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Verfolgt!

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16.12.2004
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Verfolgt!

Diana wurde verfolgt. Er hielt zwar Abstand, doch es war eindeutig. Seine Verstecke waren einfallslos und verfehlten ihre Aufgabe. Im Gegenteil, ihr fiel der Mann gerade deswegen auf. Er ging nicht einmal in der Menschenmenge, welche sich hier Tag für Tag über die Straße schob, unter. Diana sah ihn immer wieder deutlich heraus. Wahrscheinlich konnte er sie ebenso sehen. Obwohl sie wirklich versuchte ihm aus dem Weg zugehen. Sie nahm jede Seitengasse und jedes zweite Geschäft als Deckung war. Dort hielt sie sich für sicher. Ihr Geldbeutel war das nicht, da die Geschäfte meistens Schuh- oder Klamottenläden waren. Als sie dann wieder auf die Straße trat, stand der Kerl auf der gegenüberliegenden Seite. Ihr blieb nichts anderes übrig, außer zu rennen.

Alles in allem hätte dies ein schöner Sonntag werden können, wenn da nicht noch eine Verabredung gewesen wäre. Sie saß draußen, wie so viele Gäste an diesem Tag, auf einem der elegant geschnitzten Stühle eines Cafés und genoss die Sicht auf den Rathausplatz. Die Sonne schien und Paula badete in ihrem so lebenswichtigen Licht.. Sie beobachtete die gemütlich dahinschlenderten Leute, welche zwischen den Schaufenstern pendelten und in ihrer Freiheit, die ihnen der Sonntag gab, schwelgten.
Verabredet waren sie für zwölf Uhr. Jetzt war es schon um eins. Paula war zwar ebenfalls zu spät gekommen, jedoch übertrieb es ihr Freundin mal wieder. Das tat Diana oft. Als sie vor der Abiturprüfung behauptete, dass sie Magen-Darm-Grippe hätte, als sie dabei war diesen Kerl anzusprechen, hatte sie angeblich einen plötzlichen Anfall von Blindheit, als sie zum Einstellungsgespräch sollte, überfiel sie aus heiterem Himmel ein Grippevirus. Aber als ihr Freund starb, hatte sie das wirklich schwer getroffen. Paula verstand das natürlich und nahm Dianas tiefen Depressionen hin. Sie hatte damals alle Hilfe benötigt und Paula tat ihr bestes.

Diana kam noch eine viertel Stunde später. Sie hielt mehrere Tüten in den Händen, als hätte sie eine Einkaufstour hinter sich, und war total aufgelöst.
„Hallo Paula! Ich weiß, ich bin zu spät aber früher ging es nicht. Musste immer wieder untertauchen, in jedes Geschäft, habe dir auch etwas mitgebracht...“ Sie sprach sehr schnell und Paula musste ihre Freundin erst einmal beruhigen und sich setzen lassen. Beide bestellten einen Kaffee – Paulas vierter –. Diana kam langsam wieder zu sich.
„Also was ist denn nun eigentlich los?“, fragte Paula ruhig. „Du bist sehr seltsam in letzter Zeit und ich mache mir echt Sorgen um dich. Sag mir was dich bedrückt. Rede mit mir!“
Diana nahm noch einen Schluck Dann sah sie sich nervös auf dem Platz um und begann:„ Ich benötige deine Hilfe! Ich weiß zwar nicht genau, wie du mir helfen kannst. Aber dennoch hoffe ich auf dich.“
„Das kannst du doch immer!“
„Gut. Ich glaube, das heißt, ich weiß es genau, dass ich verfolgt werde.“
„Verfolgt? Von wem?“
„Wenn ich das wüsste.“
„Wie sieht er denn aus?“ Diana stockte. Sie wusste nicht wie er aussah. Hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. In ihrem Kopf war das Bild eines unbekannten Mannes. Doch es war blass und verschwommen. Eigentlich konnte sie nicht einmal genau erkennen, dass es ein Mann war. Sie wurde von einem dunklen Schatten verfolgt, vor dem man einfach Angst haben musste, und der einem überall hin verfolgt. Jetzt kam es Diana sogar ein wenig albern vor, dass sie sich vor jemanden fürchtete, den sie noch nicht einmal richtig gesehen hatte. Sie bekam sogar ein wenig Zweifel an der ganzen Geschichte. Sie glaubte nicht mehr wirklich daran, doch die wahllos eingekauften Klamotten in den Tüten zu ihren Füßen und ihr blasses Gesicht sprachen eine andere Sprache. Bei der Angst gab es keine Zweifel.
„Ich weiß es nicht genau.“
„Seit wann verfolgt er dich denn?“
„Richtig bewusst geworden ist es mir erst Anfang dieser Woche. Seit dem sah ich ihn immer.“
„Wo denn zum Beispiel?“ Diana versuchte sich an das letzte Mal zu erinnern. Da war er ihr nah gekommen. Sehr nah...

