Verkracht
„Kannst du nicht einmal aufhören dich zu beschweren? Es geht nicht alles immer nur nach deinem Kopf!“
Schon wieder ein Streit. Schon wieder über etwas vollkommen belangloses. Konnten die Beiden das nicht einfach mal lassen. Einmal nett zueinander sein. Noch nicht einmal an meinem 18. Geburtstag hielten sie sich zurück. Doreen hatte genug davon, drehte sich um und lief in die Küche um sich noch einmal von dem Whisky in ihr Glas zu füllen.
„Audrey, kannst du mal in die Küche kommen, bitte.“ Sie wollte noch einmal mit ihrer Besten Freundin reden. Vielleicht konnte sie sie wieder beruhigen. „Hey, Doreen. Was ist denn los?“ „Tu doch nicht so als wäre nichts. Du weißt genau was los ist.“ Alle anderen Gäste waren draußen im Garten. Die Küche hatte Doreen extra abgeschlossen, damit sie sich in Notfällen zurückziehen konnte. Das hier war so ein Notfall.
„Kannst du nicht einmal meinen Freund in Ruhe lassen? Müsst ihr euch denn immer streiten? Ihr könntet euch wenigstens mal für meinen 18. Geburtstag zusammen reißen!“ Ihr stiegen heiße Tränen in die Augen. Sie hatte wohl schon etwas zu viel getrunken. Sonst war sie nämlich nicht so verletzlich. Sie nahm sich ein Stück von der Küchenrolle und wischte sich über die Augen.
„Es tut mir Leid Doreen. Wirklich. Aber ich kann nicht anders wenn er mich doch die ganze Zeit provoziert! Ich bin ja nicht allein Schuld daran! Oder glaubst du ich mache das für extra?“
Ja, das glaubte sie. Auch wenn Doreen wusste, dass es nicht so war, es fühlte sich so an.
„Nein, tue ich nicht. Aber ihr könntet ja immerhin versuchen euch, wenigstens heute, zusammen zu raufen. Ihr müsst ja nicht miteinander reden, euch sehen, euch angrinsen oder sagen, dass ihr euch mögt! Geht euch doch einfach aus dem weg. Bitte. Dann gäbe es keine Streits mehr.“
Audreys Blick verriet, dass es ihr eigentlich viel zu anstrengend war dieser Bitte nachzugehen. Doch da es ihre Beste Freundin war, die diese Bitte aussprach musste sie es immerhin versuchen.
„Ja, okay. Weil du es bist. Ich geh ihm aus dem Weg, aber sag ihm das auch noch mal, ja?“
Doreen nickte und drehte sich um, um nach ihrem Glas zu greifen. Sie hatte keine Ahnung was der Inhalt war, aber es brannte in ihrem Hals wie Feuer. Audrey verstand dies als Aufforderung zu gehen und verließ die Küche, indem sie die Tür geräuschvoll zu schlug.
Ungefähr zehn Minuten später stand Doreen ganz allein in der Küche ihrer Eltern. Von außerhalb dran laute Musik und Gelächter zu ihr. Plötzlich, mit einem Ruck öffnete sich die Tür und Clay trat ein. Die Beiden waren schon seit drei Jahren ein Paar und immer noch glücklich. Das Einzige, was Doreen störte war, dass Clay und ihre Beste Freundin Audrey sich auf den Tod nicht ausstehen konnten. Sie fingen immer wieder Streit an und das aus den lächerlichsten Gründe.
„Könnt ihr euch nicht einmal nicht Streiten!?“ Schon wieder brannten Tränen in ihren Augen, diesmal konnte sie sie nicht unterdrücken. Jetzt rannen sie ihr in Strömen über die Wangen.
