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unterm baum

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10.11.2001
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unterm baum

1

Unfassbares begibt sich alltäglich, viel unsäglich Bedeutsames geschieht Schlag auf Schlag im eng bemessenen, sechzigminütigen Raum zwischen den Stundenschlägen, geschieht und begibt sich dabei allzumeist unsichtbar und stumm, ohne dass eine der Bedeutsamkeit und Außergewöhnlichkeit gerecht werdende Anzahl von Zeugen zugegen sein könnte; es sind nicht die gewöhnlichen, gemeinschaftlich bedeutsamen Ereignisse, um die es mir geht, nicht die Erdbeben, Kriege und staatenerschütternde Skandale, die ich meine: denn hier multipliziert sich die Zahl der Zeugen vermöge moderner Nachrichtentechnik und plebejischer Sensationslust rasch ins Unermessliche. Es sind die einsamen Begebenheiten, die sich Stunde um Stunde ereignen, Ereignisse in Seelen, unsichtbares Geschehen, zu dessen Zeugen günstigsten Falles vielleicht das eine oder andere sensible Familienmitglied, der eine oder andere gute Freund wird, das aber doch in der Regel unbezeugt bleibt - und wenn es selten einmal bezeugt wird, dann allerdings in der Regel unverstanden bleibt...
Zeugnis abzulegen von diesen einsamen Unfassbarkeiten, eine angemessene Zahl von Menschen zum Zeugnis zu zwingen, sie in den Zeugenstand zu nötigen und womöglich sachte zum Verständnis des Gesehenen zu leiten – das ist unsere, das ist der Dichter eigentliche Aufgabe und Daseinsberechtigung.

