Was ist neu

Verlangen

Mitglied
Beitritt
11.03.2008
Beiträge
15

Verlangen

Nun versuche ich es schon seit vielen Monaten. Immer noch nicht habe ich das, wonach ich mich sehne, genau im Blick. Und der fixiert nun zuallermeist den Bildschirm meines Notebooks.
Diesen Weg zu nehmen, erschien mir Anfangs überaus vielversprechend, vor allem aus eigentlich praktischen Überlegungen heraus: Denn habe und hatte ich nur selten die benötigte Zeit, um auf andere Weise mein Ziel, das wohl das Ziel eines Jeden ist, zu erreichen und bin, auch wenn ich es eigentlich verabscheue, aufgrund meiner Lebensumstände dazu gezwungen, alles genau zu organisieren und zu planen.
Andernfalls, ich hätte es wohl auf andere Weise versucht. Ich hatte nie große Probleme damit, so war es mir erst unangenehm, ja sogar peinlich. Doch schon nach dem ersten Mal legten sich diese Gefühle.

Sie war fünf Jahre jünger als ich, Ende zwanzig. Als ich sie traf, führte ich sie in ein italienisches Restaurant. Es sollte, so beschloss ich bei der Auswahl, nicht zu teuer, aber auch nicht zu billig wirken, eine angenehme, offene und beschwingte Atmosphäre haben und dennoch auch ein intimeres Kennenlernen ermöglichen.
Wir tranken herben Rotwein, der bald die Stimmung hob. Ich erinnere mich an ihre Grübchen beim Lächeln. Ich dachte, sie wäre eigentlich perfekt.
Als es schon spät war und wir beide, wohl etwas angeheitert, ohne Eile auf der nächtlichen Straße entlang spazierten, kehrte die typische, im Laufe jenes Abends aber schon besiegte Nervosität der ersten Verabredung wieder zurück, sich ausdrückend in Gekicher und endlich in einem erst vorsichtigen Kuss, der rasch fordernder wurde.
Als ich die Schlüssel zur Wohnung aus meiner Jackentasche kramte, während meine Begleiterin von hinten über meine Brust streichelte, fiel dumpfe Müdigkeit auf mich herab und ließ meine Wangen, wie ich darauf im Badezimmer erkennen konnte, fahl und eingefallen wirken. Wahrscheinlich, dachte ich, vom Wein, von der Wärme ihrer Berührungen.
Danach erinnere ich mich nicht an mehr, als an einzelne, stumme Bilder: Von meinen Händen um ihre bloßen Hüften, ihrem Haar, wie es ihr Gesicht verbarg, von der schönen Akzentuierung ihrer Schulterpartie.
Die Erinnerung ist verschwommen, aber glaube ich, dass diese Nacht mit ihr doch schön war.
Dem ganz zum Trotz war ich am nächsten Morgen erleichtert, als sie von mir fort ging. Auch ihr Lächeln, dass ich so anziehend fand, und die Gedanken an den vergangenen Abend konnten daran nichts ändern. Wir machten miteinander aus, uns wieder zu sehen, doch vermied ich es mit allerlei Ausreden, das Versprechen eines baldigen Wiedersehens in die Tat umzusetzen. So entschied ich mich dazu, meine Suche fortzusetzen.

