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Verloren In Der Demenz

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08.06.2006
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Verloren In Der Demenz

Früher, als meine Mutter noch eine rüstige Rentnerin war, entdeckte sie auf einmal ihre liebe zur Kirche. Jeden Sonntag, ganz gleich ob es regnete, schneite oder die Sonne vom Himmel brannte, ging Mama in die Kirche.

Jetzt hat sie sich verloren, verloren in der Demenz.

Ich selber bin seit geraumer Zeit in der Altenpflege beschäftigt.
Trotzdem war ich, gerade in der Anfangszeit der Pflege meiner Mutter, für jeden Rat, den ich bekommen konnte dankbar.
Ich las jedes Buch, welches mir in die Hände fiel, um so viel wie möglich über diese Krankheit zu erfahren. In einem dieser Bücher las ich, dass es für die Betroffenen hilfreich sein könnte, wenn man mit ihnen Orte aufsuche, welche sie in der Zeit, zu der sie sich noch nicht im großen Vergessen verloren hatten, gerne aufgesuchten.
An diesen Orten können noch einmal Erinnerungen wach werden und man könne, wenn man Glück hatte ein Lächeln auf ihre dementen Gesichter zaubern.
Natürlich stand es nicht so in diesem Buch. Es stand in Fachchinesisch, mit Schachtelsätzen gespickt, auf einer Seite, welche ich vielleicht besser hätte überblättern sollen.
Da ich eben diese besagte Stelle nicht überlas und mir dachte, ich könnte den Rat eines Fachmannes, der Verfasser dieses Buches war ein Dr. Dr. Prof. Sowieso, guten Gewissens annehmen, verfrachtete ich meine Mutter an einem wunderschönen Sonntagvormittag in meine knallig rote 2CV und fuhr mit ihr zur Kirche.

Ich wohne mit meiner Mutter in einer kleinen Stadt mitten in Bayern.
Da mich in dieser Stadt mittlerweile fast jeder, wenn auch nicht mit Namen, kennt, war ich so frei und platzierte mein Auto schräg auf dem Marktplatz, nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt.
Auffällig legte ich das Behindertenschild hinter die Windschutzscheibe.

Liebevoll versuchte ich meine Mutter vom Aussteigen zu überzeugen.
Meine Mutter krallte sich an der B-Säule fest.
„Verdammt noch mal Mutti, wir gehen nicht die Verwandtschaft besuchen, wir gehen in die Kirche“, maulte ich sie an.
Schließlich ließ sie das Auto los und ich zog sie, betend und heulend, hinter mir her in Richtung Kirche.
Immer wieder trafen mich von Menschen, welche ebenfalls die Kirche besuchen wollten missmutige Blicke. Ungerührt zog ich meine Mutter weiter.
Wir gelangten schließlich vor der Kirche an.
Mama weigerte sich die Stufen der Kirche zu betreten.
Kurzerhand stellte ich mich hinter sie und schob sie, in einem unachtsamen Augenblick, die Stufen nach oben.
Wir erreichten das Portal.
Mit meinem ganzen Gewicht stemmte ich mich gegen die Türe, die Türe schwang langsam auf und gab einen Blick ins innere der Kirche frei.
Plötzlich war Mama ruhig.
Ihre Augen begannen zu leuchten.
„Das ist aber schön hier“, sagte sie und strahlte mich an.
Diese fünf Worte entschädigten mich Augenblicklich für den Spießrutenlauf der letzten zehn Minuten.
In diesem Moment war Mama glücklich und ich war es auch.
Ich schob Mama in die hinterste Reihe. Dort setzte sie sich auf die Bank.
Immer wieder stand sie auf.
Ich zog sie am Ärmel zurück und bat sie darum, doch sitzen zu bleiben.
Der Pfarrer begann mit der Predigt.
Mama war ruhig.
Die Predigt ging zu Ende.
Andächtiges Schweigen.
Plötzlich begann Mama in dieses Schweigen hinein zu beten.
Köpfe wendeten sich, Blicke durchbohrten uns.
„Ach du lieber Gott im Himmel“, betete Mama.
Am liebsten hätte ich ihr den Mund zugehalten.
„Mama, bitte“, flehte ich.
Mein flehen beeindruckt sie herzlich wenig.
„Schenk mir kleines Mensch mit Pimmel“, betete sie unbeirrt weiter.
Immer mehr Leute drehten ihre Köpfe um und schauten zu uns nach hinten.
Um Schlimmeres zu vermeiden versuchte ich die alte Dame zum Aufstehen zu bewegen.
Es war fast unmöglich, denn Mama schien in diesem Moment auf der Kirchenbank fest zu kleben.
Mittlerweile hatte ich das Gefühl, dass mich jeder hier in der Kirche anstarrte. Am liebsten hätte ich mich unter der Kirchenbank versteckt und gewartet bis es dunkel wurde, damit ich unbemerkt zu meinem Auto schleichen konnte um mich danach ins Ausland abzusetzen.
In diesem Moment schätze ich, erbarmte sich Gott meiner, denn Mama stand auf. Ich zog sie am Ärmel hinter mir her.

