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verbitterte hoffnung

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10.03.2007
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verbitterte hoffnung

Chantal schloss ihre Wohnungstür auf. Sie war nur schnell noch mal hierher zurück gekommen, um sich für die Disco entsprechend zu stylen. Chantal war ziemlich groß für eine Frau, hatte blond gelocktes wildes Haar, ein schmales Gesicht mit spitzem Kinn und eine kleine Stupsnase. Ihre Figur verriet ihre Essstörung. Sie war sehr dürr und bildete sich ständig ein, es gäbe da noch etliche Makel an ihrem Körper. Chantal war besessen von dem Gedanken perfekt sein zu müssen. In der Kindheit deutete sich alles bereits an; sie wollte immer sehr weiblich aussehen und mochte es, mit Röcken und hochgestecktem Haar herum zulaufen, dabei achtete sie bereits stark auf die sanften Rundungen ihres Körpers.

In der Pubertät trieb sie dann ihr Schönheitsbewusstsein auf die Spitze. Sie benutzte im Übermaß Schminke und Parfum. Sie kritisierte hartnäckig an sich herum, was zur Folge hatte, dass sie fortwährend Diät hielt und starke Probleme mit ihrer Mutter aus zustehen hatte. Chantal ließ sich aber von niemanden beeinflussen und sah in ihrem Handeln eine individuelle Entwicklung, hatte sie doch gespürt, dass es schon sehr lange in ihr steckte und nun schließlich, wollte sie dem inneren Wunsch nachgehen. Sie identifizierte ihre persönliche Freiheit mit diesem Wunsch und liebte die lobenden Worte der Jungen, die auf sie aufmerksam wurden. Dabei verzettelte sie sich immer mehr in Streitigkeiten mit ihren Freundinnen, weil der Konkurrenzkampf untereinander in dieser Zeit enorm wuchs; jeder wollte den hübschesten Jungen haben.

Intrigen wurden inszeniert, Lügen verbreitet und Gerüchte in die Welt gesetzt, und mittendrin war Chantal. Bevor sie verstand, wie viel an Freundschaft und Zuneigung bei diesem Spiel verloren ging, war es bereits zu spät, sie hatte bereits ihren Ruf weg und wurde ihn die ganze Schulzeit über auch nicht mehr los. Sie war nun allein. Beziehungen hatten durch dieses Wechselspiel nie lange gehalten und der familiäre Zusammenhalt zerbrach an Chantals Engstirnigkeit und Uneinsicht.
Trost fand sie nur bei einem Jugendfreund namens Stefan, der Chantal nie wirklich verstand, aber sie doch lange Jahre kannte und ihr Mitgefühl und Vertrauen schenkte. Er riet ihr zu einer Ausbildung zur Bankkauffrau, da sie eh gesteigerten Wert auf Äußerlichkeiten besaß und nicht dämlich war. Schon der erste Versuch glückte, und so konnte sie sich sehr schnell nach dem Schulabschluss eine eigene Wohnung finanzieren und war damit zugleich auch den Streit im Elternhaus aus dem Weg gegangen. Jedoch blieb, das in der Pubertät begonnene Gefühl, unbedingt begehrt zu werden, genauso wie ihre Einsamkeit.

Ihr Vater war Ingenieur bei einer großen Firma, die stark in Halbleiterproduktionen investierte. In der ganzen Kindheit und Jugendzeit war er ständig beschäftigt in der Firma, denn zu diesem Zeitpunkt war sie jung und aufstrebend; es brauchte eine gewisse Zeit um die anfänglichen Probleme zu überwinden, dabei nahmen die Angestellten oftmals sehr viel Überstunden in Kauf. Daher war, die kleine Chantal größtenteils nur auf die Fürsorge der Mutter reduziert. Mit ihrer Mutter konnte Chantal jedoch weniger anfangen, teilten die beiden doch wenig Interessen miteinander und waren sie auch nicht in der Lage Gemeinsamkeiten auszuleben, sondern waren ständig mit sich selbst beschäftigt, ohne vielerlei Gespräche zu führen. Die einzigen wirklichen Gespräche die beide miteinander führten, waren sämtliche, ausschließlich bezogen auf Chantals Figur, und in dieser gerade auch für Chantal schwierigen Phase war die unverständliche, unsensible und inhumane Art der Mutter zu reagieren, ausschlaggebend für die Abgrenzung und Teilung. Wenn beide versuchten sich einander in konstruktiven Unterhaltungen näher zu kommen, so endete dass nur fortwährend in Streiterei, Auseinandersetzungen manchmal mit, manchmal ohne Schlagabtausch, aber ständig in einem Debakel, ohne nur im geringsten verständnisvoller oder einfühlsamer zu werden. Auch wenn es nur so für die meisten Leute in ihrem Bekanntenkreis aussah, aber tatsächlich lebte Chantal von dem Geld ihres Vaters, der weiterhin in sie ohne Bedenken investierte, weil er nur das beste für sie wollte, ohne dabei zu erkennen, dass auch sie durchaus sichtbare Probleme hatte. Chantal liebte ihren Vater, auch wenn sie ihm nicht wirklich nahe war.

