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Verantwortung

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24.11.2009
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Verantwortung

Als ich vor fünf Jahren Vater wurde, hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung, welche Art von Verantwortung mich einholen würde. Klar wusste ich, dass es keine einzige Zucker- Party sein würde, einen Jungen großzuziehen und später mit Hoffnung und Zuversicht in die Welt zu entlassen, doch reichte mein Vorstellungsvermögen nicht aus, um mir das Ausmaß der Bürde der Vaterschaft zu vergegenwärtigen. Ziemlich naiv und mit der gewohnt erwartungsvollen Nervosität, die bei jungen Männern nun mal üblich ist, wenn sie einen hoffentlich gesunden kreischenden Sprössling erwarten, hockte ich damals im Wartezimmer des Kreißsaals und wippte unruhig mit den Oberkörper vor und zurück. Ständig fühlte ich das Verlangen in mir aufkommen, das Krankenhaus zu verlassen, um eine Zigarette zu rauchen, doch wollte ich den Moment auf keinen Fall verpassen, wenn mein Fleisch und Blut das Licht der Welt erblicken würde, nur um festzustellen, dass es in der Gebärmutter ja doch viel gemütlicher war. Die Hebamme hatte mich schon nach einer halben Stunde aus dem Kreißsaal geschmissen, weil ich es wunderbar verstanden hatte, Unruhe und Panik zu verbreiten. Zwei Dinge, die eine werdende Mutter wohl am wenigsten braucht, aber ein werdender Vater nun mal am besten kann.
Eklampsie ist ein wirklich hässliches Wort. Meist tritt diese Schwangerschaftserkrankung nicht ohne Vorzeichen, wie Bluthochdruck oder frontalen Kopfschmerzen auf, doch meine Eileen war schließlich schon immer etwas Besonderes. Sie starb kurz nach der Geburt – und unserer gemeinsamer Sohn war ihr Erbe. Ich erinnere mich heute nur sehr ungern an diese eine Nacht voller gemischter Gefühle, die mich emotional wie auch weltanschaulich von einer Ecke des Universums zur anderen schleuderte. Mit dem knautschigen Baby auf dem linken Arm und der rechten Hand an der frisch gebackenen Leiche, die mal einst meine Frau darstellte, überließ ich mich tagelang bereitwillig einerseits dem allzu bekannten Gefühl des Selbstmitleids und der Trauer, andererseits der urigen Freude über das erfolgreichen Nachkommenzustandebringens hin.
Alleinerziehend. Ebenfalls ein unschönes Wort. Ich habe damals viele Tränen vergossen. Doch viele Gedanken verschwende ich heute nicht mehr daran. Ich versuche zu vergessen, mich an dem zu erfreuen, was ich heute habe. Einen fünfjährigen Sohn bei bester Gesundheit. Er entwickelt sich prächtig und mich überkommt jedes Mal eine wogende Welle des Stolzes, wenn ich ihn betrachte und feststellen muss, dass er von Tag zu Tag schöner und klüger wird. Ich erwische mich oft bei den überaus bescheidenen Gedanken: ganz der Papa.
Anfangs war meine finanzielle Situation ein echtes Problem. Mein Beruf erlaubte keinerlei Ausschweifungen und zwang mich und meinen Sohn zu völlig übertriebener Sparsamkeit. Wiederverwendete Joghurtbecher und zweilagiges Toilettenpapier, wo das Ergebnis buchstäblich auf der Hand lag, bildeten nur die Spitze des asketischen Eisbergs. Fertigfraß der billigsten Art und glutamatverseuchtes Instrantpulver bilden auch nicht unbedingt die Grundlage einer ausgewogenen Ernährung und führten, abgesehen vom täglichen Frust, zu häufigen Ausfallerscheinungen meinerseits und mangelnde Wachstumsrundlage des Heranwachsenden. Die staatlichen Zuschüsse waren und sind auch nicht gerade der Rede wert. Mittlerweile geht es uns jedoch recht gut.
Jetzt sitze ich gerade in einem teuren Café, weil ich irgendwie die Zeit vertreiben muss und überlege, was ich ihm zum Geburtstag schenken soll. Eine Woche habe ich noch Zeit. Nicht sehr viel, wenn man in Betracht zieht, dass ich keine Ahnung habe, wie ich ihn eine kleine Freude machen konnte. Verdient hat er den Himmel auf Erden.
Ich klaube mir eine edelweiße Zigarette aus der Schachtel und halte nach der Kellnerin Ausschau. Als ich mir eine Flamme vor der Nase entzünde, sehe ich sie. Wirklich hübsch.
Jedes Kind braucht eine Mutter. Der Gedanke kommt so plötzlich, dass ich mich erschrecke. Sie kommt zu mir herüber und nimmt meine Bestellung entgegen. Ihr Lächeln ist echt. Streng muss ich mich innerlich ermahnen, dass Lächeln und Freundlichsein zu ihrem wahrscheinlich recht undankbaren Job gehören. Dennoch sieht sie ganz bezaubernd aus und ich muss unweigerlich zurück lächeln. Als sie sich abwendet und geht fällt mein Blick auf ihren wippenden Hintern. Wieder muss ich mich ermahnen. Schließlich bin ich ein vernünftiger Mann und kein Elch während der Brunftzeit. Ich werde ihm eine Fibel schenken. Immerhin geht er nächstes Jahr in die Schule. Meine Gedanken springen. Hin und her. Frauen, Kind, Job, Familie. Existentielle Dinge, die eine Mann ausfüllen sollten. Meine Frau fehlt mir.
Mein Blick schweift umher und bleibt bei einem Mann hängen, der genüsslich versucht seinen augenscheinlich sehr hartnäckig getrockneten Schnodder mit dem Fingernagel von seiner Naseninnenwand zu schaben. Als sein Vorhaben mit Erfolg belohnt wird, wende ich mich ab. Mich interessiert herzlich wenig, wo er seine Jagdtrophäe deponieren möchte.
Hinter mir unterhalten sich zwei junge Männer, die sich offenbar für sehr belesen halten. Sie diskutieren sehr angeregt über sozialpolitische Dinge. Ich bekomme nur Gesprächsfetzen mit, doch diese sind genug, um festzustellen, dass es eine jener Diskussionen sind, die man an jeder Straßenecke, in jeder Kneipe und in jedem Bahnwaggon findet. Jeder gibt seinen Senf zu Dingen, die ihn eigentlich gar nichts angehen oder noch schlimmer: Dinge, von denen er nicht die geringste Ahnung hat und es jedem ungefragt auf die Stirn donnert.
Das Piepen meiner niegelnagelneuen Armbanduhr reißt mich aus meiner Gedankenflut zurück in die Wirklichkeit. Es ist Zeit. Ich muss nach Hause. Vielleicht kann ich noch etwas Zeit mit meinem Sohn verbringen, bevor sein nächster Freier kommt...

