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Vater gegen meinen Willen

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19.02.2006
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Vater gegen meinen Willen

"Du gehst jetzt mit ihm zu dieser Untersuchung"
"Nein! Du bist die Mutter!" Ich schüttelte energisch den Kopf und schob das gelbe Vorsorgeheft und das Impfbuch zu meiner Freundin.
"Es ist auch dein Sohn!", keifte sie.
Ich senkte den Blick und sah auf meinen einjährigen Sohn Miguel, der mich mit großen augen ansah um dann wie ein Irrer auf meinen Liebling Daisuke mit seiner Rassel einzuschlagen. Daisuke, unser Labrador, war bis zu Miguels Geburt unser Baby, aber nun stand er zumindest bei Miriam an zweiter Stelle. Daisuke kroch brummend drei Meter weiter und entkam nur knapp einen Anschlag auf seine Schnauze.
"Mach doch mit ihm was du willst", knurrte ich daraufhin und schnapte mir mit einer Mordswut im Bauch Daisukes Leine. "Ich wollte den Bengel nicht!" Mein Hund folgte mir leise knurrend.
Unsere Wohnung war sehr klein. Genauso klein wie unser Gehalt, denn Miri und ich erholten uns gerade von zehn Jahren punkigen Daseins. Acht Jahre lebten wir auf der Straße. Mir war das alles zu viel, als Miguel auf die Welt kam. Ich hatte Miri vertraut und wusste nicht, dass sie heimlich die Pille abgesetzt hatte. Fröhlich schliefen wir miteinander und wumms war das Gerät da.
Damals, auf der Straße, wollte ich mir den goldenen Schuss geben, aber ein paar Kumpels konnten mich aufhalten und seit einem Jahr bin ich teilweise clean. Miri fand damals einen Job, einen kleinen Job und ich begann in einem Zeitungsladen von meinem Kumpel zu jobben. Miri und ich konnten uns eine winzige Wohnung leisten. Ein neues Leben sollte her, beginnend mit einem kleinen Schritt, denn jede große Reise fängt mit einem kleinen Schritt an.
Miriam war schon zwanzig Jahre alt, ich bin gerade mal siebzehn Jahre alt. Miri ist die Liebe meines Lebens und wir haben schon so viel zusammen durchgemacht.
Daisuke kläffte mich aus meinen Gedanken und ich befestigte die Leine an seinem Halsband. Aus dem Wohnzimmer vernahm ich Miris schluchzen.
"Ohne dich schaffe ich das doch nicht", weinte sie.
"Das hättest du dir vorher überlegen sollen."
Sie heulte mich schon seit einem Jahr die Ohren voll und ich blockte sie schon seit einem Jahr so ab. Ich war so überheblich und egoistisch. Ich hätte mich mit ihr zusammen setzen sollen, aber ich war einfach gegen Miguel, weil ich wusste, dass wir mit ihm nie durchkommen würden.
Grimmig zog ich Daisuke auf den Treppenflur und schlug die Tür zu. Ich hätte es einfach besser machen sollen.
Das Wetter war so mies wie meine Laune. Der Himmel war grau, die Wolken waberten tief am Himmel. Daisuke war froh endlich wieder draußen zu sein, sodass er keine Pfütze ausließ, die ihm unter die Schnauze kam. ich schlenderte durch die Straßen und dachtemal wieder über alles mögliche nach. Traurig fuhr ich mir durch meine pinken Haare nachdem ich meinen schwarzen Hut abgesetzt hatte. Die dunkle Hose war schon mit schlamm beschmiert, ganz zu schweigen von den Spitzen meiner Springer. mein Blazer war nass vom Regen, die schwarze Krawatte wippte im leichten, aber kühlen Wind.