Hoffentlich hält sie jetzt den Mund.

Die Türe rückte immer näher.
Gleich waren wir draußen.
Ich griff nach dem Türgriff.
Ich öffnete die Türe.
„Doch ich seh es schon im Traume“, mir gefror das Blut in den Adern und ich versuchte sie aus der Türe zu schieben.
„Wird sich wieder Mensch mit Pflaume!“ schrie sie förmlich in die ruhige Kirche hinein.
Ich schob sie nach draußen und versuchte sie so schnell wie möglich über den Marktplatz in Richtung Auto zu lotsen.
Nachdem ich meine Mutter in die Ente gesetzt hatte atmete ich fürs erste erleichtert auf.
Es war ein herrlich sonniger Tag.
Um mich von dem Vorfall in der Kirche zu erholen beschloss ich zum Eisessen zu fahren.
Eine gute Idee.
Nur hier in Burglengenfeld brauchte ich mich nach dem Auftritt in der Kirche heute wohl in keinem Straßenkaffee blicken lassen.
Somit entschloss ich mich, ganz anonym, nach Regensburg zu schüsseln.
Es ist nicht so, dass eine offene Ente mit Rollstuhl in Regensburg nicht auffällt, aber wesentlich weniger als in Burglengenfeld. Außerdem war ich nicht in Regensburg in der Kirche.
Also tuckerte ich durchs Regental nach Regensburg. Mama saß zufrieden neben mir.
Hin und wieder griff sie ins Lenkrad.
„Mama, würdest bitte deine Hände bei dir lassen? Ich wollte eigentlich alleine fahren“. Unbeeindruckt schaute sie mich an und griff erneut zu.
Ich hielt bei nächster Gelegenheit an, sortierte ihre Finger aus meinem Lenkrad und erklärte ihr mit Nachdruck, dass sie entweder neben mir sitzen kann und sich die Landschaft anschauen, oder zuhause und die Wände betrachten.
Irgendwie kamen wir beide, ich völlig entnervt und Mama grinsend, in Regensburg an.
Ich hatte heute nicht mehr die geringste Lust meiner Mutter aus dem Auto zu helfen und sie in den Rollstuhl zu verfrachten, nur damit ich sie durch die Stadt schieben konnte. Mein Entschluss stand fest. Ich werde mir ganz geschwind in dem Eiskaffee gegenüber vom Dom ein Eis in der Waffel holen.
Wie schon gesagt, es war ein wunderschöner sonniger Tag.
In Regensburg angekommen parkte ich mein offenes Auto, mit samt meiner Mutter direkt vor dem Dom, frech im Parkverbot.
Mit Behindertenausweis darf man im Parkverbot parken, sogar eine 2CV.
Damit keine Missverständnisse auftauchten, legte ich auch hier wieder brav den Behindertenausweis hinter die Windschutzscheibe.
Ich ließ Mama im Auto sitzen, da ich nur kurz über die Straße gehen musste um mir ein Eis zu ergattern.
Leider hatte ich nicht mehr daran gedacht, dass Mama teilweise den Drang hatte sich immer und überall auszuziehen.

Peinlich.

Ich hatte nach dem Desaster in der Kirche nicht erwartet, dass sich der Tag noch steigern konnte.

Der Tag konnte sich noch steigern!

„Mama, möchtest du auch ein Eis?“ Ich sah sie an.
Meine Mutter schraubte unbeirrt den Knauf von der Schaltung ab und ignorierte mich und meine Frage.
„Mama, soll ich dir vielleicht auch ein Eis mitbringen?“
Jetzt schaute mich meine Mutter an als wäre ich irgendein fremdes Wesen aus dem All, schüttelte genervt den Kopf und widmete sich weiter dem Knauf auf der Schaltung.
„Gut, dann hole ich nur ein Eis für mich!“ entgegnete ich, stieg aus und ließ die Türe hinter mir zufallen.
Mama blickte kurz auf. Nur ein kurzer Blick, dann versank sie wieder in ihre eigene Welt.
Vor der Eisdiele hatte sich auf Grund des schönen Wetters schon eine beträchtliche Schlange gebildet. Ich reihte mich ein und wartete geduldig bis ich dran war.
Ich kaufte mir zwei Kugeln Malaga und für Mama eine Kugel Vanilleeis.
Mit meinem Eis in der Hand verließ ich die Eisdiele.

An einem sonnigen Sonntag stand ich, mit zwei Eistüten in der Hand, vor der Eisdiele gegenüber des Regensburger Doms und schaute über die Straße.

Nein, das kann nicht sein?
Vor schreck fielen mir die beiden Eistüten aus der Hand und landeten mit einem Platsch auf dem Gehweg.
Das ist nicht mein Auto!
Und was ich hier sehe ist auch nicht wahr!
Mit offenem Mund stand ich, unfähig mich zu bewegen, da und starrte zu meinem Auto herüber.
Meine Mutter hatte sich tatsächlich ausgezogen.
Mama saß oben völlig entkleidet im offenen Auto.
Nicht nur, dass sie sich ausgezogen hatte, sie hatte auch noch mit ihren Klamotten das Auto dekoriert.
Ihre Oberbekleidung hing über der Windschutzscheibe, der BH lag auf der Motorhaube, die Socken waren im Lenkrat verknotet und die Schuhe lagen lässig neben dem Auto.
Oh lieber Gott, schenke mir doch bitte ein Loch, in welchem ich versinken kann.
Leider war der liebe Gott an diesem Tag, ausgerechnet auf diesem Ohr, schrecklich taub, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich als Fahrerin dieses Autos zu outen.

Einige Passanten standen schon schmunzelnd in der Nähe meines nicht gerade unauffälligen Vehikels.
Und das an einem Sonntag in Regensburg vor dem Dom.
Na Bravo!!!
Also gut, dachte ich mir.
Augen zu und durch, bevor sich Mama noch weiter auszieht.
Ich holte tief Luft, und ging gerade so, als wäre es das normalste der Welt, zu meiner 2 CV.
Sammelte neben dem Auto die Schuhe ein, befreite die Socken aus dem Lenkrad und zog lässig Mamas Obergewand von der Windschutzscheibe.
Ohne Mama vor zu warnen zog ich sie an.
Besser gesagt ich versuchte sie an zu ziehen.
Es hatten sich mittlerweile noch ein paar Passanten zu den bereits herumstehenden gesellt und betrachteten, nicht ohne dümmliche Kommentare, dieses seltsame Schauspiel.
Ich versuchte es zu ignorieren, und tat so, als wäre es das normalste der Welt, dass sich eine alte Dame in einer roten Ente entkleidet und ihre Klamotten futuristisch in der Gegend verteilt.

Mama war angezogen.

Bitte lieber Gott, wenn du mir schon kein Loch zum versinken gegeben hast, so lass doch bitte wenigstens mein Auto beim ersten Mal anspringen.

Gott ist nicht immer taub.