2

Im Schatten des weißblühenden Obstbaumhaines saß Benedikt zu Füßen eines besonders ausladenden Kirschbaumes und las in einem handlich formatierten und wertvoll ausgestatten Buche, das dem auf der Vorderseite golden eingestanzten Autographen nach eines von Novalis war. Das heißt, er las ja schon längst nicht mehr, sondern blickte, wie er das in letzter Zeit häufiger zu tun pflegte, aus seinen hellbraunen, beinahe ins ungesund Gelbliche tendierenden Augen, diesen wie fiebrig glänzenden, in eine blinde Ferne, indem er nämlich in gestaltlose Träumereien versunken war und einen so weltfremden Standpunkt eingenommen hatte, wie ihn ansonsten nur Traumatisierte kennen. Auf den Oberschenkeln seiner angezogenen Beine ruhte, nachlässig zwischen Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand fixiert, das nett gestaltete und überaus handliche Buch und wurde bereits seit einer Stunde nicht mehr wahrgenommen. Sechzehn Jahre zählte der Träumer, das ist urkundlich verbürgt - und wies doch bereits einen so regelrechten Bartwuchs auf! Unreifes Kindertum verband sich in diesem nicht eben übermäßig gepflegten Gesichte mit den Spuren von Wissen, nicht deutlichem, aber sehr innigem Wissen um die Vorgänge des Lebens, des inneren und des äußeren, sowie Wissen um das unruhige Verhältnis zwischen beidem. Gepflegt war Benedikt eben nicht, aber sollte man ihn gleich ungepflegt nennen dürfen? Nachlässigkeit, hier ist das Wort! Nachlässigkeit war es, die aus seiner ganzen Erscheinung sprach: nachlässig war es, wie die ungeschnittenen Haare mit entsprechenden Konservierungsstoffen nach hinten gebändigt waren, nicht von den gleichmäßigen Zinken eines Kammes gestrählt, sondern mit bloßer Hand nach hinten gestrichen worden waren; nachlässig war es, wie der junge Bart gänzlich unfrisiert seine naturgemäßen krausen Wege ging, nachlässig war auch die Kleidung gewählt - ein weißes Hemd auf einer weißen, schlotternden Hose.
So also saß er, nachlässig und ein wenig liederlich, blickte, wie er das in jüngster Zeit so oft zu tun pflegte, aus seinen hellbraunen, beinahe ins Kränklich-Gelbliche tendierenden und wie fiebrig glänzenden Augen in eine unsichtbare Ferne und genoss Schwerelosigkeit, sonnte sich in Pflichtlosigkeit, atmete laue Verantwortungslosigkeit. Es summte und rauschte um ihn einher, lau strich der sanfte Wind durch den friedlichen Hain und über die Gräser, streifte unaufdringlich freundlich seine Haut – Ewigkeit war es, in der er träumenden Blickes, ruhender Leidenschaft und süßen Vergessens weilte; dem stillstehenden Nirwana ähnlich und doch insofern verschieden davon, als dass Nirwana keine eigentliche Idylle ist, sein Zustand aber gerade sehr treffend mit idyllisch zu bezeichnen war, indem er nämlich mehr als dem leeren und windlosen Nirwana dem naiven christlichen Paradiese glich, diesem bunten, duftend-köstlichen, von jeder Last und Lästigkeit gesäuberten, reinlich ausgekehrten, idealisch hergerichteten Gärtchen Eden... an der verpflichtenden Verantwortung Statt war freies Schweben getreten, an der drögen Alltäglichkeit Statt war heilig-ewiger Sonn- und Feiertag, an der hohlen Uneigentlichkeit Statt pralle Eigentlichkeit getreten... Eine ganze Woche lang war er nun nicht mehr zur Schule gegangen - und seinem entrückten Sinn wollte es doch wahrhaftig scheinen, als sollte es unter Ausbleiben jeglicher Konsequenz durchaus nimmer wieder dazu kommen, dass seine Füße, diese zur Zeit von jeder lästigen, tragenden Pflicht entbundenen, entblößt im Grase ruhenden, noch einmal schulischen Grund berühren würden.
Aber, liederliches Menschenkind, wie das durchführen?
Bedenkst du Träumer denn nicht all das manche, das deinen Traum verunmöglicht? – Und kaum dass ich die Möglichkeit eines solchen, schwärmerisch dir vorschwebenden Lebens in Frage stelle, kaum dass ich anheben will, all die Hindernisse und Hemmungen und Barrieren ins mahnende Gedächtnis zu rufen, ja desselben entweihenden, dröge Wirklichkeit ins Gedächtnis zerrenden Augenblickes naht auch schon eine dieser Hemmungen - ich wusste es gleich, und ahnungsvoll kam mein Einspruch zur rechten Zeit! Eine respektabel hoch angelegte Hürde ist es auch noch, die da erscheint, die will erst einmal überwunden sein! Der Vater ist es, ein Patriarch im furchtbarsten Sinne, der kommt strebenden Ganges geschritten, und seine bläulich-gräulichen Augen irren wütend durch den Garten, suchen dich, finden dich, und unverzagt lenkt er die Schritte hin zu dir... ich wusst´ es gleich und wusst´ es ja so bestimmt: es geht nicht gut, diese Liederlichkeit, und kann niemals ein gutes Ende nehmen, dieses die Wirklichkeit überhaupt gar nicht mehr achtende Träumen, dem du so skrupellos unterm Baume verfallen bist.
Lass ihn, zorniger Vater, lass ihn unterm Baume schwebend schweifen, den Sohn, zerstöre ihm sein heiliges Wahnbild nicht! Zerstörst du es, zerstörst du ja ihn! Es nützt ja gar nichts, dieses forsche, wütend herrische Auftreten, und es kann nur Schaden bringen, ihn so unsanft aufzuschrecken, diesen sitzend Schlafwandelnden, der doch, bedenke auch dies, dein eigen Fleisch und Blut ist! Wie? Darum geht es dir nicht eigentlich, den Sohn aufzuwecken und patriarchalich-besorgt ins Dröge-Wirkliche zurückzuleiten? Wie? Deute ich den Blick deiner hassenden Augen, die Sprache deiner angespannten Gesichtszüge richtig? Ist dies der Fall, dass du, ja dass du Unselig-Böser es eben geradewegs darauf anlegst, Schaden zu bringen, in pädagogischer Nutz- und Lieblosigkeit zu wüten, dass es dir einzig darum zu tun ist, überschießende Säfte angestauter Bosheit verheerend auszugießen? Lass mich nur rücksichtloser deuten, lass mich eine noch klarere Sprache führen, ekler Mensch, lass es mich nüchtern feststellen: töten willst du ja, töten den eigenen Sohn, freilich nicht, was juristisch mehr als bedenklich wäre, mit würgender Hand oder zustoßendem Messer, sondern mit brausendem Vaterwort und gewalttätiger Vatergebärde...