 

Hallo Azul Martinez,

während des Lesens hatte ich bereits das Gefühl, hier soll irgendetwas Komisch wirken. Als ich dann auf Dein Ende gestoßen bin, da war es ganz aus. Kindesmissbrauch für eine leidliche Pointe einzusetzen, empfinde ich als ausgesprochen Geschmackslos.
Keine Ahnung, was Du mit Deinem Text ausdrücken möchtest, was auch immer es ist, es funktioniert nicht. Alles wirkt wie - ich schreib mal einen lustigen Text - und das ist er bei weitem nicht! Weder thematisch noch sprachlich.

Fliege

 

Hallo!

Ja - hübsch erzählt, schade wegen dem Ende. Wie Fliege frage ich mich auch: Was willst du damit erzählen?

yours

 

Abgesehen davon, dass ich den Text nicht umhauend finde - nicht schlecht, aber eben konventionelle Erzählweise - mir tut der Autor mal wieder leid. Solche Art von Gesellschafskritik vertragen hier die wenigsten Gemüter. Also schon jetzt mein herzliches Beileid.

Gruß
Kasimir

 

Hallo zusammen!

Ach, so arg schlimm fand ich das mit dem Missbrauch in dem Text nicht. Ich denke nur: Das ist wie mit den sprichwörtlichen Kanonen auf die Tauben geschossen.

Die Geschichte wäre die selbe gewesen, hätte er seinen Sohn zu Hause kochen lassen. Oder im Kaufhaus stehlen. Oder noch kleiner: Ihm die Schuhe putzen, Wäsche waschen oder bügeln.

In der Geschichte wirkt der Missbrauch überzogen, so als hätte man die Pointe mit einem Baukran an den Haaren herbeiziehen müssen, weil man der eigenen Hand die Kraft nicht zugetraut hat.

Schöne Grüße,

yours

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen Dank für die Kritik,
nun, lustig wollte ich garantiert nicht sein und ich selbst finde es geschmacklos mithilfe Kindesmissbrauch unterhalten zu wollen oder auf brachiale Weise mittels Tabubruch seinen besonders schwarzen Humor an den Mann zu bringen. Wir ihr alle wahrscheinlich, finde ich auch, daß die Grenze bei Kindesmissbrauch längst überschritten ist.
Dies ist einer meiner früheren Werke und ich bin neu hier bei KG. Bis jetzt habe ich meine KG immer nur im Bekannten- und Verwandtenkreis kursieren lassen und deswegen auch nur aufgeweichte Buttertoastkritik in Empfang nehmen dürfen. Jetzt weiß ich also, dass es Scheiße ist.
Also nochmal Danke.
Ach ja: was ich eigentlich ausdrücken wollte?? Ich wollte den Erzähler einfach nur sympathisch erscheinen lassen durch seine durchlebten (alltäglichen) Schicksale und seiner offensichtlichen Liebe zu seinen Sohn und diese Sympathie dann mit einem Schlag zunichte machen. Aber ich denk mal es gibt auch andere Wege.
Azul

 

Hallo Azul Martinez!


Ich wollte den Erzähler einfach nur sympathisch erscheinen lassen
Da ist meiner Meinung nach einiges schief gelaufen.
Beispiele:
Eklampsie ist ein wirklich hässliches Wort. Meist tritt diese Schwangerschaftserkrankung nicht ohne Vorzeichen, wie Bluthochdruck oder frontalen Kopfschmerzen auf, doch meine Eileen war schließlich schon immer etwas Besonderes. Sie starb kurz nach der Geburt

Mit dem knautschigen Baby auf dem linken Arm und der rechten Hand an der frisch gebackenen Leiche, die mal einst meine Frau darstellte,
So denkt keine sympathische Person. Das alles klingt für mich fast menschenverachtend.

überließ ich mich tagelang bereitwillig einerseits dem allzu bekannten Gefühl des Selbstmitleids und der Trauer, andererseits der urigen Freude über das erfolgreichen Nachkommenzustandebringens hin.
Für mich gehört zu einer erfolgreichen Geburt auch das Überleben der Mutter.
Solch schräge Aussagen solltest du eliminieren.

Was ich aus dem Rest der Geschichte herauslese:
Hier wird die übelste Form von Gewalt als Lösung für finanzielle Engpässe propagiert.
Kein alleinerziehender Vater muss in einem Sozialstaat (siehe Textstelle: staatliche Zuschüsse) sein Kind zum Sex gegen Bezahlung anbieten.
Dagegen sind Bemerkungen wie "der Beruf erlaubte keinerlei Ausschweifungen" und zweilagiges Toilettenpapier (was ist gegen zweilagiges zu sagen?) im Zusammenhang mit der Schlussszene - Zeit totschlagen, teures Cafe, neue Uhr, edle Zigaretten - für die Aussage der Geschichte bezeichnend: Wenn du mit deinen Einkünften nicht zufrieden bist, schick deinen Nachwuchs auf den Strich.

Jetzt weiß ich also, dass es Scheiße ist.
Nein, jetzt weißt du, was du an dem Text ändern solltest.

Gruß

Asterix

 

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