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Verdunkle niemals meine Tür

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03.10.2020
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Verdunkle niemals meine Tür

Ich lebe nicht, ich existiere. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wer lebt, genießt die Sonne auf dem Gesicht und fühlt den Schmerz, wenn jemand Geliebtes stirbt, lacht über die ungeschickten Nachbarskinder und ist wütend, wenn der Fernseher wegen eines Stromunterbruchs nur graue Mattscheibe zeigt. Oder zumindest stelle ich mir das so vor. Wenn ich den Mut aufbringe, anderen in die Augen zu sehen, dann ist dort immer irgendeine Regung, die ich nicht ganz einordnen kann, etwas Fremdartiges, das sie von mir unterscheidet, das für mich unerreichbar bleibt.
Lacht der Mund, sieht man den Unterschied ganz besonders in diesen Augen, aber auch um sie herum, ich glaube, das Geheimnis liegt zwischen den Fältchen, vergraben in der Haut, es kommt deutlicher zum Vorschein, wenn sie sich kräuseln oder beim Weinen zusammenziehen, und ich frage mich, ob die Menschen wissen, was das ist. Dieser Zustand. Existieren. Ich möchte ihnen sagen: Wer existiert, der lebt nicht, der ist einfach nur da.

Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben. Fremde Gesichter in den Straßen bekommen plötzlich eine Bedeutung, man will fühlen wie sie. Hauptsache, irgendwas ist in einem drin, aber da ist nur dieses Loch, das man mit nichts füllen kann, obwohl es alles verschlingt, egal was man dagegen versucht.
Wenn der Vater abends erschöpft und betrunken auf dem Sofa hockte, sah er mich an, aber ich wurde von ihm nur gesehen und nicht geliebt, und die Mutter sagte nichts dazu, sie war verloren, doch anders als ich, wir waren zwei Verlorene unter demselben Dach, trotzdem unendlich weit voneinander entfernt, zwei Stumme, die Blicke ineinander gegraben, als wüssten wir etwas über den anderen, dabei war es nur der verzweifelte Versuch, darüber zu sprechen, worüber wir nicht sprechen konnten.

Den Großteil meiner Kindheit und die Jugendjahre verbrachte ich bei Großmutter, weil der Vater krank war, von der Arbeit und vom Alkohol. Sie hatte ein geräumiges Haus am Meer, viel zu groß für sie allein, und ich mein eigenes Zimmer, in dem die Regale mit den Spielsachen aus meiner Kindheit standen.
Morgens roch es nach Salz und Tang, wenn sie das Zimmer lüftete, und die Boote der Fischer kreuzten durch einen Jadeteppich aus unermesslichem Blau. Manchmal konnte ich ihre Rufe im Wind vernehmen. Wenn sie in die Bucht zurückkehrten, beobachtete ich, wie die Sonne hinter ihnen aufging und ihre Segel in goldene Dreiecke verwandelte.
Das Haus war alt und vielerorts baufällig, es knarrte und knackte, in den Wänden unter den schmutzigen Tapeten steckte ein eigener Kosmos an Geräuschen, als wäre es etwas Lebendiges, das seine schützende Hand über mich hielt. Deshalb half ich Großmutter, wenn Löcher im Dach repariert oder Fugen im Kriechkeller erneuert werden mussten, sie wollte ja keinen Handwerker kommen lassen. Ein Mann macht sowas selbst, hat sie immer gesagt.

Eine Zeitlang kehrte der Vater zurück, schmiss jedes Wochenende Parties in Großmutters Haus, Leute kamen und betranken sich bis zur Besinnungslosigkeit, so nannte er das, Parties, aber tanzen sah ich ihn nie, obwohl er Musik auf dem Grammophon auflegte. Meine Cousins waren eingeladen und wir nickten uns von weitem zu. Manchmal winkte ich ihnen, wartete auf eine Erwiderung, ein Zeichen, bis der Vater sie begrüßte, und ging wieder hinein, versteckte mich im alten Bootshaus, zusammen mit dem Hund.
Ich schäme mich dafür, dass ich mich nicht mehr an seinen Namen erinnern kann. Während Vaters Partystunden bewahrte er mich davor, verrückt zu werden, wahrscheinlich schulde ich ihm eine ganze Menge, vielleicht sogar mein Leben. Er ist irgendwann gestorben und Großmutter hatte es nicht einmal bemerkt, bis ich sie fragte, wo wir ihn begraben könnten.

Wenn die Geräusche der Party abflauten, schlich ich mich ins Haus, stieg durch ein offenes Fenster oder durch den Keller, wo ein paar Mauersteine locker waren. In der Küche stand der schwere Kühlschrank von General Electric, es roch nach kaltem Schweiß und Zigaretten. Ich öffnete seinen Bauch, nahm so viele Flaschen Bier, wie ich tragen konnte, und schlich auf Zehenspitzen zurück zum Bootshaus und dem schlafenden Hund, was nicht einfach war, weil das Glas ständig klirrte.
Dort setzte ich mich neben ihn, öffnete die erste Flasche und stürzte ihren Inhalt hinunter, versuchte das Loch in mir zu füllen und zu betäuben, immer weiter, bis es überlaufen würde und ich mich benommen ins Fell des Hundes krallte. An manchen Morgen sah mich Großmutter streng an und diese Bestätigung, diese unmittelbare Reaktion auf mein Tun, verlieh den Tagen damals einen Hauch von Zerbrechlichkeit, von so etwas wie Glück.

Sie war eine gute Frau. Ihr Essen schmeckte nicht so pampig wie das von der Mutter, sie sprach mit mir und kümmerte sich um mich, wie sie es sicherlich für den Vater vor langer Zeit auch getan hatte, deshalb nahm ich ihr die Teilnahmslosigkeit am Tod des Hundes nicht böse. Doch ab dem Tag, an dem sie den fremden Mann ins Haus ließ, war ich mir über ihre Absichten nicht mehr so sicher. Irgendwann war er einfach da, saß am Küchentisch und rauchte.
Ich hatte keine Ahnung, wer er war, woher er kam und was er hier tat. Doch Großmutter akzeptierte ihn so wie jeden aus der Familie, als wäre er ein lang vergessener Onkel oder ein entfernter Verwandter, den sie nie erwähnt hatte, und ich fragte mich, wie das sein konnte, dass ein Fremder einfach so vorbeikam, sich in die Küche setzte und dazugehörte.

Mit seinem Auftauchen erinnere ich mich auch wieder an den Schatten und die Tür. Wie sie mitten in der Nacht aufknarrte, der zarte Lichtstreifen breiter und höher wurde, die Dunkelheit langsam mit scharfer Kante aus meinem Zimmer schnitt, als wollte der Schatten in ein Gewand aus Licht schlüpfen, um seine wahre Natur darin zu verbergen und mich mit seinem Gegenteil zu täuschen.
Da lag ich wach im Bett, zitternd und desorientiert, sah die Kälte, die unter die Decke in meine Poren kroch, ohne etwas zu spüren, sah das Herz in meinem Körper rasend schlagen, und die Wärme tröstlicher Gewissheit schmiegte sich zu mir ins Bett, je weiter er die Tür aufstieß. Wenigstens der Schatten hatte mich nicht vergessen.

Ich weiß noch genau, wie der Mann mich bei den seltenen Abendessen, die gemeinsam stattfanden, angesehen hat, so ganz anders als der Vater oder auch die Großmutter, vielleicht war dies damals das erste echte Interesse, das mir jemand entgegenbrachte, und er sprach mit Worten über mich, dass ich glaubte, sie drückten so etwas wie Mitgefühl aus. Noch heute, nach alldem, was passiert ist, kann ich es nicht anders deuten.
Verwirrt und aufgelöst davon, was der Schatten heimlich mit mir machte (am Tag hielt er sich versteckt in diesem fremden Mann), so gewöhnte ich mich doch an die Aufmerksamkeit, das Streicheln auf der Haut, seine Bewegungen, ganz sanft, an die Wärme, die er ausstrahlte. Erst kam er nur einmal jede Woche, doch rasch wurden seine Besuche zahlreicher und ich begann mich, so unwirklich es heute klingt, darauf zu freuen.
Das Leben mit ihm wurde zur Normalität, die Jahre zogen vorbei, ohne das ich es bemerkte. Wie viel Zeit mir der Schatten geraubt hatte, realisierte ich erst, als die Großmutter eine Gehhilfe brauchte und die Fischerboote nur noch selten ausliefen, weil das Meer so leer geworden war wie ich.

Erst sehr viel später lernte ich, was der Schatten des Mannes mit mir gemacht hatte, erst als ich mich getraute, mit meiner Frau, Jacinta, darüber zu sprechen. Bei der Gerichtsverhandlung erfuhr ich, dass der Mann denselben Vater hatte wie ich, der war ja damals bei meiner Geburt schon achtundvierzig und die Mutter erst dreiundzwanzig, der hatte mit einer anderen Frau schon Kinder gehabt.
Abgesehen von dieser Erinnerung an den Gerichtssaal besteht die Zeit mit Jacinta nur mehr aus Bruchstücken, das mit ihr geschah wie im Rausch und außerhalb meiner Kontrolle, aber es gab ein Zentrum, vielleicht hatte der Vater danach gesucht, damals auf seinen Parties, und ich fühlte mich wieder schlecht in guten Stunden, weil er mich sicher dafür beneiden würde.
An dem Tag, an dem ich erkannte, wer das Loch in meinem Inneren geschaffen hatte, gebar Jacinta unsere Kinder. Ich stand fiebrig vor Nervosität im Krankenhaus, neben einem Bett mit grünen Laken, auf dem sie lag, die Beine gespreizt und schrie. In diesem Moment erkannte ich, dass es der Schmerz war, der alles verschluckt hatte, und sie schrie ihn schrill und pur in die Welt, sie gebar den Schmerz und erlöste sich davon, in mir war er gefangen und konnte nicht hinaus.
Ich wartete, bis sie unsere beiden Töchter in den Armen hielt, kleine Lebewesen, eines neben jeder Brust, eine so stolze Mutter, ihre Augen sanken erschöpft zu, und ich schlich mich davon, rannte aus dem Gebäude, feige wie ein Hund, rannte, bis meine Waden brannten und meine Lungen rasselten, dass ich hoffte, bald ersticken zu können. Wieder bei Atem schwor ich mir, mich von meinen Töchtern fernzuhalten, denn ich fürchtete, ich könnte ihnen irgendwann dasselbe antun, was der Schatten mir damals angetan hatte.