Hinterm Fenster, geborgen vom Vorhang steht übrigens schlank die Mutter: sie war es, die den unter der Woche verreist gewesenen Vater unterrichtet hat von des Sohnes Liederlichkeiten - und verspürt nun Skrupel. Zu spät, du schlanke Frau hinterm Fenster, zu spät dafür! Ach, und nicht erst jetzt ist es zu spät! Längst, längst... – aber vorbei! Abzutun mit entschlossen abschneidender Handbewegung. Da braust es schon durch den Obsthain, den summenden und duftenden, dröhnt machtvoll die Stimme der gestaltgewordenen Wirklichkeit durch den Hain:
„Welche juckenden Reize empfangen die Augen da, zu welch widerlichem Bild verdichtet das Gehirn die Reize, welchen unfassbaren Begriff erhalte ich von dem Gesehenen, diesem unverschämt-unverhohlen Präsentierten? Der Sohn hockt erholt und unrasiert unterm Baum im Gras und leistet den armseligen Insekten faule Gesellschaft. Bleib danieder, bleib unterm Baume hocken, du Insekt, erhebe dich nicht, maße dir nicht Augenhöhe mit deinem Vater an! Du bist es nicht würdig, fauler Mistkäfer, der du da unterm Baume nichts würdigeres zu tun hast, als den stinkenden Mist deiner kotigen Gedanken vor dir her zu rollen! Sieh dich an! Dein fettiges Haar hast du nicht, wie es noch eben anginge und wie es wenigstens den Rest einer gewissen Form aufrecht erhalten würde, gestrählt, sondern hast es der schlaffen Bequemlichkeit halber mit den Händen nach hinten gleichsam geklebt; der unansehnliche, dir überhaupt nicht zu Gesichte stehende Bart geht ungebändigt seine naturgemäßen krausen Wege; umschlotterst ist dein blasser gedunsener Leib von Stoffen, die Kleidung zu nennen ich mich tunlichst hüten werde – ein unförmiges Leichentuch, so will ich es behelfsmäßig einmal nennen, was du da trägst... nein, du trägst es ja nicht, denn das hieße, wenn auch im unterschwelligsten, ja eigentlich nur grammatikalischen Sinne, tätig sein: du trägst das Leichentuch nicht, sondern bist davon behangen. Verzeih übrigens, wenn ich einen gewissen Abstand wahre, es ist olfaktorische Vorsicht, die ich übe, denn es würde mich nicht wundern, wenn in deiner näheren Umgebung ein gewisser Gestank in der Luft läge, ein Gestank von Verfall, von ungehindertem, geradezu willentlich vorangetriebenem Verfall – willentlich: auch das ist wieder eine unzutreffende Bezeichnung. Denn nichts an dir scheint mir die Spuren irgendeiner Willentlichkeit zu zeigen – ein Reflex bist du, ein unwillkürlicher Reflex, ein Darm oder dergleichen, kein Mensch jedenfalls mit eigenem Willen und Bewusstsein, sondern ein Staubkorn, das sich dorthin treiben lässt, wohin es der Wind eben trägt. Müde, ach ich werde matt und mutlos und müde, wenn ich dich längere Zeit betrachte! Wie kann das sein? Mein Sohn? Der da?! Dieser faule und faulende Müßiggänger dort, der nicht einmal die Kraft aufbringt an der Zigarette zu saugen, sondern sie einfach verbrennen lässt, dieser stachelbärtige Nirvana-Bewohner soll mein Sohn sein? Her damit, gib das Buch her, das du da so schlaff zwischen die Finger geklemmt hast, gib es her! Novalis! Wunderbar! Sag einmal, woher hast du den Elan genommen, diese Unterstreichungen hier anzubringen? Wievieler Tassen Kaffee hat es bedurft, den Stift in unterstreichende Bewegung zu versetzen? – ´Muss immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt?´ Köstlich, wirklich herzergreifend köstlich! Er muss, das lass dir ein für allemal gesagt sein, mein Freund, muss wiederkommen, der Morgen, immer und immer wieder, dem kannst du dich durchaus nicht entziehen! Unermüdlich erhebt sie sich, die Sonne, trotz ihres unendlichen Gewichtes stemmt sie sich allmorgendlich zum Zenit hinauf – An ihr nehme dir ein Beispiel, Ewig-Untergehender, du! ´Hinunter in der Erde Schoß, weg aus des Lichtes Reichen...´ Warum wird dergleichen aufgeschrieben? Das erkläre mir! Das rechtfertige! Warum wird es nicht schlankerhand in die Tat umgesetzt, dieses rührselige ´Hinunter in der Erde Schoß´? Ihr Elenden, du und dein Novalis und all die anderen Ekelhaften! Könnt ihr nicht einmal in eurem erbärmlich nutzlosen Leben tätige Entschlossenheit zeigen und schnurstracks in der Erde Schoß euch hinab begeben? ´Was sollen wir auf dieser Welt mit unsrer Lieb´ und Treue´? Rührselig das, durchaus! Sieh die Tränen meine Augäpfel feucht benetzen! Ach, wie es mich ermüdet, wie mich dein Anblick anästhesiert! Lass mich zu einem Ende kommen, ehe ich bewusstlos ins Gras sinke: ab morgen ist deines Weilens nicht mehr länger hier im Garten. Die müßigen Annehmlichkeiten werden ein Ende haben. Die zwei Zimmer unterm Dach wirst du gegen eine Kammer im Keller tauschen. Deine zwei Katzen werde ich ersaufen. Und passt dir all das nicht, dann steht es dir offen hinfortzugehen! Dann geh in die Welt, verrecke an deiner Lethargie und fordere meine Augen nicht länger mit deinem Anblick heraus! Siehst du: das ist sie, ´des Irdischen Gewalt´, die dein laffer Dichter so tränenreich beklagt!“
Sprach´s und ging befriedigt hinfort.