Ich steuerte den Alexanderplatz an. Seitdem ich eine Wohung hatte, kam ich meine Freunde nur noch selten besuchen. Am Alex wurde zur Zeit gebaut, sodass der große Brunnen nicht mehr frei war. Meine Leute mussten also auf die Weltzeituhr ausweichen.
Als ich die Straßenbahngleise überschritten hatte, machte ich Daisuke von der Leine los und er rannte sofort zu der Uhr, wo er eine junge Frau ansprang, die sich gerade erhob. Ich strahlte überglücklich und bekam innerhalb von zwei Sekunden super gute Laune. Lilly drückte Daisuke lachend an sich, dann kam sie zu mir gesprintet um ihre Arme um meinen Hals zu schlingen. Lilly war meine Sandkastenfreundin. Wir konnten in einer Wanne baden, es würde nie etwas passieren.
Ich setzte Lilly wieder auf den Boden ab und betrachtete sie strahlend, doch meine beste Freundin sah suchend an mir vorbei.
"Wen suchst?", fragte ich.
"Wo isn Miri?"
Ich merkte wie meine Laune sank. Ich gab ein brummendes Geräusch von mir. Lilly merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte. Sie kramte in ihrer Jackentasche herum und zog eine Zigarette heraus um mir diese zwischen die Lippen zu stecken. Sie hakte sich bei mir ein, während ich mir die Zigarette anzündete. Ich machte Daisuke wieder an die Leine und wir schlenderten zum Rathaus.
"Hast du dich mit Miri gestritten?"
"Mmh."
Lilly bliebt stehen. Ich lief in Gedanken versunken zwei Schritte weiter, dann drehte ich mich um. Lilly sah mich empört an. Verständnislos zog ich an meiner Zigarette.
"Was?", knurrte ich.
"Ich will dir helfen."
"Ich will aber keine Hilfe."
"Leck mich! Weißt du wie egal mir das ist?"
Ich musste lächeln und ging zu Miri, drückte ihr die Zigarette in die Hand und lief weiter nach Hause. So lieb ich meine Süße auch hatte, aber ich konnte ihr einfach nichts von meinem Problem erzählen.
Ich schloss die Wohnungstür auf. Es war ganz ruhig. Irgendwie zu ruhig. Daisuke war ganz aufgeregt. Er zog und zerrte an der Leine.
"Miri?", fragte ich in das Wohnzimmer.
Es kam keine Antwort. Ich zu unserem Bett und schrie fast auf. Dort lag meine große Liebe im ewigen Schlaf. Ihr schwarzes Haare lag seidig auf dem Kissen, ihr Körper war so blass, so rein. Ich spürte, dass mein Herz raste, aber zärtlich beobachtete ich sie, die da lag wie eine Prinzessin. Langsam fiel mir noch was anderes ein. Wo war Miguel. Ich blickte suchend um mich, während ich Daisuke gleichzeitig am Halsband vom Bett zog. Meinen Sohn fand ich in seinem Bett. ich vergewisserte mich, dass es ihm gut ging, dann lief ich noch msl zu Miri. Ich hob ihre weiße Hand an, die schon ganz kalt war. An ihrem Kopf bemerkte ich eine Schusswunde. Die Pistole lag auf meinem Kissen, darunter ein Brief an mich.
Ich nahm den Brief, holte Miguel aus dem Bett und setzte mich zu Miri.
Lieber Gabriel,
ich kann einfach nicht so weiter machen. Weißt du, du hattest die ganze Zeit recht. Wir schaffen es zu viert nicht, aber wenn ich gehe, dann vielleicht. Es fällt mir nicht schwer, denn ich verlor vorgestern meinen Job.
Bitte, lerne Miguel zu lieben. Er hat es sich doch nicht ausgesucht zu leben.
In Liebe
Deine Miri

