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Verzicht
Mittagszeit: Ich koche. Das Wasser brodelt. Der Topf verschlingt, was man ihm gibt. Sonne erwärmt die Küche. Da klingelt es. Ich gehe in den Flur, öffne die Wohnungstür. Es ist Johanna! Sie stürmt herein. Die Tür knallt zu. Was wird das?
Sie nimmt sich einen Stuhl. Ich soll mich setzen. Sie sagt, sie weiß von mir und Flora. Ich schlucke. Sie erklärt, das hätte sie mir nicht zugetraut. Sie betont, sie selbst wäre nie zu so etwas in der Lage. Es riecht nach Nudeln und Konflikt. Ich stehe auf, drehe die Gasflamme zurück.
Oh, was für ein Sturm der Entrüstung! Nie hätte ich ihr die Kenntnis solcher Ausdrücke zugetraut. Sie weiß Details, sagt sie. Hat sie mich beobachtet oder beobachten lassen? Sie kennt Floras Adresse, kennt Floras Gewohnheiten, kenne unsere Gewohnheiten. Ich staune! Johanna weint: Tropfen, wie vom Regen. Dann wartet sie.
Und ich? Ich gebe alles zu. Leugnen hätte keinen Zweck. Niemand kann bei einer Lüge bleiben, außer er beginnt, sie selbst zu glauben.
Da geht sie mit den Fäusten auf mich los! Ein Trommelfeuer. Schmerzen breiten sich aus, wie Ringe in einem Teich, in den jemand einen Stein geworfen hat. Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein... Sie schreit mich an! Sicher können die Nachbarn alles hören.
Die Nudeln müssten längst al dente sein. Tomaten warten, dass jemand sie schält und passiert. Knoblauchzehen fordern auf, sie zu pressen. Johanna fordert auf, sie in den Arm zu nehmen. Ich will...
"Nein!" ruft sie.
Ihre Handfläche gebietet Einhalt. Mein Blick sucht ihren. Ich spüre ihre Wut. Dann beginnt sie, mich vor sich selbst zu verteidigen, Ausreden zu erfinden, verfällt in den Ton der Anklägerin, sucht Gründe zu meinen Gunsten - freut sich am Ende über die Aussprache. Und geht.
Ich drehe die Gasflamme wieder auf. Brodeln setzt ein. Johanna liebt mich und ich liebe Johanna. Johanna weiß von mir und Flora. Sie weiß nicht, dass ich von ihr und Kurt weiß. Sie kennt Details. Auch ich kenne Details. Aber ich werde mich hüten, sie das wissen zu lassen. Ich lächle.
Das Klingeln des Telefons unterscheidet sich vom Klingeln der Türklingel, wie ein Kuss von einem Händedruck. Ich gehe in den Flur. Das Parkett knarrt. Schon ehe ich den Hörer abnehme, weiß ich, wer mich da anruft...