Ich durchforstete weiter die Profile. Ein Meer von Bildern, Lieblingsfilmen, Büchern, Leitsätzen, Träumen, beruflichen Werdegängen. In wenigen Zeilen aufbereitete, meist leicht verdauliche Lebensstilcocktails, mit einem Schuss berechnender Abweichung, die immer im Rahmen bleibend niemals zu grob ausfiel. Instabile Konglomerate von Eigenschaften und Vorlieben, die erst nach den Treffen ihre vollendete Festigkeit erhielten.
So seltsam es auch klingen mag, genau diese Einzelteile waren es, die ich genoss und immer noch genieße. Die Bausteine, die wie in einem Kinderzimmer, zwar verstreut und vielleicht sogar sorglos, aber nicht ganz ohne Grund da waren. Niemals war es der „ganze“ Mensch. Der Mensch, der sich beim Treffen üblicherweise von seinem Profil herauszuschälen versucht, ähnlich einer Puppe, die sich aus ihrem Kokon herauswindet. Fakt ist, dass dies Befreien zumeist auch gar nicht gelingt, vielleicht nicht gelingen kann. Und wenn es doch gelingt, so bleibt meistens nicht mehr viel übrig: Nimmt man Schnitzler aus dem Regal, kommt dahinter eine Fläche zum Vorschein, die manchmal rau und manchmal glatt, aber doch immer ebenmäßig und einfach beschaffen ist, nur selten findet man das Unerwartete.
Natürlich, ich sehe die ganzen Menschen mit ihren Geschichten und sie können mich berühren. Ich höre zu und fühle, das muss ich mit Bestimmtheit hinzufügen, wahrhaftig etwas. Und wenn es nicht die Menschen selbst sind, dann doch zumindest ihre Geschichten, die mich machtvoll ergreifen. Nur ist dies einfach nicht, was das Verlangen zu wecken vermag, nicht das, was die Spannung hervorbringt, die uns zu Glimmen bringt.

Die Photographien auf der Partnerseite andererseits vermögen es, auf eine bestimmte Art mein Interesse zu wecken. Ausschnitte, ein Portrait von der Seite, vom Nabel bis zum Kopf, von Beinen und sogar vom Rücken, von Tätowierungen auf den Unterarmen. Doch was mich fasziniert ist, was auf diesen Bildern nicht gezeigt wird. Im Geiste vervollständige ich die Teile zu einem Ganzen. Vielleicht erscheinen mir die Bilder auch deshalb geradezu obszön, sie versperren mir durch ihre Ausschnitthaftigkeit den Blick auf etwas und geben mir zugleich erst die Möglichkeit, mehr zu sehen. In dieser Unbestimmtheit manifestiert sich dann, so vermeine ich zu wissen, auch erst das, was mich dazu bewegt, eine Kontaktaufnahme anzustreben.

Immer wenn ich eine Frau über die Partnervermittlungsseite kennenlerne, ergeht es mir ganz ähnlich wie mit der Ersten. Doch kann ich nicht damit aufhören, denn, es muß doch einmal etwas über diese Farce, über diesen schlechten Witz - ich möchte beileibe nicht von Glück reden, aber es muss doch etwas darüber hinausgehen.
Es liegt nicht an der Art des Kennenlernens, über diese Seite im Netz, es liegt an etwas anderem, nur mühsam greifbaren: Welche Verwandlung sich vor mir abspielt, wenn ich einer von ihnen, zum Beispiel im Cafe, gegenüber sitze und das Lächeln des Profilphotos wiedererkenne, was geschieht, wenn ich bei ihr bin und sie anfängt, sich zu entkleiden, oder sie mir, nach mehrmaligen Treffen gesteht, dass sie sich in mich verliebt hätte, ist schwer zu beschreiben. Ganz so, als würde man eine Lupe zu Nahe an eine Schrift halten. Etwas, das da war, etwas, das doch so sicher da gewesen sein muss, wird unkenntlich fast bis zum Verschwinden. Neugierde und Lust weichen dem Gefühl eines fast schon unerträglichen Mangels. Und es ist mir jedes Mal ein Blick in einen Nebel, der nichts mehr verspricht.

 

hmmm....
Internetnerd checkt sich lauter chicks über online dating ab, möchte aber mit keiner so richtig was anfangen, sobald er sie hat, und sucht dann immer weiter...
Das ist für mich so der Inhalt dieser Geschichte. Dann kommen noch sehr viele nicht ganz uninteressante Überlegungen und Beobachtungen dazu, über das Wieso und Warum und Weshalb.
Also am Ende verstehe ich dein Prot nicht so ganz wenn ich ehrlich bin, aber muss ich vielleicht auch nicht. Eventuell ist er einfach ein äußerst introvertierte Player, der gern viele Frauen hat und sich einfach nicht binden will? So eine Art introviertierter Snoop Dogg, der sich seine Gangsterheit einfach nicht eingestehen will?
Übrigens komisch, dass er sich nicht mehr an den Sex erinnern kann... für dich vielleicht praktisch, aber nicht logisch. Vielleicht ist das sein Problem?