Der erste zaghafte Versuch mein Auto zu starten.
Und!
Sofort ist das Auto angesprungen.
Erleichtert verschwand ich, allerdings nicht ohne zu hupen und den Umstehenden kurz zuzuwinken.

Einige hatten zurück gewunken und herzlich gelacht, andere wiederum drehten sich peinlich berührt zur Seite.

Ich selber machte mich schnellst möglich aus dem Staub.
Zu meinem Leidwesen hatte ich vergessen Mamas Halter ihrer Büste von der Motorhaube zu angeln.

Um eventuell auftauchende Fragen zu beantworten: Ich habe nicht mehr angehalten und ich habe den BH nicht eingesammelt.

Ich habe mich wirklich nur noch verkrümelt.

 

Hallo J-Alexandra,
ich habe die Geschichte schon kurz nach dem Posten gelesen, weil mich das Thema interessiert. Du schilderst eine überforderte Prot, die mit dem unangemessenen Verhalten ihrer dementen Mutter nicht umgehen kann.

Das birgt viel Potenzial, und die zwei Begebenheiten bieten ja auch Stoff. Allerdings liest es sich nicht wirklich wie eine Geschichte; es klingt zu steif und leider langweilig.

Der Einstieg klingt wie eine Anklage und passt nicht zu der übrigen Erzählung:

Ich selber bin seit geraumer Zeit in der Altenpflege beschäftigt ... Da ich eben diese besagte Stelle nicht überlas und mir dachte, ich könnte den Rat eines Fachmannes, der Verfasser dieses Buches war ein Dr. Dr. Prof. Sowieso, guten Gewissens annehmen, verfrachtete ich meine Mutter an einem wunderschönen Sonntagvormittag in meine knallig rote 2CV und fuhr mit ihr zur Kirche.
Würde ich kürzen oder streichen.

Schließlich scheint der Rat ja nicht so falsch gewesen zu sein, oder?

Plötzlich war Mama ruhig.
Ihre Augen begannen zu leuchten.
„Das ist aber schön hier“, sagte sie und strahlte mich an.
Oder hattest du beabsichtigt, mit der Geschichte aufzuzeigen, dass der Rat Quatsch ist? Dann solltest du das gezielter herausarbeiten.

Die Prot scheint sehr mit dem, was andere denken könnten, beschäftigt zu sein; das wirkt eher unsympathisch auf mich und verhindert ein wenig das Mitgefühl.

Nur hier in Burglengenfeld brauchte ich mich nach dem Auftritt in der Kirche heute wohl in keinem Straßenkaffee blicken lassen.
Ich glaube, wenn du das mit Humor und einem Augenzwinkern erzählen würdest, käme das viel besser rüber.

Ansätze dazu gibt es ja:

Bitte lieber Gott, wenn du mir schon kein Loch zum versinken gegeben hast, so lass doch bitte wenigstens mein Auto beim ersten Mal anspringen.

Gott ist nicht immer taub.

Der erste zaghafte Versuch mein Auto zu starten.
Und!
Sofort ist das Auto angesprungen.

Erleichtert verschwand ich, allerdings nicht ohne zu hupen und den Umstehenden kurz zuzuwinken.

Gedanken würde ich kursiv setzen. Und den Startversuch weglassen.

Fazit: Mir ist nicht klar, was du genau ausdrücken willst. Wie überflüssig Tipps von Experten sind? Wie schwer es die Tochter hat? (Im Nachhinein) lustige Begenheiten mit der dementen Mutter? Es ist so ein Mischmasch, das nicht wirklich eine Stimmung aufkommen lässt. Vllt könntest du das noch rausarbeiten und es mit einem ;) erzählen.

