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Vergegnung

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16.08.2003
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Vergegnung

„Später einmal habe ich mir das Wort "Vergegnung" zurechtgemacht, womit etwa das Verfehlen einer wirklichen Begegnung zwischen Menschen bezeichnet war.“ (Martin Buber)

Die Schmerzen breiten sich in krampfartigen Schüben aus. Sie erreichen ihren Höhepunkt und verlassen meinen Körper, wie Wellen. Sie wollen mich aus deinem Haus herausspülen, ich klammer mich mit meinem Blick an dir fest, um der Strömung stand zu halten.

Gut siehst du aus. Aber das siehst du ja immer. Sicher, du tust eine Menge dafür. Ich will nicht ungerecht sein, nicht verbittert. Dein Hosenanzug glänzt in einem sanften Cremeton, in deinem frisch gewaschenen Haar schimmern kastanienrote Strähnen, deine Augen strahlen. Gut siehst du aus, wirklich. Meine beste Freundin war schon immer schön.

Die Dunstabzugshaube spiegelt die Bäume vor dem Fenster wider, jeder Millimeter der weißen Küchenarbeitsplatte blinkt, cremefarbene Rosen auf dem Tisch vor uns, passend zu deiner Kleidung. Du entfernst ein Haar von deinem Blazer, eines der braunen, auch deine Worte sind wie Wellen, gleichmäßig, ununterbrochen, überschwemmen mich und Smetanas Moldau, die leise aus den Boxen tönt. Was ist geschehen, dass du so weit weg von mir bist? Und wann, wann ist es geschehen? Du hast die Tür, durch die nur ich zu dir gelangte, geschlossen – so vorsichtig, dass ich es nicht gemerkt habe. War ich zu unaufmerksam?

„Carla? Carla, träumst du?“
Du siehst mich an, nicht vorwurfsvoll, vielmehr irritiert. Dein Blick prallt an mir ab und kehrt zu dir zurück. Leuchtende Augen, die nicht wahrnehmen, nichts bewegen. Ja, du hast Recht. Ich habe dir nicht zugehört, deinen Partybericht nicht bis zum Ende mitverfolgt. Ich glaube nicht, dass er sich auch nur durch eine winzige Kleinigkeit von den vergangenen unterschieden hat. Du hältst mich wohl für uninteressiert. Denkst du, dass mein Leben langweilig ist und ich nichts zu erzählen habe? Findest du mich langweilig?

„Bevor ich es vergesse – rate mal, wen ich gestern auf den Planken getroffen habe. John Meier. Erinnerst du dich? Er war mit uns in Englisch und ist kurz vorm Abi abgegangen.“
Ich lächle und nicke leicht. Du machst es uns einfach, sanft hast du uns aus der Sturmflut in ruhigere Gewässer geführt.
„Klar. Er war noch mit bei der Stufenfahrt in London.“
Wogen der Vergangenheit, der gemeinsamen. Alte Schulfreunde, die Theatergruppe, wir zusammen im Gargano campen, in Freiburg studieren, mein erster Kuss und du versteckt hinter dem Baum neben mir. Auch die Zuneigung nähert sich in Wellen. Das Glänzen deiner Augen ist nun aufrecht, auf deine Grübchen bin ich seit dem Kindergarten neidisch, wo ist die Maske, die sie gerade noch verdeckte? Ein Sonnenstrahl wandert über dein Gesicht. Ich möchte diesen Eindruck festhalten, ihn mir einprägen für die kommende Ebbe.

Die Türklingel spült den Augenblick davon. Du verlässt die Küche, öffnest, es ist dein Freund. Sein Name ist mir entfallen, selbst du nennst ihn nur „Schatz“. Du setzt dich wieder zu mir, bist noch verkrampfter, er steht hinter dir und gräbt seine Hände in deine Schultern. Merkst du nicht, dass auch er nicht der Richtige ist? Bekommst du überhaupt mit, wie aufgesetzt dein „Schatz“ klingt, wie gekünstelt dein Getue um ihn? Oder ist es echt und ich klammere mich an ein Abbild von dir? Er weiß nicht, wer du bist, du weißt es selbst nicht mehr, ich weiß es, ich erinnere mich. Er geht ins Bad und wir sind wieder alleine.