Die Straßenbeleuchtung ging soeben an. Die Laternen leuchteten alle gleichzeitig auf. Sie war froh darüber, denn jetzt fühlte sie sich etwas sicherer. Heute war er ihr noch nicht begegnet. Das machte sie jedoch nicht viel zuversichtlicher. Sie hatte immer noch Angst. Die Haustür ließ sich wie immer nur mit einem Ruck öffnen. Diana ließ die Briefkästen Briefkästen sein und lief die Treppe in den vierten Stock hinauf. Dort angekommen, schob sie sich durch ihre Wohnungstür und verschloss sie wieder hinter sich. Diana machte drei Kreuze. Ihre eigene Wohnung hatte ihr bislang immer Schutz und Geborgenheit geboten. Warum sollte sich das jetzt ändern?
Nach einem heißen Bad, genehmigte sie sich in ihrem flauschigen Bademantel eine warme Tasse Kakao. Sie sah aus dem Fenster. Es nieselte schwach und kleine Pfützen bildeten sich auf der Straße. Das gelbe Licht der Straßenlaternen verdrängte die Dunkelheit größtenteils, doch schuf auch neue. Schatten wurden gegen die Häuserwände geworfen. Schatten von Liftfastsäulen, Hydranten, einer Katze und... der Schatten eines Mannes. Diana stockte der Atem. Er hatte ihr Haus gefunden. Er wusste wo sie wohnte. Ihr Schutz war hinfällig. Er setzte sich in Bewegung und glitt durch die Schatten auf ihr Haus zu. Dann verschwand er aus ihrem Blickfeld. Die Fensterscheibe beschlug. Der Dampf aus der Tasse entwich. Sie hoffte, dass er ihre Tür nicht fand. Es klopfte. Sie schrak laut auf, wobei sie mit dem Kakao kleckerte. Diana stellte die Tasse vorsichtig ab und schlich auf Zehenspitzen zum Telefon. Sie gab noch nicht auf. Noch war er nicht drinnen. Noch hatte sie eine Chance. Ihre Finger rutschten ein paar mal ab und sie ermahnte sich zu Konzentration. Er klopfte energischer.

„Und dann?“, fragte Paula gespannt. Diana nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee.
„Ich habe die Polizei gerufen. Aber noch bevor sie kam, rannte er weg. Das habe ich den Polizisten dann auch gesagt.“ Sie lehnte sich erschöpft zurück.
„So ein verrückter! Was will denn nun die Polizei unternehmen?“
„Sie haben mich gefragt, ob ich irgendwelche Feinde hätte. Das konnte ich natürlich nur verneinen.“ Paula nickte zustimmend. „Ja, und wenn er wieder kommen sollte, soll ich sie einfach wieder rufen. Sie meinten, da ja noch keine konkrete Straftat begangen worden war, können sie auch nichts machen.“
„Typisch!“
Sie blieben noch den ganzen Nachmittag und redeten. Nicht über den Verrückten, sondern andere Sachen. Diana aß ein Stück Torte und Paula sogar drei, mit Kaffee.
Die Sonne machten ihren Bogen und die Menschen schlenderten immer noch gemütlich über den Rathausplatz, der sich mehr und mehr füllte. Ein paar ältere Herren fütterten die ohnehin schon fetten Tauben von den Bänken aus, während Kinder nach den Vögeln traten.
„Ich denke, ich gehe jetzt nach Hause.“, meinte Diana nachdem sie einige Minuten lang schweigend dem Treiben auf dem Platz zugesehen hatten.
„Soll ich dich begleiten?“
„Ja, bitte!“ Sie bezahlten und gingen.

