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Versuch einer Eifersucht

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12.12.2006
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Versuch einer Eifersucht

Auf ein Gedicht von Marina Zwetajewa

Heute habe ich sie gesehen. Sie kam aus dem Haus mit einer Einkaufstasche. Aufgedonnert, als ginge es in die Disco. Wie kann er, der doch mein alles war, das einzige, wofür es sich für mich gelohnt hatte, überhaupt auf der Welt zu sein – wie kann er mit dieser Frau leben? Ich hatte gedacht, mit uns beiden würde es bis ans Ende unseres Lebens gehen. Bis einer den anderen begräbt, und den Überlebenden begraben die Hunde. Ich hatte es geahnt, dass er vor mir sterben würde, und aus Liebe zu ihm hätte ich mich von den Hunden zerreißen lassen.

Aber es ist anders gekommen. Ich hatte es gespürt, aber es verdrängt: Er war keiner von meinem Fleisch und Blut, er hatte so etwas Kleinliches an sich, manchmal. Es fiel mir auf, aber ich übersah es. Weil ich es übersehen wollte. Ich lebte für ihn, in ihm. Da geschieht es schon, dass man blind ist. Und was war ich blind, blinder, als ich es mir selbst jemals wieder gestatten würde.

Er war ein Schiff, ein abgewracktes Schiff. Er trieb durch den Strom unserer Liebe. Wenn ich ihn anhielt, einen Ruderschlag zu tun, nahm er mich in den Arm, und der Ruderschlag war vergessen, und wir trieben durch den Fluss unserer Liebe. Die Insel, unsere Insel, auf der wir uns liebten, zerrann hinter Wellen. Er war sich meiner Liebe sicher.

Jetzt – ich kann es kaum fassen – teilt er Ruderschläge aus. In die falsche Richtung. Und wenn die Uferlinie verschwindet (die Erinnerung an mich) wird er der Anständigsten einer: Schwestern sollt ihr sein, predigt er. Schwestern, nicht Geliebte.

Sie ist eine einfache Frau. Ich nenne sie einfach, aber lieber würde ich ein anderes Wort benutzen, das träfe ihr Wesen besser. Aber so etwas tut man nicht, wenn man sich nicht ins Unrecht setzen will. Gegen sie war ich eine Herrscherin. Ich bin gestürzt. Weil ich den Thron freiwillig verließ.

Er hat es bis heute nicht begriffen, was die Ursache unserer Zerwürfnisse war. Immer verstand ich, dass einer, der auf sich selbst konzentriert ist, nicht mehr den anderen sehen kann. Lange habe ich ihm verziehen. Aber plötzlich, ich wüsste nicht, warum – plötzlich ging es nicht mehr. Und als ich dann die Wahrheit erfuhr, über ihn und sie, ging ich. Ohne ein Wort. Keine gestürzte Königin, sondern eine, die aus Staatsklugheit und Selbstschutz abdankte.

Sie scheint eine gute Hausfrau zu sein. Sie geht einkaufen. Ich habe früher immer jemanden geschickt, irgendwer war immer zur Hand. Ich hasse es, den unhandlichen Einkaufswagen durch die Kaufhalle zu schieben, die ich Kaufhölle nannte. Und ich hasse es, dass er mein Haushaltsbuch überprüfte, die Brille auf der Nase, mit dem Finger über jeden Posten fahrend. Und der vorwurfsvolle Blick, wenn ich mit dem Geld nicht auskam, unbeschreiblich. Als ob ich ihn persönlich beleidigen wollte, ihn, der mich doch so sehr liebte.

Sie zieht ihn noch tiefer, als er schon gesunken war. Ihre unsterbliche Plattheit! „Eine Dutzendbraut!“, habe ich ihn angeschrien. Er hat gelacht. „So mag ich dich eigentlich“, sagte er grinsend. „Schade, dass es mit uns beiden vorbei ist.“

Sie soll gut kochen können. Wenn es das ist, was er in mir gesucht hatte ... Ich fühle mich beleidigt. Er hat mich zu niedrig eingeschätzt. Eine gute Hausfrau, Köchin und Geliebte sollte ich ihm sein. Was aber war er mir? Er war, ich erröte heute, wenn ich daran denke – er war mein Leben. Mein ganzes Leben. Ohne ihn würde ich sterben. Hatte ich damals gedacht. Allen Ernstes, und ich weiß, dass es irgendwo in mir immer noch ein Eckchen gibt, in das ich mich verkriechen will, um heimlich sagen zu können: Er war mein Leben.

