und Neid das verstehen. Geschweigedenn jemals ein Schwert gesehen haben?
Genau das meine ich mit dem utopischen. Hier müsste man überlegen, wie wohl der Mensch angelegt ist. Deiner Meinung nach kann ein Mensch ohne Neid und Habgier leben. Ich würde sagen, selbst wenn sie noch nie mit anderen Menschen außer ihrer Mutter Kontakt gehabt hat, dann hat sie habgierige oder neidische Gedanken gehabt. Z.b. wenn die Mutter zu lange mit dem Eseltypen reden würde und sich nicht um sie kümmern würde. Wodurch ihr also so etwas nicht fremd wäre. Der Umstand führt meiner Meinung schon wieder zu einem Konflikt: Würde ein Kind wirklich nur mit einer Bezugsperson aufwachsen können und wenn, dann würde sie wohl ziemlich um diese Trauern. Denn in diesem Falle wäre ihre Mutter ja ihre Welt. Will mir mal gar nicht vorstellen, was dieses Kind für soziale Probleme hat, wenn es nur mit der Mutter aufgewachsen ist und sonst noch nie Gleichaltrige gesehen hat. Ich häts halt realistischer gefunden, wenn sie nicht so naiv gewesen wäre, aber sich einfach nur geweigert hätte, im Krieg teilzunehmen. Denn das kann jeder nachvollziehen. Vielleicht ist es auch weniger ein Problem, in wie weit eine Situation real sein könnte, sondern in wie weit sich ein Leser vorstellen kann, dass diese Situation logisch ist.
Naja, *schulterzuck*, sorry, dass ich dran rumargumentiere. Die Geschichte ist super, daran lässt sich nicht rütteln. Aber ein bisschen kritik muss ja immer sein, damit du nicht ganz abhebst :D

 

Hi nochmal, Tommy,

hast Recht, Neid wird sie verstehen. Die sozialen Probleme würde sie haben (gar keine Frage).
Ich denke nur, sie wäre nicht auf die Idee gekommen, einen anderen Menschen zu töten, wegen Neid *diskutierrum*

Nein, im Ernst, ich möchte es gerne so lassen. Und natürlich freu ich mich auch über dein Lob, und über chazars, und überhaupt (mir ist grade aufgefallen, dass ich etwas unfreundlich zu euch war, so war's nicht gemeint)

Deswegen, für Tommy und chazar, wegen konstruktiven Anmerkungen: :kuss:

:D

Liebe Grüße,

Ronja

 

Sooooo....

Anfang stark überabeitet, Schluss fast genauso belassen. Im wesentlichen geht diese Version jetzt auf eine Rücksprache mit meinem Freund zurück, natürlich haben aber auch eure Verbesserungsvorschläge dazu beigetragen.

Nur eines: Kelai ist naiv geblieben :D

 

Hallo Ronja!

Ich glaub, das ist die zweite, oder dritte Geschichte, die ich von dir lese.
Auf alle Fälle gefällt mir auch diese wieder sehr gut.
Zwar hab ich wiedermal die Erstfassung nicht gelesen, aber was soll's...

Sehr intressant und spannend. Kam nicht mehr vom Monitor weg, auch, wenn die Augen schon irgendwie weh tun.
Sprachlich gesehen sehr schön erzählt. Die Welt und alles drum herum so dargestellt, dass ich es mir verdammt gut vorstellen konnte.
Und: Ist doch gut, dass Kelai naiv bleibt. Ein Charakterzug mehr ;)
Tolle GEschichte!

Gruß!
one

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ronja,
Ich kenne die erste Fassung nicht, aber soweit ich den Kritiken entnehmen konnte, hast du explizit den Holzhammer mit dem Fluch herausgenommen. Ich finde es gut so, denn eine Stärke des Textes sind die subtilen Mechanismen, mit denen Kelai verführt wird. Tragisch ist, dass ihre Mutter genau diese einsetzt, um vor etwas zu bewahren, was ihr selbst widerfahren ist. So dreht sich das Rad in einer Endlosschleife. Es wird deutlich: Nicht der Fluch bestimmt das Schicksal, sondern Mutter und Tochter verantworten es selbst.

LG
Goldene Dame

 

Hallo one, hallo Goldene Dame,

erst mal vielen Dank für's Lesen und für das Lob. Zu eurer Erklärung: in der ersten Version war die Rolle der Mutter nicht so stark ausgearbeitet, aber da ich den Kreislauf darstellen wollte, konnte ich nicht darauf verzichten.

Freut mich, dass es euch gefallen hat.
@one:

Sehr intressant und spannend. Kam nicht mehr vom Monitor weg, auch, wenn die Augen schon irgendwie weh tun.

Das ist mal ein dickes Lob, Danke!

@ Goldene Dame:

Ja, die Fehler der Mutter ausarbeiten war ein wichtiger Punkt für mich. Es geht eben auch um Fehler, die man kaum vermeiden kann, weil man selber so erzogen wurde, zumindest sollte das ein bisschen drin stecken. Gut, dass es rauskommt!
Auch dir ein liebes Dankeschön.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Es geht eben auch um Fehler, die man kaum vermeiden kann, weil man selber so erzogen wurde, zumindest sollte das ein bisschen drin stecken.

Liebe Ronja,
nur weil, man als Kind so erzogen wird, verbrieft es nicht das Recht als Mutter es gleich zu tun. Dass es in der Regel so ist, macht es um so tragischer, weil die Mutter es gesehen hat, aber nicht ändern konnte. Der alte Mann, der sie besucht hatte, hätte in meinen Augen diese Aufgabe bewältigen können und der Mutter ein Menthor sein können. Leider spielt er das Spiel der Mutter, wenn auch nicht ganz, mit. Schön hätte ich es gefunden, wenn Kelais Kind geboren wird, er den Fluch auflösen könnte. Aber das ist eine andere Geschichte. ;)

Petra

 

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