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Unter der Oberfläche

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05.06.2006
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Unter der Oberfläche

Mit kräftigen Zügen drückte ich meinen fülligen Körper dem Ufer entgegen. Die Wasseroberfläche glich einer gekippten Seele, auf der von der Sonne silberne Blumen funkelten und meine Augen blendeten. Die Vögel sangen im rauschenden Wald und der Duft der Blumenwiese stieg mir in die Nase, als düstere Nebelschwaden aufzogen.
Mein Herz pochte, doch schwamm ich mit verkrampften Gliedern weiter. Diesmal wollte ich nicht zurückkehren, zum Strand meiner verlorenen Heimat.
Die Dunkelheit verschluckte das Landleben vor mir und drückte mich hinunter. Etwas glitt an meinen Beinen entlang, griff nach ihnen und zog mich zu sich hinunter. Es war soweit. Ich spannte meinen Körper, nahm einen tiefen Atemzug und tauchte kopfüber unter die Oberfläche.
Schweigen umfing mich, als ich verschwommen meinen lauernden Angreifer sah. Dann huschte er in die Tiefe. Beherzt folgte ich ihm und ließ mich von seinem Sog erfassen. Der Ohrendruck schien eine zarte Wand in meinem Kopf zerreißen zu wollen.
Ich gelangte zu einem Tunnel, in dem sich vor einem Lichtkegel die dunkle Silhouette eines Kindes abzeichnete. Es winkte mich zu sich heran. Ich schwamm zu ihm, folgte ihm nach oben und konnte in einer Höhle die Lungen wieder mit Luft füllen.

Kälte drang bis in meine Knochen, als ich im Fackelschein ein kleines Mädchen erblickte. Sie saß auf einer Matratze neben einem Haufen aus Wolldecken. Heruntergezogene Mundwinkel entstellten ihr Gesicht zu einer Fratze, die hohl in die Leere schaute.
„Hallo!“, zerriss ich flüsternd die Stille. „Ich bin Johanna.“
Sie drehte mir den Rücken zu. Unter der zerrissenen Bluse zeichneten sich fleischige Striemen ab. Ich schluckte hart.
„Was machst du hier? Wurdest du hier eingesperrt?“
Gespenstische Schatten glitten die Wand entlang. Sie nickte.
„Wer hat dich denn hier eingesperrt, deine Eltern?“
Kopfschüttelnd blickte sie zu Boden. „Mein Bruder.“, wisperte sie piepsig.
„Oh, dein Bruder. Und deine Eltern, wissen sie davon gar nichts?“, fragte ich vor Kälte zitternd.
„Doch!“ Fest legte sie die Arme um die Beine und vergrub ihr Gesicht zwischen den Knien.
Über ihren gebeugten Rücken mit der leichenblassen Haut wanderte mein Blick zur Fackel. In der tanzenden Flamme bahnte sich eine Geschichte ihren Weg und legte eine alte Gewissheit in mir frei.
„Vor langer Zeit lebten die königlichen Zwillingsschwestern Lilly und Felice. Doch hatten sie einen älteren Bruder, der sie ständig schikanierte, sie sogar schlug und sie überdies in einen hohen Turm sperren wollte. Zwar konnte Felice fliehen, doch wurde Lilly in ein kleines Dachzimmer gesperrt. ‚Hier sollst du nie wieder herauskommen.’, sagte er zu ihr. ‚Denn wenn du freien Boden betrittst, so wirst du großes Verderben über unser Königreich bringen.’, drohte er.
Bald schon hatte Lilly ihre Schwester vergessen und so blieb ihr nur der Mond, den sie jede Nacht fragte: ‚Kann ich denn wirklich gar nichts gegen meine Bösartigkeit tun?’ Eine Antwort bekam sie nie.“
Das knochige Rückgrat zitterte, als das Kind zu wimmern begann. In eine Decke gehüllt, setzte ich mich mit auf die Matratze und legte sorgsam meinen Arm um ihre Schultern.
„Die Jahre vergingen, doch gelang es Felice nicht, ihr Leben zu leben, solange sie ihre Schwester in Gefangenschaft wusste. Deshalb flog sie mit einem fliegenden Pferd zum Turm hinauf, um ihre Schwester zu befreien.
Doch Lilly war so kindlich wie zu der Zeit, als sie eingesperrt wurde. Sie erkannte ihre erwachsen gewordene Schwester nicht und wollte nicht mit ihr gehen, denn sie hatte Angst, Unglück über das Land zu bringen. Erst als Felice ihr versprach, dass sie zu Pferd über das Land fliegen und so den Boden nicht betreten würden, stieg das Mädchen auf.
Die Menschen freuten sich, als sie die verschollene Prinzessin sahen, winkten ihr von den Feldern zu und riefen jubelnd ihren Namen. Sie berichteten ihr, wie sehr sie vom Bruder unterdrückt und ausgebeutet wurden und da wusste die Prinzessin, dass nicht sie in den Turm gehörte, sondern ihr Bruder.“
Ich hielt kurz inne. Ganz ruhig saß das Kind in meinen Armen und schaute mit wachen Augen zu mir hinauf.
„Und dann?“, fragte sie mich.
„Und dann ist sie zusammen mit ihrer Schwester fortgegangen, bis sie selber auch erwachsen war und das Kämpfen gelernt hatte. Dann kehrten sie gemeinsam zurück, besiegten ihren Bruder und sperrten ihn für immer in den Turm.“