„Oh Doreen. Wein doch nicht. Es tut mir Leid. Es ist nur immer so, dass sie mich so provoziert. Sie sagt immer einen Satz der mich richtig aufregt. Darauf sage ich meist nur zurück, dass sie mich in Ruhe lassen soll und sie fängt einen riesen Streit an! Dafür kann ich wirklich nichts!“ Er setzte, wie immer, seinen Dackel-Blick auf und hoffte, sie könne ihm nicht lange Böse sein. Das konnte er diesmal vergessen. Sie war sauer, richtig sauer. Auf Beide. Und gerade als sie Luft holte um noch etwas zu sagen, öffnete sich die Tür und Audrey stürmte herein.
„Doreen, es tut mir Leid, aber ich muss gehen. Meine Mutter hat gerade angerufen. Es ist etwas mit meinem Vater. Kannst du mich schnell nach Hause fahren? Bitte! Nach Hause zu laufen dauert viel zu lange. Bitte Doreen, bitte!“
Doreens Tränen waren schon getrocknet, nun war es an der Zeit andere Tränen zu trocknen.
„Natürlich, komm.“ Sie griff nach den Autoschlüsseln und wendete sich zum gehen. „Nein. Ich hab schon zu viel getrunken. Clay?“ Doreen blickte zu ihrem Freund, dann zu Audrey. Die Blicke, die Beide zurück warfen glichen sich in ihrer Aussage: Nein, nicht diese Person! Aber anders ging es nun mal nicht. „Bitte Clay. Tu ihr, und mir, den Gefallen. Nur dies eine Mal.“
Nur widerwillig stimmte er zu. Nur für seine Freundin, nur dieses eine Mal. Er nahm sich den Schlüsseln und ging, gefolgt von einer nicht sehr glücklich drein blickenden Audrey, zum Wagen.
„Auch wenn ich dich nicht ausstehen kann, danke.“ Audrey versuchte diesen Satz mit einem lächeln zu unterstützen, schaffte aber nur das verziehen ihrer Mundwinkel zu einer Grimasse. Clay antwortete gar nichts. Er wollte das Ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Es war Dunkel. Die Straßen durch die Stadt waren mit Schlaglöchern übersät. Der Wagen holperte mit 80 km/h durch die kaputten Straßen mit ihren vielen Kurven. Audrey wurde es etwas schlecht. Das er nicht mal langsamer fahren konnte. Aber sie sagte lieber nichts, damit sie sich nicht schon wieder stritten.
Es waren noch drei Häuserblocks und er wurde immer schneller. Jetzt reichte es ihr. „Fahr doch bitte nicht so schnell. Du bringst uns noch um!“ Ein Seufzen. Konnte sie nicht einmal den Mund halten. „Es sind doch nur noch drei Blocks, reg dich nicht so auf.“ Sie hatte sich so eine Mühe gegeben ruhig zu bleiben, doch sie konnte nicht. „Jetzt fahr langsam!“ Oh Gott, wie er sie hasste. Dieses ständige Nörgeln. Er schloss kurz die Augen, damit er sie nicht an schrie. Plötzlich hörte er einen Schrei, doch er kam nicht von ihm und er klang auch nicht wütend. Der Schrei hörte sich eher ängstlich an. Er blickte hinüber zu Audrey. Ihre Augen waren vor Angst und entsetzten riesig. Er fragte sich wieso bloß.
Er blickte wieder auf die Straße, von welcher er nur eine Sekunde lang abgelenkt war. Doch es gab keine Straße mehr. Nur noch einen Baum. Eine mächtige Eiche. Mit einem Stamm, der viel zu breit und dick war für ihren Wagen. Der Baum kam immer näher. Clay hatte keine Zeit mehr auszuweichen.
Man konnte noch in weiter Ferne den Rauch sehen, der vom Rest des Autos aufstieg. Die Schreie der Insassen hallten noch eine Weile in der Stille der Nacht bis sie letztendlich verstummten. Nun was die ständige Streiterei vorüber. Mit ihrem letzten Herzschlag vergaben sich die Beiden und waren für einander da als sie es am Nötigsten hatten.