Ich bin niemals weggezogen. Oft gehe ich am Strand entlang, blicke auf das Wasser hinaus, suche nach den Fischerbooten, deren Rufe längst verstummt sind, nur ich bin noch da, streiche auf müden Füßen durch die Gegend, die Spuren im Sand sind alle von mir.
Der Morgen dämmert und ich bemerke eine junge Frau, die mit einem Hund über den verlassenen Strand auf mich zugelaufen kommt, ich habe sie noch nie gesehen, doch ihre Züge wirken so vertraut, das ich innehalte. Die Lefzen des schwarzen Hundes schlackern und sie dreht mir den Kopf beim Vorbeirennen zu. Die Kinder, die nur meiner Frau Jacinta gehören dürfen, der Hund, die Familie, der Halbbruder und sein Schatten, die Parties bei Großmutter, all das wird angeschwemmt wie Treibholz nach einem schlimmen Sturm.
Ich nehme das Messer in meine alt gewordenen Hände, habe es selbst aus einer dicken Scherbe und Absperrband gebaut, will es an die Kehle führen, doch ich bringe es nicht übers Herz, schleudere es von mir, in die Wellen hinaus.
Ich vergebe euch, sage ich, lauter, bis meine Stimme über das Meer schallt, und ich weiß nicht, ob ich meinen Mund überhaupt bewege, ich vergebe euch, vergebt mir, laut in meinem Kopf, immer wieder, und es ist mein Leben, das schreit, weil es endlich aus mir herausbricht, sich aus dem Loch befreit, weil es endlich das tun kann, wofür ein Leben so gemacht ist. Warme Sandkörner sind unter meinen Knien und die Wellen rauschen über den Strand.
Die Frau dreht sich noch einmal um, bevor sie im Palmenwäldchen verschwindet, wo ich am Abend wieder unter den Sternen schlafe, und dieser letzte Blick gibt mir Zuversicht, in ihm liegt eine Ehrlichkeit, die nur das wahre Leben kennt.

 

Hi deserted-monkey!

Ein ernster, tiefgehender Text, zu dem ich mich später noch inhaltlich äußern möchte. Bei der ersten Lesung sind mir ein paar Stellen aufgefallen, die ich unterhalb zitiert habe.

Hauptsache irgendwas ist in einem drin, aber da ist nur dieses Loch, dass man mit nichts füllen kann, obwohl es alles verschlingt, egal was man dagegen versucht.
das
Deshalb half ich Großmutter, wenn Löcher im Dach repariert werden mussten, oder Fugen erneuert im Kriechkeller, sie wollte ja keinen Handwerker kommen lassen, ein Mann macht sowas selbst, hat sie immer gesagt.
Etwas verworren formuliert. Vorschlag:
... wenn Löcher im Dach repariert oder Fugen im Kriechkeller erneuert werden mussten, ...
Diesen Satz würde ich teilen. ... kommen lassen. Ein Mann macht ...
An manchen Morgen sah mich Großmutter streng an und diese Bestätigung, diese unmittelbare Reaktion auf mein Tun, verlieh den Tagen damals einen Hauch von etwas Zerbrechlichem, von so etwas wie Glück.
Besser wäre: ... von Zerbrechlichkeit ...
Sie war eine gute Frau, ihr Essen schmeckte nicht so pampig wie das von der Mutter, sie sprach mit mir und kümmerte sich um mich, wie sie es sicherlich für den Vater vor langer Zeit auch getan hatte, deshalb nahm ich ihr die Teilnahmslosigkeit am Versterben des Hundes nicht böse.
Die Artikel sind m.A.n. überflüssig. Auch würde ich diesen ellenlangen Satz teilen. Sie war eine gute Frau. Ihr Essen ...
... die Teilnahmslosigkeit am Tod des Hundes ...

Doch von dem Tag an, an dem sie den fremden Mann ins Haus ließ, war ich mir über ihre Absichten nicht mehr so sicher.
Doch ab dem Tag, an dem sie ...
Irgendwann war er einfach da, sass am Küchentisch und rauchte.
Ich hatte keine Ahnung, wer er war, woher er kam und was er hier tat.
saß
Wie sie mitten in der Nacht aufknarrte, der zarte Lichtstreifen breiter und höher wurde, die Dunkelheit langsam mit scharfer Kante aus meinem Zimmer schnitt, als wollte der Schatten in ein Gewand aus Licht schlüpfen, es anziehen wie ein Kleidungsstück, um seine wahre Natur darin zu verbergen und mich mit seinem Gegenteil zu täuschen.
Schöner Part. Den fett markierten Passus empfinde ich redundant.

LG, Manuela :)

 

Hallo d-m,
sehr schön zu lesender Text!
Eine Anmerkung: Laut Regelwerk werden Hauptsätze nicht mehr durch ein Komme getrennt. Das kann das Lesen enorm erschweren, wenn der zweite Hauptsatz lang und u.U. durch Nebensätze noch länger ist. In deinem Text ist das zwei oder drei Mal der Fall.
Ich würde das Komma setzen, um den Rede-bzw. Lesefluss, den Leserhythmus und die Satzmelodie zu erhalten.

Meine Cousins waren eingeladen und wir nickten uns von weitem zu und manchmal winkte ich ihnen, wartete auf eine Erwiderung, ein Zeichen, bis der Vater sie begrüßte, und ging wieder hinein, versteckte mich im alten Bootshaus, zusammen mit dem Hund.
An manchen Morgen sah mich Großmutter streng an und diese Bestätigung, diese unmittelbare Reaktion auf mein Tun, verlieh den Tagen damals einen Hauch von etwas Zerbrechlichem, von so etwas wie Glück.
Gruß
Linedrop
Die Frau dreht sich noch einmal um, bevor sie im Palmenwäldchen verschwindet, wo ich heute Abend wieder unter den Sternen schlafe, und dieser letzte Blick gibt mir Zuversicht, in ihm liegt eine Ehrlichkeit, die nur das wahre Leben kennt.
Hier ist das Komma gesetzt. Gut!

 

Hallo Manuela,

Danke Dir für deine blitzschnelle Rückmeldung! Habe mich sehr gefreut, vor allem auch, weil Du geschrieben hast:

Ein ernster, tiefgehender Text
Ich habe ja fast damit gerechnet, das dem Text sowas wie 'Leidensporno', 'Düsterkitsch' oder 'Voyeurismus' vorgeworfen werden könnte. Ich glaube, das fände ich schon irgendwo nachvollziehbar. Ich schreibe das jetzt nicht auf deinen Beitrag per se bezogen, sondern allgemein. Aber da war ich natürlich froh, dass Du den Text als ernst und tiefgehend bezeichnet hast! :)

Deine hilfreichen textlichen Anmerkungen habe ich sogleich übernommen (und auch paar weitere Passagen geschliffen).

zu dem ich mich später noch inhaltlich äußern möchte
Verstehe ich sehr gut, es soll ja keine leichte Kost sein, der Text erzählt von Tabuthemen, ist unangenehm, da fällt es einem vielleicht nicht leicht, was dazu zu sagen. Ich weiss nicht, ob der Text gelungen ist, aber er ist mein Versuch, den Menschen da draussen, die solches oder ähnliches erlebt haben, eine Stimme zu geben. Ich habe ihn mit der Intention geschrieben, das er im besten Fall aufrüttelt und auch ein bisschen weh tut. Trotz des heiklen Inhalts, finde ich, darf und sollte er aber genauso hart kritisiert werden können, wie jeder andere Text.

Vielleicht noch als Hinweis: Der Text trägt keinerlei autobiographische Züge, Charaktere und Handlung sind frei erfunden.

Vielen Dank, @Manuela K. , und Dir erstmal ein schönes Wochenende.

Hallo @linedrop

Und danke für's Lesen und deinen Kommentar.

sehr schön zu lesender Text!
Danke Dir.

Wegen den Kommas schaue ich nochmal, ich setz die eher nach Gefühl, aber wenn da was mit dem Rhythmus oder der Melodie, wie Du es nennst, nicht passen sollte, dann muss ich an den entsprechenden Stellen wohl nachbessern.

Grüsse,
d-m

 

Hi, es geht vordergründig um das folgende Problem: Als Autor weißt du ja nie, wie der Zeilenfall in dem Medium ausfällt, das deinen Text veröffentlicht.
Beispiel: Eine Zeile, die mit anderthalb Hauptsätzen endet: Er füttert die Kuh und das Pferd mit seinen Magenschmerzen geht dieses Mal auf ärztlichen Rat hin leer aus.

Du liest jetzt: Er füttert die Kuh und das Pferd. In der zweiten Zeile geht es dann ohne Subjekt weiter.
Das ist alles kein Beinbruch, wird aber lästig, wenn du mitten im Lesen bist und es mit längeren Sätzen plus Nebensätzen zu tun hast. Diese Holprigkeit kannst du vermeiden, indem du bei längeren Hauptsätzen ein Komma setzt.
Gruß
Linedrop

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, d.m.