Er hat mich verraten. Ich habe auf dem Sinai gelebt, er aber ist in die Niederungen gestiegen und suhlt sich im Schlamm. Mit dieser Hausfrau und Köchin, der aufgeputzten Ziege.

Dass er sich nicht schämt. Mit so einer. Sie ist eine gebrauchte Ware, die man auf dem Markt kaufen kann, an jedem Stand. Billig, leicht zu erwerben, sie schreit: Kauf mich! Und er hat sie gekauft. Ich, als ich es begriff, war erschrocken. Über ihn, weil er sich mit so wenig zufriedengab. Aber am meisten über mich. Weil ich – nein, es tut noch immer weh. Blindheit tut weh. Er war mein Gott, und jetzt ist er ein zerschlagener Gott. Der Marmor aus Carrara ist in tausend Stücke zerschlagen. Und wie lebt es sich heute – mit diesem Dreck aus Gips?

Sie hat keinen sechsten Sinn. Sie ist blind von Geburt. Eine Assel aus dem Keller. Mit acht Beinen, aber sie kann nicht schreiten, sondern nur huschen.

Ich gehe ihm aus dem Wege, wenn ich ihn von ferne sehe. Manchmal treffen wir uns bei Freunden, abends. Der Wein lockert die Zunge, und ich gehe jedesmal als erste, falls er mit ihr dazukommt. Ich will mich nicht verraten. Ich weiß, ich habe nichts verloren an ihm, aber ich weiß auch, dass ich etwas verloren haben könnte. Sie dagegen ist unempfindlich, sie ahnt es noch nicht einmal, was aus ihm hätte werden können.

Die ganze Zeit treibt mich eine Frage um: Ist er glücklich? Ist er wirklich glücklich? Sagt er es nicht nur, um sich selbst zu beruhigen? Einmal habe ich eine Andeutung machen wollen, und er hat die Frage verstanden, ohne dass ich sie ausgesprochen hätte. „Ja“, hat er gesagt.
„Ich bin glücklich.“ Das musste er natürlich sagen. Mir, der Verflossenen.

Als sie zurückkam mit der vollen Einkaufstasche, war ihr Make-up heruntergekommen, als habe sie in der Kaufhölle einen Kampf mit dem Teufel gekämpft. Oben wird sie aufgeschrien und sich die Lippen neu vollgeschmiert haben.

Das Schiff, das abgewrackte Schiff, ist untergegangen. Wie unsere Insel, auf der wir uns liebten. Die Wellen schlagen ans Ufer, aber es entfernt sich - ich entferne mich. Eines Tages wird er verstehen, dass man, um ein Schiff zu lenken, mitunter auch rudern muss.

Es lebt sich schwerer. Ich habe mich umgesehen, und jetzt lebe ich mit einem zusammen, von dem ich weiß, dass er mich nicht begraben wird.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Estrel,

ich frage mich -auch nach dem zweitem Lesen deiner Geschichte- warum mir die verhuschte Assel mit acht Beinen aus dem Keller sympathischer ist als deine Prota?
Der Mann hat nur negative Eigenschaften, nichts erreicht oder jedenfalls nichts, was die erste Frau anerkennen koennte. Im Grunde genommen kann sie doch froh sein, dass es zu Ende ist. Ihre Verbitterung erscheint mir vorherrschender als ihre Eifersucht. Ich haette gerne etwas mehr ueber deine Prota erfahren, was sind ihre Staerken, was unterscheidet sie wirklich von ihrer Nachfolgerin? Was gibt ihr eigentlich das Recht und die Sicherheit, sich so ueber ihre Nachfolgerin zu erheben?
Ciao,
jurewa

 

Liebe Jurewa,

ein Text will gelesen werden. Insofern ist er nicht nur abhängig vom Autor, sondern auch vom Leser - nämlich, wie der ihn rezipiert. Und wenn der Leser einen Text über Eifersucht liest, dann ist für das Verständnis wichtig, dass der Leser selbst schon einmal erstens mit allen Fasern seines Herzens verliebt, zweitens enttäuscht worden ist und drittens eifersüchtig war und Parallelen zu seiner eigenen Erfahrung ziehen kann. Das scheint mir bei dir nicht der Fall zu sein. Obwohl ich mir das nicht vorstellen kann, denn jeder ist irgendwann nicht nur verliebt, sondern auch eifersüchtig, das ist ein grundlegendes menschliches Gefühl. Dennoch, deine Fragen lassen mich doch ein wenig zweifeln, ob du dieses Gefühl überhaupt kennst.