Ihren familiären Schutz versuchte sie bei ihrem Freund Stefan zu finden. Seine Familie war für sie ganz anders strukturiert und geformt. Beide Elternteile waren Lehrer und hatten, wenn sie gerade mal nicht Bücher lasen, die meiste Zeit mit Hausarbeiten oder Klassenarbeiten zu tun. Innerhalb dieser Familie wurde ihre Person vollständig akzeptiert und ohne Vorbehalt galt sie als Freundin der Gemeinschaft. Stefan hatte eine um drei Jahre jüngere Schwester, die von der Lockerheit und Freizügigkeit Chantals sichtlich beeindruckt und fasziniert war. In Stefan hatte Chantal ihren Zufluchtspunkt.
Er strahlte Ruhe und Besonnenheit aus und schenkte ihr in jedem schwierigen Moment seine Aufmerksamkeit. Immer wenn ihre Stimmung schlechter wurde und sie sich deprimiert fühlte, ging sie zu Stefan. Auch wenn er nichts sagte und nur still da saß, brachte seine bloße Anwesenheit Chantal neue Hoffnung. Durch ihn schienen die Probleme unendlich klein zu werden und fast völlig zu verschwinden. Für Chantal wurde die Welt in zwei Hälften geteilt, die eine war ihre alltägliche Umgebung, das Gedränge und Gestoße um Einfluss, Macht und Geld. Die Habgier als Antrieb für diese Ellenbogengesellschaft, die keine Rücksicht und kein Mitgefühl kannte. Die andere Hälfte kannte keine Zeit, sondern nur die Ausgeglichenheit, Ruhe und Geborgenheit. Diese Welt war vollkommen Rein und sensibel, brachte Hoffnung und Zuversicht. Chantal träumte von dieser Welt stets wenn Stefan bei ihr war. Er schien die Sehnsüchte Chantals in sich aufzunehmen und ihr durch seine Worte und Sinnlichkeit eine neue Welt zu skizzieren, in der Chantal einen tieferen Sinn erblickte. Hier konnte sie sich frei und ohne Angst bewegen. Aber Chantal wusste nur zu gut, dass diese Welt der Träume keinen realen Wert hatte und sie sich in der Welt der Alltäglichkeit zurecht finden muss
.
Sie stand vor dem Spiegel und hatte bereits ihre Bekleidung für den Abend gewählt. Ein kleines rotes Oberteil, das an zwei Spaghettiträgern hing und sehr viel Einsicht bot; dazu eine schwarze enge Stoffhose, so dass der Po und das Becken stark zur Geltung kamen. Ihre zarten Körperrundungen waren sehr deutlich in Szene gesetzt und mit jeder Bewegung sprühte sie vor Grazie und Eleganz. Sanft bestrich sie ihre Wangen mit Rouge und auf ihre Lippen kam ein Hauch kaminrot. Schließlich beendete sie diese Schminkzeremonie mit etwas Wimperntusche. Ihr Gesicht wirkte jetzt wahrhaft sinnlich und vollständig liebreizend. Um das ganze zu vollenden, rieb sie ein wohlduftendes Rosenextrakt an ihren Hals und ein neutrales Deo unter die Achseln. Ihr Ziel am heutigen Abend war das „Braeburn“, das feinste Tanzlokal im Ort.