Arm in Arm liefen sie durch die Stadt. Sie kamen an ein paar Boutiquen vorbei, doch ihnen war nicht danach. Selbst den ein oder anderen gut aussehenden Mann ließen sie ungehindert passieren. Aber nur, wenn dieser offen auf der Straße lief. Sobald aber einer auch nur andeutete, dass er sich versteckte, und wenn er auch nur an einer Straßenecke stand, betrachtete Paula ihn mit giftigen Blicken.
So ging es, bis sie nur noch einem Block von Dianas Haus entfernt waren. Sie standen vor der Ruine einer alten Fleischerei, welche sehr brüchig aussah und für deren Abriss, sich niemand bereiterklärte.
„Das ist er!“ Sie blieben stehen. Paula folgte den ängstigen Blicken ihrer Freundin. Hinter einem geparkten LKW stand jemand. Sie bekam ein ungutes Gefühl. Es war noch nicht dunkel, die Sonne war noch gut sichtbar, und doch konnte sie ihn nicht erkennen. Er war nur ein Schatten. Ein düstere Gestalt, und das machte ihr Angst. Später würde sie die Existenz dieses Mannes für zweifelhaft halten.
„Komm’, lass uns hintenrum gehen!“ Paula nahm ihre Freundin und war im Begriff sich umzudrehen, als sie den schnell heranfahrenden Wagen sah. Er fuhr in Schlangenlinien mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Mit Diana im Arm sprang sie zur Seite. Der Wagen preschte an ihnen vorbei. Das Autoradio war sehr laut. Die Reifen quietschten und der Wagen prallte einige Meter weiter gegen eine Ampel.
„Ist mit dir alles in Ordnung?“, fragte Paula besorgt. Eine kleine Menschenansammlung scharrte sich um das Wrack. Einige schrieen verwirrt.
„Ja, ja. Alles okay!“ Sie standen auf.
„Verschwinden wir von hier. Es scheinen nur noch Irre unterwegs zu sein!“ Sie verließen den Ort des Geschehens. Ihr Verfolger war verschwunden.

Vor Dianas Wohnungstür blieben sie stehen.
„Soll ich noch mit reinkommen oder...“ Diana betrachtete ihre beste Freundin. So liebevoll und fürsorglich. Warum hatte sie denn noch keinen Mann. Sie hätte einen verdient.
„Ich denke es geht schon!“
„Gut. Wenn irgendwas ist, ruf’ mich an!“
„Das werd’ ich.“ Sie lächelten. Diana holte ihren Schlüssel heraus.
„Diana, ich habe da noch etwas für dich...“ Paula sprach diese Worte mit bedacht aus. Es schien, als hätte sie lange mit sich selbst gekämpft, ob sie das nachfolgende wirklich tun sollte. Sie kramte in ihrer Tasche. Dann fand sie ihn.
„Was zum...“ Diana wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte. In Paulas Händen befand sich ein kleiner Revolver. Kein Damenrevolver, etwas größer.
„Ich habe ihn mir vor ungefähr einem Jahr gekauft. Hatte ihn seitdem immer dabei. Fühlte mich einfach sicherer damit.“
„Warum hast du mir nie davon erzählt?“
„Darum geht es jetzt nicht! Ich möchte, dass du ihn nimmst.“
„Wie?“
„Ich denke du hast ihn im Augenblick nötiger als ich. Wirklich!“
„Aber...ich denke nicht, dass...“ Irgendwie wollte sie die Waffe nicht. Es war wie eine Vorahnung. Der Revolver sollte nicht sein.
„Ich glaub’, ich will ihn nicht!“
„Ach quatsch!“ Paula steckte die Waffe in Dianas Handtasche. „Du wirst dich damit besser fühlen und ich werde das ebenfalls. Vertrau’ mir!“
„Also...“
„Bitte!“ In Paulas Augen lag Angst. Angst um Dianas Leben. Sie konnte nicht anders.
„Ich nehme ihn.“
„Danke.“ Sie gaben sich einen Kuss auf die Wange. „Wir sehen uns!“ Paula ging.
Alleine, mit einer schwereren Handtasche und ziemlich verwirrt, stand Diana vor ihrer nun geöffneten Haustür. Die gute Paula..., dachte sie.

Dass sie ihn nicht losgeworden war, wusste Diana schon. Doch fühlte sie sich dennoch sicherer. Paula hatte recht gehabt. Ohne Waffe ging sie nicht mehr aus dem Haus. Es gab ihr ein Gefühl von Macht über ihren Verfolger. Sie fühlte sich stärker als er. Sollte er doch vor Angst erzittern. Aber Diana scheute sich noch davor, von der Waffe gebrauch zumachen.
Aber noch einmal sollten Verfolger und Verfolgte zusammentreffen. Ein letztes Mal. Und Diana sollte den Revolver benutzen, auf das der Terror ein Ende nimmt.

Sofort nachdem sie die Haustür verlassen hatte, heftete er sich an ihre Versen. Diana konnte ihn nicht sehen, aber spüren. Sein bedrohlicher Schatten hing über ihr. Ihr Arm umklammerte die Handtasche. Mit klopfendem Herzen schritt sie weiter. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass er Abstand hielt. Diesmal jedoch, kam er näher. Und näher. Zu ihrem Schatten gesellte sich ein weiterer. Seine Schritte waren lautlos. Kälte umschloss sie. Ihre Hand glitt langsam der Waffe entgegen und fasste sie. Ihre Nackenhaare sträubten sich. Es gab keinen Ausweg mehr. Sie musste es jetzt beenden. Diana handelte.