Diesen Text habe ich nach einem Gedicht der russischen Dichterin Marina Zwetajewa geschrieben. Das Umschreiben eines Gedichtes in einen Prosatext nennt man Metaphrase. Ich habe diesen Begriff aber nicht verwandt, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich alle Voraussetzungen dafür erfüllt habe. So viel zur Vorgeschichte.

Du hast ein gar nicht so falsches Gefühl: Die Protagonistin lässt keinen guten Faden an der Konkurrentin. Sofort tritt bei dir etwas in Aktion: Mitleid mit der anscheinend grundlos Angegriffenen. Dieses Mitleid habe ich beabsichtigt. Der Leser soll sich selbst ein Bild machen und sich selbst in diesen Vorgang einordnen.

Eine Beziehung ist in die Brüche gegangen, es war eine von seiten der Frau sehr tiefe Beziehung, der Mann hat sie menschlich enttäuscht. Und dann kommt er auch noch mit einer anderen an, als die Protagonistin noch nicht zu dem Schluss gekommen ist (weil sie ihn immer noch liebt), dass die Beziehung endgültig kaputt ist. Nun sieht sie die Konkurrentin, die sicher weniger intellektuell ist als sie selbst, und sie fragt sich mit Blick auf das Vergangene, wie es möglich sein kann, dass dieser Mann, den sie geliebt hat (und den sie im Grunde immer noch liebt), der ein Gott für sie war, mit einer solchen "einfachen" Frau glücklich sein kann. Man muss dieses Gefühl selbst durchlitten haben, ich glaube, erst dann kann man die Zwetajewa auch wirklich verstehen. Dass dir die Assel mit den acht Beinen sympathischer vorkommt, kann auch daran liegen, dass du selbst schon in dieser Situation warst - aber eben nicht als Zwetajewa, sondern als die Konkurrentin.

Man muss dieses Gedicht auch aus der Zeit heraus verstehen. So etwas wie Feminismus gab es noch nicht, und die Zwetajewa hat für diese Zeit doch recht freizügig gelebt - in den Augen der meisten Männer, auch der aufgeklärtesten, war sie keine Frau zum Heiraten. Und sie stellte eben höchste Ansprüche an den Partner, und die meisten Männer wurden diesen Ansprüchen nicht gerecht, was natürlich auch historische Ursachen hat. Sie waren die von ihr verschmähten und rächten sich mit dummen altbackenen Sprüchen. Kommt dir das nicht doch recht "modern" vor?

Ich weiß nicht, ob ich mehr schreiben sollte, um dir das Verständnis für diese Frau aufzuschließen. Am besten ist es wohl, du liest mal ein paar Gedichte der Zwetajewa (die ich für eine große, überragende Dichterin halte).

Mir persönlich kam es darauf an, zu erfahren, ob ich die Gedanken der Zwetajewa auch wirklich richtig erfasst und sie technisch richtig umgesetzt habe. Ich habe den Text ein wenig zeitlich verfremdet. Vielleicht deshalb gibt es bei dir einen Mechanismus, der an die Beliebigkeit anschließt, mit der größtenteils in unserer Zeit Beziehungen verlaufen: Ist es der nicht, ist es eben ein anderer - sie sind alle gleich, Eifersucht stört nur. Aber das waren die Männer für die Zwetajewa eben nicht, sie war eine leidenschaftliche Frau, die mit allen Fasern geliebt hat - wenn sie geliebt hatte.

Viele liebe Grüße
Estrel

 
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Hallo Estrel,

ehrlich gesagt habe ich keine Lust, Dir meine Gefuehlslagen -aktuelle oder vergangene- zu schildern. Allerdings habe ich laut aufgelacht, als ich las, ich wuerde Eifersucht nicht kennen!!
Darum kann es auch gar nicht gehen!
Du kannst nicht einfach eine Geschichte ueber ein Gedicht schreiben, dass keiner kennt. Ich unterstelle das jetzt einfach! Und es ist nicht Sinn einer KG, dass ich erst lange Recherchen betreiben muss, was Du wohl meinen KOENNTEST! Ich kann nicht in Deinen Kopf hineinschauen und, ehrlich gesagt, haette ich auch absolut keine Lust dazu!