Ich ließ den Brief zu Boden fallen und betrachtete Miguel, der schlief. Ja, vielleicht hatte Miri recht...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jussi!

Eine bedrückende Geschichte, bei der man aber nicht so recht weiß, wem man nun die Schuld geben soll, bzw. was Du damit anklagen/aufzeigen willst. Man kann nur hoffen, daß der Protagonist endlich aufwacht.
Was ich mich frage, ist, wo die beiden leben, daß es offenbar keine staatliche Unterstützung (Sozialhilfe) gibt, oder ein Jugendamt, das sich um solche Fälle kümmert. Ich weiß, daß es immer wieder Fälle gibt, für die die Löcher im sozialen Netz doch noch groß genug sind, oder die einfach die Kraft nicht mehr haben, allen Anforderungen, um die Unterstützungen zu erhalten, nachzukommen. Wenn man nicht zu den Ämtern hingeht, kann man ganz still und heimlich zuhause verhungern, es fällt niemandem auf. Aber da die beiden in Deiner Geschichte ja sogar kleinen Jobs nachgehen können, zumindest Miri sogar noch die Arzttermine für das Kind unter Kontrolle hat, scheint das auf sie nicht zuzutreffen. Warum muß sich die Frau also umbringen, weil sie den »kleinen“ Job verloren hat? Da kämpft sie erst so für ihr Kind, und dann läßt sie es alleine, obwohl sie nicht die Gewissheit haben kann, daß sich jemand um das Kind kümmert? Tut mir leid, aber das glaube ich nicht. Sie bräuchte doch nur an die richtige Stelle gehen und hätte Unterstützung und einen Platz in einem Mutter-Kind-Heim.

Was mir nicht klar ist, ist, warum der Protagonist so gestylt ist (Krawatte, rosa Haare) – auch rosa Haare kosten Geld, und bei der Not, die die beiden leiden, ist das sehr merkwürdig. Daß er nicht so recht weiß, wo er die Prioritäten setzen sollte, zeigst Du bereits mit dem Hund, dafür wäre das also nicht unbedingt notwendig, ich finde das schon ein bisschen gar viel überzogen.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

»der mich mit großen augen ansah um dann wie ein Irrer auf meinen Liebling Daisuke mit seiner Rassel einzuschlagen.«
Augen ansah, um
– so klingt es, als hätte Daisuke die Rassel; besser: mit seiner Rassel wie ein Irrer auf meinen Liebling Daisuke einzuschlagen

»entkam nur knapp einen Anschlag auf seine Schnauze.«
– einem Anschlag

»und schnapte mir mit einer Mordswut im Bauch«
– schnappte

»Damals, auf der Straße, wollte ich mir den goldenen Schuss geben, aber ein paar Kumpels konnten mich aufhalten und seit einem Jahr bin ich teilweise clean. Miri fand damals einen Job, einen kleinen Job und ich begann in einem Zeitungsladen von meinem Kumpel zu jobben.«
– die Wiederholung von »damals« könntest Du noch vermeiden
– einen Job, einen kleinen Job, und
– statt »in einem Zeitungsladen« würde ich »in dem Zeitungsladen« schreiben, oder hat der Kumpel mehrere davon?

»Miriam war schon zwanzig Jahre alt, ich bin gerade mal siebzehn Jahre alt.«
– einmal »Jahre alt« würde ich streichen

»Aus dem Wohnzimmer vernahm ich Miris schluchzen.«
– Miris Schluchzen

»Sie heulte mich schon seit einem Jahr die Ohren voll«
– heulte mir schon

»mich mit ihr zusammen setzen sollen«
– zusammen: zusammensetzen

»Daisuke war froh endlich wieder draußen zu sein,«
– froh, endlich

»und dachtemal wieder über alles mögliche nach.«
– auseinander: dachte mal

»Traurig fuhr ich mir durch meine pinken Haare nachdem ich meinen schwarzen Hut abgesetzt hatte.«
– Haare, nachdem

»Die dunkle Hose war schon mit schlamm beschmiert, ganz zu schweigen von den Spitzen meiner Springer. mein Blazer war nass vom Regen, die schwarze Krawatte wippte im leichten, aber kühlen Wind.«
Schlamm
– meinst Du »Springer-Stiefel«? Würde ich dann auch so schreiben.
Mein Blazer

»Ich musste lächeln und ging zu Miri, drückte ihr die Zigarette in die Hand«
– scheint der falsche Name zu sein

»Wo war Miguel.«
– Miguel?

»ich vergewisserte mich, dass es ihm gut ging, dann lief ich noch msl zu Miri.«
– msl?