Sie selbst war nur sehr selten dort, obwohl sie genug Geld hatte und häufiger von den Männern eingeladen wurde, empfand sie es als richtig, nicht ausschließlich in die nobelsten Läden zu gehen. Es war kurz nach halb eins, als die Türsteher ihr Eintritt gewährten.
Der Club war ziemlich voll an diesem Abend. Das Ambiente war sehr dunkel gehalten und die verzierten und verschnörkelten Lampen ließen die wertvolle Einrichtung nur erahnen. Der Raum mit der größten Tanzfläche ruhte auf korinthischen Säulen und war von drei Wegen zu erreichen. Der Eingang führte genau auf diesen Raum, wovon zwei kleinere Gänge im hinteren Bereich abgingen. Diese wiederum waren symmetrisch angeordnet und mündeten in zwei gleichgroße Räume, wobei der eine auf ionischen und der andere auf dorischen Säulen ruhte. Die Tische in den Gassen und bei der Bar hatten kleine Leuchten in ihrer Mitte und es gab einen Knopf, den man drückte, wenn man etwas von der Bedienung wünschte. Die Toiletten hatten kleine Verzierungen aus Marmor in den Fliesen und die Kloschüsseln waren aus dem teuersten Messing. Die meisten Tische waren reserviert.
Die vermögenden Männer scharten die hübschen jungen Frauen hier um sich. Es war immer das gleiche. Chantal heuchelte diesen Männern nichts vor, um sich dessen zu bereichen. Sie fand es einfach nur abstoßend und erniedrigend. Sie würde niemals wegen etwas Geld, Cocktails oder ein wenig Koks (manchmal auch nur Speed) sich derart verkaufen, und so tun als wären diese Männer etwas besonderes oder nur Freunde, mit denen man aus lauter Freundlichkeit herumflirtete und später auch fickte.

Dieses Spektakel hatte für Chantal nur einen ekelhaften Warencharakter. Sie empfand sich nicht als irgendein Ding, was man kaufen oder verleihen konnte. Sie stellte sich an die Bar und bestellte sich ein Flying Kangaroo. Ein Typ an der Theke betrachtete Sie mit doppeldeutigem Blick, was Chantal dazu veranlasste mit gesenktem Kopf auf ihr Cocktail zu warten und als dieser dann kam, schnell in den Hauptsaal zu verschwinden. Hier stand sie erst einmal und schaute sich um.
Sie spielten Black Music. Chantal mochte diese Art von Musik gerne, vor allem Soul mit leichten Blues-Elementen, mit einem durchdringenden HipHop-Beate drüber. Auf der Tanzfläche herrschte dichtes Gedränge. Der Beat ließ die Herumstehenden mit leichten rhythmischen Bewegungen mitgehen. Sowieso wird zu dieser Musik nicht wirklich getanzt, sondern vielmehr wird mit schlingenden Beckenkreisungen versucht im Takt zu bleiben, was für viele trotzdem eine Überforderung darstellt. Für die Männer ist dieses Po-Schlenkern das reizvolle dabei. Mit jeder Berührung des Gesäßes wird geflirtet und kokettiert.
Die Mehrzahl der Männer steht dennoch am Rande und beobachtet das Treiben, wahrscheinlich wegen der Unfähigkeit seinen eigenen Körper zu bewegen, aber letztendlich bewegen sie sich schon; nämlich wie in der Szene üblich, spreizt man die Finger, meist Zeigefinger und den kleinen Finger, auseinander und wippt die Arme, die parallel zum Boden verlaufen und mit dem Oberkörper einen rechten Winkel bilden, gestreckt vor sich und tut so als würde man irgendwelche imaginären Bienen vertreiben. Wenn man nicht in der Lage ist den Text mitzusingen, dann wird meist die Unterlippe ein wenig über die Oberlippe gezogen, so dass der ganze Ablauf derartig perfektioniert wird, dass man schließlich den Eindruck gewinnen kann, sie selbst würden das Zentrum dieses wunderbare Beats sein. Ein wirklich herrliches Schauspiel.