Ciao,
jurewa

 

Hallo Estrel,

Bis einer den anderen begräbt, und den Überlebenden begraben die Hunde.
Sehr gut.

Ich hatte es gespürt, aber es verdrängt
Das zweite „es“ braucht es nicht.

Und was war ich blind, blinder, als ich es mir selbst jemals wieder gestatten würde.
„Und was war ich blind“ ist eine Art Ausruf. Dort wäre ein Satzabschlusszeichen vielleicht angebrachter, als in den Erzählton zurückzugehen. Lies den Satz mal laut.

Er trieb durch den Strom unserer Liebe.
Krieg ich Zahnschmerzen von, so süß und klebrig ist der Satz für sich allein genommen. Solche "Schiff/Wasser"-Metaphern sind wie "Feuer"-Metaphern auch alle sehr ausgelutscht. Vor allem wenn es um Herzensdinge geht, die ja seit Jahrtausenden den natürliche Nährboden für Metaphern und Allegorien aller Art bilden.

Und die Uferlinie verschwindet (die Erinnerung an mich)
Entweder die Metapher oder das Konkrete, aber erst die Metapher und dann des Rätsels Lösung direkt hinter her, ist nicht so das Wahre.

Er hat es bis heute nicht begriffen, was die Ursache unserer Zerwürfnisse war.
Das „Es“ ist wieder zuviel –jedenfalls für mich, sicher auch ne Sache von Sprach-Melodie usw.

Keine gestürzte Königin, sondern eine, die aus Staatsklugheit und Selbstschutz abdankte.
Das Bild mit der gestürzten Königin funktioniert für mich nicht. Sie benimmt sich nicht gerade wie eine Königin, eher wie ne Katze, die man vor die Tür gesetzt hat, und die so lange rummiaut, bis man sie wieder reinlässt.

Er war mein Gott, und jetzt ist er ein zerschlagener Gott.
Okay, es ist eine Drama-Queen, soviel ist klar. Sie versucht das alles auf eine viel zu hohe Ebene zu verfrachten (Königin, Biblisch, war mein Leben), aber auf der anderen Seite spielt die Eifersucht gegenüber der Nebenbuhlerin schon eine Rolle. Was allerdings bisher überhaupt keine Rolle spielte ist der Mann. Also von Liebe oder auch nur „verflossener“ Liebe spüre ich nichts, so bleibt mir die Protagonistin in ihrem Wesen fremd. Es sind Anzeichen für so ein „Pygmalion“-Ding drin (Ach, was hätte ich mir für einen hübschen Mann aus dem da basteln können, wenn er mich nur gelassen hätte?“) – die Gedanken scheinen der Protagonistin aber selbst unangenehm zu sein, deshalb bleiben sie außen vor. Das eigentlich unangenehme, warum er sie denn verlassen hat, bleiben ebenso außen vor. Da kommen irgendwelche Alibi-Geschichten hoch (Ja, ich hab halt nicht gerne geputzt) – auch hier wieder die tatsächlichen, interessanteren Gründe (Ihr Charakter z.B.) bleiben im Trüben, man kann darüber Vermutungen anstellen (Kopflastig, Klammernd, vielleicht ein bisschen frigide), aber die Protagonistin ist zu eitel, um dort hin zu gehen, wo es wirklich weh tut. Eigentlich schade, weil du sie so reflektiert und bewusst darstellst, dass sie sich darüber im Klaren sein müsste.
Auch die ganze Nummer mit dem „Er war mein Leben“ – ja, wieso denn nur? Weil sie selbst zu armselig ist, um ein Leben zu gestalten? Trotz ihrer Bildung? Aber wieso denn nur? Ohne einen Blick auf die Beziehung, ohne einen Blick auf den Mann, bleibt es sehr unvollständig und es kommt nur so ein wehmütiges-eingeschnapptes-bitteres Gefühl rüber, für die Glut der Eifersucht bräuchtest du keine rationalen Erklärungsversuche, sondern echte Gefühle.

Ich hab jetzt noch deinen Kommentar gelesen, aber da ich das betreffende Gedicht nicht kenne, kann ich darauf nun auch keine Rücksicht nehmen, in wie weit du das adaptieren oder nicht adaptieren konntest.

Tut mir leid
Quinn

 

Hej Estrel,

"Versuch einer Eifersucht" beschreibt den Text mMn ganz gut. Es scheint sich um ein Sammelsurium verschiedener Versuche die Eifersucht irgendwie zu erreichen - und immer knapp daneben zu greifen - zu handeln.