Sie wirbelte herum und hielt ihm den Revolver entgegen. Er stand nur drei Meter von ihr entfernt. Trotz den frühen Abendstunden, war er wieder nur ein Schatten. Nicht klar zu erkennen.
„Bleiben Sie stehen! Was wollen Sie? Wer sind Sie?“ Ihr ging das alles zu schnell. Sie war auf so eine direkte Konfrontation nicht vorbereitet. Diana wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
Der Schatten rührte sich nicht vom Fleck. Hinter ihr krachte es und sie schoss erschrocken. Laut hallte es durch das Viertel. Dann herrschte wieder vollkommene Stille. Niemand kam herbeigerannt. Kein Mensch wollte sehen, was geschehen war. Diana stand geschockt mit einem rauchendem Revolver in der Hand, auf der Straße.
Reglos lag der Schatten vor ihr. Jeder Schütze hätte ihr zu diesem Schuss gratuliert. Die Kugel traf das Herz in der Mitte. Es floss kein Blut.
Diana ließ die Waffe fallen und wollte zu ihm. Gleichzeitig wollte sie es auch nicht. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Erste Hilfe kam ihr in den Kopf. Aber bei Schussverletzungen? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Sie wusste nicht wohin und verfluchte die Menschen dafür, dass sie sie allein ließen.
Doch Diana war nicht allein.

Nebel zog auf und verstopfte die Straße. Nieselregen trat ein. Sie stand immer noch verwirrt da als die Schatten kamen. Durch die weißen Nebelschwaden schwebten sie auf den Toten zu. Sie umringten ihn von allen Seiten.
„Ich...ich wollte ihn nicht töten!“ Diana hielt sie für Menschen, doch dann erkannte sie, dass es keine waren. Eines dieser Schattenwesen begann zu sprechen. Diese durchdringende Stimme konnte keinem normalen Menschen gehören.
„Er war dein Schutzengel!“ Trauer steckte in diesen Worten. „Seit dem Tod deines Freundes hat er dich beschützt.“ Nun schienen all diese Schatten zu weinen und stimmten einen Trauerchor an. Es hörte sich an, als sängen sie ein Abschiedslied.
„Aber wie...“ Diana konnte das nicht fassen.
„Du möchtest wissen wie? Ich erkläre es dir anhand der jüngsten Ereignisse.“ Während er sprach schien ein helles Licht auf den Toten. Von unsichtbaren Fäden wurde er gen Himmel gezogen. Dabei sangen die Schatten lauter.
„Derjenige, der an deine Tür vor einigen Tagen geklopft hatte, war nicht er, sondern ein Krimineller, der sich Zugang zu deiner Wohnung verschaffen wollte.“ Langsam fiel dieser Schatten von ihm ab. Er wurde vom Licht reingewaschen.
„Als du mit deiner Freundin zu dir nach Hause gegangen bist, hätte euch ohne ihn ein Wagen überfahren.“ Die schwebende Gestalt wurde von ihrer Schattenhülle befreit. Der Mensch, der darunter zum Vorschein kam, hatte große Ähnlichkeiten mit ihrem Freund.
„Und wärst du eben diesen Weg im gleichen Tempo weitergegangen, hätten dich die Ziegel der Ruine erschlagen.“ Diana kamen die Tränen.
„Er hat sich für dich geopfert, wie es auch seine Aufgabe war!“ Sie ging auf die Knie während er zum Himmel empor stieg. Gehüllt in göttliches Licht und begleitet von dem Trauergesang seiner Gefährten. Sie weinte.

Dann verschwand das Licht, der Nebel und die Schatten. Es hörte auf zu regnen. Diana wurde zurückgelassen. Sie kniete auf dem Asphalt mit gefalteten Händen und betete. Für sich, für Paula, für die ganze Welt. Aber vor allem, für ihren Schutzengel.

 

Hups! Da ist mir ein Fehler im Namen des Themas unterlaufen. Verdammt, wie krieg ich das 't' dahin?

 

Ich hab jetzt nicht weiter auf Fehler geachtet... aber: nett!
Ich fand das Ende sehr überraschend, sie hatte ja die ganze Zeit über das Gefühl, von etwas Bösem verfolgt zu werden und dann sowas... Kann sein, dass mir das Ende etwas
zu lang geraten erscheint... aber nee. Passt schon.

 

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