Chantal trank aus, stellte das Glas ab und begab sich nun auch auf die Tanzfläche. Sie hatte ein wahrhaftes Talent posierend und elegant, geschmeidig und sinnlich, gefühlvoll und erotisch ihren ganzen Körper zu dieser seichten Musik rhythmisch in Pose zu bringen. Sie wusste um ihr Talent, den Männern damit den Verstand zu rauben. Auf der Tanzfläche war Chantal ein Augenschmaus und zog die Blicke magisch an. Ihr Körper bebte, die Leidenschaft des Tanzes brach aus ihr heraus und während des Abends flirtete sie ständig mit Männer herum, ohne jedoch sich auf etwas wirkliches einzulassen.
Dann fiel ihre Aufmerksamkeit auf einen zunächst unscheinbaren Mann mit weichem Gesicht. Seine Bewegungen waren anders, viel schwungvoller und dynamischer, ohne dabei übertrieben zu wirken, so gefühlvoll und harmonisch als wolle er etwas ganz bestimmtes damit ausdrücken. Anfangs nahm sie ihn überhaupt nicht wahr. Für sie tanzte dort eigentlich ein introvertierter, langweiliger und uninteressanter Typ, ohne Charisma und Ausstrahlung, einer von diesen überaus ätzenden Wissenschaftler, die außer ihrer Formeln für nichts offen sind, dabei furchtbar neue Erkenntnisse aufweisen können, mit denen bloß niemand etwas ernsthaft anfangen kann, und somit völlig weltfremd sind; oder einer von diesen Informatikern, die seit Jahrhunderten kein menschliches Wesen mehr gesehen haben und schrecklich stark, selbst innerhalb einer großen Menschenansammlung, vereinsamen und im Getümmel untergehen, jemand der nach einer Nacht mit viel nackter, weiblicher und sichtbarer Haut den Heimweg absolut zufrieden und glücklich antritt, ohne allein die Tatsache berücksichtigend, dass es eine Chance für eine erotische Erfahrung war; oder einer von diesen reichen Muttersöhnchen, die jeden Kontakt zur Außenwelt meiden und wohlbehütet sich auf ihr Leben konzentrieren, die nicht mal eine Schule besucht haben, weil Mama fürsorglicher weise einen Privatlehrer angestellt hat.

Chantal konnte aber deutlich erkennen, dass er keineswegs unsicher war. Irgendwie war dieser Typ unerreichbar und ließ sich durch nichts aus seiner inneren Ruhe bringen. Chantal war entzückt und gleichzeitig betrachtete sie ihn mit wachsender Begeisterung, schien sie doch in ihm eine Herausforderung zu erkennen. Anfangs bemerkte er durch seinen Ausdruckswillen nicht ihre Blicke, aber zwischen den Stücken, in der Zeit der Besinnung, sah er sie nun deutlich ihn beobachten. Er wusste jetzt das er den nächsten Schritt machen müsse, da die passive Rolle der Frau allgegenwärtig ist, und ohne sein zutun sich nichts ergeben würde. Es dauerte einige Zeit bis Chantal durstig wurde und an die Bar hinüber ging. Diese Chance ergriff er nun und folgte ihr. Sie bestellten sich jeweils einen Cocktail und sprachen über die Musik. Seine Stimme klang deutlich und sicher. Sie fanden einander sehr sympathisch und wollten sich noch viel mehr sagen, was im Braeburn durch die Geräuschkulisse nicht einfach war, also beschlossen sie den Ort zu verlassen und noch in einer Bar einen gemütlichen Abend zu verbringen, in ruhiger und sinnlicheren Atmosphäre. Die Entscheidung fiel zu Gunsten eines vornehmen Cafes im Zentrum der Stadt.

Er hieß Robert und war ein überaus belesener und cleverer Mann mit Charme und Ausstrahlung, und Chantal merkte nun, dass die Art wie er tanzte und redete, offensichtlich eine Verbindung hatte. Robert war Schriftsteller für einige kleinere Magazine mit einem wohlklingenden Satzbau und eine ausdrucksstarke Wortwahl. Die Worte wurden zu wunderschönen Bildern im Kopfe von Chantal und sie spürte in ihnen etwas magisches.
Er war ein Künstler, ein Dichter und Robert redete viel von der Kunst und ihrer Kraft, den unbedingten Willen Dingen und Bildern eine Gestalt zu geben, von der Motivation und dem inneren Antrieb, die Vergänglichkeit des Lebens überwinden zu wollen und mit der Kunst, die immerzu einen unmittelbar erscheint und versucht die Verbindung zwischen innerer Welt und Realität zu vereinen, seinen eigenen Weg zu finden und im Frieden dann die Ewigkeit zu erlangen. Für Chantal öffnete sich bei diesen Worten eine Pforte, hinein in ihre Träume und sie schwelgte dahin und war unheimlich verzückt und begeistert, sich der Orte und Hoffnungen erinnernd, die nur Stefan ihr bislang zeigen konnte, taumelte sie wie im Rausche und mit Liebe gefülltem Herzen in ein Meer aus wohlriechenden Düften und Farben in ihr Paradies umher.