Du schreibst aus der Perspektive eines Menschen, der in der Kindheit emotional vernachlässigt wurde, weitgehend lieblos vor sich hin lebte und zusätzlich von einem erwachsenen Mann sexuell missbraucht wurde, der zugleich mit seinem Vater ein schwules Verhältnis hatte. Die seelische Zuflucht des Kindes, seine Großmutter, entpuppte sich nach dem Auftauchen dieses "fremden Mannes" als Falle, aus der er jahrelang nicht entkommen konnte. Es passiert häufig, dass solche Art von "Zuneigung", die natürlich ein Verbrechen an jedem Kind darstellt, vom Opfer häufig als liebevoll und zärtlich empfunden wird. Erst später, oft nach vielen Jahren, bricht der verdrängte, teils vernarbte Schmerz der Verletzungen auf und die Opfer versuchen, sie nach Kräften zu kompensieren. Die Gerichtsverhandlungen werden oftmals in Trance erlebt, so, als betreffe die Causa jemand anderen, ein weiterer Versuch, sie von sich wegzuschieben, nicht an die seelische Oberfläche gelangen zu lassen, dennoch werden, müssen sie - somit immer wieder - neu durchlebt werden. Schön auch die Szene der Geburt der Zwillinge, in der die Mutter ihren Schmerz hinausschreit, hinausgebärt, während er sich dem eigenen gegenüber hilflos fühlt, fast daran erstickt.
Manchmal enden diese traumatischen Versuche von Aufarbeitung in völliger Verdrängung oder münden gar in Suizid, dem dein Prot glücklicherweise widersteht. Er hat mittlerweile Frau und Kinder, glaubt an das Leben und eine gute Zukunft; der einzig positive, hoffnungsvolle Aspekt deiner traurigen Geschichte.

Ein paar Sachen sind mir noch aufgefallen, die du überdenken kannst.

Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben, so wie die anderen, fremde Gesichter in den Straßen bekommen plötzlich eine Bedeutung, man will fühlen wie sie, Hauptsache irgendwas ist in einem drin, aber da ist nur dieses Loch, das man mit nichts füllen kann, obwohl es alles verschlingt, egal was man dagegen versucht.
Du neigst zu Bandwurmsätzen, manchmal sind sie berechtigt, diesen solltest du jedenfalls teilen. Alles nur Vorschläge, es ist und bleibt dein Text. ;)

... anderen. Fremde Gesichter ...
... wie sie. Hauptsache, irgendetwas ist in ... mit nichts füllen kann. Ein Loch, das alles verschlingt, egal, was man dagegen setzt.

Großmutter hatte ein geräumiges Haus am Meer, viel zu groß für sie allein, und ich mein eigenes Zimmer, in dem die Regale mit den Spielsachen aus meiner Kindheit standen, auf dem Boden lag der Teppich mit den Braunbären, die sich mit honigverschmierten Schnauzen in den Armen hielten.
Auch hier würde ich teilen.
... Kindheit standen. Auf dem Boden lag ...

Manchmal konnte ich ihre Rufe im Wind vernehmen, wenn sie in die Bucht zurückkehrten, und beobachtete, wie die Sonne hinter ihnen aufging und ihre Segel in goldene Dreiecke verwandelte.
Schönes Bild!
... zurückkehrten, beobachtete ich, wie die Sonne ... verwandelte.

Meine Cousins waren eingeladen und wir nickten uns von weitem zu und manchmal winkte ich ihnen, wartete auf eine Erwiderung, ein Zeichen, bis der Vater sie begrüßte, und ging wieder hinein, versteckte mich im alten Bootshaus, zusammen mit dem Hund.
Auch hier würde ich trennen. ... von weitem zu. Manchmal winkte ich ...

Auf Zehenspitzen öffnete ich seinen Bauch, nahm so viele Flaschen Bier, wie ich tragen konnte, und ging zurück zum Bootshaus und dem schlafenden Hund, was gar nicht so einfach war, weil das Glas ständig aneinander klirrte.

Wenn du die Zehenspitzen nach hinten verlegst, wirkt das störende, klirrende Glas stärker.
Ich öffnete seinen Bauch, nahm so viele ... und schlich auf Zehenspitzen zurück zum Bootshaus ... weil das Glas ständig klirrte.

Wie viel Zeit mir der Schatten geraubt hatte, realisierte ich erst, als die Großmutter eine Gehhilfe brauchte und die Fischerboote nur noch selten ausliefen, weil das Meer so leer geworden war wie ich selbst.

und meine Lungen rasselten, dass ich hoffte, bald ersticken zu können. Wieder bei Atem habe ich mir geschworen, mich von meinen Töchtern fernzuhalten, denn ich fürchte, ich könnte ihnen irgendwann dasselbe antun, was der Schatten mir damals angetan hat.
Hier stimmt der Tempus nicht. Du erzählst aus dem Präteritum.
Besser: Wieder bei Atem schwor ich mir, mich von ... denn ich fürchtete ... mir angetan hatte.

LG, Manuela :)

 

Hallo desert-monkey

Ich lebe nicht, ich existiere.
Ein bisschen platt als Einstieg, einfach weil schon zu oft gehört. Aber schauen wir mal weiter

ich glaube, das Geheimnis liegt zwischen den Fältchen, vergraben in der Haut, es kommt deutlicher zum Vorschein, wenn sie sich kräuseln oder beim Weinen zusammenziehen, und ich frage mich, ob die Menschen wissen, was das ist.

Schöne Details, gefällt mir. Das verdeutlicht mir die Innenwelt auf spezifische Weise, anstatt sie eine allgemeine Emotion zu beschreiben

Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben, so wie die anderen, fremde Gesichter in den Straßen bekommen plötzlich eine Bedeutung, man will fühlen wie sie, Hauptsache irgendwas ist in einem drin, aber da ist nur dieses Loch, das man mit nichts füllen kann, obwohl es alles verschlingt, egal was man dagegen versucht.

Hier gibt es dann doch einen mMn gelungenen payoff des Setups im ersten Satz. Vor "fremde Gesichter" würde ich allerdings einen Punkt setzen.

Wenn er abends erschöpft und betrunken auf dem Sofa hockte, sah er mich an, aber ich wurde von ihm nur gesehen und nicht geliebt

Hier könnte man finde ich sogar damit arbeiten, dass er ihn anschaut, ihn aber gerade nicht "sieht", sondern durch den Alkohol etc quasi durch ihn hindurch schaut - das mit dem nicht lieben finde ich da fast etwas zu direkt

Morgens roch es nach Salz und Tang, wenn sie die Fenster lüftete, und die Boote der Fischer kreuzten durch den Jadeteppich aus unermesslichem Blau.

Schöne, sinnliche Beschreibung. Jedoch lüftet man ja nicht die Fenster, sondern die Wohnung, indem man die Fenster öffnet

Er ist irgendwann gestorben und Großmutter hatte es nicht einmal bemerkt, bis ich sie fragte, wo wir ihn begraben könnten.

Wirkungsvolle Transponierung der Unsichtbarkeit des Protagonisten auf den Hund, sowie dessen psychologische Implikationen

An manchen Morgen sah mich Großmutter streng an und diese Bestätigung, diese unmittelbare Reaktion auf mein Tun, verlieh den Tagen damals einen Hauch von Zerbrechlichkeit, von so etwas wie Glück.

Auch diese Stelle gefällt mir gut.

und die Wärme tröstlicher Gewissheit schmiegte sich zu mir ins Bett, je weiter er die Tür aufstieß.

Das schafft ein komplexes Bild der Innenwelt in dieser schlimmen Situation, ist wieder spezifisch, nicht zu direkt, nicht zu manipulativ.

Wie viel Zeit mir der Schatten geraubt hatte, realisierte ich erst, als die Großmutter eine Gehhilfe brauchte und die Fischerboote nur noch selten ausliefen, weil das Meer so leer geworden war wie ich.

Hier am Ende wird es fast etwas zu dick aufgetragen, aber nur fast, und bei wiederholtem Lesen wirkt es nicht nur in sich selbst, sondern auch als Echo zu dem Satz mit dem Hundetod etc, setzt also ein Muster, einen Rhythmus fort, ohne zu monoton zu werden

An dem Tag, an dem ich erkannte, wer das Loch in meinem Inneren geschaffen hatte, gebar Jacinta unsere Kinder.
Wieder eine sehr wirkungsvolle juxtaposition

In diesem Moment erkannte ich, dass es der Schmerz war, der alles verschluckt hatte, und sie schrie ihn schrill und pur in die Welt, sie gebar den Schmerz und erlöste sich davon, in mir war er gefangen und konnte nicht hinaus.

Stark.

Die Frau dreht sich noch einmal um, bevor sie im Palmenwäldchen verschwindet, wo ich am Abend wieder unter den Sternen schlafe, und dieser letzte Blick gibt mir Zuversicht, in ihm liegt eine Ehrlichkeit, die nur das wahre Leben kennt.

Dieses Ende, dieses Echo vom bestatigenden Blick der Großmutter zu dem der entfremdeten Mutter der eigenen Kinder, gibt mir Gänsehaut.

Eine schwere Geschichte, in einer Sprache und in einem Rhythmus, die ich überhaupt nicht sperrig finde, sondern durchzogen von einer traurigen Melodie, die auch nach den letzten Worten noch leise in mir weiterklingt.

@deserted-monkey PS: sorry für das Verhunzen deines Namens :D obwohl man ja auch in der desert sehr leicht deserted sein kann

 

Hallo @Manuela K.

Danke für die erneute Beschäftigung mit meinem Text. Ich kann gar nicht so viel dazu sagen, Du hast das sehr schön zusammengefasst. Nur eine Sache: Der Mann mit dem Schatten, der den Erzähler missbraucht, hat kein schwules Verhältnis mit dem Vater. Es ist der erste Sohn des Vaters, den er mit einer anderen Frau gezeugt hat, er ist also der Halbbruder des Erzählers. Ich glaube aber, die Stelle im Text, wo das erklärt wird, muss ich noch etwas nachschärfen, damit das besser verständlich wird, nämlich diese hier:

Bei der Gerichtsverhandlung erfuhr ich, dass der Mann mit mir den Vater teilte, der war ja damals bei meiner Geburt schon achtundvierzig und die Mutter erst dreiundzwanzig, der hatte mit einer anderen Frau schon Kinder gehabt.
Dass 'der' sollte sich hier auf den Vater beziehen, nicht auf den Mann. Es kann aber verwirrend sein, werde versuchen, es klarer zu machen.