Ich finde, die Prota wirkt nicht verzweifelt, ohnmächtig, emotional, ausgeliefert, sondern merkwürdig kühl, eher überheblich.

Ihre unsterbliche Plattheit!

Mit so einer. Sie ist eine gebrauchte Ware, die man auf dem Markt kaufen kann, an jedem Stand. Billig, leicht zu erwerben, sie schreit: Kauf mich! Und er hat sie gekauft. Ich, als ich es begriff, war erschrocken. Über ihn, weil er sich mit so wenig zufriedengab.

Beinahe möchte man die Konkurrentin in Schutz nehmen, Mitleid mit ihr haben.

Letztendlich habe ich das Gefühl, ich habe eine Geschichte über ein Gedicht gelesen, eine Ahnung davon bekommen - und nichts über Eifersucht erfahren.

Viele Grüße
Ane

 

Ich will es euch ja nicht zum Vorwurf machen, aber mein Eindruck ist doch mehr oder weniger, dass euch die Zwetajewa überhaupt kein Begriff ist. Da habe ich wohl zuviel vorausgesetzt, aber das ist mein Fehler.

Liebe Grüße
Estrel

 

Dann schreib doch bitte das nächste mal dazu, dass du nur auf dieser Grundlage über deine Geschichte reden möchtest und ansonsten nicht. Dann könnten sich jene, die deine Geschichte lesen, aber die Dichterin nicht kennen, die Arbeit eines Kommentars sparen.

Gruß
Quinn

 

Ja, du hast recht, Quinn. Ich habe wirklich zuviel vorausgesetzt. Selbstverständlich will ich, wenn in der Überschrift steht "auf ein Gedicht von Marina Zwetajewa"
nur auf dieser Grundlage über den Text sprechen, um solch hausbackene Postings zu vermeiden, mit denen ich letztlich nichts beginnen kann. Ich sage zu vielen Texten nichts, weil ich mir denke, dass es da Dinge gibt, die mir nicht verständlich sind. Und zerreißen will ich ja einen Text nicht.

Viele liebe Grüße
Estrel

 

Hallo Estrel

Auf ein Gedicht von Marina Zwetajewa
Das Umschreiben eines Gedichtes in einen Prosatext nennt man Metaphrase.
Wenn das Gedicht nicht zu lang ist, kannst du es doch vorweg stellen. Oder nur einige Zeilen daraus.

Heute habe ich sie gesehen. Sie kam aus dem Haus mit einer Einkaufstasche. Aufgedonnert, als ginge es in die Disco. Wie kann er, der doch mein alles war, das einzige, wofür es sich für mich gelohnt hatte, überhaupt auf der Welt zu sein – wie kann er mit dieser Frau leben? Ich hatte gedacht, mit uns beiden würde es bis ans Ende unseres Lebens gehen. Bis einer den anderen begräbt, und den Überlebenden begraben die Hunde. Ich hatte es geahnt, dass er vor mir sterben würde, und aus Liebe zu ihm hätte ich mich von den Hunden zerreißen lassen
.
Das "Heute" ist eine Stilblüte, die dazu passt, dass der Tempus der Erzählung ins Schleudern gerät. Ist er nun verblichen? Oder wird er? Oder lebt er noch mit der Rivalin zusammen?

Er war ein Schiff, ein abgewracktes Schiff. Er trieb durch den Strom unserer Liebe. Wenn ich ihn anhielt, einen Ruderschlag zu tun, nahm er mich in den Arm, und der Ruderschlag war vergessen, und wir trieben durch den Fluss unserer Liebe. Die Insel, unsere Insel, auf der wir uns liebten, zerrann hinter Wellen. Er war sich meiner Liebe sicher

Der Versuch einer Metapher, stilistisch nicht einwandfrei aber der Sinn ist wohl der, dass der Tunichgut das gewisse Etwas hatte, die Prot nachsichtig mit ihm sein zu lassen, wenn er mal wieder gekonnt die entsprechenden Knöpfe bei ihr drückte. Offenbar hat sie es sich wider besseren Wissens gefallen lassen.

Ich denke, du bist bei der Metaphrase des Gedichts leider gescheitert. Du hast einen poetischen lyrischen Stil versucht, der das Gefühl ebenso verdichtet wie ein Gedicht. Prosa kann lyrisch geschrieben sein. Aber wenn ich hinter jeder Metapher das Bild konstruieren muss, um im Nachhenein festzustellen, vielleicht einer Unstimmigkeit aufgesessen zu sein, werde ich mürrisch.
Dabei bin ich eine Liebhaberin solcher Texte!

