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Verdammt
„Noch was zu trinken?“,
fragt er mich, der mir so oft zuhört, meine tiefsten Gefühle, Empfindungen, meine Verzweiflung kennt, alles weiß, was mich ausmacht, meine Identität.
„Wie immer“, sage ich.
Charly, ein wirklich netter Mann, der mir schon so aus mancher hoffnungslos scheinenden Situation half. Doch meinen Schmerz über sie lindert es trotzdem nicht. Es sind jetzt schon so viele Jahre vorbeigezogen-aber sie geht mir nicht aus dem Kopf. Warum halte ich so an ihr fest, ich bin selber schuld, dass sie nicht mehr in meinem Leben herumtollt, es gab zu viele schreckliche Dinge, die ich ihr angetan habe.
Die Blondine neben mir blinzelt mir zu. Warum nicht? Also nehme ich sie mit nach Hause für ein paar Stunden zwanglosen Spaßes.
Doch das verhilft mir nicht über sie hinwegzukommen, denn ich will nur sie. Ihre blauen Augen blitzen jedes Mal vor meinem Geiste auf, wenn ich den Himmel sehe. Ihr Gesicht, wenn ich in das einer anderen Frau blicke. Es ist, als ob alles um einen herum stehen bleibt, nur noch sie zählt in diesen Momenten. Man schweift ab in eine Traumwelt, in der alles perfekt scheint. Das alles ist sehr schwer durchzustehen, aber ich muss mich irgendwann daran gewöhnen, denn ihr Wunschtyp bin ich nicht. An ihren neuen Liebhaber, einen Professor, komme ich intellektuell nicht ran. Außerdem war ich noch nie so ein Langweiler. Mein Leben will gelebt werden, ich lebe nicht, um zu arbeiten, sondern ich arbeite, um zu leben.
Deswegen muss ich mich damit abfinden und ein neues Kapitel öffnen, in der sie nicht mehr vorkommt. Verdammt nein! Ich werde es immer weiter versuchen, auch wenn es nur einen winzigen Schimmer Hoffnung gibt, aufgeben kommt nicht in Frage, dafür bedeutet sie mir zu viel, alles.
Am nächsten Morgen, Katerstimmung gibt es bei mir nicht mehr, habe mich und meine Leber schließlich jahrelang trainiert, gehe ich wieder zu Charly, um mit ihm über Sie zu reden. Auch wenn er es schon so oft gehört hat, verschafft es mir auch irgendwie Genugtuung darüber zu reden.
„Hey Charly“, sage ich.
„Hast du deinen Rausch gut ausgeschlafen und wie war die Kleine im Bett?“, fragt er mich.
„Gut. Ich muss aber mit dir reden. Es geht wieder um sie. Ich kann es nicht länger ertragen, was kann ich tun. Soll ich nochmal versuchen, mit ihr zu reden?“
„Will (ja, das ist mein Name), hör mir zu. Immer wenn du zu ihr gehst, bist du die Wochen danach so deprimiert, dass du nichts mehr zu Stande bringst, betrinkst dich immer, um deinen Schmerz zu vergessen, um vor der Realität zu fliehen. Aber das ist es Wert. Ich kenne dich nur all zu gut und weiß, wie viel sie dir bedeutet. Lass sie nicht gehen. Versuche alles, was du kannst, sonst ist jede Stunde für dich wie eine Qual und du wirst dich immer fragen, ob du denn wirklich alles nur Mögliche probiert hast. Erst heute Morgen kam sie hier zu mir, sah sehr betrübt aus und hat erzählt, dass der Professor sie betrüge und sie nicht mehr länger zusammen seien. Sie hat sich sogar nach dir erkundigt, wollte wissen, wie es dir geht, ob du dein Talent als Autor fortsetzt oder ob du ihr noch immer hinterhertrauerst. Doch in ihrer Stimme lag ein Ton, den ich nur von ihr kenne, er klingt so harmonisch, vor allem wenn sie über dich redet. Dann fangen auch noch immer ihre Augen zu funkeln an. Will, sie empfindet noch immer etwas für dich, aber du musst dich bei ihr entschuldigen, denn so einfach wird sie dir das alles nicht verzeihen“.
„Ist das wirklich wahr? Das kann ich nicht glauben…Aber ich habe mich schon so oft bei ihr entschuldigt, ohne Wirkung. Ich muss ganz offen mit ihr über alles reden, was passiert ist, ich werde sofort zu ihr gehen!“
Also gehe ich los zu ihrem, früher unserem, Haus. Der Efeu wuchert an den Seiteneingängen. Die roten Dachziegel reflektieren das Sonnenlicht atemberaubend. Die Fenster glänzen in allen Farben des Regenbogens. Das ist ein Haus, das ihrer Anmut, ihrer Schönheit, gerecht wird. Mit den Rosen in der Hand wage ich die Schritte bis zum Eingangsportal.
Doch dann stockt meine Hand, als ich sie zu der Klingel bewegen will. Irgendetwas in mir rebelliert, will das nicht, vielleicht vorahnend, dass ich sie wieder verletzen könnte, obwohl ich sie doch so liebe?
Die Klingel läutet und sie öffnet die Türe. Mein Puls rast ins Unermessliche, mein Herz scheint zu explodieren und ich bekomme kaum ein Wort heraus.
„Lass uns bitte über alles reden. Ich will offen und ehrlich zu dir sein, dir alles erzählen. Verdammt. Hör´ mir nur zu, bitte, tu´ mir diesen Gefallen, Camilla!“
Sie blickt mir in die Augen, ich sehe den weiten Himmel darin, ihre Gabe zu vergeben, ihre Mundwinkel zucken zu einem kurzen Lächeln und man könnte meinen, dass ihre Wangen erröten. „Ja,“ antwortet sie.