Noch was aus deinem ersten Beitrag, Du schriebst:

Die Artikel sind m.A.n. überflüssig.
Ja, das kann man natürlich so sehen. Ich habe sie aber ganz bewusst so gesetzt, weil der Erzähler den Vater und die Mutter nicht als seine Eltern sieht, das kann er gar nicht, nachdem sie ihn so vernachlässigt haben. Ohne die Artikel klingt es für mich zu sehr danach, als sähe er sie eben als seine Eltern, mit den Artikeln werden sie zu etwas Unbestimmtem, Distanziertem, der Vater, die Mutter, das sind halt irgendwelche Personen, wenn er über sie spricht, aber eben nicht seine Eltern. Naja, ich hoffe, man versteht, wie ich das meine.

Wie viel Zeit mir der Schatten geraubt hatte, realisierte ich erst, als die Großmutter eine Gehhilfe brauchte und die Fischerboote nur noch selten ausliefen, weil das Meer so leer geworden war wie ich selbst.
Das 'selbst' am Ende des Satzes würde für mich den Rhythmus zerstören, weshalb ich es nicht angepasst habe. Denke, das braucht es nicht unbedingt.

Ansonsten habe ich aber alle deine Anmerkungen wie von Dir vorgeschlagen oder in ähnlicher Form übernommen. Vielen Dank nochmal!

Hallo @paulhoban98

Danke für deinen Kommentar, deine Zeit und natürlich für's Lesen der Geschichte.

Hier könnte man finde ich sogar damit arbeiten, dass er ihn anschaut, ihn aber gerade nicht "sieht", sondern durch den Alkohol etc quasi durch ihn hindurch schaut - das mit dem nicht lieben finde ich da fast etwas zu direkt
Ja, die Stelle hab ich paar Mal umgeschrieben, hatte auch erst das mit dem Hindurchsehen drin, habe es dann aber geändert, weil es mir zu ausgelutscht vorkam. Das liest man doch sehr oft, "er/sie sah durch ihn/sie hindurch". Das mit dem nicht lieben, war für mich dann der beste Kompromiss. Verstehe aber deinen Einwand. Ich denke mal weiter drüber nach.

Schöne, sinnliche Beschreibung. Jedoch lüftet man ja nicht die Fenster, sondern die Wohnung, indem man die Fenster öffnet
Hast absolut recht, ich passe es an.

Dieses Ende, dieses Echo vom bestatigenden Blick der Großmutter zu dem der entfremdeten Mutter der eigenen Kinder, gibt mir Gänsehaut. Eine schwere Geschichte, in einer Sprache und in einem Rhythmus, die ich überhaupt nicht sperrig finde, sondern durchzogen von einer traurigen Melodie, die auch nach den letzten Worten noch leise in mir weiterklingt.
Das hast Du sehr schön gesagt. Vielen Dank!

Einen schönen Sonntag & Grüsse,
d-m

 

Hi d.m.

Sorry für die Fehlinterpretation, die Passage, er teilte sich mit mir den Vater, habe ich tatsächlich falsch verstanden.

LG

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich muss gestehen, dass ich in diese Existenznöte durch einen – wie ich finde – sehr sympathischen Lapsus geblieben bin,

lieber @deserted-monkey,

aber dazu gleich.

Zuvor frage ich mich bei der mE willkürlichen Unterscheidung

Ich lebe nicht, ich existiere.
Die in einer denkwürdigen Aussage
Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben, so wie die anderen.
gipfelt, als wäre eine Existenz etwas anderes als ein Leben, was ja schon im Sprachgebrauch belegt wird, die Existenz sichert man zumeist durch den Broterwerb, den Lebensabend durch Erspartes und/oder Sozial- und/oder Lebensversicherung. Und was wäre denn das für ein Leben ohne soziale Sicherung, - wozu auch die gesellschaftliche zu zählen ist, jeder ein Robinson - eingedenk dessen, dass die historische Vorlage des Schiffbrüchigen "nur" sieben Jahre Isolation bedeutete.

Richtig sympathisch wird die Geschichte mir hier – nicht so sehr wegen der Definitionen, sondern wegen

... und ist wütend, wenn der Fernseher wegen eines Stromunterbruchs nur graue Mattscheibe zeigt.

Nachtrag (ohne nachtragend zu sein - warum auch?) am 3. 5., ca. 10 Uhr

Da bin ich nochmals,

nicht ohne vorweg eine kleine Korrektur an der Darstellung von @linedrop – er möge mir die Einmischung verzeihen - bzgl. seiner Anmerkung zur Zeichensetzung zwischen Hauptsätzen

linedrop schrieb (keineswegs unbegründet)

Laut Regelwerk werden Hauptsätze nicht mehr durch ein Komme getrennt. Das kann das Lesen enorm erschweren, wenn ...
Aber tatsächlich ist es eine kann-Regelung, man kann also, muss aber nicht – und mal im Ernst, wer wollte Schriftwerke kleistschen Formates einer solchen Regelung anpassen? Ich zumindest sähe das als Banausentum an und Leugnung der Vergangenheit. Ggfs. muss man Kleist und dann überhaupt das Schrifttum nicht erst seit Luther neu fassen/“über“setzen wie das mittel- und althochdeutsche Schriftgut? Es ist nicht nur „in alten mæren wunders vil geseit ...“, weiß der

Friedel
& damit

tschüssikowski!

 

Hallo Friedel,

Danke Dir für deinen netten Kommentar :) Wenn ich auch zugeben muss, den jetzt ein paar Mal hin und her gewendet zu haben, bis ich glaubte, halbwegs dahinterzusteigen, was Du mir mitteilen möchtest ... Bitte verzeih meinen mittwöchlichen Dilettantismus:

Zuvor frage ich mich bei der mE willkürlichen Unterscheidung
Ich lebe nicht, ich existiere.
Die in einer denkwürdigen Aussage
Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben, so wie die anderen.
gipfelt, als wäre eine Existenz etwas anderes als ein Leben
Da gebe ich Dir natürlich recht, auch wenn ich anmerken möchte, dass ich hoffte, der geneigte Leser würde an dieser Stelle ausserhalb der gewohnten Konventionen denken und das Wort in diesem Kontext nicht an seiner ursprünglichen Bedeutung aufknüpfen, weil doch die Aussage hier sich darauf beziehen sollte, dass er, der namenlose Erzähler, einfach nur da ist, also sozusagen nur auf einer fleischlich-materiellen Ebene existiert, und er dadurch eben nicht das Gefühl hat, dass so etwas wie Leben in ihm steckt, weil ihm ja genau das genommen bzw. nie ermöglicht wurde, und somit dieser Ausdruck ein Versuch ist, seine Gefühle des Nicht-Lebendigseins zu beschreiben und klar von 'den Anderen' abzugrenzen. Wenn das nicht wie erhofft ankommt, muss ich das natürlich nochmal überdenken ... Hoffentlich klingt das jetzt nicht überheblich, ansonsten entschuldige ich mich, bin aber auch sehr gerne bereit, Vorschläge entgegenzunehmen, wie man den zugrunde liegenden Sachverhalt trefflicher ausdrücken könnte :shy:
Oder war das gar nicht als Kritik gemeint? :Pfeif:

Wie dem auch sei:

Richtig sympathisch wird die Geschichte mir hier – nicht so sehr wegen der Definitionen, sondern wegen
... und ist wütend, wenn der Fernseher wegen eines Stromunterbruchs nur graue Mattscheibe zeigt.
Mein Schreibprogramm hat mir ja den Ausdruck 'Unterbruch' als schweizerisch angekreidet, 'Unterbrechung' wäre wohl der passende Vorschlag dazu gewesen, aber das Wort erschien mir dann doch zu sehr behäbig, vor allem im von Dir zitierten Satz, weshalb ich es unverblümt so stehen liess ... :D Wenn daraus gar Sympathie erwachsen kann, will ich mich natürlich umso weniger dagegen verwehren.

Aber tatsächlich ist es eine kann-Regelung, man kann also, muss aber nicht
Na, da bin ich aber froh, wenn Du das als alteingesessener Grammatik-Profi so siehst, es wäre mir nämlich schwergefallen, nachträglich die korrekten Regelungen bezüglich der Kommata auf diesen Text anzuwenden, weil der tatsächlich – wie @paulhoban98 schon zu meiner Freude aber auch meinem Erstaunen angemerkt hat – mit einem psychedelischen Folk-Liedchen im Ohr entstanden ist, dessen traurige Untertöne scheinbar eng mit dieser Geschichte verwoben sind und selbst bei Lesern noch leise weiterklingen können.

und mal im Ernst, wer wollte Schriftwerke kleistschen Formates einer solchen Regelung anpassen?
Auch und gerade weil ich jetzt länger darüber nachgedacht habe, wie Du das gemeint haben könntest, da ich mir ja niemals anmassen würde, einen Text kleistschen Formates abgeliefert zu haben (und ich mir ganz sicher bin, dass auch Du nicht diese Aussage treffen wolltest, sondern diese Zeilen lediglich als generelle Anmerkung dagelassen hast, um sozusagen die Flexibilität der Regeln zu unterstreichen), und gerade auch, weil es der Text eines Schreiberlings ist, der innerhalb nur weniger Stunden entstanden ist (der Text, nicht der Schreiberling), ich deine kleine Exkursion dennoch als spannend und bereichernd empfinde, verbleibe ich mangels besseren Wissens mit den freundlich gemeinten Worten: Da kann und will ich nicht mithalten, lieber @Friedrichard !