Eifersucht ist bei mir nicht angekommen. Eher verletzte Eitelkeit!


Lieben Gruß

Goldene Dame

 

Das Gedicht ist ziemlich lang, und ich glaube, ich kann im Grunde voraussetzen, wenn einer daran geht, etwas zu diesem Text zu sagen, dass er mal ins Internet geht und sich das Gedicht heranholt, es liest und dann versucht, seine Gedanken zu meinen Text zu äußern.

Viele liebe Grüße
Estrel

 

Das Gedicht ist ziemlich lang, und ich glaube, ich kann im Grunde voraussetzen, wenn einer daran geht, etwas zu diesem Text zu sagen, dass er mal ins Internet geht und sich das Gedicht heranholt, es liest und dann versucht, seine Gedanken zu meinen Text zu äußern.

Und ich finde es angemessen, wenn man auf meine Kritikpunkte eingeht und nicht dem Kritiker unterstellt unwissend zu sein. Mit dieser Haltung wirst du die Stilblüten weder los noch den Tempus glattbügeln können.

LG
Goldene Dame

 

Hallo Estrel,

aus meiner Sicht erwartest du zuviel vom Leser. Für wen schreibst du? Für dich? Oder möchtest du mich unterhalten? Wenn ich erst Eintrittskarten erwerben muss, um meinem Vergnügen (dem Lesen einer Geschichte) nachgehen zu können, dann würde ichs sogar tun, aber nur in den Fällen, in denen dem Autor ein so guter Ruf voraus geht, dass ich weiß, dass es wirklich lohnt.
Ansonsten würde ich mich immer an diejenigen Autoren halten, die MIR entgegen kommen und keine besonderen Bedingungen an das Lesen ihrer Texte knüpfen.
Verstehst du was ich meine? Wenn du eine gewisse Anzahl Leser erreichen möchtest, dann musst du mehr an sie heran gehen.

Lieben Gruß
lakita

 

Liebe lakita, wir sind hier nicht unter x-beliebigen Lesern, sondern unter Autoren, also Leuten, die selbst Texte schreiben. Aber niemand hat dich gezwungen, diesen Text zu lesen. Oder?

Liebe Grüße
Estrel

 

Liebe lakita, wir sind hier nicht unter x-beliebigen Lesern, sondern unter Autoren

Darf man mal fragen, bei welchem Verlag du schon veröffentlicht hast?

 

Liebe goldene Dame,

ich gehe auf die von dir angesprochenen Punkte ein, obwohl ich nichts davon halte, einen Text zu erklären. Besonders dann nicht, wenn ich wie in diesem Fall merke, hier fehlt die Grundlage, nämlich die Kenntnis des Textes, auf den ich mich beziehe. Dass ich dich etwa für unwissend halte, damit hat das im entferntesten zu tun, sondern eher für voreilig. Meine erste Reaktion wäre wirklich gewesen, mir das Gedicht der Zwetajewa vorzunehmen, und falls es nicht zur Hand ist - nun, dann hätte ich nichts geschrieben.

Aber nun zu den einzelnen Punkten.

Zum Tempus: Ich sehe keinesfalls, dass hier der Tempus
verletzt ist. Die Geschichte spielt heute, sie ist nicht abgeschlossen, und es ist ein innerer Monolog, im Perfekt geschrieben. Der Perfekt wird benutzt, wenn eine Sache vergangen ist, aber noch in die Gegenwart hineinreicht. Soviel zum Tempus. Und dass man da nicht das Wort "heute" benutzen darf, ohne die Zeitform zu verletzen - woher hast du das?

Mit deiner Äußerung "stilistisch nicht einwandfrei" kann ich leider gar nichts beginnen, eine unbewiesene Behauptung.

"... aber der Sinn ist wohl der, dass der Tunichtgut das gewisse Etwas hatte, die Prot nachsichtig mit ihm sein zu lassen, wenn er mal wieder gekonnt die entsprechenden Knöpfe bei ihr drückte. Offenbar hat sie es sich wider besseren Wissens gefallen lassen."

Was du als poetischen lyrischen Stilversuch bezeichnest, sind Zitate aus dem Gedicht.

