Verzweiflung
Das Licht der Scheinwerfer durchschnitt die Dunkelheit, als das Auto in die leere Seitenstraße bog. Der Fahrer verlangsamte das Tempo, fuhr dann rechts ran, schaltete den Motor aus.
„Es war schön heute Abend“, meinte er.
Sie sagte nichts, sah nach unten auf ihre verkrampften Hände.
Er seufzte. „Nun sag schon, was ist los? Den ganzen Abend verhältst du dich schon so, bedrückt dich irgendwas?“
„Nein, nein, es ist nichts, ich bin nur ein bisschen gestresst in letzter Zeit, du weißt doch, die Arbeit. Ich brauche wohl mal wieder ein bisschen Urlaub.“ Sie brachte ein gebrochenes, nervöses Lachen zustande.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie er sie ansah. Er glaubte ihr nicht.
„Wenn du reden willst, du weißt, ich bin immer für dich da.“ Er nahm ihre Hand, streichelte sie. Am liebsten hätte sie sie ihm sofort wieder entzogen, doch stattdessen sah sie ihn nun an, lächelte. „Es ist wirklich nichts, du brauchst dir keine Sorgen zu machen!“ Dann stieg sie aus dem Auto, ging zur Haustür. Er kam hinterher, holte sie ein und ging mit ihr zusammen die Treppe zur Haustür hoch. Die Lampen gingen an, als sie näher kamen, leuchteten schwach in der Dunkelheit. Vor der Haustür blieben sie stehen. Beide erinnerten sich an den Abend vor einigen Monaten, als sie das erste Mal ausgingen und er sie nach Hause brachte. Sie waren so glücklich gewesen!
Jetzt streichelte er ihre Wange, küsste sie zart. „Ich liebe dich“, flüsterte er.
„Und warum hast du mich dann betrogen?“ Das wollte sie sagen, aber sie tat es nicht. Stattdessen sagte sie nur: „Ich liebe dich doch auch!“ Sie kämpfte mit den Tränen. Sie liebte ihn ja wirklich, aber genau das war doch das Problem!
Sie schloss die Haustür auf, gab ihm zum Abschied noch einen letzten Kuss und verschwand im Hausinneren. „Ich ruf dich an!“, sagte er noch, dann schloss sie die Haustür.
Er stand noch ein paar Sekunden vor der Tür, zögerte, doch dann ging er zum Auto zurück, ließ den Motor an. Langsam ließ ihre Anspannung nach, sie atmete tief durch. Doch dann kamen ihr die Tränen, sie fing hemmungslos an zu weinen, schlug sich die Hände vors Gesicht und sank in sich zusammen. Warum? Warum hatte er sie betrogen? Er liebte sie doch! Es hatte so wehgetan, als sie ihn gesehen hatte, so weh. Warum, schrie sie immer wieder verzweifelt. Sie brachte es nicht übers Herz mit ihm darüber zu reden, sie würde ihn verlieren, sie konnte es einfach nicht. Doch hatte sie ihn nicht sowieso schon verloren?