Einen entspannten Restmittwoch & Grüsse in den Pott,
d-m

p.s.: Mich beschleicht das Gefühl, Du hast mit wenigen Worten extrem viel ausgesagt und ich mit vielen extrem wenig, aber ich gelobe Besserung, kreuzten sich unsere Wege erneut (was ich hoffe), versprochen!

 

Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben, so wie die anderen.
Großmutter hatte ein geräumiges Haus am Meer, viel zu groß für sie allein, und ich mein eigenes Zimmer, in dem die Regale mit den Spielsachen aus meiner Kindheit standen. Auf dem Boden lag der Teppich mit den Braunbären, die sich mit honigverschmierten Schnauzen in den Armen hielten.
Morgens roch es nach Salz und Tang, wenn sie das Zimmer lüftete.
Sie war eine gute Frau. Ihr Essen schmeckte nicht so pampig wie das von der Mutter, sie sprach mit mir und kümmerte sich um mich, wie sie es sicherlich für den Vater vor langer Zeit auch getan hatte, deshalb nahm ich ihr die Teilnahmslosigkeit am Tod des Hundes nicht böse. Doch ab dem Tag, an dem sie den fremden Mann ins Haus ließ, war ich mir über ihre Absichten nicht mehr so sicher. Irgendwann war er einfach da, saß am Küchentisch und rauchte.

Hallo, dearest monkey,

würde ich mal in einen Absatz zusammenfassen und lesen in einem Stück. Ich lese gerade wieder viel Gordon Lish und jedes Mal schärft es mein Auge für den Einstieg für Szenen, für die attack sentence, für die Offenheit, für Wiederholungen, für Redundanz, für das Wahren des Geheimnisses im Text selbst. Spät rein, früh raus. Was du erzählen willst, beginnt bei diesem Fremden. Du bereitest mit den vorhergehenden Absätzen einen Punch vor, den dieser Text gar nicht nötig hat; du erklärst auch den Leid und den Schmerz. Aber in den restlichen Absätzen ist alles da, alles vorhanden.

Ich nehme das Messer in meine alt gewordenen Hände, habe es selbst aus einer dicken Scherbe und Absperrband gebaut, will es an die Kehle führen, doch ich bringe es nicht übers Herz, schleudere es von mir, in die Wellen hinaus.
Ich vergebe euch, sage ich, lauter, bis meine Stimme über das Meer schallt, und ich weiß nicht, ob ich meinen Mund überhaupt bewege, ich vergebe euch, vergebt mir, laut in meinem Kopf, immer wieder, und es ist mein Leben, das schreit, weil es endlich aus mir herausbricht, sich aus dem Loch befreit, weil es endlich das tun kann, wofür ein Leben so gemacht ist. Warme Sandkörner sind unter meinen Knien und die Wellen rauschen über den Strand.
Da wäre ich auch vorsichtig. Er erklärt zuerst all sein Leid, aber dann will er sich umbringen. Das ist für mich etwas widersprüchlich. Er wirkt eher stoisch, das ist passiert, aber ich bin noch hier! Ich trete der Gluthitze des Lebens trotzdem entgegen. Auch die Schlussfolgerung, dass er jetzt endlich tun kann mit seinem Leben, wofür es gemacht ist, stimmt ja nicht. Er ist ja immer noch ein Opfer, und dieses Opfersein hat sein Leben ruiniert, er darf seine Kinder nicht sehen und lebt an einem einsamen Strand. Das wirkt unschlüssig. Da müsstest du dich entscheiden, wo du mit dem Text hinwillst. Würdevolles Weitermachen, stille Resignation oder Apathie?

Lacht der Mund, sieht man den Unterschied ganz besonders in diesen Augen, aber auch um sie herum, ich glaube, das Geheimnis liegt zwischen den Fältchen, vergraben in der Haut, es kommt deutlicher zum Vorschein, wenn sie sich kräuseln oder beim Weinen zusammenziehen, und ich frage mich, ob die Menschen wissen, was das ist. Dieser Zustand. Existieren. Ich möchte ihnen sagen: Wer existiert, der lebt nicht, der ist einfach nur da.
Dann formulierst du im Ganzen sehr sauber, sehr bedacht. Im Grunde sagst du hier oben, dass er nicht lachen kann, weil er dieses Element in den Augen anderer zwar ausmacht, aber nicht bei sich selbst. Dafür brauchst du lange, und du holst sehr weit aus. Verstehe mich nicht falsch, man kann das machen, aber es wirkt schon wie eine Erklärung, und ich weiß auch nicht, ob jemand so denken kann, Existieren, Denken, in diesen Assoziationsketten. Ein einfacher Mann mit einem Säufer als Vater, insgesamt sehr dysfunktional alles, ich denke, vielleicht auch die Erinnerung zersplitterter, fragmentierter, ausklammernder, beschämter, unfreiwillig aussparend ...
Erst sehr viel später lernte ich, was der Schatten des Mannes mit mir gemacht hatte, erst als ich mich getraute, mit meiner Frau, Jacinta, darüber zu sprechen. Bei der Gerichtsverhandlung erfuhr ich, dass der Mann mit mir den Vater teilte, der war ja damals bei meiner Geburt schon achtundvierzig und die Mutter erst dreiundzwanzig, der hatte mit einer anderen Frau schon Kinder gehabt.
Wer zeigt ihn, warum wird er festgenommen? Mir kommt die Umgebung eher so vor, als ob das unter den Teppich gekehrt wird, als ob man darüber nicht spricht. Und das Schweigen macht ihm doch das Loch, den Schatten, er ist verwirrt und verstört und alleine, und das höhlt in aus. Du verwendest viel Zeit um das Drumherum, aber gehst dann nicht dahin, wo es weh tut. Was macht das Schweigen mit ihm, das Loch? Er bleibt ja lebensunfähig, er stolpert durch sein eigenes Leben, er existiert nur. Woher nimmt er dann auch die Erkenntnis, dass er mal mit dem Leben anfangen sollte? Woher hat er diese? Wie kommt er darauf, welche Ereignisse führen zu dieser Konklusion? Das schwärt da noch so im Text bei mir auf einer Nebenspur herum.

Ja, wichtiges Thema, und ich jedenfalls wünschte mir, du wärst hier mal richtig radikal und rasierst das Ding auf 500 Wörter oder so runter. Jeder Satz ein Punch wie von Gervonta Davis. Da steckt schon alles drin, meine ich.

Gruss, Jimmy

 

Da kann und will ich nicht mithalten, …

klingt resignierend, sollte aber nicht,

bester deserted-monkey weit & breit,

aber äußert sich nicht in der Sprache das Bewusstsein des Sprechers/Schreibenden?

Da ist „Leben“ mit den Bildungen „leben/lebendig/lebhaft/Lebemann/Lebenslauf/Lebensmittel/Lebensweise/Lebewesen/
lebewohl/erleben/Erlebnis/überleben/verleben und (negativ besetzt) ableben, Lebensende und (vor allem, wie ich finde) Scheißleben“ umfangreicher als die „Existenz“ in der Bedeutung „Bestehen/Dasein“ treffen sich „Leben“ und „Existenz“ – ein Wort, das zunächst in der Philosophie (also vor allem den gebildeten Ständen) verwendet und im 17. Jh. in den deutschen Wortschatz aufgenommen wird und das im Wesentlichen (als Nichtlateiner vertrau ich da ganz der Auskunft
des Deutschen Wörterbuches https://www.dwds.de/wb/Existenz) in Konkurrenz tritt zum schlichteren „leben/Leben“.

So, jetzt ist genug gefoltert,

findet der Friedel

 

Hallo @jimmysalaryman

Was du erzählen willst, beginnt bei diesem Fremden.
Das sehe ich jetzt auch so. Ich dachte mir jedoch, dass das ohne ein bisschen Backstory vielleicht nicht richtig funktioniert, deshalb auch die einleitenden Absätze, wo die Lebenssituation und die -Umstände des Erzählers erläutert werden. Aber im Grunde genommen geht es in dem Text um den Missbrauch durch diesen Fremden, die Vernachlässigung der Eltern spielt da in dem Sinne nur eine untergeordnete Rolle, wenn es auch der Auslöser ist, weshalb der Fremde überhaupt 'freie Hand' hat. Aber ist vielleicht auch zu viel Exposition, ja. Dieses schon auch etwas zögerliche Annähern an den Kern der Geschichte und dann im entscheidenden Moment nicht voll reingehen, dahin wo es wehtut, wie Du schreibst ... Muss ich mir definitiv überlegen. Denn wie ich weiter oben bereits geschrieben habe, meine Intention mit dem Text war ja schon, dass es im besten Falle bisschen schmerzt beim lesen.

btw. Gordon Lish, kenne ich nicht, schaue ich mir mal an. Danke für den Tipp.

Das ist für mich etwas widersprüchlich. Er wirkt eher stoisch, das ist passiert, aber ich bin noch hier! Ich trete der Gluthitze des Lebens trotzdem entgegen. Auch die Schlussfolgerung, dass er jetzt endlich tun kann mit seinem Leben, wofür es gemacht ist, stimmt ja nicht. Er ist ja immer noch ein Opfer, und dieses Opfersein hat sein Leben ruiniert, er darf seine Kinder nicht sehen und lebt an einem einsamen Strand. Das wirkt unschlüssig.
Verstehe deine Gedanken hierzu. Ja, dass er sich umbringen will bzw. wieso, das kommt in dem Text nicht raus, absolut. Ich habe es vielmehr als Aufhänger für die Hoffnung gebraucht, weil ihm da ja diese Frau mit dem Hund begegnet: Ist es seine erwachsen gewordene Tochter, ist es seine (Ex-)Frau, ist es nur eine x-beliebige Joggerin, die ihm diese mitleidigen Blicke zuwirft? Man weiss es nicht, aber es löst in jedem Fall etwas in ihm aus, dass er sich umentscheidet, weil es da draussen noch Menschen gibt, denen er scheinbar nicht scheissegal ist. Das mit dem Leben, das aus ihm herausbricht und mit dem er nun tun kann, wofür ein Leben so gemacht ist: Es sollte verdeutlichen, dass dieser Augenblick, einer der ganz wenigen Momente in seinem Leben ist, in denen er seinen Gefühlen wirklich freien Lauf lässt oder freien Lauf lassen kann, weil vorher dieser Schmerz zwar in ihm drin war, er das erkannt hat, der aber nie wirklich herauskonnte, weil er innerlich wie tot war, alles in sich drin vor Angst oder Scham etc. abgewürgt hat. Das scheint aber nicht richtig rüberzukommen. Also das mit dem Selbstmord werde ich mir auf jeden Fall überlegen, das rauszunehmen, denn zu erklären, wie es dazu gekommen ist, würde den Text vielleicht überfrachten, und das wäre suboptimal. Selbstmord schien mir halt einfach sehr naheliegend, mit allem, was er erlebt hat. Aber das Stoische gefällt mir eindeutig besser, trotz aller Widrigkeiten immer noch da zu sein, darauf werde ich mich konzentrieren bei der Überarbeitung. Danke, das hat meinen Blick auf den Text geschärft.

Verstehe mich nicht falsch, man kann das machen, aber es wirkt schon wie eine Erklärung, und ich weiß auch nicht, ob jemand so denken kann, Existieren, Denken, in diesen Assoziationsketten. Ein einfacher Mann mit einem Säufer als Vater, insgesamt sehr dysfunktional alles, ich denke, vielleicht auch die Erinnerung zersplitterter, fragmentierter, ausklammernder, beschämter, unfreiwillig aussparend ...
Scheint mir wieder das alte Problem zu sein, dass ich (noch) zu wenig in meine Figuren reingehe und das merkt man bestimmt besonders gut, wenn ich wie hier in der Ich-Perspektive schreibe. Eigentlich kann das nicht recht funktionieren, denn ich habe hier einen Erzähler, der gleichzeitig Protagonist ist, aber seine Geschichte irgendwie aus überhöhter Position erzählt, also nicht richtig er selbst ist, mit Worten und Gedanken, die ein Mann aus diesem sozialen Stand vielleicht gar nicht gebrauchen würde. Verstehe ich schon. Da muss ich unbedingt drauf achten, damit da auch eine gewisse Authentizität erhalten bleibt, ansonsten wird die Fassade beim genauen Lesen schnell brüchig.

Wer zeigt ihn, warum wird er festgenommen? Mir kommt die Umgebung eher so vor, als ob das unter den Teppich gekehrt wird, als ob man darüber nicht spricht.
Ja, seine "Familie" wird das auf jeden Fall ignorieren, wenn sie denn überhaupt davon wissen, weil sie ja generell nichts von ihm wissen wollen, da hast Du recht. Ich habe mir an der Stelle gedacht, dass er seiner Frau davon erzählt und sie ihn erst darauf aufmerksam macht, dass er damals von seinem Halbbruder missbraucht und vergewaltigt worden ist, vorher wusste er selbst ja gar nicht, was ihm damals passiert ist. Es sollte dann auch seine Frau sein, die den Stein ins Rollen gebracht hat, die ihn unterstützt hat in diesem Prozess, seinen Halbbruder anzuzeigen und vor Gericht zu bringen. Das steht da natürlich nicht explizit im Text, es waren mehr Gedanken, die ich nicht direkt ausformuliert habe.

Du verwendest viel Zeit um das Drumherum, aber gehst dann nicht dahin, wo es weh tut. Was macht das Schweigen mit ihm, das Loch? Er bleibt ja lebensunfähig, er stolpert durch sein eigenes Leben, er existiert nur. Woher nimmt er dann auch die Erkenntnis, dass er mal mit dem Leben anfangen sollte? Woher hat er diese? Wie kommt er darauf, welche Ereignisse führen zu dieser Konklusion?
Die Fragen nehme ich mir gerne für die Überarbeitung mit, ich sehe das Problem. Entweder ich füttere da mehr Informationen bei oder ich streiche, damit sie gar nicht erst aufgeworfen werden ... Muss ich schauen, wie das mache.

Danke Dir für Zeit und Kommentar. Ja, sind gute Gedanken, guter Input, die haben was ausgelöst bei mir. Deine Kürzungsvorschläge wirken überlegt, ich habe jetzt beinahe das Gefühl, der Text ist etwas aufgebläht, trotz seiner Kürze von ca. 1'700 Worten, aber da geht bestimmt noch einiges. Ich versuche das Ding auf jeden Fall mal auf seine Essenz runterzukochen, sobald ich die Zeit habe, vorraussichtlich am Wochenende, und mal schauen, wie es dann wirkt. Ja, jeder Satz wie ein Punch von Gervonta Davis, das wär schon was! :cool:

Hallo nochmal @Friedrichard

Danke für deinen Nachtrag,

Deine Ausführungen zu den Bildungen des Wortes "Leben" nehme ich gerne zur Kenntnis. Auch wenn ich den Text wohl dahingehend abändern werde, dass die Gegenüberstellung von 'Existenz' und 'Leben' gar nicht mehr zum Zuge kommt, siehe oben. Danke Dir dennoch für deine Mühe und Geduld.

So, jetzt ist genug gefoltert
The torture never stops!

Beste Grüsse an euch beide und bereits jetzt ein schönes Wochenende,
d-m

 

Hallo deserted-monkey !


Ich komme direkt zur Sache:


Ich lebe nicht, ich existiere.
Ich finde es problematisch, die Geschichte mit einem Satz zu eröffnen, den man schon Hunderte von Malen gehört hat - mindestens.


nur graue Mattscheibe
Hier fehlt für mein Sprachempfinden der unbestimmte Artikel 'eine'. Weiß nicht, ob man den auch weglassen kann, bin hier auf jeden Fall beim Lesen gestolpert.


Ich möchte ihnen sagen: Wer existiert, der lebt nicht, der ist einfach nur da.
Eigentlich unnötig, einen an sich selbsterklärenden Gedanken zu erklären. Es ist ja kein allzu origineller Aphorismus, um den es hier geht.


Hat man fünfzig Jahre existiert, dann will man endlich leben. Fremde Gesichter in den Straßen bekommen plötzlich eine Bedeutung, man will fühlen wie sie. [...]wir waren zwei Verlorene in verschiedenen Universen, zwei Stumme, die Blicke ineinandergegraben, als wüssten wir etwas voneinander, dabei war es nur der verzweifelte Versuch, darüber zu sprechen, worüber wir nicht sprechen konnten.
Ich finde es zwar nicht schlimm, dem Protagonisten bei seinem Tell-Teil zuzuhören, es ist ja auch sprachlich durchaus angenehm zu lesen. Für eine Kurzgeschichte ist mir dieser Einstieg aber dann doch zu langatmig und handlungsarm. Ich mag es durchaus, wenn Figuren sich ihren (Selbst-)Reflexionen hingeben, brauche keineswegs Handlung, um gepackt zu werden. Aber um in eine Geschichte hinein zu finden, von dir als Autor hineingezogen zu werden, finde ich das von dir gewählte Vorgehen nicht wirklich geschickt, weil ich beim besten Willen nicht weiß, wann und wo ich mich im Rahmen der erzählten Welt befinde und in welcher Situation der Protagonist gerade seinen leicht lamentablen Kommentar zum 'Existieren, ohne zu leben' gibt. Hier hätte ich mir gewünscht, zumindest ein paar Details zur erzählten Situation zu erfahren, zumal du die Geschichte ja auch mit einer kurzen Szene - dazu äußere ich mich gleich noch - beendest.


Ich öffnete seinen Bauch,
'Bauch' hat mich ziemlich irritiert, als Bild m.M.n eher ungeeignet. Oder spricht man bei einem Kühlschrank irgendwo in Deutschland von einem Bauch? Noch nie gehört, aber ich lerne gerne dazu.

Zwischenfazit: Sprachstil und Stimmung, das Melancholische und die Tonalität deines Erzählens, gefallen mir - von den kritisierten Stellen abgesehen -, gut.


sah die Kälte, die unter die Decke in meine Poren kroch, ohne etwas zu spüren, sah das Herz in meinem Körper rasend schlagen,
Das finde ich sprachlich wiederum unpräzise. Bzw. als Metapher eher ungelenk. Kälte zu sehen, die unter die Decke in die Poren kriecht - gefällt mir bildlich eher nicht. Anders als das Herz, das er in dieser bildlichen Darstellung auch 'sieht', was ich aber wiederum passend finde.


die Jahre zogen vorbei, ohne das ich es bemerkte.
ohne dass ich


auf dem sie lag, die Beine gespreizt und schrie. In diesem Moment erkannte ich, dass es der Schmerz war, der alles verschluckt hatte, und sie schrie ihn schrill und pur in die Welt, sie gebar den Schmerz und erlöste sich davon, in mir war er gefangen und konnte nicht hinaus.
Ich mag ja selbst düstere Themen, verzweifelte Protagonisten, seelische Schmerzen als Merkmal der Charakterisierung beziehungsweise als Grundthema / Prämisse. Es passt ja auch zum melancholischen Erzählton, den du in deiner Geschichte durchgängig bemühst.
Trotzdem ist es mir an dieser Stelle too much - mich reißt es hier aus der Szene heraus, ich finde es fast etwas arg melodramatisch.


Ich nehme das Messer in meine alt gewordenen Hände, habe es selbst aus einer dicken Scherbe und Absperrband gebaut, will es an die Kehle führen, doch ich bringe es nicht übers Herz, schleudere es von mir, in die Wellen hinaus
Auch das ist mir zu viel (Melo-)Drama.
Hier den Suizid-Topos zu bringen, wenn auch nicht vollzogen, empfinde ich als übertrieben. Deine Geschichte ist dafür vermutlich einfach nicht lang genug, sie geht, was die Charakterisierung betrifft, für solche Handlungsmotive nicht ausreichend in die Tiefe. Auch wenn der Protagonist die entscheidenden Lebensstationen, die seinen Schmerz erklären, schildert (oder zum Teil zumindest anreißt), kann ich eine solche Verzweiflung, die ihn um ein Haar sein Leben beenden lässt, nicht fühlen.


Die Frau dreht sich noch einmal um, bevor sie im Palmenwäldchen verschwindet, wo ich am Abend wieder unter den Sternen schlafe,
Müsste 'wieder unter den Sternen schlafen werde' heißen.


in ihm liegt eine Ehrlichkeit, die nur das wahre Leben kennt
Klingt poetisch und philosophisch, das schon. Zustimmen will ich aber dennoch nicht, bin von diesem Kommentar als Auflösung argumentativ nicht überzeugt, was mir persönlich das an sich recht schöne Schlussbild leider fade macht.


Fazit:
Auch wenn meine Kritik zu seiner Geschichte sich eher negativ liest, ich sehe hier keineswegs nur Schatten, sondern auch viel Licht.
Sprachlich ist dir das meiste gut gelungen, die durchgängige Melancholie hat mir im Großen und Ganzen - die Ausnahmen habe ich ja aufgezählt - gut gefallen. Auch wenn deine Geschichte für mich leider letztlich nicht funktioniert hat, du mich nicht oder doch zumindest nicht in vollem Umfang und die gesamte Erzähldauer auf die Reise des Erzählers mitnehmen konntest:
Ich bin gespannt auf deine kommenden Storys.

Liebe Grüße
Sam

 

Hallo @Sam Slothrop

Danke Dir für deine Zeit und deinen Leseeindruck.

Ich finde es problematisch, die Geschichte mit einem Satz zu eröffnen, den man schon Hunderte von Malen gehört hat - mindestens.
Eigentlich unnötig, einen an sich selbsterklärenden Gedanken zu erklären. Es ist ja kein allzu origineller Aphorismus, um den es hier geht.
Ja, der Einstieg ist noch nicht das Gelbe vom Ei, gebe ich Dir recht. Ich brauche da einfach noch bisschen Zeit, das entweder umzuschreiben, oder wie Jimmy vorgeschlagen hat, komplett rauszunehmen. Bin mir noch etwas unschlüssig, obwohl Du schreibst ja auch:
Für eine Kurzgeschichte ist mir dieser Einstieg aber dann doch zu langatmig und handlungsarm. Ich mag es durchaus, wenn Figuren sich ihren (Selbst-)Reflexionen hingeben, brauche keineswegs Handlung, um gepackt zu werden.
Von daher bestätigst Du das ja, den Anfang zusammenzukürzen, direkter einzusteigen. Langatmig: Es sind ja nur ein paar wenige Sätze bis hierhin ... ? Aber klar, muss ich natürlich hinnehmen, dass Du bereits gelangweilt bist. Wie gesagt, ich überlege noch, wie es besser geht. Wegen der fehlenden Verortung, da sehe ich kein Problem, das kommt ja kurz darauf, Haus am Strand etc.
Hier fehlt für mein Sprachempfinden der unbestimmte Artikel 'eine'. Weiß nicht, ob man den auch weglassen kann, bin hier auf jeden Fall beim Lesen gestolpert.
Nee, den braucht es meinem Empfinden nach nicht, der Satz ist schon lang genug.
'Bauch' hat mich ziemlich irritiert, als Bild m.M.n eher ungeeignet. Oder spricht man bei einem Kühlschrank irgendwo in Deutschland von einem Bauch? Noch nie gehört, aber ich lerne gerne dazu.
Mmmh, für mich passt es eigentlich ziemlich gut, ist auch sonst niemand gestolpert, bestimmt Geschmackssache, aber natürlich suboptimal, wenn es Dich irritiert hat beim lesen. Falls ich eine bessere Idee habe, ändere ich das! Wieso in Deutschland? Es wird ja nirgends gesagt, wo die Geschichte spielt, wie kommst Du auf Deutschland?
Das finde ich sprachlich wiederum unpräzise. Bzw. als Metapher eher ungelenk. Kälte zu sehen, die unter die Decke in die Poren kriecht - gefällt mir bildlich eher nicht. Anders als das Herz, das er in dieser bildlichen Darstellung auch 'sieht', was ich aber wiederum passend finde.
Die Stelle sollte verdeutlichen, dass er sich 'zurückzieht aus seinem Körper', eigentlich alles nur noch von Aussen betrachtet, um diese schlimme Situation nicht zu nahe an sich ranzulassen. Ist natürlich bisschen abstrakt, aber verstehe deinen Einwand da schon, dass er die Kälte sehen kann (ich hab da einfach an Gänsehaut gedacht, deshalb das 'sehen'). Kann man bestimmt besser machen, danke für den Hinweis.
Trotzdem ist es mir an dieser Stelle too much - mich reißt es hier aus der Szene heraus, ich finde es fast etwas arg melodramatisch.
Ja, interessant, dass es Dich rausreisst, andere haben genau diese Passage gelobt. Schwierig. Ich persönlich mag die Stelle und werde sie wohl nicht mehr anpassen. Will damit deine Kritik nicht abbügeln, ich nehme sie einfach als Leseeindruck, oder hättest Du denn einen Vorschlag, wie es passender formuliert werden könnte?
Hier den Suizid-Topos zu bringen
Ist auch notiert. Muss raus oder, wie Du schreibst, die Verzweiflung greifbarer gemacht werden bzw. seine Beweggründe.
bin von diesem Kommentar als Auflösung argumentativ nicht überzeugt
(Fast) Alle haben ihn sein Leben lang ignoriert, diese eine Person nimmt ihn wahr, hat Mitleid mit ihm, er erkennt das an diesem Blick, dass sie nicht starrt à la 'was für'n Irrer' sondern ihm eben sowas mitzuteilen versucht wie 'halte durch'. Was überzeugt Dich daran nicht bzw. was macht es für Dich fade? Wenn das so ohne Begründung da steht, bringt es mir leider nicht sehr viel.
Ich bin gespannt auf deine kommenden Storys.
Na, das ist doch schon mal was! Schade, hat es hier für Dich nicht funktioniert hat, aber man kann es sowieso nie allen recht machen, oder? ;) Danke nochmals für deinen Eindruck.

Beste Grüsse,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo noch mal, deserted-monkey,

Wieso in Deutschland? Es wird ja nirgends gesagt, wo die Geschichte spielt, wie kommst Du auf Deutschland?
Dein Text ist doch auf Deutsch verfasst. Insofern meinte ich mit dem Geschriebenen die Frage: 'Wird im deutschsprachigen Raum von Bauch gesprochen.' Du weißt, was ich meine, natürlich kann die Geschichte irgendwo am Ende der Welt spielen, das eine schließt ja das andere nicht aus. Davon abgesehen ging es ja auch eher darum, ob dieses Bild stimmig und klug gewählt ist, vermutlich ist das einfach Ansichts- / Geschmackssache.
Will damit deine Kritik nicht abbügeln, ich nehme sie einfach als Leseeindruck, oder hättest Du denn einen Vorschlag, wie es passender formuliert werden könnte?
Nimm sie als Leseeindruck! Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ja dafür ja von anderen bereits Lob dafür geäußert worden ist. Wenn wie hier mit einer unverkennbaren Mehrdeutigkeit von (Welt-)Schmerz die Rede ist und von schreien, dazu im Kontext einer Geburts-Szene, dann bin ich selbst schnell ambivalent gestimmt (auch in meinen eigenen Geschichten).

Was überzeugt Dich daran nicht bzw. was macht es für Dich fade? Wenn das so ohne Begründung da steht, bringt es mir leider nicht sehr viel.
Hier haben wir uns missverstanden, stimmt, ich hätte das klarer begründen können. Also: Bei meiner Lektüre deiner Geschichte habe ich, als ich dieses Ende gelesen habe, nicht genau verstanden, worauf Du als Autor hinaus willst, welche Bedeutung der Protagonist diesem finalen Moment beimisst.
In deiner Geschichte heißt es an dieser Stelle: [...]eine Ehrlichkeit, die nur das wahre Leben kennt[...]
Ich stelle mal die Worte um: "Nur das wahre Leben kennt diese Form von Ehrlichkeit."
Auch jetzt ist das für mich bei aller stilistischen Eleganz ehrlich gesagt eine Aussage, die ich vielleicht ewig interpretieren, aber eben nicht befriedigend für mich selbst einordnen und annehmen kann. Mich hat das gestört.
Deshalb habe ich die Formulierung kritisiert.
Sie klingt schön, fast poetisch. Trotzdem hat sie mir in dieser Form nicht gefallen. Letztlich war das für mich als Abschluss und damit ja auch als Auflösung der Handlung - ich sehe die Auflösung als ein Argument, das den roten Faden der Geschichte, die Prämisse halt auf den Punkt bringt - einfach nicht überzeugend.

Aber du schreibst ja auch zu Recht:

Schade, hat es hier für Dich nicht funktioniert hat, aber man kann es sowieso nie allen recht machen, oder? ;)
Genau.

Lieben Gruß
Sam

 

Hallo @Sam Slothrop

Dein Text ist doch auf Deutsch verfasst.
Ja, entschuldige meine etwas trotzige Reaktion. Der Kühlschrank ist von General Electric, ich habe mir vorgestellt, die Geschichte spielt so in den 60er, 70er Jahren (deshalb bspw. auch das Grammophon), die Dinger waren meist zweitürig, also oben eine kleinere und unten eine grosse, da habe ich das Bild mit dem Bauch von abgeleitet (https://www.realestate.com.au/blog/wp-content/uploads/2013/04/1960sfridge3.jpg). Gebe Dir aber insofern recht, man muss das kennen und vielleicht ist es selbst dann noch ein etwas schiefes Bild.