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

erst einmal vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast die Geschichte zu lesen.
Interessant finde ich, was du in die Storry hineininterpretierst. Ich kann weder eine überforderte Tochter noch eine sich unangemessen verhaltende Mutter finden.
Ich weiß, dass ich mich nicht auf dem Domplatz ausziehen sollte, ein an der Pickschen Krankheit leidender Mensch weiß dies nicht. So gesehen ist das verhalten der älteren Dame nicht unangemessen, da sie in diesem Moment so reagiert hat, wie es für sie angemessen war und wie sie, auf Grund der Biographie reagieren konnte.
Tips von Experten sind keineswegs überflüssig und es geht hier auch nicht um irgendwelche Expertentips. Es geht lediglich um einen Menschen mit Demenz welcher nicht vor der Öffentlichkeit versteckt wurde und das Verhalten, welches bei Menschen mit Demenz vom Typ Alzheimer in einem bestimmten Stadium und der Pickschen Erkrankung, an der Tagesordnung ist.

Ich bedanke mich für die Kritik
viele Grüße
Alexandra

 

Hi Alexandra,

ch habe die Geschichte schon kurz nach dem Posten gelesen, weil mich das Thema interessiert. Du schilderst eine überforderte Prot, die mit dem unangemessenen Verhalten ihrer dementen Mutter nicht umgehen kann.
wenn ich damit so falsch liege: Wie würdest du denn deine Geschichte zusammenfassen?

Gruß, Elisha

 

Guten Morgen, J-Alexandra,

auch auf mich wirkt die Geschichte etwas undurchsichtig. Am Anfang scheint mir die Sorge um die Mutter, die Angst vor dieser schrecklichen Krankheit im Vordergrund zu stehen. Später folgt dann eine eher lustige Aufzählung von Krankheitssymptomen

Mir erschloß sich übrigens ebenfalls nicht, was mit der Befolgung des Expertenrates bezweckt wurde. Wollte die Tochter der Mutter "nur" eine Freude machen oder erwartete sie gar, dass Mutter wenigstens für Minuten oder auch nur Augenblicke wieder klar wurde? Das wäre wohl eine zu hohe Erwartung gewesen. Nachvollziehen könnte ich den Wunsch allerdings, denn da klammert man sich wohl wirklich an jeden Strohhalm.

Die Situation auf dem Domplatz scheint mit mehr als merkwürdig. Eine demenzkranke Frau lässt man nicht alleine im Auto, schon gar nicht in einem offenen und das nicht nur, weil sie sich eben mal ausziehen könnte; dies erscheint mir hier noch als relativ kleines Problem. Was aber wäre gewesen, wenn die alte Dame beispielsweise ausgestiegen wäre, möglicherweise weggeangen und/oder einen Unfall verursacht hätte? Da ja der Eindruck erweckt wurde, dass die Tochter sich intensiv mit der Krankheit beschäftigt hatte, passt das für mich nicht zusammen.

Es ist ein schwieriges Thema, aber auch eines, aus dem man sehr viel mehr daraus machen könnte, doch Deine Absicht war vermutlich nur ein kurzer Abriss, so eine Art Momentaufnahme.

Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, nur, wie gesagt, die Geschichte wirkt insgesamt gesehen nicht sehr schlüssig.

Deinen Erzählstil finde ich allerdings lebendig und ausgesprochen unterhaltsam.

Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag,

Rosanna

 

Hallo Rosanna,

es geht hier weder um Sorge um die Mutter, welche an Demenz erkrankt ist, noch darum, dass die Tochter Angst vor dieser Krankheit hat. Es geht auch nicht um Wertung (ist Demenz eine schreckliche Krankheit oder nicht?). Mit mehr als zwei Millionen Betroffener allein in Deutschland ist Demenz eine Volkskrankheit welche mit einem nur schwer überwindbaren Stigmata beheftet ist.