Ich durchforstete weiter die Profile. Ein Meer von Bildern, Lieblingsfilmen, Büchern, Leitsätzen, Träumen, beruflichen Werdegängen. In wenigen Zeilen aufbereitete, meist leicht verdauliche Lebensstilcocktails, mit einem Schuss berechnender Abweichung, die immer im Rahmen bleibend niemals zu grob ausfiel. Instabile Konglomerate von Eigenschaften und Vorlieben, die erst nach den Treffen ihre vollendete Festigkeit erhielten.

hat mir gut gefallen, die Stelle.

interessanter Text.

mfg,

JuJu

 

Lieber JuJu,

Danke für deine Kritik! Hm, ich wollte den Prot meiner Intention nach eigentlich weder als Nerd noch als Snoop Dog darstellen. Ich war mir schon beim Schreiben dessen bewusst, dass es leicht zu so einer Interpretation kommen könnte, weshalb ich dann auch schon im ersten Absatz versuche, diese Vorstellungen mehr oder weniger präventiv zu entkräften.

Dass der Sex fehlt, ist zwar tatsächlich praktisch für mich, andererseits dient dieses Fehlen aber auch dazu, das, was ich eigentlich aussagen wollte, noch ein bißchen näher zu umschreiben: Und so ganz fehlt er ja auch gar nicht, zumindest der Beginn, auch in seiner Erinnerung.

Danke und lg,
tagträumer

Hallo hebelnebel,

Danke auch dir für deine Kritik. Hm, ich vermute dass du recht damit hast, dass ein bisschen zu wenig Geschichte passiert. Von dem her krankt es wohl etwas an der Umsetzung, ich wollte sie aber auch nicht unnötig in die Länge ziehen. Außerdem handelt es sich zum Teil auch um Vorstellungen und Gedanken, die sich nur sehr schwierig in Taten ausdrücken lassen: Dass ich eine Partnerbörse als Ausgangspunkt genommen habe, war ein Versuch in die Richtung, die Gedankenwelt mit den Handlungen des Protagonisten in Einklang zu bringen, auch wenn ich da bald gemerkt habe, dass dadurch wieder eine Unschärfe entsteht, was meine ursprüngliche Intention anbelangt.

beste Grüße,
tagträumer

 

Hallo Tagträumer!

Nun versuche ich es schon seit vielen Monaten. Immer noch nicht habe ich das, wonach ich mich sehne, genau im Blick. Und der fixiert nun zuallermeist den Bildschirm meines Notebooks.

Das find ich als Einstieg fad. Das liegt am ersten Satz, der so überhaupt nichts weckt, und dann an der umständlichen Formulierung der nächsten Sätze. "Immer noch nicht habe ich ..." Warum nicht: "Ich habe noch immer nich das im Blick, wonach ich mich sehne." Und dann stört das "zuallermeist" im nächsten Satz.

Diesen Weg zu nehmen, erschien mir Anfangs überaus vielversprechend, vor allem aus eigentlich praktischen Überlegungen heraus: Denn habe und hatte ich nur selten die benötigte Zeit, um auf andere Weise mein Ziel, das wohl das Ziel eines Jeden ist, zu erreichen und bin, auch wenn ich es eigentlich verabscheue, aufgrund meiner Lebensumstände dazu gezwungen, alles genau zu organisieren und zu planen.

Hä? Von welchem Weg redest du da? Ist das Fixieren des Bildschirms der Weg?

Andernfalls, ich hätte es wohl auf andere Weise versucht. Ich hatte nie große Probleme damit, so war es mir erst unangenehm, ja sogar peinlich. Doch schon nach dem ersten Mal legten sich diese Gefühle.

Und auch das verstehe ich jetzt nicht. Vovon redest du hier?

Hm. Jetzt hab ichs fertig gelesen und bin noch nicht sehr viel schlauer. Er erinnert sich an ein Date und denkt dann über sich selber nach. Okay. Warum er das wichtig fand, mag für den Protagonisten ja ganz toll sein, für mich ists aber uninteressant, das klingt eher nach Tagebuch oder so, und ich finde in seinen Gedanken nichts Interessantes.