3

Der Abend dämmerte bereits, da saß Benedikt noch immer an der gleichen Stelle, dort im Obsthain unterm Baum; er blickte, wie er das in letzter Zeit nicht selten tat, in eine unbestimmte, blinde Ferne und rührte sich in keiner Weise. Platt und schlaff lag das Haar auf seinem unbewegten Kopf; lustlos spielte der Abendwind mit dem schlotternden Gewand; eine Zigarette hatte Benedikt entzündet und sog an ihr, tief jetzt und konzentriert. Da unternahm er dies, dass er in einem Akte tätiger Entschlossenheit all diejenigen Muskel und Müskelchen lähmte, die an der Atmung beteiligt waren; zurück sank er bald darauf, rutschte am Stamm vorüber und blieb rücklings liegen; aus Bewusstlosigkeit wurde Tod, als die erschlaffte Zunge in den Rachen rutschte und sich so jedem unwillkürliche Wiedereinsetzen der Atmung in den Weg stellte.

4

An dem Grabe stehen in vorderster Reihe ernst und zusammengenommen der Vater, und daneben, schlanke Frau, die Mutter, die sich beim Herablassen des Sarges in keiner Weise mehr zu halten vermag, sämtliche Zügel schießen lässt, zu Boden sinkt und in wirren Worten eine ungerechte Selbstanklage hervorsprudeln lässt.
„Endet denn nie des Irdischen Gewalt? Wird es immer und immer so sein, dass der Tod die einzige Handhabe gegen des Irdischen Gewalt ist...?“ – „Komm“, spricht der nun kindlose Vater und nimmt seine Frau in den Arm, „wir wollen gehen.“
Und in stummer Erstarrung lässt sie sich von ihm fortführen.

 

Eine handwerklich ganz hervorragende Arbeit. Frage mich, warum diesen Text noch niemand kritisiert. Weil es sich nicht so leicht liest? Ihr Pfeifen!
Der Autor ist z.T. auch selbst schuld, hier und da ein Absatz eingefügt, und schon wirkt das ganze lesbarer!

Die alte Sprache wird hier konsequent durchexerziert. Nur an wenigen Stellen wirkt sie gestelzt, aufgesetzt ("Augen tendieren" ist unglücklich), ansonsten stilsicher zu Ende geschrieben. Eine Wortwiederholung den krausen Bartwuchs betreffend habe ich noch zu beklagen. Die schöne Formulierung hat dem Autor so gut gefallen, dass er sie sowohl den Erzähler, als auch später den Vater benutzen ließ. Ändern! Noch eine Frage:

lass mich eine noch klarere Sprache führen, ekler Mensch,

Kenne Altdeutsch eigentlich ganz gut, aber wurde eklig so benutzt? Das D ist zu weit entfernt, als dass es sich um einen Tippfehler handeln könnte. Außerdem mach "edler" hier keinen Sinn.
Mir scheint, der Autor ließ sich tatsächlich von Novalis inspirieren. Die Sprache ist gut getroffen, nur die Zigarette empfinde ich als Stilbruch. Warum die Geschichte nicht zeitlos anlegen?