Aber zur Person der Protagonistin: Sie ist in der Tat gekränkt, weil sie jetzt erst erfährt, was sie dem Mann war, dem sie alles gegeben hatte: das Heimchen am Herd, drei Nummern zu klein. Warum ist der Anlass des Ganzen, nämlich die unerhörte Verletzung der Prot durch das Verhalten des Mannes, der sich als zu klein erwiesen hat, bei dir nicht als Eifersucht angekommen? Würde sie ein einziges Wort verloren haben, wenn sie nicht eifersüchtig wäre? Vielleicht hätte sie etwas abfällig gesagt: Naja, jetzt scheint er ja wohl die Richtige gefunden zu haben - mehr nicht. Aber sie hätte bestimmt kein Gedicht darauf geschrieben, wenn sie nicht so unerhört verletzt gewesen wäre. Ist das einsehbar? Dass sie kein gutes Haar an der Rivalin lässt, worauf deutet es denn sonst, als auf Eifersucht? Wobei sie gar nicht mal auf diese bestimmte Frau eifersüchtig ist, sondern auf sie als Prototyp. Sie hätte ihm verziehen, wenn er eine Schönere, Intelligentere als Nachfolgerin gefunden hätte. Ich glaube, dann wäre sie auch nicht verletzt gewesen, also auch nicht eifersüchtig. Denn im Grunde verachtet sie nicht ihre Nachfolgerin, sondern den Mann, und mit dieser Enttäuschung versucht sie fertig zu werden, und sie verdrängt, dass sie sich in ihm geirrt hatte. Das hat also überhaupt nichts damit zu tun, dass er bei ihr nur die "entsprechenden Knöpfe" drücken musste. Da hast du etwas missverstanden.

Ich hoffe, ich bin weitgehend genug auf deine Kritikpunkte eingegangen?

Liebe Grüße
Estrel

 

lakita, das darfst du fragen. Ich verbiete dir keine einzige Frage. Aber dir ist es sicher total neu, dass wir hier Autoren sind?

Liebe Grüße
Estrel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Estrel,

du befindest dich in zwei Irrtümern:

zum einen habe ich dich in dem einen Posting nicht gefragt, das hast du verwechselt, da zitiert die Goldene Dame dich und stellt eine Frage.
Zum anderen sind wir hier auf kurzgeschichten.de keineswegs nur Autoren!
Wenn du dir die Mühe machst, zu schauen, wer alles online ist, dann wirst du sehen, dass IMMER eine ganz erkleckliche Anzahl an Gästen online ist.

Das sind alles LESER !

Um jedoch unter deiner Geschichte nun nicht unnötig eine Diskussion darüber zu entfachen, wer für wen schreibt und ob sowas sinnhaft ist oder nicht, möchte ich dir mitteilen, dass ich keine weiteren Fragen an dich habe.
Ich wünsche dir wie auch allen anderen Teilnehmern und erst recht allen Lesern noch einen angenehmen Aufenthalt auf kg und fühle mich in der Gewissheit, dass für jeden irgendwas Erbauliches, Erfreuliches und Angenehmes dabei sein wird.

Liebe Grüße an alle
lakita

 

Zum Tempus: Ich sehe keinesfalls, dass hier der Tempus
verletzt ist. Die Geschichte spielt heute, sie ist nicht abgeschlossen, und es ist ein innerer Monolog, im Perfekt geschrieben. Der Perfekt wird benutzt, wenn eine Sache vergangen ist, aber noch in die Gegenwart hineinreicht. Soviel zum Tempus. Und dass man da nicht das Wort "heute" benutzen darf, ohne die Zeitform zu verletzen - woher hast du das?
Tatsache ist dass die Geschichte als Erzählung zeitlich gedoppelt wurde, denn schon beim Einstieg beginnst du mit dem Perfekt, schließt an mit Präterium. Es folgt endlich dein Präsens und dann, ein Plusquamperfekt, darin gipfelt, dass der Ex in der erzählten Zeitreihenfolge verstorben sein muss, weil sein Tod ja in der Vorzeitigkeit des Plusquamperfekts geschrieben ist, da die Geschichte heute spielt.

Verwirrender geht’s nimmer

Mit deiner Äußerung "stilistisch nicht einwandfrei" kann ich leider gar nichts beginnen, eine unbewiesene Behauptung.
Er war ein Schiff, ein abgewracktes Schiff. Er trieb durch den Strom unserer Liebe. Wenn ich ihn anhielt, einen Ruderschlag zu tun, nahm er mich in den Arm, und der Ruderschlag war vergessen, und wir trieben durch den Fluss unserer Liebe. Die Insel, unsere Insel, auf der wir uns liebten, zerrann hinter Wellen. Er war sich meiner Liebe sicher
.