Von diesen Gefühlen ermutigt und mit einer unendlichen Entschlossenheit wollte sie die von Robert ausgehende Nähe ergreifen. Zog doch diese Person mit ihren wohlklingenden Worten ihre innerste Freiheit und Reinheit völlig an sich, und vom Gefühl ausschließlicher und ausgenommener psychischer Befriedigung war sie nun auch körperlich dem scheinbar Fremden bereit anzubieten.
Diese Begeisterung spürte auch Robert eindeutig, so dass er viel mehr noch mit Bildern und Ausdrucksstärke in seinen Erzählungen wurde. Mit jedem weiteren Satz versank die äußere Distanz bis dass sie sich dann, anfangs zärtlich und später leidenschaftlich zu küssen begannen. Im ersten Augenblick der Begegnung der Lippen miteinander empfand Chantal tiefste Erleichterung, fast eine Art Erlösung, ohne Zweifel und Unentschlossenheit, reines Zusammengehörigkeitsgefühl und Erfüllung. Die Gespräche wurden weniger und beide waren mehr mit ihren Zärtlichkeiten beschäftigt, was auch dazu führte, zu bezahlen und die Wohnung von Chantal aufzusuchen. Bereits auf der Fahrt zu ihr, bemerkte Robert seine ausgelöste Vertrautheit bei Chantal und genoss in vollen Zügen dieses Zusammenspiel aus Liebkosungen und leichten Gesprächen von der Schriftstellerei ausgeschmückt in romantischen und hoffnungsvollen Augenblicken, wobei sich die Begeisterung und Hingabe Chantals immer mehr steigerte.
Bei ihr zuhause angekommen, stimmte man sich mit seichter Musik und Kerzenschein auf die übrige Nacht ein, doch tatsächlich war es nur noch ein wildes und leidenschaftliches Spiel mit den Körpern, die sich offensichtlich ziemlich schnell aufeinander einstimmten. Stetig wurde der Textil an beiden weniger, bis man schließlich auf dem Bett landete und er das erste Mal in sie eindrang. Es dauerte nur wenige Stöße, begleitet mit einem heftigen Gestöhne bis es ihm in ihr kam. Er rollte von ihr hinab und kuschelte sich in das Bettzeug hinein und war sehr schnell eingeschlafen.

Chantal lag nackt neben dem reglosen Körper und betrachtete im Gedanken versunken die stuckverzierte Zimmerdecke. Erst jetzt begriff sie ihre Hingabe und empfand die tiefste Geborgenheit und ein immenses Glück, vergleichbar mit Reisenden, die jahrelang auf der Suche waren und dann plötzlich ihr Ziel fanden. Sie betrachtete nun ihn und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb und gleich diesem Reisenden war sie nun angekommen, hatte sich die Welt schließlich in ihr verändert, ihr wahres Gesicht gezeigt und das wegen dieser Begegnung, eine Begegnung mit Schicksalscharakter, wegweisend für sie und ihr Leben in einer Welt vollständiger Befriedung. Das alles begriff sie in diesem Augenblick und wünschte sich nichts sehnlicher als ihn niemals loslassen zu müssen. Mit diesen Gedanken schlief sie zufrieden und entspannt an seiner Seite ein.

Der einfallende Sonnenschein weckte sie und mit offenen Augen sah sie Robert bereits in voller Montur etwas auf den Nachtisch legend. Es war ein Zwanziger und mit den Worten: „ Baby, du warst echt klasse!“, drehte sich Robert um und ging Richtung Tür. Als sie verstand, was dort vor sich ging, griff sie wutentbrannt nach ihrem Funkwecker und schmiss ihn hinter ihm her. Dieser prallte noch so eben an die Türinnenseite und fiel zu Boden. Robert war verschwunden.
Plötzlich ergriff sie ein nicht enden wollender und ausgiebiger Schmerz, der fontänenartig in ihr Herz schoss. Sie fühlte, dass es keine Reinheit gab und dass die Träumereien nicht real gewesen waren. Die Hoffnung und Zuversicht, die sich einige Stunden vorher gebildet hatten, hatten sich in ein unendliches nichts hineinkatapultiert. Es gab kein wohlduftendes Paradies mehr und auch keine Erlösung. Der scheinbar gefundene Sinn ihrer Existenz verschwand und zurück blieb eine Leere, die so gewaltig war, dass sie keine Luft zum Atmen bekam. Das wahre Gesicht des Lebens ist zu einem Unmenschen mit einer Schlinge geworden, wobei sich die Schlinge um ihren Hals legte und ihr die Luft abschnürte. Chantal fing an zu weinen, wie sie niemals zuvor geweint hatte. Sie weinte und weinte.

