- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Unterm Birnbaum
Unterm Birnbaum
Verwirrung machte sich breit. Damit hatte niemand gerechnet. Er hatte die Augen geschlossen, fast als würde er schlafen. Die Birne steckte in seinem Mund wie ein Pfropf. Wie bei den anderen. Die Arme an die Äste gebunden, die Füße wenige Zentimeter über dem Boden. Es war schon spät, der Mond ging langsam auf und beleuchtete sein fahles Gesicht. In diesem Szenario wurde Ian Agnew tot aufgefunden.
Kommissar Hunter war ratlos. Er und seine Leute hatten Agnew nur eine Minute aus den Augen gelassen. Das war schon der vierte Mord in dieser Woche. Diesmal hatte es Dunningham Junior erwischt. Der Täter hatte ihn in seiner Wohnung besucht und ermordet. Wieder nach dem selben Prinzip und, darauf wettete er, es waren wieder Agnews Fingerabdrücke auf der Tatwaffe, einem alten schottischen Dolch. Wie immer. Er musste Agnew finden, bevor noch mehr Morde geschahen. Überall schon schaute Agnews Gesicht aus Steckbriefen in die Strassen. Doch er war nicht zu finden.
Lord Dunningham war entsetzt, als er davon erfuhr. Schon drei! Schon drei seiner Verwandten. Angst überkam ihn, er würde der Nächste sein. Der nächste und gleichzeitig letzte von Lord Dunningham Seniors Erben. Nun musste er Ruhe bewahren. Er nahm sein Glass und goss sich nach. Er trank es mit einem Zug leer. Eiskalter Scotch rann seine Kehle hinunter als es klopfte.
Ian Agnew rannte. Nun war ihm alles klar. Nun verstand er, wie die Ereignisse zusammenpassten. Lord Dunningham, er und seine drei verwandten hatten es getan. Sie hatten sich des Sohns und somit des offiziellen Erbens von Dunningham Senior entledigt, seine Leiche unter dem Birnbaum begraben. Nun wusste Sie es auch. Sie, die ihn immer geliebt hatte. Wenn er es nur vorher gewusste hätte. Er hätte ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Doch sie hatten gut bezahlt. Zu gut.
Sie hatte ihn schon seit langem beobachtet. Im Moment schaute Sie ihm zu wie er unbeholfen aus dem Taxi ausstieg. Hinter Ihrem Stand unter Ihrem Schirm blieb sie auf den ersten Blick verbogen. Er lief an Ihr vorbei. Sie musste es jetzt tun. „Hey Mister!“ Er drehte sich um. „Hätten sie vielleicht Interesse an einem meiner Stücke?“ Er ging zu ihrem Stand und betrachtete die Ware. „Nun was halten sie davon?“ fragte Sie. Er nahm eins der Messer und wog es in der Hand. „Nun?“ Er nahm sie nacheinander und legte sie wieder zurück. „Nein danke. Kein Interesse.“ „ Zu schade“ sagte sie mit enttäuschter Miene doch innerlich jubelte Sie. Nun hatte sie was Sie brauchte. Jetzt würde sie Ihn endlich rächen. Ihn, den sie immer geliebt hatte. Sie warf noch einen letzten Blick auf sein Gesicht. Ein Gesicht das bald überall in der Stadt zu sehen sein würde. Sie nahm die alten, schottischen Dolche mit einem Tuch von ihrem Tisch und wandte sich ab. Ein böses grinsen huschte über Ihr Gesicht. Im Grunde tat er Ihr fast Leid.
Nur fünf Tage später, während sie ihm eine Birne in den Mund stopfte, würde Sie dieses Gefühl noch einmal überkommen.