Das ist Beweis genug :D

Was du als poetischen lyrischen Stilversuch bezeichnest, sind Zitate aus dem Gedicht

Zitate sind als solche kenntlich zu machen, da sonst eine Urheberrechtsverletzung vorliegen könnte.

Für mich wars das an Diskussion

 

Hallo Estrel,

der Text macht mich leider nicht im Mindesten neugierig auf das Gedicht. Denn letztlich ist er ein Lamento. Das Lamento einer Frau, die sich weigert, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und selbst die Vorwürfe, die sie sich macht, nur an andere richtet. Natürlich war er nicht gut genug für sie und natürlich kann die Neue ihr nicht das Wasser reichen. Es ist das typische Spannungsnetz aus Selbstüberschätzung bis zur Überheblichkeit und Gekränktheit.
Und mehr nicht. Darüber hinaus wird noch nicht einmal eine Geschichte erzählt. Es werden nur subjektive Wertungen abgelassen und mündigen Lesern Meinungen vorgekaut. "Frau eben", möchte Mann denken und erinnert sich dann daran, dass Gröneheuler mit "Was soll das?" das auch schon gemacht hat.
Nein, anstatt hier Stimmungen einzufangen, wird hier Befindlichkeit penetriert. Nicht weiter als weinerliches Tagebuchlamento.
Da brauche ich keine Kenntnisse über das Gedicht als Basis, um eine Meinung darüber zu haben. Dein Verdienst ist es, das Interesse an einer Autorin, die du großartig findest, zu vernichten.

Estrel schrieb:
Und wenn der Leser einen Text über Eifersucht liest, dann ist für das Verständnis wichtig, dass der Leser selbst schon einmal erstens mit allen Fasern seines Herzens verliebt, zweitens enttäuscht worden ist und drittens eifersüchtig war und Parallelen zu seiner eigenen Erfahrung ziehen kann. Das scheint mir bei dir nicht der Fall zu sein.
Estrel schrieb:
Ich will es euch ja nicht zum Vorwurf machen, aber mein Eindruck ist doch mehr oder weniger, dass euch die Zwetajewa überhaupt kein Begriff ist.
Estrel schrieb:
Selbstverständlich will ich, wenn in der Überschrift steht "auf ein Gedicht von Marina Zwetajewa"
nur auf dieser Grundlage über den Text sprechen, um solch hausbackene Postings zu vermeiden, mit denen ich letztlich nichts beginnen kann.
Estrel schrieb:
Das Gedicht ist ziemlich lang, und ich glaube, ich kann im Grunde voraussetzen, wenn einer daran geht, etwas zu diesem Text zu sagen, dass er mal ins Internet geht und sich das Gedicht heranholt, es liest und dann versucht, seine Gedanken zu meinen Text zu äußern.
Estrel schrieb:
wir sind hier nicht unter x-beliebigen Lesern, sondern unter Autoren, also Leuten, die selbst Texte schreiben. Aber niemand hat dich gezwungen, diesen Text zu lesen. Oder?
Estrel schrieb:
ich gehe auf die von dir angesprochenen Punkte ein, obwohl ich nichts davon halte, einen Text zu erklären. Besonders dann nicht, wenn ich wie in diesem Fall merke, hier fehlt die Grundlage, nämlich die Kenntnis des Textes, auf den ich mich beziehe. Dass ich dich etwa für unwissend halte, damit hat das im entferntesten zu tun, sondern eher für voreilig.
Noch Fragen?
Wie du dazu kommst, den vermeintlichen Tiefsinn in dieser banalen Oberflächlichkeit derartig zickig gegen Kritiker zu verteidigen, bleibt dein Geheimnis, aber so hast du ja hier auch schon auf Lob reagiert.
Und deinen Belehrungen zum Trotz. Ein Text spricht für sich. Niemand hat es nötig, hier deinen Erwartungen zu genügen und selbst, wenn du dich an ein Gedicht anlehnst, ist dessen Kenntnis nicht die Grundvoraussetzung, eine Meinung über deinen Text zu haben.

Harte Worte, ich weiß, aber wer hier mit Haaren auf den Zähnen agiert, muss es auch abkönnen, wenn diese ausgerissen werden.

Lieben Gruß, sim

 

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