 

so, da ist sie nun, meine erste.
vielleicht ist sie tatsächlich etwas lang geraten, allerdings wollte ich die persönlichkeit der hauptfigur deutlich herausarbeiten. viel spaß beim lesen.

 

Tut mir Leid, aber diese Geschichte hakt an allen Ecken und Enden. Manche Passagen sind sehr übertrieben dargestellt, andere wieder zu oberflächlich. Trotz all deiner Bemühungen kriegt Chantal nie Körper oder Gesicht (literarisch).
Es würde zu ausführlich werden, wenn ich jetzt alle (zumindest von mir so empfundenen) inhaltliche Schwächen aufzähle. Doch ganz ohne will ich dich auch nicht zurücklassen.
Gleich anfangs erwähnst du Chantals Essstörungen, doch im darauf folgenden Text beweist du nie wirklich, daß dem so wäre und Passagen á la "dabei achtete sie auf die sanften Rundungen ihres Körpers" sprechen gegen eine irgendwie geartete Essstörung.

Wirklich klar kommt für mich nur, daß deine Prot ein gestörtes Selbstverständnis hat.

Nichts für ungut.
LG
Lev

 

Hallo germane 1978

und herzlich Willkommen auf kurzgeschichten.de :).

Du bist im Umgang mit der deutschen Sprache versiert, das ist das Positive an diesem Text.
Weniger interessant für mich als Leser ist die Art, wie du uns diese Geschichte präsentierst. Du referierst über Chantal, erzählst uns ganz viel über sie. Leider auch Unnötiges, wie zB den beruflichen Werdegang ihres Vaters, das bringt die Geschichte nicht voran, sondern läßt sie versanden.

Spannender wären ein paar Szenen, in denen du sie uns zeigst. Situationen, die sie zB mit Stefan zusammen erlebt. Ich versuch einfach mal ein Beispiel als Muster, mitten aus dem Verlauf herausgerissen:

Stefans Mutter sah von ihren Aufsatzkorrekturen auf und lächelte. "Hallo Chantal, schön, dich zu sehen. Wenn ihr mögt, könnt ihr euch nachher noch von dem Kuchen in der Küche welchen ins Zimmer mitnehmen."

Mit so etwas läßt du die Personen handeln und ohne dass du als Autor explizit

Innerhalb dieser Familie wurde ihre Person vollständig akzeptiert und ohne Vorbehalt galt sie als Freundin der Gemeinschaft

die Dinge beim Namen nennst. Der Leser spürt durch die Reaktion von Stefans Mutter, dass sie im Haus gerne gesehen ist und bekommt es nicht vorgekaut.

Wenn du wirklich Interesse hast, aus der Geschichte mehr zu machen, versuche aus diesem Blickwinkel die einzelnen Dinge, die du angeprochen hast, in so einer ähnlichen Form umzuschreiben. Das muss nicht immer durch Dialoge geschehen, aber damit kommst du den Personen in vielen Fällen näher.

Was mir sonst noch so auffiel:

Ihre Figur verriet ihre Essstörung. Sie war sehr dürr [...] In der Kindheit deutete sich alles bereits an; sie wollte immer sehr weiblich aussehen und mochte es, mit Röcken und hochgestecktem Haar herum zulaufen, dabei achtete sie bereits stark auf die sanften Rundungen ihres Körpers.

Das, was ich bisher über das Thema Essstörung weiß, passt nicht zu dem Bild, das du von Chantal entwirfst. Mädels mit dem Hang zum Dürrsein wollen verhindern, zur Frau heranzureifen und mögen ihre Rundungen eher nicht.
Aber ich lasse mich auch gerne eines besseren belehren.
Für mich - aber das ist auch wieder Geschmackssache, hat eine so dürre Gestalt
Ihre zarten Körperrundungen waren sehr deutlich in Szene gesetzt und mit jeder Bewegung sprühte sie vor Grazie und Eleganz.

wenig mit Grazie und Eleganz zu tun, weil es ja eher ein Knochengerüst ist, was kränklich aussieht :D.
Aber da werden andere Leser ganz anderer Meinung sein, kann ich mir vorstellen.
Beziehungen hatten durch dieses Wechselspiel nie lange gehalten und der familiäre Zusammenhalt zerbrach an Chantals Engstirnigkeit und Uneinsicht.
Zeig uns anhand einer Diskussion, eines Wortgefechts, wie dieser Zusammenhalt zerbricht.