»du hattest die ganze Zeit recht.«
»Ja, vielleicht hatte Miri recht...«
Recht
– Leertaste vor die drei Punkte


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hi Jussi,
auch ich finde deine Geschichte bedrückend, und du hast auch einiges an Problemen gut herausgearbeitet. Allerdings sehe ich viele Brüche, die eine Glaubwürdigkeit verhindern.

Das erste, der Kampf um den Arzt, ist eine realistische Situation. So ähnlich habe ich es auch schon erlebt: die Frau versucht, einen Teil der notwendigen Pflichten an den Vater abzugeben, dem das einfach lästig ist. Ob realer Altersunterschied oder Regression des Mannes: der Vater rebelliert dabei wie ein Junge gegen seine Mutter.

Nach dem großen Schritt, den das Paar gemacht hat (obdachlos => Wohnung, Job, Kind) finde ich es unwahrscheinlich, dass der Arztbesuch diese Krise auslöst. Da haben sie doch sicher schon Schlimmeres durchgemacht, und eher würde wohl der Arztbesuch weggelassen. Außerdem, da sie ihren Job verloren hat, hätte sie ja die Zeit.

Gut finde ich das Gefühlsleben des Mannes:

Daisuke, unser Labrador, war bis zu Miguels Geburt unser Baby, aber nun stand er zumindest bei Miriam an zweiter Stelle.
Insgesamt passt das Verhalten des Prots zu einem Fallbeispiel, das ich mal gelesen habe: Beim Kennenlernen hatte der Mann klar gemacht, wo seine Prioritäten lagen, wenn es nicht genug Geld für Miete und Dope gleichzeitig gab.

Auch das Abwälzen der Verantwortung auf Miriam (ich hatte Miri vertraut und wusste nicht, dass sie heimlich die Pille abgesetzt hatte. Fröhlich schliefen wir miteinander und wumms war das Gerät da./ allerdings: Kommata fehlen, und sprachlich jetzt nicht sooo überzeugend) und die Negierung seiner Sucht (aber ein paar Kumpels konnten mich aufhalten und seit einem Jahr bin ich teilweise clean).

Unverständlich ist mir der Suizid der Mutter, die ihr Kind zurücklässt. Normalerweise würde ich da einen "erweiterten" Suizid erwarten; Mütter nehmen dann ihre Kinder mit in den Tod. Oder einen Kurzschluss ohne Brief. So passt es für mich nicht zusammen, denn was könnte ihr Hoffnung geben, dass der Prot den Jungen jetzt annimmt? Stattdessen würde er ihn doch eher hassen, weil er ihm auch noch seine "große Liebe" weggenommen hat.

Gruß, Elisha

 

Hallo,
vielen Dank für die Kritik.
Also, die Fehler sind ja ein bisschen peinlich. Tut mir leid, wenn ich mehr Zeit habe, werde ich sie ausradieren und die Geschichte noch mal überarbeiten.
Jetzt, wo ich die Kritik gelese habe, finde ich den Suizid auch etwas zu vorbereitet, weil es ja eine Kurzschlussreaktion von Miris Seite aus werden sollte. Ich mache zur Zeit eine Ausbildung im Berzirksamt und da kamen schon einige Fälle vor, in denen die Eltern beruflich tätig waren, aber den Rest einfach nicht auf die Reihe bekamen.
Am Ende habe ich es offen gelassen, ob Gabriel nun noch Miguel verantwortlich macht. Es sollte so sein, dass er gar nicht wirklich realisiert, dass Miri tot ist. Versteht ihr was ich meine? Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll.
Ja, im Nachhinein kommt mir das mit den "edlen Klamotten" etwas supekt vor und auch die pinken Haare, wobei ich mir dachte, dass jeder irgendwie etwas Geld hat um sich seine Haare zu tönen bzw. zu färben. Ich denke da nur an meinen Kumpel seines Zeichens Vollzeitpunker.
Ich werde mich der geschichte noch mal annehmen.
Vielen Dank für die Anregungen.
Jussi

 

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