Du spielst mit deinem Handy, ich reiße kleine Fetzen von meiner Serviette. Auch auf ihr sind Rosen, cremefarben. Nie hat es früher solche Momente des peinlich berührten Schweigens zwischen uns gegeben. Stille ja, aber einvernehmlich, unser Zusammensein genießend, fließend.

„Und sonst, alles in Ordnung?“ Wieder bist du es, die die Ruhe durchbricht. Du warst schon immer die Mutigere von uns beiden. Dein Blick irrt nervös durch das Wohnzimmer, deine Aufmerksamkeit ist nicht bei mir. Dein Versuch ist halbherzig, oder scheint er mir nur so?
„Ja, alles beim Alten, nichts Neues.“ Was für eine Lüge. Ich hätte solch großartige Dinge zu erzählen. Der Urlaub mit Lars in Budapest, unser Erfolg bei der Wahl vergangenen Sonntag, die Sache mit dem Baby. Hast du mir einmal zu oft nicht zugehört? Hab ich Angst, du würdest meine Erlebnisse für banal halten und mich belächeln?
„Wenn das Wetter sich hält, wollen wir am Wochenende den Garten auf Vordermann bringen“, sage ich schließlich und du schaust befreit. Wie kann man mit einem Menschen, mit dem man sein Leben lang bis in die Tiefe getaucht ist, nur auf einer so belanglosen, seichten Ebene umgehen? Dankbar greifst du das Stichwort auf und erzählst von eurem neuen Gartenzaun. Erlösender small talk, der an der Oberfläche bleibt.

Als du das nächste Mal deinen Redeschwall unterbrichst, gebe ich mir einen Ruck.
„Ich bin schwanger, Friederike.“
Was habe ich erwartet? Du sagst, du freust dich für mich, du nimmst mich in den Arm, aber ich spüre die Distanz und warte auf die nächste Brandung.
„Das finde ich wirklich mutig von dir. Heutzutage gibt´s ja keine Garantie mehr – du weißt schon: Lars, der Job.“
Du hast deine Prioritäten klar definiert. Karriere statt Familie, After-Work-Partys statt Windelnwickeln. Ich wünschte, es würde mich nicht so mitreißen. Wann bist du nur zu der Überzeugung gelangt, dass ich mit dir nicht mithalten kann? Was hat mich zu meiner Auffassung gebracht, dass Politik wichtiger ist als Spaß haben, dein Leben weniger wert ist als meins?

Manchmal fühle ich mich, als spielten wir fangen. Ich jage meiner Kike hinterher, dem Menschen, mit dem ich groß geworden bin, deinen Zöpfen, deinen vom Spielen im Sand dreckigen Fingern, die das Wassereis umfassen und das Baumhaus hinaufklettern. Aber das bist du nicht mehr. Deine Hände sehen aus, als wären sie nie mit Dreck in Berührung gekommen. Erinnerungen, Wellen der Vergangenheit. Auch ich kaufe den Wein nicht mehr bei Aldi, meine Klamotten nicht länger bei Pimki und höre auch kein Take That mehr. Was erwarte ich? Haben sich unsere Wege nur vorübergehend voneinander getrennt, in unterschiedliche Abzweigungen, die wieder auf dieselbe Hauptstraße führen? Ich weiß nicht, ob ich mir das wünsche. Wie gerne würde ich dir all diese Fragen stellen, wie gerne.

Ich bin erschöpft von meinem Kampf gegen den Sog, der mich von dir entfernt.
„Ich muss langsam los, Lars wollte kochen“, sage ich kraftlos und stehe auf. Bilde ich es mir ein oder schaust du erleichtert?
„Schade“, antwortest du, in einer ungewohnten Stimmlage, und räumst das Geschirr ab.
Wir umarmen uns zum Abschied, wie immer seit über zwanzig Jahren. Küsschen links, Küsschen rechts, du bleibst steif wie ein Brett. Ich halte den Atem an, will nur noch raus, du schließt die Tür hinter mir, und ich entspanne mich.