Lange Zeit ruhte das Mädchen in meinem Arm und schaute rege vor sich hin.
Sie setzte sich auf ihre Knie, mir gegenüber. „Bist du...“, setzte sie an. „Bist du meine Schwester?“
Tränen stiegen in mir auf. „Ja, die bin ich.“
Meine verlorene Hälfte und ich hielten uns fest.
„Wenn du willst, verlassen wir jetzt diese trostlose Höhle.“, fand ich meine Stimme wieder. „Dann können wir endlich zusammen durch die rauschenden Wälder spazieren und uns zwischen Wiesenblumen in die Sonne legen.“

 
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Hallo Prangenberg,

na dann will ich mal. ;)

Nicht gerade Mainstream, Deine Geschichte. Nach dem ersten Lesen klingt sie wie ein Märchen ohne Anfang und Ende. Wenn ich irgend etwas Sinnhaftes herauslesen wollte, würde ich meinen, Deine Geschichte ist eine traumhafte Beschreibung für einen seelischen Vorgang. Ein Mensch, der sich innerlich zerrissen fühlt, beschreibt, wie er seine beiden Hälften wiedervereint hat.

Textlich steigst Du gleich ziemlich heftig ein. Ich bin ja selbst ein Metaphern-Junkie, aber gerade Bilder müssen stimmen, sonst gleiten sie schnell in den Kitsch ab oder man kann ihnen schlicht und ergreifend nicht folgen. Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten, Deiner Beschreibung zu folgen. Da war einiges unstimmig.

Mit kräftigen Zügen drückte ich meinen fülligen Körper dem Ufer entgegen. Die Wasseroberfläche glich einer gekippten Seele, auf der von der Sonne silberne Blumen funkelten und meine Augen blendeten. Die Vögel sangen im rauschenden Wald und der Duft der Blumenwiese stieg mir in die Nase, als düstere Nebelschwaden aufzogen.

Hasch mich, ich bin eine Metapher. - Hier lädst Du gleich mal so viel in einen Satz, dass man ehrlich gesagt, gleich wieder flüchten möchte. Der rauschende Wald, in dem die Vögel sangen und natürlich dürfen duftende Blumenwiesen nicht fehlen, aber herrje, da kommen ja auch noch Nebelschwaden! ;) Wenn das eine herbstliche Abendstimmung sein soll, dann solltest Du sie auch so beschreiben. Ein anderer Grund für Nebenschwaden fällt mir jetzt beileibe nicht ein.

Auch der Satz mit der Seele ist einfach too much. Tut mir leid, aber dem Bild einer gekippten Seele kann ich nicht folgen. Warum bringst Du das Bild hier ein? Warum erinnert eine Wasseroberfläche an eine Seele? Wenn es dafür einen Grund gibt, dann solltest Du den auch erzählen. Trägt sie Deine Prota? Versucht sie sie zu halten und sie entgleitet ihr? Wenn der Gedanke des Spiegels einer Seele dahinterstand, was spiegelt sich dann? Du siehst, ich bin verwirrt. :D