Was mich wundert ist, dass dem nebenbei bemerkten Expertenrat so viel Bedeutung zugeschrieben wird.
Du fragst dich, was die Tochter erwarten hätte können.
Ein Dementer Mensch lebt im hier und jetzt, nur in diesem Moment. Nicht im Gestern und ein Morgen existiert für ihn nicht. Das Problem hier ist nur, dass die Zeitzone in welcher sich der Demente befindet nicht in unserer Zeitära liegt. Das Kurzzeitgedächtnis geht als erstes verloren, danach verliert sich alles was im Leben des Menschen passiert ist, langsam im Rückwärtsgang. Irgendwann greift der Mensch auf das Altgedächtnis, in welchem Bilder gespeichert sind zurück. Dieses Altgedächtnis versuchst du damit anzusprechen, indem du diese Menschen an Orte begleitest, welche sie früher aufgesucht haben, ihnen altes Werkzeug oder alte Bilder zeigst. Du kannst damit (vorausgesetzt du kennst die Biographie dieses Menschen) erreichen, dass dieser Mensch in diesem Augenblick in seiner Welt ein gutes Gefühl hat.
Jetzt gehe ich weiter.
Du kannst nicht erwarten, dass ein Mensch in einem bestimmten Stadium der Demenz eine Autotüre öffnen kann. Vielmehr läuft es darauf hinaus, dass dieser Mensch, wenn er nun aus dem Auto steigen möchte an die Scheibe klopft, weil er nicht mehr in der Lage ist solch komplexe Aufgaben zu bewältigen.
Dass was hier gefährlich werden kann, ist die Dummheit von Pasanten, welche meinen sie müssten die Autotüren öffnen und diese Menschen danach orientierungslos auf der Straße sich selber überlassen.
Dem sorgt man vor, indem man sichtbare Schilder an Autotüren anbringt, wo auf diese Situation hingewiesen wird.
Ich hoffe, jetzt ist diese Situation für dich etwas schlüssiger.

Diese Geschichte ist insgesamt nicht mehr als ein Tag von vielen. Diese Geschichte erhebt lediglich den Anspruch einen Anderen, welcher sie liest für einen kleinen Moment dazu zu bewegen sich mit dieser Krankheit zu beschäftigen.

Sorry, dass ich dir erst so spät Antworte. Ich habe mich sehr über deine Kritik gefreut und wünsche dir einen schönen Abend und ein sonniges Wochenende (bei uns regnet es seit Tagen).

LG

J-Alexandra

 

hallo j-alexandra
also ich konnte mich gut in Deine Geschichte hineinfühlen. Ich habe eine Tante, die ebenfalls an Alzheimer erkrankt ist und die Geschichten, die meine Cousine mir erzählt, sind ähnlich.
Ich glaube, Du wolltest mit Deiner Geschichte nur auf die Krankheit als solches und auf die täglichen Begebenheiten mit einem Demenzkranken aufmerksam machen. Ich finde, das ist Dir ausgezeichnet gelungen. Wer sich nämlich noch nie damit beschäftigt hat oder davon betroffen ist kann sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie so ein Tag für den Kranken und die Angehörigen abläuft.
Sehr gelungen finde ich die Darstellung der Prot im Umgang mit Scham und Peinlichkeiten. Da konnte ich wirklich ganz und gar mitfühlen.
Für mich gibt's eigentlich nichts auszusetzen. Ich analysiere allerdings Geschichten auch nicht Wort für Wort. Mir muss das Ganze gefallen. Und das tut es.

Ein paar Rechtschreibfehler habe ich noch gefunden:

Früher, als meine Mutter noch eine rüstige Rentnerin war, entdeckte sie auf einmal ihre liebe zur Kirche.
ihre Liebe

An diesen Orten können noch einmal Erinnerungen wach werden und man könne, wenn man Glück hatte ein Lächeln auf ihre dementen Gesichter zaubern.

...wenn man Glück hätte,

Da ich eben diese besagte Stelle nicht überlas und mir dachte, ich könnte den Rat eines Fachmannes, der Verfasser dieses Buches war ein Dr. Dr. Prof. Sowieso, guten Gewissens annehmen

- der Verfasser dieses Buches war ein Dr. Dr. Prof. Sowieso - würde ich mit Strichen trennen.

Meine Mutter krallte sich an der B-Säule fest.
Was ist eine B-Säule? Weiß vielleicht nicht jeder. Ich auch nicht.

Immer wieder trafen mich von Menschen, welche ebenfalls die Kirche besuchen wollten missmutige Blicke.