„Geh nicht zu ihr. Sie tut dir nicht gut, Carla“, hat Lars heute früh zu mir gesagt. Er wusste, was auf ihn zukommen würde am Abend, stundenlange Diskussionen, Hinterfragen deines Verhaltens, meines Verhaltens. Er wird sie auch heute mit mir führen, ein letztes Mal, und mir beruhigend über den Kopf streicheln, wenn ich in seinen Armen liege. Natürlich. Du tust mir nicht gut, ich tu dir nicht gut, wir klammern uns an etwas fest, was längst vorbei ist. Nie war es so klar. Keine von uns hat Schuld daran. Oder wir beide, ganz wie du willst. Du wirst immer zu meinem Leben gehören, irgendwie. Dennoch ist es vorbei.

Ich schaue mich um, du stehst am Küchenfenster, du siehst traurig aus. Ich winke dir zu und gehe ein letztes Mal die Einfahrt eures Hauses hinunter. Ich werfe mich in die Welle, die mich von dir wegtreibt, endlich. Ansonsten wären wir vollends untergegangen.

 

Hallo Juschi,

auch wenn ich dies nicht deine beste Geschichte finde, so finde ich sie doch gut. Die Entfremdung hast du in den Bildern von Wellen gut dargestellt. Manchmal ist es schwer zu begreifen, dass etwas nicht wieder kommt, dass man es nur in seinem Herzen bewahren kann dankbar für die gemeinsame Zeit.
Deine beiden Protagonisten müssen das schmerzhaft lernen. Wünschen wir ihnen, dass sie beginnen, ihr Leben zu leben.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Juschi,

der Titel deiner Geschichte hat mich neugierig gemacht. Sehr schön beschreibst du die Entfremdung der Prot.! Vermutlich wollen beide, dass es wieder so wird, wie früher. Bei ihren Begegnungen unterhalten sie sich nur über belanglose Dinge, weil sie sich beide in unterschiedliche Richtungen bewegt haben. Vielleicht muss man manchmal auch bei Freundschaften akzeptieren, dass der Andere sich verändert hat - und versuchen mti dieser Veränderung zu leben, anstatt ständig den alten Zeiten nachzutrauern.

Deine Geschichte hat mir sehr gefallen - wie auch meine Vorgänger fand ich besonders dieses Bild der Wellen sehr schön.

Nicht so gut gefallen hat mir die Du-Anrede. Das ist allerdings Geschmackssache.

LG
Bella

 
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Heyhou Juschi,

ein schöner Text, der mich anspricht und mir realistisch erscheint. Deine Protagonistinnen wirken mit ihren Leben und ihren Erinnerungen sehr authentisch, deine Sprache ist gewohnt stilsicher und deine Metaphern sitzen. Gerade die letzte, mit der Welle, ist großartig.

Meines Erachtens hätte dem Text ein bisschen mehr Handlung gut getan. Diese hättest du auch in kurzen Beispielen für die Entfremdung oder kleienren Rückblenden vermitteln können, so ist mir das Erzähltempo fast ein bisschen zu langsam. Einerseits wird dadurch die langsame Wandlung verdeutlicht, andererseits gerätst du dadurch aber auch in die Gefahr, auf der Stelle zu treten.

Ich hatte gen Anfang Probleme, mir über die Figurenkonstellation im Klaren zu werden. Ich ging zunächst von einem Pärchen aus, das war vielleicht beabsichtigt. Wenn nicht, würde ich früher die Namen oder den Freund einführen.

Wer ist Gregor?

lieben Gruß,
Anea

 

Hallo Juschi,

deine Geschichte ist interessant geschrieben, obwohl ich sie zwei mal lesen musste, um sie zu verstehen. :confused: Das lag wohl an den sprunghaften Wechseln zwischen Beobachtungen, Gedanken und Selbstzweifeln, durch die das aufgewühlte Gefühlsleben der Protagonistin jedoch gut vermittelt wird.

Zitat:
Du pflückst ein Haar von deinem Blazer, eines der braunen, auch deine Worte sind wie Wellen, gleichmäßig, ununterbrochen, überschwemmen mich und ...

Das 'auch deine Worte sind wie Wellen' passt meiner Meinung nach nicht zum ersten Teil des Satzes.

Die Beschreibung der Wellen :thumbsup: - ein schönes Bild.


Zitat:
Leuchtende Augen, die nicht wahrnehmen, nichts bewegen.

nichts wahrnehmen


Zitat:
Dein Blick irrt nervös durch das Wohnzimmer,...

Waren sie vorher nicht in der Küche?


Eine schöne Geschichte über die Entfremdung zweier Freunde.

Lieben Gruß
Josch

 

Hallo Zusammen,

das ging ja mal wieder schnell. :) Danke für´s Lesen und für eure positiven Worte inklusive hilfreiche Anregungen.

@ Crazey Janey: Deine beiden Detailanmerkungen werde ich gleich korrigieren, danke für deinen gewohnt genauen Blick. Zum Thema Schwangerschaft - da triffst du einen wunden Punkt. Aber was hätte ich nehmen können, was nicht ins Klischee abgedriftet wäre? Arbeitslosigkeit? Heirat? Tod eines nahestehenden Menschen? Hat mich alles nicht wirklich überzeugt, aber ich denk nochmal drüber nach.

@ sim: wenn du dies für meine beste Geschichte gehalten hättest, wäre ich beleidigt gewesen. ;) Nein, ernsthaft: sie ist mit Sicherheit auch nicht die Geschichte, die mir am meisten am Herzen liegt, sie ist eher nebenbei entstanden. Wenn ich sie auch trotzdem mag.

@ Bella: Ja, vielleicht ist es wirklich so, dass manche Freundschaften einfach so zu Ende gehen. Die Gradwanderung zwischen zu früh aufgeben und zu lange an etwas festhalten finde ich allerdings schwierig. Ich bin normal auch kein Fan der direkten Anrede, aber hier fand ich sie passend.

@ Ann: Ach ja, mein übliches Problem des Handlungsdefizits. Die Geschichte soll natürlich langsam sein. Aber wenn es tatsächlich zu wenig ist - ich schau nochmal. Die Beziehung der beiden ist am Anfang mit Absicht unklar und wird dann nach und nach deutlicher. Und Gregor? Weisst du Gregor, Gregor ist Carlas Ex, mit dem sie trotz Lars doch nochmal in den Urlaub ist, wovon sie Friederike endlich beichten wollte. Ne, Blödsinn - ist ein Fehler, wird korrigiert. Danke!

@ Josch: die Sprünge hast du ja selbst erklärt. Realität wechselt mit Erinnerungen, Zuneigung mit Schmerz, wie Wellen eben ;) Deine letzte Anmerkung werde ich gleich berücksichtigen. Zu den anderen:

Das 'auch deine Worte sind wie Wellen' passt meiner Meinung nach nicht zum ersten Teil des Satzes.
das "auch" deshalb, weil vorher schon die Schmerzen Wellen ähnelten.
Leuchtende Augen, die nicht wahrnehmen, nichts bewegen.
ich meinte tatsächlich nicht wahrnehmen - in dem Moment nicht, und zwar bezogen auf Carla.

Liebe Grüße an euch,
Juschi

 

Hallo Juschi,

eine sehr gut geschriebene, leider aber auch eine sehr traurige Geschichte. Textkram kann ich nicht mehr viel bieten, auf den falschen Gregor hat dich Anea ja schon hingewiesen. Zu Beginn der Geschichte bin ich noch davon ausgegangen, dass Carla und Friederike mal ein Paar gewesen sind - frag mich nicht, warum. Egal. Auch so ist es eine Geschichte, die in Erinnerung bleibt, weil sie jeder wohl irgendwann einmal erlebt (hat).

Der Satz, der mich am meisten berührte, weil er Mitten ins Herz trifft:

„Und sonst, alles in Ordnung?“
Mensch, so was passiert ständig - und tut doch immer wieder weh. Schön beobachtet.