Er riet ihr zu einer Ausbildung zur Bankkauffrau, da sie eh gesteigerten Wert auf Äußerlichkeiten besaß und nicht dämlich war.
Na hoffentlich gehen hier keine Bankkaufleute auf die Barrikaden :D. Du wertest hier den Beruf zu sehr.

Ihr Vater war Ingenieur bei einer großen Firma, die stark in Halbleiterproduktionen investierte. In der ganzen Kindheit und Jugendzeit war er ständig beschäftigt in der Firma, denn zu diesem Zeitpunkt war sie jung und aufstrebend; es brauchte eine gewisse Zeit um die anfänglichen Probleme zu überwinden, dabei nahmen die Angestellten oftmals sehr viel Überstunden in Kauf.
Das ist in einem Satz abzuhandeln.

Hier gibt es Unstimmigkeiten:

Auch wenn es nur so für die meisten Leute in ihrem Bekanntenkreis aussah, aber tatsächlich lebte Chantal von dem Geld ihres Vaters, der weiterhin in sie ohne Bedenken investierte, weil er nur das beste für sie wollte, ohne dabei zu erkennen, dass auch sie durchaus sichtbare Probleme hatte.

Schon der erste Versuch glückte, und so konnte sie sich sehr schnell nach dem Schulabschluss eine eigene Wohnung finanzieren und war damit zugleich auch den Streit im Elternhaus aus dem Weg gegangen

Entweder vom Papa abhängig oder eigene Wohnung finanzieren

Das Ambiente war sehr dunkel gehalten und die verzierten und verschnörkelten Lampen ließen die wertvolle Einrichtung nur erahnen. Der Raum mit der größten Tanzfläche ruhte auf korinthischen Säulen und war von drei Wegen zu erreichen. Der Eingang führte genau auf diesen Raum, wovon zwei kleinere Gänge im hinteren Bereich abgingen. Diese wiederum waren symmetrisch angeordnet und mündeten in zwei gleichgroße Räume, wobei der eine auf ionischen und der andere auf dorischen Säulen ruhte. Die Tische in den Gassen und bei der Bar hatten kleine Leuchten in ihrer Mitte und es gab einen Knopf, den man drückte, wenn man etwas von der Bedienung wünschte. Die Toiletten hatten kleine Verzierungen aus Marmor in den Fliesen und die Kloschüsseln waren aus dem teuersten Messing. Die meisten Tische waren reserviert.
Für meinen Geschmack zu ausführlich erzählt.

Sie würde niemals wegen etwas Geld, Cocktails oder ein wenig Koks (manchmal auch nur Speed) sich derart verkaufen, und so tun als wären diese Männer etwas besonderes oder nur Freunde, mit denen man aus lauter Freundlichkeit herumflirtete und später auch fickte.

Klammern gehören nur in außerordentlichen Fällen in eine Kurzgeschichte. Hier jedenfalls sind sie unnötig.

Dieses Spektakel hatte für Chantal nur einen ekelhaften Warencharakter.
Die Disco, hauptsächlich die Besucher, sind mittlerweile so schlecht gemacht worden, dass man sich fragt, wieso Chantal überhaupt hineingeht.

Der Beat ließ die Herumstehenden mit leichten rhythmischen Bewegungen mitgehen. Sowieso wird zu dieser Musik nicht wirklich getanzt, sondern vielmehr wird mit schlingenden Beckenkreisungen versucht im Takt zu bleiben, was für viele trotzdem eine Überforderung darstellt. Für die Männer ist dieses Po-Schlenkern das reizvolle dabei. Mit jeder Berührung des Gesäßes wird geflirtet und kokettiert.
Die Mehrzahl der Männer steht dennoch am Rande und beobachtet das Treiben, wahrscheinlich wegen der Unfähigkeit seinen eigenen Körper zu bewegen, aber letztendlich bewegen sie sich schon; nämlich wie in der Szene üblich, spreizt man die Finger, meist Zeigefinger und den kleinen Finger, auseinander und wippt die Arme, die parallel zum Boden verlaufen und mit dem Oberkörper einen rechten Winkel bilden, gestreckt vor sich und tut so als würde man irgendwelche imaginären Bienen vertreiben. Wenn man nicht in der Lage ist den Text mitzusingen, dann wird meist die Unterlippe ein wenig über die Oberlippe gezogen, so dass der ganze Ablauf derartig perfektioniert wird, dass man schließlich den Eindruck gewinnen kann, sie selbst würden das Zentrum dieses wunderbare Beats sein. Ein wirklich herrliches Schauspiel.
Dieser Absatz ist auch zu lange für das, was du erzählen willst. Straffen!