Immer wieder trafen mich von Menschen, welche ebenfalls die Kirche besuchen wollten, missmutige Blicke.

Mit meinem ganzen Gewicht stemmte ich mich gegen die Türe, die Türe schwang langsam auf und gab einen Blick ins innere der Kirche frei.

ins Innere

Diese fünf Worte entschädigten mich Augenblicklich für den Spießrutenlauf der letzten zehn Minuten.

augenblicklich

Köpfe wendeten sich, Blicke durchbohrten uns.

m.E. muss das wandten sich heißen

Mein flehen beeindruckt sie herzlich wenig.

Mein Flehen

Vor schreck fielen mir die beiden Eistüten aus der Hand

Vor Schreck

die Socken waren im Lenkrat

Lenkrad

Leider war der liebe Gott an diesem Tag, ausgerechnet auf diesem Ohr, schrecklich taub, und mir blieb nichts anderes übrig, als mich als Fahrerin dieses Autos zu outen.

Leider war der liebe Gott an diesem Tag ausgerechnet auf diesem Ohr schrecklich taub ... die beiden Kommas sind überflüssig

Ich holte tief Luft, und ging gerade so, als wäre es das normalste der Welt, zu meiner 2 CV.

das Normalste

Ohne Mama vor zu warnen zog ich sie an.

vorzuwarnen

Besser gesagt ich versuchte sie an zu ziehen.

anzuziehen

Ich versuchte es zu ignorieren, und tat so, als wäre es das normalste der Welt, dass sich eine alte Dame in einer roten Ente entkleidet und ihre Klamotten futuristisch in der Gegend verteilt.

... das Normalste der Welt
die gleiche Formulierung hast Du schon zwei Absätze weiter oben.

Bitte lieber Gott, wenn du mir schon kein Loch zum versinken gegeben hast, so lass doch bitte wenigstens mein Auto beim ersten Mal anspringen.

zum Versinken
das zweite "bitte" würde ich weglassen. .. so lass doch wenigstens mein Auto ...

Gott ist nicht immer taub.

ein schöner Satz

Einige hatten zurück gewunken und herzlich gelacht, andere wiederum drehten sich peinlich berührt zur Seite.

zurückgewunken

Zu meinem Leidwesen hatte ich vergessen Mamas Halter ihrer Büste von der Motorhaube zu angeln.

da fände ich "Büstenhalter" besser. "Halter ihrer Büste" klingt für meine Begriffe zu geschraubt.


jetzt ist es doch ein großer Beitrag meinerseits geworden. Mit der Rechtschreibreform ist es ja so eine Sache. Ich habe die Korrekturen nach bestem (meinem besten) Wissen gemacht, erhebe aber keinen Anspruch auf totale Richtigkeit. Nach der dritten Reform der Reform ist man ja sowieso ganz kirre und weiß überhaupt nicht mehr genau, was nun richtig ist.

Generell zu Deiner Geschichte noch einmal:
Wenn das Thema nicht so traurig wäre, könnte man sich darüber köstlich amüsieren.

 

Guten Abend Ellis,

es tut mir schrecklich leid, dass ich dir jetzt erst antworte. Erst einmal vielen Dank, dass du dir so viel Mühe gemacht hast. Ich werde mich in den nächsten Tagen noch mal über die Geschichte hermachen und deine Vorschläge ausbessern.

Weißt du, manchmal ist die Demenz ohne ein wenig Humor nicht zu ertragen. Zumindest nicht, wenn man direkt damit konfrontiert wird. Sei es nun im Beruf oder Privat. Ich kenne wenige Krankheiten, die Angehörige und Pflegepersonal in so widersprüchliche Gefühle verwickelt, wie diese. Leider ist es immer noch so, dass sich die Menschen schämen, wenn sie einen Angehörigen mit Demenz haben, oder selbst merken, dass etwas nicht stimmt. Diese heimtückische Krankheit, welche einen Menschen bis zur Unkenntlichkeit verändert, sollte gerade in unserer aufgeschlossenen Zeit nicht mehr mit einem Stikma behaftet sein.

lg
Alexandra

 

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