Sie klingt schön, fast poetisch. Trotzdem hat sie mir in dieser Form nicht gefallen. Letztlich war das für mich als Abschluss und damit ja auch als Auflösung der Handlung - ich sehe die Auflösung als ein Argument, das den roten Faden der Geschichte, die Prämisse halt auf den Punkt bringt - einfach nicht überzeugend.
Das sie Dir nicht gefällt, ok, damit muss ich leben, aber die Geschichte ist ja nicht auf eine Pointe geschrieben, auf diesen letzten Satz hin oder so, der löst ja in dem Sinne nichts auf. Die Geschichte ist doch einfach eine chronologische Abfolge von Geschehnissen aus dem Leben des Prots ... Aber muss zugeben, die Formulierung ist mir einfach so zugeflogen, fand das schön, doch wenn man es eben genau liest, dann passt da was vielleicht nicht oder es ist zu offen gehalten, zu unbefriedigend. Ich erwische mich bei solchen Sachen immer mal wieder, so à la 'style over substance', ich verstehe schon, was Du meinst.

Ja, Sam, denke noch weiter über deine Beiträge nach, dein kritischer Blick war wertvoll. Kann nicht versprechen, dass ich alles anpasse, am Besten lerne ich von einer zur nächsten Geschichte und versuche dann, gemachte Fehler nicht zu wiederholen.

Grüsse,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey ,

schwere Thematik und ein Text, der mit Kraft geschrieben ist, wenngleich er sich sprachlich (für mein Empfinden) etwas verzettelt.

Stromunterbruchs

interessant, kannte ich noch nicht diese Bezeichnung.

wenn sie sich kräuseln oder beim Weinen zusammenziehen, und ich frage mich, ob die Menschen wissen, was das ist. Dieser Zustand. Existieren.

Gefällt mir.

wir waren zwei Verlorene in verschiedenen Universen

Das 'Universen', finde ich, ist hier nicht ganz das richtige Wort. Es impliziert zu viel (ist ja auch sehr pathetisch). Tatsächlich geht es hier doch mehr darum, dass sie auf leicht andere Weise verloren sind. Diese Unterscheidung ist das Besondere an der Sache. Die 'Universen' würde ich weglassen. Das bewusst 'kleiner' machen (als Universum).

Den Großteil meiner Kindheit und die Jugendjahre verbrachte ich bei Großmutter, weil der Vater krank war, von der Arbeit und vom Alkohol. Wenn er abends erschöpft und betrunken auf dem Sofa hockte, sah er mich an, aber ich wurde von ihm nur gesehen und nicht geliebt, und die Mutter sagte nichts dazu, sie war verloren, doch anders als ich, wir waren zwei Verlorene in verschiedenen Universen, zwei Stumme, die Blicke ineinandergegraben, als wüssten wir etwas voneinander, dabei war es nur der verzweifelte Versuch, darüber zu sprechen, worüber wir nicht sprechen konnten.

hier treffen ganz viele Sprachbilder und Metaphern aufeinander und passen für mein Empfinden nicht immer zusammen. Ich würde versuchen, hier und auch im übrigen Text etwas minimalistischer vorzugehen.

Großmutter hatte ein geräumiges Haus am Meer, viel zu groß für sie allein, und ich mein eigenes Zimmer, in dem die Regale mit den Spielsachen aus meiner Kindheit standen

Ich würde diesen Teil vorziehen.

Ein Mann macht sowas selbst, hat sie immer gesagt.

Verstehe ich nicht ganz, wieso sie das sagt.

Doch Großmutter akzeptierte ihn so wie jeden aus der Familie, ja, als wäre er schon immer ein Teil von ihr gewesen

hmm. finde das mit dem 'Teil von ihr' sprachlich etwas schief. Würde ich einfach ab "ja, als ..." kürzen

Mit seinem Auftauchen erinnere ich mich auch wieder an den Schatten und die Tür. Wie sie mitten in der Nacht aufknarrte, der zarte Lichtstreifen breiter und höher wurde, die Dunkelheit langsam mit scharfer Kante aus meinem Zimmer schnitt, als wollte der Schatten in ein Gewand aus Licht schlüpfen, um seine wahre Natur darin zu verbergen und mich mit seinem Gegenteil zu täuschen.
Da lag ich wach im Bett, zitternd und desorientiert, sah die Kälte, die unter die Decke in meine Poren kroch, ohne etwas zu spüren, sah das Herz in meinem Körper rasend schlagen, und die Wärme tröstlicher Gewissheit schmiegte sich zu mir ins Bett, je weiter er die Tür aufstieß. Wenigstens der Schatten hatte mich nicht vergessen.

gut geschrieben, finde ich.

sie drückten sowas wie Mitgefühl aus

'so etwas' (auch der übrige Text ist eher wenig umgangssprachlich)

ei der Gerichtsverhandlung erfuhr ich, dass der Mann mit mir den Vater teilte

?? verstehe nicht so ganz. Der Text scheint mir sehr voll von Erfahrungen/Realitäten zu sein, die naturgemäß nur beiläufig erwähnt werden, weil man als Autor aus dem eigenen Wissen heraus meint, dass der Sinn dazwischen klar ist. An sich kein Problem. Ich würde da nur einen Satz mehr zu schreiben.

Ich nehme das Messer in meine alt gewordenen Hände, habe es selbst aus einer dicken Scherbe und Absperrband gebaut, will es an die Kehle führen, doch ich bringe es nicht übers Herz, schleudere es von mir, in die Wellen hinaus.
Ich vergebe euch, sage ich, lauter, bis meine Stimme über das Meer schallt, und ich weiß nicht, ob ich meinen Mund überhaupt bewege, ich vergebe euch, vergebt mir, laut in meinem Kopf, immer wieder, und es ist mein Leben, das schreit, weil es endlich aus mir herausbricht, sich aus dem Loch befreit, weil es endlich das tun kann, wofür ein Leben so gemacht ist. Warme Sandkörner sind unter meinen Knien und die Wellen rauschen über den Strand.

Das würde ich anders lösen. Wenn das als turning point erzählt werden soll, müsste das besser vorbereitet sein, finde ich. Stattdessen würde ich einfach die erzählte Zeit etwas erhöhen. Das heißt, ich würde erzählen, wie er diese Entscheidung zu leben Stück für Stück fällt. Und wenn dazwischen ein turning point passiert würde ich ihn als Teil eines Prozesses darstellen und nicht als turning point. Das hat zu viel Gewicht und wirkt pathetisch und wenn der Pathos nicht richtig vorbereitet wird, finde ich es ungünstig.

So weit meine Eindrücke zu diesem Text. Eigentlich nur noch einmal mein Fazit vom Anfang: schwere Thematik, mit Power erzählt, aber sprachlich/stilistisch hie und da etwas verstrickt.

Viele Grüße von
Carlo

 

Hallo @Carlo Zwei

Vielen Dank für deinen Gegenbesuch, für deine Zeit und deinen Eindruck zur Geschichte.

interessant, kannte ich noch nicht diese Bezeichnung.
Wohl ein CH-Ausdruck, denke ich.

Die 'Universen' würde ich weglassen. Das bewusst 'kleiner' machen (als Universum).
Ja, verstehe, was Du meinst. Habe die Stelle abgeändert und nach deinen weiteren Hinweisen auch sonst noch bisschen was umgestellt.

Ich würde versuchen, hier und auch im übrigen Text etwas minimalistischer vorzugehen.
Mir gefällt das momentan ganz gut, aber ich denke mal drüber nach. Auf jeden Fall werde ich es mir für zukünftige Geschichten merken, ich glaube, das ist immer auch so ein Kardinalfehler von mir, will da schnell zu viel und dann wirkt's drüber. Ich behalte das auf jeden Fall im Auge!

Verstehe ich nicht ganz, wieso sie das sagt.
Vorher wird erwähnt, dass sie keinen Handwerker kommen lassen will. Im Endeffekt will sie sich einfach die Kohle sparen bzw. vielleicht hat sie einfach nicht genug Geld, um einen Handwerker zu bezahlen, weshalb es am Prot liegt, das Haus in Schuss zu halten. Ich schaue mir die Stelle noch mal an, vielleicht ist das zu wenig eindeutig.

hmm. finde das mit dem 'Teil von ihr' sprachlich etwas schief.
Guter Punkt, fand die Stelle selbst nicht wirklich optimal. Habe es nach deinem Hinweis angepasst.

'so etwas' (auch der übrige Text ist eher wenig umgangssprachlich)
Danke fürs genaue lesen, habe auch diese Stelle geändert.

?? verstehe nicht so ganz. Der Text scheint mir sehr voll von Erfahrungen/Realitäten zu sein, die naturgemäß nur beiläufig erwähnt werden, weil man als Autor aus dem eigenen Wissen heraus meint, dass der Sinn dazwischen klar ist. An sich kein Problem. Ich würde da nur einen Satz mehr zu schreiben.
Bist nicht der Erste, der da gestruggelt ist ... Habe die Stelle angepasst, ohne zusätzlichen Satz, aber denke, nun dürfte es besser verständlich sein. Danke fürs Nachhacken.

Das würde ich anders lösen. Wenn das als turning point erzählt werden soll, müsste das besser vorbereitet sein, finde ich. Stattdessen würde ich einfach die erzählte Zeit etwas erhöhen. Das heißt, ich würde erzählen, wie er diese Entscheidung zu leben Stück für Stück fällt. Und wenn dazwischen ein turning point passiert würde ich ihn als Teil eines Prozesses darstellen und nicht als turning point. Das hat zu viel Gewicht und wirkt pathetisch und wenn der Pathos nicht richtig vorbereitet wird, finde ich es ungünstig.
Die Stelle wurde auch von Jimmy und Sam moniert. Deinen Vorschlag finde ich übrigens gut, ich werde schauen, dass ich das umsetzen kann.

mit Kraft geschrieben
mit Power erzählt
Das bestärkt! Danke Dir.

Viele Grüsse,
d-m

 

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