Gruß
George

Edit: Mist, vergessen: Wie Crazy Janey schon sagte - der Titel ist klasse! Ein echter Anklicker ;)

 

Hallo Juschi,

mich hat es an einer Stelle ziemlich rausgehauen, und zwar bei: "Ich bin schwanger, Friederike."

Und zwar deswegen, weil ich den Ich-Erzähler für männlich gehalten habe. Bei "Carla, Carla träumst du?" dachte ich: "Carla" ist gleich "Du". Ich dachte, das wird ein Eifersuchtsdrama. (Und das kommt wahrscheinlich wieder daher, dass ich Juschi für ein männliches Pseudonym gehalten hab. Mir geht es auch bei Lesungen so: Wenn ein Mann einen Ich-Text vorliest, halte ich das Ich instinktiv für männlich. Wenn es dann nach ein paar Seiten heißt: Ich bin schwanger, dann falle ich raus. Wenn du den Text persönlich vorgelesen hättest, wärs anders gewesen.)

Bei dem Satz:
... die Tür, durch die nur ich zu dir gelang, ...
habe ich an die bekannte Erzählung "Vor dem Gesetz" von Kafka denken müssen. Die, wo ein Mann bis an sein Lebensende vor dem Eingang zum Gesetz warten muss. Das war vielleicht keine Absicht, aber ein Text kann ja mehr Assoziationen hervorrufen, als man sich als Autor träumen lässt, oder?

Mir gefällt die Erzählhaltung mit dem "Du". Ob wohl es ja genug solche Storys gibt, ist es noch nicht so oll wie "Ich" oder "Er/Sie".

Gut finde ich auch, dass es nicht larmoyant klingt. Die Dialoge klingen natürlich.

Nicht so gut gefallen hat mir die Metaphernwahl. Die Metaphernwelt ist eine seemännische mit vielen Wogen und Wellen. Ein bisschen künstlich, finde ich, da die Geschichte ja nicht auf einem Schiff oder im Seemannsmilieu spielt. Es klingt ein bisschen so, als hättest du nach einer Metapher gesucht - anber nicht in der Geschichte, sondern irgendwo anders.

Zweitens passiert mir persönlich zu wenig in der Geschichte. Viel Konfliktstoff, viel Psychokram, aber wenig Körpersprache dazu, wenig Handlung. Es ist eher eine Problemgeschichte mit viel Innensicht, viel Reflexion.

Trotz meiner Einwände eine ganz ordentliche Story, finde ich.

Grüße,
Stefan

P.S.: Bei der Lektüre der Kommentare musste ich feststellen, dass anderen die Wellenmetapher gut gefallen hat. Tja, so kanns gehen. Ich finde immer noch: Vielleicht sind die Metaphern schön. Aber sie sind nicht so arg passend, sorry. Anea hatte anscheinend ein ähnliches Frau-Mann-Problem wie ich - vielleicht solltest du irgendwo am Anfang einen Hinweis auf das Geschlecht des Ich-Erzählers einbauen? In welcher Beziehung die beiden Frauen stehen, woher ihre enge Verbindung kommt, ist ja immer noch Rätsel genug, oder? Anea hat auch die fehlende Handlung bedauert, ds tröstet mich.)

 

Hallo George, hallo leixoletti,

danke für´s Lesen und eure Anmerkungen.

Okay, ich seh also, ich muss dringend was tun, um das Verhältnis der beiden früher zu klären, damit es nicht zu Mißverständnissen kommt. Wird sich denke ich machen lassen.

@ leixoletti: Eins ist sicher - Juschi ist definitiv weiblich. :D Zur Wellen-Metapher: Hm. Sie ist tatsächlich aus der Geschichte entstanden, wie von selbst, und ich fand sie dann auch passend, da sie die Gefühlsschwankungen, den Wandel im Laufe eines Lebens verdeutlichen. Und an das Handlungsdefizit gehe ich wirklich nochmal ran, wenn sich das auch zum Dauerproblem bei mir entwickelt.