Inhaltlich breche ich mir einen ab, Habe Novalis (wie alle damals) in der Pubertät gelesen, quasi als natürliches Gegengewicht zu Bukowski. Des Irdischen Gewalt wird sich dem durchschnittlichen Leser kaum vermitteln. Der Freitod funktioniert so auch nicht. Wenn unser Bartträger nicht seine Zunge verschluckt, kann er die Luft anhalten, solange er will. Nach der Ohnmacht atmet er weiter, die Zunge rutscht nicht einfach so in den Rachen. Sekundär. Handwerklich war das ganz große Klasse. Inhaltlich denke ich lieber noch mal drüber nach.

Das ist übrigens das größte Kompliment. Wenn man aus den richtigen Motiven schreibt.

 

Hallo Alpha,

"Eine handwerklich ganz hervorragende Arbeit."

Man lobt nun schon zum zweiten Mal meine handwerkliche Vorgehensweise (Armelle nannte eine gewisse Geschichte von mir sehr gut konstruiert). Das wundert mich insofern, als dass ich in dieser Hinsicht völlig unbewusst vorgehe; ist der erste Absatz geschrieben, das heißt, ist die stilistische Tonart festgestellt, so ergibt sich der Rest von selbst. Ich selbst empfinde bei meiner Schreiberei meistens gerade das Handwerkliche bedenklich. Wie auch immer!

"Die alte Sprache wird hier konsequent durchexerziert."

Was allerdings nicht der Ausdruck eines besonderen Könnens ist, sondern vielmehr Ausdruck eines Mangels: eine zeitgemäße Sprache besitze ich nicht. Ebensowenig wie ich ein Buch lesen kann, das nicht mindestens ein halbes Jahrhundert alt ist und dessen Autor noch lebt, kommt mir ein moderner Satz über die dichtenden Lippen (...). Rein technisch mag das wohl gehen, aber es gibt da gewisse Hemmnisse, deren Ursachen längst so verworren geworden sind, das ich sie nicht mehr begreife. Frag Armelle, die kennt mich und meine Probleme mittlerweile recht gut. Zu gut.
Interessant, dass Du die Zigarette ansprichst: gerade mit ihr habe ich ordentlich gekämpft - eben wegen der Modernität.

"Kenne Altdeutsch eigentlich ganz gut, aber wurde eklig so benutzt?"

Ich befragte den Duden, und er gab mir recht! Es ist nicht einmal mit dem Hinweis "veraltet" versehen!


"Der Freitod funktioniert so auch nicht. Wenn unser Bartträger nicht seine Zunge verschluckt, kann er die Luft anhalten, solange er will. Nach der Ohnmacht atmet er weiter, die Zunge rutscht nicht einfach so in den Rachen."

Ich bin ein wenig hypochondrisch angelegt, und die Angst davor, ohnmächtig zu werden und dabei die Zunge zu verschlucken, begleitet mich schon seit langem. Immer wenn mir schwindlig wird, beisse ich mir auf die Zunge, um sie zu fixieren. Nur nebenbei.
Mag sein, das der physiologische Realismus nicht recht zu seinem Recht kommt...

"Das ist übrigens das größte Kompliment. Wenn man aus den richtigen Motiven schreibt."

Ja, die lieben Motive... Da muss ich leider sagen das ich nicht aus den "richtigen", sondern aus schrecklich falschen, niederen und verwerflichen Motiven schreibe. Es ist die alte Geschichte von demjenigen, der wegen eines Mangels an Blut und Leben... usw.usf. Frag Armelle. Der Erläuterung möge eine Geschichte dienen, die ich bald eintrage. So abgeschmackt ihr Ende, so abgeschmackt ihr Titel: Der Dichter und das Leben. Fast so abgeschmackt wie gewisse Geschichten über Clowns, die hinter fröhlichen Fassaden - man glaubt es kaum -traurig sind...
Oder Geschichten von Dichtern, die sich selbst bejammern und kein gutes Haar an sich lassen, im Innersten aber überzeugt davon sind ganz toll zu sein.

 

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