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Vielleicht doch nur ein Tauschgeschäft
Vielleicht doch nur ein Tauschgeschäft
Ich war nie in dich verliebt, nicht so wie du es immer angenommen hattest.
Wir kannten uns schon lange, gingen zusammen in die Schule, trennten uns erst nach dem Ende der zehnten Klasse: Ich ab in´s Abitur, du zu deiner Ausbildung zum Fotografen. Der Kontakt blieb bestehen, wir trafen uns weiterhin, schliefen miteinander, redeten stundenlang, gingen gemeinsam zum Fußball oder gingen mit unserer Clique gemeinsam weg. Ich kann dir nicht sagen, wann es aufgehört hat, warun ich dir sagen musste, dass ich jemanden kennen gelernt hatte, mit dem ich zusammen sein wollte.
"Und wer ist das, bitte?", fragtest du mich an diesem Tag, in diesem Moment, als ich dir deine Illusion nahm. Ich wollte dich schon damals nicht verletzten, hatte es nie beabsichtigt, und tat es doch so oft.
"Er ist neu auf der Schule, möchte sein Abitur bei uns machen, wegen der Leistungskurse, du weißt schon...". Ich wich aus, wie ich es immer tat, wenn ich dir etwas unangenehmes erklären musste. Wie damals, als ich in den Ferien auf deinen Hamster aufpassen sollte. Als du aus Mallorca zurück kamst, braun gebrannt, mit schlacksigen Armen und Beinen, wie Jugendliche das so oft an sich hatten, war das Tierchen tot. Du hast mir nie Schuld gegeben, sagtest er wäre alt gewesen.
Auch diesmal gabst du mir keine Schuld.
" Bist du verliebt, Wiebke?" Du nanntest mich Wiebke. Das tatest du sonst nie, ich war für dich immer "dein Krümel" gewesen, seit wir uns kennen lernten. Der Name war gerechtfertigt, ich war klein und zart, selbst im Alter von siebzehn.
"ich denke schon."
"Dann wünsche ich dir viel Glück."
Diesmal gab es keinen Kuss, keine Umarmung, keine Verabredungen für den Tag, kein Versprechen, mich anzurufen. Hatte ich denn wirklich Schluß gemacht? Ich beantwortete mir die Frage selbst. Nein, man kann nichts beenden, was nie angefangen hat. Wir waren doch Freunde, hatten Spaß miteinander, hatten zwar Sex, aber das hatten wir auch mit anderen. Wir waren doch beide jung, kannten uns zu gut, um uns einander zu binden. Es gab nichts neues an unserem Gegenüber. Ich fühlte mich bei dir geborgen, sicher, gut aufgehoben. Du warst immer so kuschelig warm, hattest immer Zeit für mich, immer einen Platz auf deinem Bett in deinem winzigen Zimmer für mich frei, wenn ich Kummer hatte. Ich liebte dich. Nur eben nicht so, wie ich mich nun in André verliebt hatte. Er, groß, dunkelhaarig, mit grauen Augen ähnelte dir nicht. Du warst immer eher mittelgroß, flachsfarbende Haare standen wild von deinem Kopf ab, und grüne Augen strahlten eine enorme Lebensfreude in die Umwelt aus.
Nur fehlte mir bei dir die Liebe. Das wackelig Werden der Beine, die Schmetterlinge im Bauch, die rosarote Brille, die ich wohl auf dem Weg zu dir verloren hatte. Erst als ich André kennen gelernt hab, bekam ich das, was ich wollte. Zugegeben, der Sex mit dir war schöner, liebevoller. Aber erst er brachte mich richtig auf Touren. Eine Zeitlang war ich glücklich.
6 Monate später war es aus mit André. Liebe hält eben nicht ewig, Sex ist kein Ersatz für Vertrautheit und wackleige Kniee reichen nicht an ein gutes Gespräch heran. Nun sitzen wir wieder in deinem winzig kleinen Zimmer, ich knöpfe mir grade meine Jeans zu.
"Krümel?" Ich blicke auf. Habe ich irgendwas vergessen?
"Mir ist was klar geworden." Aha? Ich frage mich, was nun kommt. Ziehe nur erwartungsvoll die Augenbraue hoch.
"Nachdem das mit André war... weißt du, ich liebe dich. Nicht nur wie Freunde sich lieben. So richtig eben." Ich merke wieder, dass du vielleicht doch noch der schlacksige Junge von damals bist. Es fällt dir schwer, dich auszudrücken.
"Und was willst du mir sagen?" Er zieht die Agenbrauen zusammen. Wütend auf mich, weil ich ihm seine Last nicht einfach abnehme.
"ich möchte mit dir zusammen sein. Nur du und ich, niemand anderes. Verstehst du? Ich liebe dich."
Ich gebe ihm einfach einen Kuss auf die Nase.
"Ich denke darüber nach"
Mehr gibt es nicht zu sagen. Ich nehme meinen Rucksack, der auf deinem Schreibtisch liegt, und gehe.
Schmetterlinge statt Geborgenheit? Eine rosarote Brille, wichtiger als zusammen Fußball spielen und nächtelange Gespräche? Ich werde es mir überlegen, Tim...