Liebe Grüße,
Juschi

 

Der kurze Text erzählt vom Ende einer langjährigen Freundschaft, einer Freundschaft, die im Kindesalter begann und sehr unauffällig abhanden gekommen sein muß.

Carla, die Protagonistin bemerkt bei einem gemeinsamen Abend die Differenzen, die veränderten Vorzeichen. Ihre Sprache verrät Resignation, ihre Urteile erscheinen so reflektiert, daß der Verdacht naheliegt, sie hätte schon vor längerer Zeit Abschied von ihrer Freundin genommen.

Interessant und auch betrüblich ist die eigenartige Passivität der Protagonistin. Sie scheint unfähig, an der Situation etwas zu verändern, auch nur in irgendeiner Weise steuernd auf sie einzuwirken. So es Dir um eine solche Darstellung zu tun war, muß ich zugestehen, daß sie gelungen ist.

Permanent baut der Text eine See-Metaphorik auf, die m.E. nicht überall glückt. In ihr ist das Grundmotiv zu finden: wir alle sind nur Teilchen, die auf einem großen Meer schwimmen, mal werden wir in die eine Richtung, mal in die andere getrieben, nebeneinander, aufeinander zu und endlich und unabänderlich auseinander.

Insgesamt bin ich nicht allzu begeistert von diesem Text. Ein merkwürdiger Vorwurf (gerade von meiner Seite): es geschieht nicht sonderlich viel, zu statisch erscheint mir die Szene. Weder auf der Handlungs- noch auf der Gedankenebene findet eine Bewegung statt, es bleibt bei einer Beleuchtung der Situation.

Und was die Sprache angeht, so bin ich überzeugt, daß Du da noch Einiges verbessern kannst. Hierzu ein bißchen Kleinkram:

  • Die Schmerzen breiten sich in krampfartigen Schüben in mir aus. - "in" doppelt
  • Dein Hosenanzug in einem sanften Cremeton, in deinem frisch gewaschenen Haar schimmern kastanienrote Strähnen, deine Augen strahlen. - Dem ersten Teil fehlt ein Verb, finde ich.
  • Du pflückst ein Haar - "pflücken" gefällt mir nicht besonders, wie wäre "picken" oder eine Konstruktion mit "retten" oder "sammeln"?
  • überschwemmen mich und Smetanas Moldau, die leise aus den Boxen tönt. - Diese Mischung von Bildern stört mich hier.
  • Für diesen Einwand muß ich mich von vornherein entschuldigen: Was ist geschehen, dass du so weit weg von mir bist? - Hier mischst Du die Frage nach einem Vorgang mit einem Zustand, ist das beabsichtigt?
  • sanft hast du uns aus der Sturmflut in flaches Gewässer geführt. - Verständlich, aber "flach" ist kein Gegensatz zu "stürmisch". Mir gefiele "ruhiges Gewässer" besser, noch besser (etwas abgeschwächter) "ruhigere Gewässer".
  • ich klammere mich an ein Abbild von dir - Weshalb "Abbild" und nicht "Bild"?
  • Sein Name ist mir entfallen, auch du nennst ihn "Schatz". - Wer denn sonst noch? Wie wäre:auch nennst du ihn nur Schatz
  • Ich werfe mich in die Welle, die mich von dir wegtreibt, endlich. Ansonsten wären wir vollends untergegangen. - Der Schluß ist mir ein wenig zu holperig, ich bin überzeugt, daß Du das viel besser formulieren kannst.

 

Hallo Juschi,
ich fand deine Geschichte toll. Ich finde auch, es passiert genug; die Sinneseindrücke verknüpft mit Gedanken und Gefühlen.
Mit dem Titel habe ich etwas Schwierigkeiten: ich bin dadurch neugierig geworden, aber das Zitat am Anfang gefällt mir nicht. Es kanalisiert so die Erwartungshaltung; hat die Geschichte nicht nötig.Vielleicht besser am Schluss? Wenn überhaupt?

"flaches Gewässer" finde ich besser als " ruhig" (im Gegensatz zu Cbrucher); auch möglich: "seicht", weil das ja die Doppelbedeutung zu Thema betont. aber schwingt schon in "flach" mit.