Mein Herz pochte, doch schwamm ich mit verkrampften Gliedern weiter. Diesmal wollte ich nicht zurückkehren, zum Strand meiner verlorenen Heimat.
Die Dunkelheit verschluckte das Landleben vor mir und drückte mich hinunter. Etwas glitt an meinen Beinen entlang, griff nach ihnen und zog mich zu sich hinunter. Es war soweit. Ich spannte meinen Körper, nahm einen tiefen Atemzug und tauchte kopfüber unter die Oberfläche.
Schweigen umfing mich, als ich verschwommen meinen lauernden Angreifer sah. Dann huschte er in die Tiefe. Beherzt folgte ich ihm und ließ mich von seinem Sog erfassen. Der Ohrendruck schien eine zarte Wand in meinem Kopf zerreißen zu wollen.
Ich gelangte zu einem Tunnel, in dem sich vor einem Lichtkegel die dunkle Silhouette eines Kindes abzeichnete. Es winkte mich zu sich heran. Ich schwamm zu ihm, folgte ihm nach oben und konnte in einer Höhle die Lungen wieder mit Luft füllen.

Kälte drang bis in meine Knochen, als ich im Fackelschein ein kleines Mädchen erblickte. Sie saß auf einer Matratze neben einem Haufen aus Wolldecken.


Es geht weiter mit meinem Unverständnis. Prota schwimmt zum Ufer. Welches Ufer, wenn Du doch schreibst, dass sie nicht zum Strand ihrer verlorenen Heimat zurückkehren will? Die Dunkelheit kann vielleicht die Landschaft verschlucken, aber wie sie es schafft, Deine Heldin unter Wasser zu drücken, bleibt mir ein Rätsel. ;) Und dann? Was war so weit? Du lässt mich als Leser hier einfach zu sehr im Ungewissen. Siehe oben. Was war der Grund für die Schwimmübung?

Dann wird die Prota nach unten gezogen. Von einem lauernden Angreifer :D Und so als wäre nichts gewesen, folgt sie ihm freiwillig? Das Bild mit dem Tunnel ist wiederum nicht logisch für mich. Sie sieht die Silhouette des Kindes vor sich und schwimmst dann nach oben zu ihm? Kann Deine Prota um die Kurve blicken? :D Erst winkt das Mädchen und dann sitzt sie plötzlich schwuppdiwupp auf einer Matratze, kehrt ihr den Rücken zu und spricht kein Wort?

Sie drehte mir den Rücken zu. Unter der zerrissenen Bluse zeichneten sich fleischige Striemen ab. Ich schluckte hart.
„Was machst du hier? Wurdest du hier eingesperrt?“
Gespenstische Schatten glitten die Wand entlang. Sie nickte.

Ich würde vielleicht eher blutige Striemen schreiben. Beziehungsweise, da in der gesamten Geschichte nicht mehr die Rede davon ist, warum sie denn Striemen hat, würde ich vielleicht eher Narben erwähnen. Die, wenn meine Interpretation Deiner Geschichte irgendwie haltbar ist, ja auch mehr Sinn machen. ;) Und dass jetzt noch gespenstische Schatten kommen, war irgendwie klar. Sind so dahingeschrieben allerdings eher belustigend. Warum beschreibst Du nicht die Szenerie, bzw. das, was Schatten wirft?

Und so weiter und so fort bis wir wieder in den rauschenden Wäldern sind. :D

Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht komplett demotiviert. Es ist Deine Geschichte, sind Deine Gedanken, aber Du solltest die Ungereimtheiten und leichten Schwülstigkeiten doch noch ein bisschen ausbügeln.

Liebe Grüße
melisane

 

Hallo Prangenberg,

man kann Kinder so m anipulieren, dass sie glauben, böse zu werden. Darüber hast du eine Art Märchen inklusive der Befreiung geschrieben, die man auf übertragener Ebene sich selbst gewährt.
Zu dem Einstieg in seiner etwas merkwürdigen Naturbeschreibung hat Melisane schon viel geschrieben. Von mir dazu noch: Wenn ein Schwimmer oder eine Schwimmerein vom vor ihm/ihr liegenden Landleben schreibt, wirkt es irgendwie komisch und damit nicht passend in der Geschichte.
Weitere Details:

Ganz ruhig saß das Kind in meinen Armen und schaute mit wachen Augen zu mir hinauf.
herauf
bis sie selber auch erwachsen war
selbst (das umgagssprachliche "selber" passt nicht in den restlichen Stil)
Dann kehrten sie gemeinsam zurück
um die wiederholung von "dann" zu vermeiden, hier vielleicht "Darauf" oder "Danach"?

Lieben Gruß, sim

 

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