Vater gegen meinen Willen
"Du gehst jetzt mit ihm zu dieser Untersuchung"
"Nein! Du bist die Mutter!" Ich schüttelte energisch den Kopf und schob das gelbe Vorsorgeheft und das Impfbuch zu meiner Freundin.
"Es ist auch dein Sohn!", keifte sie.
Ich senkte den Blick und sah auf meinen einjährigen Sohn Miguel, der mich mit großen augen ansah um dann wie ein Irrer auf meinen Liebling Daisuke mit seiner Rassel einzuschlagen. Daisuke, unser Labrador, war bis zu Miguels Geburt unser Baby, aber nun stand er zumindest bei Miriam an zweiter Stelle. Daisuke kroch brummend drei Meter weiter und entkam nur knapp einen Anschlag auf seine Schnauze.
"Mach doch mit ihm was du willst", knurrte ich daraufhin und schnapte mir mit einer Mordswut im Bauch Daisukes Leine. "Ich wollte den Bengel nicht!" Mein Hund folgte mir leise knurrend.
Unsere Wohnung war sehr klein. Genauso klein wie unser Gehalt, denn Miri und ich erholten uns gerade von zehn Jahren punkigen Daseins. Acht Jahre lebten wir auf der Straße. Mir war das alles zu viel, als Miguel auf die Welt kam. Ich hatte Miri vertraut und wusste nicht, dass sie heimlich die Pille abgesetzt hatte. Fröhlich schliefen wir miteinander und wumms war das Gerät da.
Damals, auf der Straße, wollte ich mir den goldenen Schuss geben, aber ein paar Kumpels konnten mich aufhalten und seit einem Jahr bin ich teilweise clean. Miri fand damals einen Job, einen kleinen Job und ich begann in einem Zeitungsladen von meinem Kumpel zu jobben. Miri und ich konnten uns eine winzige Wohnung leisten. Ein neues Leben sollte her, beginnend mit einem kleinen Schritt, denn jede große Reise fängt mit einem kleinen Schritt an.
Miriam war schon zwanzig Jahre alt, ich bin gerade mal siebzehn Jahre alt. Miri ist die Liebe meines Lebens und wir haben schon so viel zusammen durchgemacht.
Daisuke kläffte mich aus meinen Gedanken und ich befestigte die Leine an seinem Halsband. Aus dem Wohnzimmer vernahm ich Miris schluchzen.
"Ohne dich schaffe ich das doch nicht", weinte sie.
"Das hättest du dir vorher überlegen sollen."
Sie heulte mich schon seit einem Jahr die Ohren voll und ich blockte sie schon seit einem Jahr so ab. Ich war so überheblich und egoistisch. Ich hätte mich mit ihr zusammen setzen sollen, aber ich war einfach gegen Miguel, weil ich wusste, dass wir mit ihm nie durchkommen würden.
Grimmig zog ich Daisuke auf den Treppenflur und schlug die Tür zu. Ich hätte es einfach besser machen sollen.
Das Wetter war so mies wie meine Laune. Der Himmel war grau, die Wolken waberten tief am Himmel. Daisuke war froh endlich wieder draußen zu sein, sodass er keine Pfütze ausließ, die ihm unter die Schnauze kam. ich schlenderte durch die Straßen und dachtemal wieder über alles mögliche nach. Traurig fuhr ich mir durch meine pinken Haare nachdem ich meinen schwarzen Hut abgesetzt hatte. Die dunkle Hose war schon mit schlamm beschmiert, ganz zu schweigen von den Spitzen meiner Springer. mein Blazer war nass vom Regen, die schwarze Krawatte wippte im leichten, aber kühlen Wind.
Ich steuerte den Alexanderplatz an. Seitdem ich eine Wohung hatte, kam ich meine Freunde nur noch selten besuchen. Am Alex wurde zur Zeit gebaut, sodass der große Brunnen nicht mehr frei war. Meine Leute mussten also auf die Weltzeituhr ausweichen.
Als ich die Straßenbahngleise überschritten hatte, machte ich Daisuke von der Leine los und er rannte sofort zu der Uhr, wo er eine junge Frau ansprang, die sich gerade erhob. Ich strahlte überglücklich und bekam innerhalb von zwei Sekunden super gute Laune. Lilly drückte Daisuke lachend an sich, dann kam sie zu mir gesprintet um ihre Arme um meinen Hals zu schlingen. Lilly war meine Sandkastenfreundin. Wir konnten in einer Wanne baden, es würde nie etwas passieren.
Ich setzte Lilly wieder auf den Boden ab und betrachtete sie strahlend, doch meine beste Freundin sah suchend an mir vorbei.
"Wen suchst?", fragte ich.
"Wo isn Miri?"
Ich merkte wie meine Laune sank. Ich gab ein brummendes Geräusch von mir. Lilly merkte, dass etwas nicht mit mir stimmte. Sie kramte in ihrer Jackentasche herum und zog eine Zigarette heraus um mir diese zwischen die Lippen zu stecken. Sie hakte sich bei mir ein, während ich mir die Zigarette anzündete. Ich machte Daisuke wieder an die Leine und wir schlenderten zum Rathaus.
"Hast du dich mit Miri gestritten?"
"Mmh."
Lilly bliebt stehen. Ich lief in Gedanken versunken zwei Schritte weiter, dann drehte ich mich um. Lilly sah mich empört an. Verständnislos zog ich an meiner Zigarette.
"Was?", knurrte ich.
"Ich will dir helfen."
"Ich will aber keine Hilfe."
"Leck mich! Weißt du wie egal mir das ist?"
Ich musste lächeln und ging zu Miri, drückte ihr die Zigarette in die Hand und lief weiter nach Hause. So lieb ich meine Süße auch hatte, aber ich konnte ihr einfach nichts von meinem Problem erzählen.
Ich schloss die Wohnungstür auf. Es war ganz ruhig. Irgendwie zu ruhig. Daisuke war ganz aufgeregt. Er zog und zerrte an der Leine.
"Miri?", fragte ich in das Wohnzimmer.
Es kam keine Antwort. Ich zu unserem Bett und schrie fast auf. Dort lag meine große Liebe im ewigen Schlaf. Ihr schwarzes Haare lag seidig auf dem Kissen, ihr Körper war so blass, so rein. Ich spürte, dass mein Herz raste, aber zärtlich beobachtete ich sie, die da lag wie eine Prinzessin. Langsam fiel mir noch was anderes ein. Wo war Miguel. Ich blickte suchend um mich, während ich Daisuke gleichzeitig am Halsband vom Bett zog. Meinen Sohn fand ich in seinem Bett. ich vergewisserte mich, dass es ihm gut ging, dann lief ich noch msl zu Miri. Ich hob ihre weiße Hand an, die schon ganz kalt war. An ihrem Kopf bemerkte ich eine Schusswunde. Die Pistole lag auf meinem Kissen, darunter ein Brief an mich.
Ich nahm den Brief, holte Miguel aus dem Bett und setzte mich zu Miri.
Lieber Gabriel,
ich kann einfach nicht so weiter machen. Weißt du, du hattest die ganze Zeit recht. Wir schaffen es zu viert nicht, aber wenn ich gehe, dann vielleicht. Es fällt mir nicht schwer, denn ich verlor vorgestern meinen Job.
Bitte, lerne Miguel zu lieben. Er hat es sich doch nicht ausgesucht zu leben.
In Liebe
Deine Miri
Ich ließ den Brief zu Boden fallen und betrachtete Miguel, der schlief. Ja, vielleicht hatte Miri recht...