Dass es sich um zwei Frauen handelt, brauchst du nicht deutlicher zu machen. Das zeigt doch eher unsere klischeehafte Wahrnehmung auf, dass wir von einem Paar ausgehen.

Gruß, Elisha

 

Hallo Juschi,

eine sehr melancholische Geschichte über das Problem des "älter werdens". Wir verliren unsere Jugend und alles, was damit in Verbindung stand, aus den Augen und dazu gehören leider auch Freundschaften. Wenn man eine Familie aufbaut, ist es in den meisten Fällen so, dass man nach und nach seine Freunde aus dem Blick verliert. Jeder geht seinen eigenen Weg und wo man sich zuvor noch mehrmals die Woche gesehen hat, wird schließlich ein jährliches Treffen draus...Schade eigentlich...
Gern gelesen! Keine negative Kritik!

Einen lieben Gruß...
morti

 

Hallo Juschi,

ein stark melancholischer Text...ein Abschied von dem was einst gewesen ist. Mir haben die stilistischen Elemente zur Wasser-Metaphorik gut gefallen.
Anfangs dachte ich, Carla trauert um ihre vergangene Liebe, vermutete eine lesbische Beziehzung. Der von dir schließlich erzählte Konflikt, die Erkenntnis, die langjährige Frauenfreundschaft ist nur eine Lebensabschnittbeziehung gewesen, hat mich ein wenig entäuscht. Karriere oder Kind, die K-Frage unter Frauen ist mir zu eindimensional geraten. Aber du hast die Geschichte ja unter Alltag nicht unter Gesellschaft gepostet. ;)

Auf alle Fälle gerne gelesen :)
LG
Goldene Dame

 

Hallo cbrucher, Elisha, morti und Goldene Dame,

danke für´s Lesen und eure Anregungen.

@cbrucher:

Ihre Sprache verrät Resignation, ihre Urteile erscheinen so reflektiert, daß der Verdacht naheliegt, sie hätte schon vor längerer Zeit Abschied von ihrer Freundin genommen.
Ja. Das Ende deutet hoffentlich an, dass es schon mehrere solcher Situationen gab. Deshalb auch ihre Passivität. Sie kämpft nicht mehr für diese Freundschaft, sie tut nichts, um eine Annäherung zu erreichen. Sie katipuliert. Ich weiß, mal wieder das Thema der Passivität, ich arbeite daran. ;)
Permanent baut der Text eine See-Metaphorik auf, die m.E. nicht überall glückt.
Ich schau mir die einzelnen Stellen nochmal an, du bist ja nicht der erste, der darauf hinweist. Die Metaphorik sollte die Passivität unterstreichen. Sie wird getrieben, sozusagen ohne zu paddeln.
Das Handlungsdefizit ist natürlich (mal wieder) ein wunder Punkt, da stimme ich dir zu. Deinen Detailanregungen werde ich mich jetzt in Ruhe widmen.

@ Elisha: das es um zwei Frauen geht, ist bereits deutlicher, in dem ich bereits zu Beginn darauf hinweise, dass es ehemalige beste Freundinnen sind. In Bezug auf deine Titel-Kritik muss ich dich enttäuschen - ich finde ihn gelungen, weil er exakt wiedergibt, was geschieht.

@ morti: Danke! Täusche ich mich oder gibt es von dir nicht auch eine Geschichte über das Ende bzw. die Weiterentwicklung von Freundschaften?

@Goldene Dame:

Karriere oder Kind, die K-Frage unter Frauen ist mir zu eindimensional geraten.
Ja, mir auch, mir ist nur noch keine gelungene Alternative eingefallen. Vielleicht gelingt es mir, wenn ich jetzt nochmal an die Details gehe.

Liebe Grüße,
Juschi

 

Da fragst du mich etwas...hmmm...bestimmt, aber ich kann dir jetzt wirklich keinen Titel sagen. Kannst ja mal alle lesen und mir sagen, wenn du sie gefunden hast ;)

 

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