Hier verhedderst du dich in widersprüchlichen Aussagen:

Dann fiel ihre Aufmerksamkeit auf einen zunächst unscheinbaren Mann mit weichem Gesicht. [...]
Seine Bewegungen waren anders, viel schwungvoller und dynamischer, ohne dabei übertrieben zu wirken, so gefühlvoll und harmonisch als wolle er etwas ganz bestimmtes damit ausdrücken.

Für sie tanzte dort eigentlich ein introvertierter, langweiliger und uninteressanter Typ, ohne Charisma und Ausstrahlung, [...]

Chantal war entzückt
und gleichzeitig betrachtete sie ihn mit wachsender Begeisterung,


War das nun ein Langweiler oder ein interessanter Typ? Du musst schon eine Linie fahren ;).

Stetig wurde der Textil an beiden weniger, bis man schließlich auf dem Bett landete und er das erste Mal in sie eindrang. Es dauerte nur wenige Stöße, begleitet mit einem heftigen Gestöhne bis es ihm in ihr kam. Er rollte von ihr hinab und kuschelte sich in das Bettzeug hinein und war sehr schnell eingeschlafen. [...]

Erst jetzt begriff sie ihre Hingabe und empfand die tiefste Geborgenheit und ein immenses Glück, vergleichbar mit Reisenden, die jahrelang auf der Suche waren und dann plötzlich ihr Ziel fanden.

DIE Frau musst du mir mal zeigen, die immenses Glück empfindet, wenn der Liebhaber nach ein paar Stößen einen Erguß hat, sich von ihr abwendet und sofort einpennt ;).
Das ist Satire - entschuldige, wenn ich das so schreibe, ich musste aber an dieser Stelle wirklich lachen.

Das Ende gefällt mir nicht. Eigentlich hätte er sich, wenn es so ein Arsch ist, auch die 20 Euro sparen können. Lass ihn doch, wenn er schon ein Dichter ist, ein paar fiese Zeilen schreiben. Sie wacht erst auf, als er schon weg ist, sieht den Zettel und freut sich erstmal - bis sie dann den Inhalt verinnerlicht hat.

Das sind alles nur Vorschläge. Ich habe deine Geschichte nun so auseinandergenommen, weil ich denke, dass du es - wenn du willst - schaffen kannst, in meinen Augen interessantere, kurzweiligere Geschichten zu schreiben.
Falls du weiter dranbleiben willst, mach mir bitte den Gefallen und arbeite an dieser hier weiter, anstatt einfach eine neue zu schreiben :).

Bitte lass auch den Titel ändern - es müsste Verbitterte Hoffnung zu lesen sein. Ein Moderator von Alltag kann das für dich erledigen.

Lieber Gruß
bernadette

 

nun gut!

die geschichte ist scheinbar nicht so gut angekommen. danke für eure kritiken. ich weiß, dass ich oft probleme damit habe die prots selbst agieren zu lassen. werde mir die kritik allerdings zu herzen nehmen, und an der ausarbeitung noch situationen und passagen ändern. :dozey:

die problematik der ess-störung ist oftmals sehr individuell, bei ihr sollte es als ein resultat der auseinandersetzung mit den eltern sein.

denke die veränderung wird einige zeit in anspruch nehmen

b!

 

Hallo Germane
deine Geschichte ist sinnlich, da kommt schon was rüber an Atmosphäre... , die Schilderung der Ausstattung des Clubs find ich persönlich sehr anschaulich... :)
und die Tipps von Bernadette sind super klasse! :thumbsup:
Vor allem sind wirklich nur Kleinigkeiten zu verändern, das kriegst du sicher schnell hin.
Ich freu mich jedenfalls schon auf deine bearbeitete Version!
:) akira

 

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