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Versuch einer Eifersucht
Auf ein Gedicht von Marina Zwetajewa
Heute habe ich sie gesehen. Sie kam aus dem Haus mit einer Einkaufstasche. Aufgedonnert, als ginge es in die Disco. Wie kann er, der doch mein alles war, das einzige, wofür es sich für mich gelohnt hatte, überhaupt auf der Welt zu sein – wie kann er mit dieser Frau leben? Ich hatte gedacht, mit uns beiden würde es bis ans Ende unseres Lebens gehen. Bis einer den anderen begräbt, und den Überlebenden begraben die Hunde. Ich hatte es geahnt, dass er vor mir sterben würde, und aus Liebe zu ihm hätte ich mich von den Hunden zerreißen lassen.
Aber es ist anders gekommen. Ich hatte es gespürt, aber es verdrängt: Er war keiner von meinem Fleisch und Blut, er hatte so etwas Kleinliches an sich, manchmal. Es fiel mir auf, aber ich übersah es. Weil ich es übersehen wollte. Ich lebte für ihn, in ihm. Da geschieht es schon, dass man blind ist. Und was war ich blind, blinder, als ich es mir selbst jemals wieder gestatten würde.
Er war ein Schiff, ein abgewracktes Schiff. Er trieb durch den Strom unserer Liebe. Wenn ich ihn anhielt, einen Ruderschlag zu tun, nahm er mich in den Arm, und der Ruderschlag war vergessen, und wir trieben durch den Fluss unserer Liebe. Die Insel, unsere Insel, auf der wir uns liebten, zerrann hinter Wellen. Er war sich meiner Liebe sicher.
Jetzt – ich kann es kaum fassen – teilt er Ruderschläge aus. In die falsche Richtung. Und wenn die Uferlinie verschwindet (die Erinnerung an mich) wird er der Anständigsten einer: Schwestern sollt ihr sein, predigt er. Schwestern, nicht Geliebte.
Sie ist eine einfache Frau. Ich nenne sie einfach, aber lieber würde ich ein anderes Wort benutzen, das träfe ihr Wesen besser. Aber so etwas tut man nicht, wenn man sich nicht ins Unrecht setzen will. Gegen sie war ich eine Herrscherin. Ich bin gestürzt. Weil ich den Thron freiwillig verließ.
Er hat es bis heute nicht begriffen, was die Ursache unserer Zerwürfnisse war. Immer verstand ich, dass einer, der auf sich selbst konzentriert ist, nicht mehr den anderen sehen kann. Lange habe ich ihm verziehen. Aber plötzlich, ich wüsste nicht, warum – plötzlich ging es nicht mehr. Und als ich dann die Wahrheit erfuhr, über ihn und sie, ging ich. Ohne ein Wort. Keine gestürzte Königin, sondern eine, die aus Staatsklugheit und Selbstschutz abdankte.
Sie scheint eine gute Hausfrau zu sein. Sie geht einkaufen. Ich habe früher immer jemanden geschickt, irgendwer war immer zur Hand. Ich hasse es, den unhandlichen Einkaufswagen durch die Kaufhalle zu schieben, die ich Kaufhölle nannte. Und ich hasse es, dass er mein Haushaltsbuch überprüfte, die Brille auf der Nase, mit dem Finger über jeden Posten fahrend. Und der vorwurfsvolle Blick, wenn ich mit dem Geld nicht auskam, unbeschreiblich. Als ob ich ihn persönlich beleidigen wollte, ihn, der mich doch so sehr liebte.
Sie zieht ihn noch tiefer, als er schon gesunken war. Ihre unsterbliche Plattheit! „Eine Dutzendbraut!“, habe ich ihn angeschrien. Er hat gelacht. „So mag ich dich eigentlich“, sagte er grinsend. „Schade, dass es mit uns beiden vorbei ist.“
Sie soll gut kochen können. Wenn es das ist, was er in mir gesucht hatte ... Ich fühle mich beleidigt. Er hat mich zu niedrig eingeschätzt. Eine gute Hausfrau, Köchin und Geliebte sollte ich ihm sein. Was aber war er mir? Er war, ich erröte heute, wenn ich daran denke – er war mein Leben. Mein ganzes Leben. Ohne ihn würde ich sterben. Hatte ich damals gedacht. Allen Ernstes, und ich weiß, dass es irgendwo in mir immer noch ein Eckchen gibt, in das ich mich verkriechen will, um heimlich sagen zu können: Er war mein Leben.
Er hat mich verraten. Ich habe auf dem Sinai gelebt, er aber ist in die Niederungen gestiegen und suhlt sich im Schlamm. Mit dieser Hausfrau und Köchin, der aufgeputzten Ziege.
Dass er sich nicht schämt. Mit so einer. Sie ist eine gebrauchte Ware, die man auf dem Markt kaufen kann, an jedem Stand. Billig, leicht zu erwerben, sie schreit: Kauf mich! Und er hat sie gekauft. Ich, als ich es begriff, war erschrocken. Über ihn, weil er sich mit so wenig zufriedengab. Aber am meisten über mich. Weil ich – nein, es tut noch immer weh. Blindheit tut weh. Er war mein Gott, und jetzt ist er ein zerschlagener Gott. Der Marmor aus Carrara ist in tausend Stücke zerschlagen. Und wie lebt es sich heute – mit diesem Dreck aus Gips?
Sie hat keinen sechsten Sinn. Sie ist blind von Geburt. Eine Assel aus dem Keller. Mit acht Beinen, aber sie kann nicht schreiten, sondern nur huschen.
Ich gehe ihm aus dem Wege, wenn ich ihn von ferne sehe. Manchmal treffen wir uns bei Freunden, abends. Der Wein lockert die Zunge, und ich gehe jedesmal als erste, falls er mit ihr dazukommt. Ich will mich nicht verraten. Ich weiß, ich habe nichts verloren an ihm, aber ich weiß auch, dass ich etwas verloren haben könnte. Sie dagegen ist unempfindlich, sie ahnt es noch nicht einmal, was aus ihm hätte werden können.
Die ganze Zeit treibt mich eine Frage um: Ist er glücklich? Ist er wirklich glücklich? Sagt er es nicht nur, um sich selbst zu beruhigen? Einmal habe ich eine Andeutung machen wollen, und er hat die Frage verstanden, ohne dass ich sie ausgesprochen hätte. „Ja“, hat er gesagt.
„Ich bin glücklich.“ Das musste er natürlich sagen. Mir, der Verflossenen.
Als sie zurückkam mit der vollen Einkaufstasche, war ihr Make-up heruntergekommen, als habe sie in der Kaufhölle einen Kampf mit dem Teufel gekämpft. Oben wird sie aufgeschrien und sich die Lippen neu vollgeschmiert haben.
Das Schiff, das abgewrackte Schiff, ist untergegangen. Wie unsere Insel, auf der wir uns liebten. Die Wellen schlagen ans Ufer, aber es entfernt sich - ich entferne mich. Eines Tages wird er verstehen, dass man, um ein Schiff zu lenken, mitunter auch rudern muss.
Es lebt sich schwerer. Ich habe mich umgesehen, und jetzt lebe ich mit einem zusammen, von dem ich weiß, dass er mich nicht begraben wird.