Das würde viel besser funktionieren, wenn du das nicht einfach so in den Raum stellen würdest. Klar, der Kerl erinnert sich an ein Treffen. Aber er ERINNERT sich eben nur daran.

Lass ihn das doch erst einmal erleben, und dann die Gedanken erschließen, wenn du magst. Oder sie wem erzählen ... lass den Leser die Gedanken nachvollziehen und nachfühlen, und setze sie ihm nicht nur vor.

Bis bald. :)

yours

 

Hallo yours truly!

Danke für deine Rezension!
Hm, also mir persönlich gefällt meine Formulierung zum Einstieg besser. Ich weiß auch nicht genau, warum... finde sie aber nicht so sperrig. Mit dem "zuallermeist" gebe ich dir aber wieder recht... das passt nicht so ganz.

Naja, mit diesem Weg meinte ich, die Partnervermittlung zu nutzen... ich wollte das, worum es sich eigentlich handelt, an dieser Stelle noch nicht explizit machen.

Und beim nächsten Zitat spiele ich auf das "Kennenlernen" selbst an: Das bereitet dem Protagonisten eigentlich keine Schwierigkeiten. Damit wollte ich klarmachen, dass es sich bei ihm eigentlich nicht um einen "Nerd" handelt, der halt nicht anders kann, als diesen Weg des Kennenlernens zu nutzen.

Es stimmt wohl, dass die Handlung selbst bei der Geschichte etwas untergegangen ist. Aber ich weiß nicht, mich persönlich interessieren immer mehr die Gedanken als das, was wirklich passiert. Das ist einfach so mein Geschmack, denke ich. Dass du die Gedanken dann auch nicht interessant fandest, ist natürlich schade, hoffte ich doch, nicht nur belangloses Zeug damit rüberzubringen.

Hm, dass der Prot sich nur daran erinnert würd ich abstreiten, weil der weitere Verlauf der Geschichte, auch wenn seine Gedanken nur anschneiden, was passiert, ja doch reflektiert, wie er fühlt und denkt.
Schade, dass die Story nicht so gut funktioniert hat! Ich hoffe, beim nächsten Mal triffts eher deinen Geschmack!

Beste Grüße,
tagträumer.

 

Hallo tagträumer,

was mir an deiner Geschichte nicht so gut gefällt, ist, dass ich nicht erkennen kann, worauf du eigentlich hinaus wolltest.
Es ist so eine unausgewogene Mischung aus Beschreibung des Kennenlernens, wenn man es denn so nennen darf, und aus Besinnungsaufsatz darüber, was im Kopf, in den Gefühlen des Protagonisten vorsich geht.

Mir wäre lieber gewesen, du würdest eine witzige oder spannende oder tragische Geschichte über solch eine Begegnung bringen und die Gedanken und Gefühle deines Protagonisten würden durch seine Handlungen offen gelegt werden, vielleicht hier und da mit seinen Gedanken unterstrichen werden, aber nicht so wie jetzt, als Zusammensetzung ellenlanger Darstellung seiner Gedanken.
Ich hoffe, du verstehst, wie ichs gemeint habe.

Lieben Gruß
lakita

 

Liebe Lakita,

Danke dir für deine Kritik! Ich glaube sie geht Hand in Hand mit den bisherigen Kritiken zur Geschichte. Dabei verstehe ich schon, dass die reinen Geschehnisse vielleicht etwas zu kurz kommen, andererseits aber finde ich es manchmal auch ganz interessant, wenn Geschichten eher die introspektive Dimension des Geschehens beleuchten. Schade ist natürlich, dass ich auch diese nicht so richtig vermitteln konnte - auch wenn ich es auch nicht darauf anlegte, die Gefühlswelt des Protagonisten zu offensichtlich zu machen, weil ich es von meinem Geschmack her immer recht schön finde, wenn ein weiter Interpretationsspielraum bleibt.

Aber klar, die Handlungen selbst kommen zu kurz. Es ist manchmal aber auch sehr schwierig und für mich persönlich auch noch viel schwieriger, als nur die Gedanken selbst "sprechen zu lassen", die Handlungen wirklich zu "ausgedrückten Gedanken" zu machen.
Tja, vielleicht klappt es ein andern Mal besser!

Danke nochmals!
lg
tagträumer

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom