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Vierzig Stunden bis Wochenende
It is not a good day, if you are not looking good
This is the best party that I've ever been to
Today I asked for a god to pour some wine in my eyes
Today I asked for someone to shake some salt on my life
(Faith no More - King for a Day)
"Vierzig Stunden bis Wochenende. Drei Minuten sind schon rum."
Das Schlimmste an einem Montag ist der Moment, in dem du morgens ins Büro gehst, zum ersten Mal einen Blick auf die Uhr wirfst und sich dieser Gedanke mit der Wucht eines Deep-Purple-Songs einmal quer durch deinen Kopf frisst, dein Bewusstsein unterwandert und sich irgendwo zwischen Großhirnrinde und Nervensystem in eine Art Zombievampir verwandelt, der versucht dir jegliche Motivation auszusaugen.
Das Wochenende war eigentlich ziemlich okay gewesen, sah man mal von der Tatsache ab, dass Lea mit mir Schluss gemacht hatte. Und zwar genau zwischen der zweiten Werbepause von Schlaflos in Seattle und der Programmvorschau auf die TV Osterhighlights. Irgendwie verliert so ein romantischer Fernsehabend zu zweit ziemlich an Sinn, wenn einer der beiden mittendrin aufsteht und auf den Horrorkanal wechselt. Und darin war Lea erstaunlich gut gewesen. Getreu dem Motto Show, don't tell hatte sie Horrorvisionen in meinem Kopf erzeugt, ohne auch nur ein einziges Wort sagen zu müssen. Naja, sie hatte schon etwas gesagt, genau genommen sogar jede Menge - allerdings war ich am meisten davon beeindruckt, dass sie mir gezeigt hatte, wie einsam eine Wohnung auf einmal wirken kann, wenn man plötzlich ganz alleine im Wohnzimmer sitzt. Allein mit einer Riesentüte Popcorn, die ursprünglich mal für zwei gedacht war. Mein ganz persönlicher Alptraum, und kein Wecker in Reichweite.
"Alter, wie gehts dir heute?" Es war inzwischen fünf nach acht und Kurt wusste Bescheid. Natürlich tat er das. Immerhin war er nicht nur mein bester Kumpel und Lieblingskollege, sondern auch seit unserem gestrigen Treffen voll im Bilde was meine derzeitige Gefühlslage anging.
"Beschissen."
"Weißte was? Nächsten Freitag ziehn wir zwei Hübschen ma ordentlich um die Häuser. Wie in alten Zeiten." Alte Zeiten. Bevor ich Lea kennengelernt hatte. Damals waren Kurt und ich die Könige der Piste gewesen, mit Kronen aus Schaum und einem Reich aus Apfelkorn.
"Ja, mal sehen..."
"Nix mal sehen. Abgemacht." Kurt klopfte mir auf die Schulter und marschierte in die Betriebsküche, um uns Kaffee zu machen oder um den Kakerlaken einen guten Morgen zu wünschen - was auch immer. Unser Abteilungsleiter wollte sich natürlich nicht lumpen lassen und auch etwas zu meinem seelischen Gleichgewicht beitragen. Der Aktenberg auf meinem Schreibtisch sorgte zumindest dafür, dass ich die nächsten Tage genug zu tun hatte und abgelenkt war.
...
Es war nicht leicht, am folgenden Freitag eine geeignete Lokalität für meine Seelenmassage zu finden. Unser alter Stammschuppen von damals hatte inzwischen dichtgemacht und so blieb uns nur noch das Ausschlussprinzip. Und da alle anderen Läden sich musikalisch mit variablen Endlosschleifen der Demotapes leichtbekleideter Popgören und basswummernden Mitschnitten irgendwelcher Hochbauprojekte begnügten, die einem schon vor dem ersten Durchlauf gehörig auf die Nüsse gingen, entschieden wir uns für den Headbangers Dungeon - eine relativ neue Kneipe in der Innenstadt.
Wie sich herausstellen sollte, eine gute Wahl, denn schon vier langweilige Nightwish-Songs und drei schale Bier später konnte ich meinen ersten Flirterfolg verbuchen. Sie hieß Nathalie oder so, wollte aber lieber mit Lady Nocturna angesprochen werden. Nun, ab einer gewissen Oberweite verzeiht ein Mann einer Frau beinahe alles und nennt sie auf Wunsch auch Mutter Beimer.
Lady Nocturna und ich begaben uns also auf die Tanzfläche und bewegten uns rhythmisch zu Mistress Tarjas Vokaldarbietungen auf schelmisch wuppendem Gitarrenbrett. Entgegen meiner Gewohnheit achtete ich der Lokalität entsprechend darauf, nicht allzu viel Enthusiasmus zu versprühen, vermied es, meine Tanzpartnerin direkt anzulächeln, verzichtete auf jede Form der Gefallensbekundung und versuchte überhaupt, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Das kam an.
Kurt hatte irgendwann die fixe Idee, unbedingt noch zu dritt irgendwo hinzugehen - und da es sich aufgrund der Nähe gerade anbot, landeten er, Lady Nocturna und ich am Ende in seinem Wohnzimmer, hörten alte Queen-Platten, köpften seine letzten Schnapsreserven, spielten eine Runde Idiotendreier* und planten unser eigenes Rockfestival. Groß sollte es sein, alles bisher dagewesene in den Schatten stellen, Musikgenerationen vereinen, die Grenzen des Geschmacks niederreißen, die Hörgewohnheiten der Massen revolutionieren und mindestens drei Euro Eintritt kosten. Vor allem aber, da waren wir uns einig, sollte es vor der Uni in Hannover stattfinden. Das schien eine gute Idee zu sein, da wir alle noch niemals einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatten.
Auf einem alten Bierdeckel skizzierten wir das LineUp, legten Bierpreise fest, planten Notfallstrategien für den Fall eines Erdbebens, bastelten Lampions für die Bühne und entwarfen ein schickes Logo: Eine gelbe Schlange, die von einem Adler mit einer doppelblättrigen Axt erschlagen wurde. Danach fiel Nathalie in Ohnmacht, was für Kurt und mich das Zeichen war, ebenfalls schlafen zu gehen.
...
Der nächste Morgen begann mit einem Kater, der neue Dimensionen im metaphorischen Gebrauch von Säugetieren erreichte. Er tigerte irgendwo weit hinten in meinem Bewusstsein um meine Erinnerungen an den gestrigen Abend, fummelte an meinen Synapsen herum und pinkelte mir zu allem Überfluss noch ins Stammhirn. Ich drehte mich auf die andere Seite, sah in das Gesicht einer erschreckend tot wirkenden Lady Nocturna und fiel von der Couch.
Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei Nathalies Gesichtsausdruck um ihre normale gesunde Morgenblässe und es ging ihr prächtig. Nach einem kurzen Frühstück, bestehend aus vier Litern saurer Sahne, drei Mangos und einem Becher Erdbeerjoghurt - man konnte über Kurt ja sagen, was man wollte, aber sein Kühlschrank konnte eine gewisse Exotik nicht verleugnen - widmeten wir uns wieder unserem Projekt.
Natürlich konnten wir den Bierdeckel nicht mehr entziffern. Vielmehr sahen die Buchstaben bei Tageslicht alle gleich aus und erinnerten mich in ihrer Form an irgendwas Ägyptisches. Ein paar Minuten lang vertrieben wir uns die Zeit, indem wir uns wüst gegenseitig beschimpften, weil natürlich niemand zugeben wollte, für dieses Dilemma verantwortlich gewesen zu sein und wir uns alle drei nicht mehr erinnern konnten, wer für dieses Dilemma verantwortlich gewesen war. Als dann langsam der Samen der Konstruktivität in unsere Unterhaltung strömte wie heiße Luft in einen Ballon, hatte Kurt bereits das Interesse verloren und pulte ein Loch in seine Tapete.
"Also", begann ich, "wisst ihr, wie man am besten nach Hannover kommt?"
"Hannover? Wo is das denn?" Kurt sah nicht auf, sondern murmelte diese Frage mehr in die Wand hinein.
"Niedersachsen. Das ist da die Hauptstadt."
"Dann mitm Zug." Bestechende Logik, gepaart mit der erschreckend emotionalen Assoziationskunst einer Frau - das war es, was Kurts Denkzentrum so einzigartig machte.
"Ja, warum nicht. Hat wer eine Bahncard?" Lady Nocturna war zufällig im Besitz einer solchen und unter Ausnutzung sämtlichen mir zur Verfügung stehenden Charmes schaffte ich es tatsächlich, noch für denselben Tag auf ihre Kosten drei Tickets zum Supermegasparpreis nach Hannover zu organisieren.
Während der Fahrt versuchten wir, unsere gestrigen Planungen bezüglich des LineUp zu rekonstruieren. Wir hatten ein Abteil für uns alleine und während an unserem Fenster ein paar Kühe, diverse Hochspannungsmasten und insgesamt siebenunddreißig Schafe vorbeiflanierten, diskutierten wir uns die Köpfe heiß.
"Nee, die kriegen wir nich. Vergiss es", sagte Kurt gerade.
"Aber ich will sie dabei haben. Was ist schon ein Rockfestival ohne die beste Band von allen?"
"Alter, hast du ne Ahnung, was die pro Auftritt so nehmen? Meinst du, die spieln für drei Bier und ne Tüte Gummibärchen? Nee, für die Kohle kannst du dich viermal von Deep Purple mit Child in Time zuballern lassen. Nix da, Metallica bleibt draußen."
"Wir könnten sie ja zumindest mal anrufen. Ein Versuch kostet nichts."
"Klar, Mann... echt, ich glaub, die Sache mit Lea hat dir den Kopp verschissen."
"Okay, dann eben kein Metallica. Was steht als nächstes auf der Liste?" Lady Nocturna begutachtete den Bierdeckel kritisch von allen Seiten, versuchte, anhand irgendwelcher Astralschwingungen auf die Bedeutung der Notizen schließen zu können und zuckte schließlich resignierend mit den Schultern.
"Wie wärs mit Evanescence? Die Sängerin von denen hat ja echt ma geile... Stimmbänder. Und Resonanzkörper. Jede Menge Resonanzkörper, wenn du mich fragst." Kurts Augen glänzten und auch ich musste bei dem Gedanken an besagte Sängerin umgehend ein paar Hormone mit Dosenbier ertränken. "Gut, die Musik is natürlich scheiße, aber wen juckts?"
"Ey, wir wollen Musik verkaufen", sagte ich dann. "Rock hat nichts mit Titten zu tun. Sonst könnten wir auch einfach Nathalie nackt auf die Bühne stellen." Die Angesprochene gab ein belustigtes Quieken von sich, was mich in diesem Moment ein wenig irritierte. Vermutlich, so schloss ich messerscharf aus dem Leuchten in ihren Augen, hätte sie da gar nichts gegen gehabt. Vielleicht hatte sie sich auch gerade selbst einen Witz erzählt, dessen Pointe irgendwo zwischen dem IQ einer Waldbeere und vierzehn lag.
"Vielleicht", sagte Kurt, "wär das gar keine so schlechte... Ja, schon gut... wie wärs mit Genesis?"
"Warum nicht gleich die Stones? Oder vier Särge, die wir einfach im Kreis auf der Bühne aufstellen?"
"Ja, auch wahr... REM?"
"Zu intellektuell. Wir wollten doch knallharten Rock, oder? Dann könnten wir ja doch Genesis nehmen."
"Scorpions? Die sind immerhin auch aus Hannover..."
"Die Scorps?" Kurt und ich hielten einen Moment lang inne und dachten nach. Einen äußerst kurzen Moment. "Nein. Dann schon lieber Pur."
"Gut, blöde Idee."
"Okay, darf ich zusammenfassen?" Ich warf einen Blick auf die von Lady Nocturna mit erstaunlich zierlicher Handschrift verfasste Liste. Scheinbar hat das ständige Tragen von Nietenarmbändern positive Auswirkungen auf die Fingerhaltung. "Also... wir hätten in der engeren Auswahl: Iron Maiden, Motörhead, Gary Moore, Faith no More, Foreigner... warte mal, Foreigner?"
"Die rocken", rechtfertigte sich Kurt.
"Ja, na klar... Aber mir haben sie den Kopf verschissen, ne..."
"Nix da! Foreigner bleibt."
"Okay, okay... weiter: Red Hot Chili Peppers, Queensryche, Pink Floyd und Guns'n'Roses. Ja, gutes LineUp. Also, abgesehen von Foreigner vielleicht."
"Halt die Klappe. Keine Ahnung von Musik, aber hiers Maul aufreißen, ne..."
Um unsere folgende Telefonaktion kurz zusammenzufassen: Bei Pink Floyd ging keiner ans Telefon, Motörhead haben unsere Anfrage akustisch nicht verstanden, Gary Moore musste an dem Tag einen Supermarkt in Ingolstadt eröffnen, Guns'n'Roses konnten sich nicht auf eine Besetzung einigen, Queensryche standen nicht im Telefonbuch, Foreigner wurden kurzerhand wieder ausgeladen, die Peppers haben den Flieger verpasst und Iron Maiden hatten schlicht keine Lust. Letztlich blieb von unserer Liste nur noch eine drittklassige Faith no More - Coverband namens The Pattons übrig. Nicht ganz das, was wir uns vorgestellt hatten, aber im Gegensatz zu Metallica waren sie genügsam und wollten wirklich für drei Bier und eine Tüte Gummibärchen spielen.
...
Am Montag hatten wir die vier Jungs endlich so weit, uns einen kleinen akustischen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen zu geben. Sie führten Kurt, Nathalie und mich in ihren Probenraum, eine vergammelte Garage irgendwo südlich der Nordstadt, und legten los. Eigentlich waren sie gar nicht so schlecht, nur hatte ich irgendwie das Gefühl, dass sie ihre Instrumente untereinander vertauscht hatten. Ironischerweise spielten sie uns Malpractise - eine alte Nummer von Faith no More, deren Titel für diese Coverband eine Art musikalischer Leitfaden zu sein schien. Naja, wenigstens waren sie da und machten ordentlich Krach. Wir engagierten sie ohne viel nachzudenken und drückten jedem von ihnen eine Lakritzschnecke als Vorschuss in die Hand.
Irgendwann am Dienstag, es mochte so gegen Mittag gewesen sein, fiel Kurt auf einmal auf, dass wir gar keinen Urlaub genommen hatten und streng genommen gerade die Arbeit schwänzten. Ein kurzer Anruf beim Chef inklusive der beiläufigen Erwähnung seiner Enthüllungen bei der letzten Weihnachtsfeier genügte allerdings, diesen Missstand für alle Beteiligten zufrieden stellend zu regeln. In diesem Zusammenhang stellte ich mir und später auch ihr die Frage, was eigentlich Lady Nocturna dazu befähigte, einfach so eine Woche blau zu machen und mit zwei vollkommen Fremden in einer ebenso fremden Stadt rumzuhängen. Sie antwortete, sie würde angedachte Philosophie mit Nebenfach selbsterlebte Soziologie studieren, was wirklich alle sie eventuell betreffenden Fragen auf mehr als einleuchtende Weise beantwortete. Im Voraus.
"Sach ma", begann Kurt nach dem dritten Bier - das war so gegen vier Uhr nachmittags, "was is denn mit der Location?"
"Alles zu seiner Zeit. Erst müssen wir uns um die Würstchen kümmern und Eintrittskarten zeichnen. Ein perfekter Job für unsere Natha... Lady Nocturna." Sie schien wenig begeistert zu sein, begann nach einiger Überredungskunst gepaart mit einer versprochenen Käsestulle dann aber doch damit, sich die Lippen schwarz nachzuziehen und Kussmünder auf vorher ausgeschnittene Pappquadrate zu drücken. Ich sah ihr eine Weile fasziniert zu, bewunderte die sanft geschwungene Form ihrer Oberlippe und ihre extravagante Kajalführung und wurde schließlich von Kurt unsanft aus meinen Tagträumen gerissen.
"Was is jetz? Das Konzert soll in vier Tagen steigen und wir haben noch keine Erlaubnis."
"Immer mit der Ruhe. Irgendwas wird uns schon einfallen."
Den Rest der Woche verbrachten Kurt, Lady Nocturna und ich damit, uns die Stadt anzusehen, Getränke für das Festival zu besorgen und die Eintrittskarten zu verkaufen. Letzteres war einfach, da die meisten Männer, die wir in der Fußgängerzone ansprachen, das Layout der Karten scheinbar missdeuteten und das Ganze für eine Art Swingerparty mit Hintergrundmusik hielten. Sex sells und so.
Die Sehenswürdigkeiten Hannovers beschränkten sich auf einen grauen Bahnhof, graue Parklandschaften, großflächig mit Taubenkacke verzierte Parkhäuser, ein paar Baumärkte (ebenfalls mit Taubenkacke verziert), diverse graue Museen und ein paar Teiche voll unverschämt grauen Wassers. In dieser Stadt waren sogar die Straßenbahnen grau und die Tauben trugen Tarnfarben. Um uns von diesem deprimierenden Anblick zu erholen, verbrachten wir die Abende regelmäßig in irgendeiner Studentenkneipe, wo wir unsere Tageseinnahmen aus den Kartenverkäufen in Alkohol umsetzten.
...
Naja, und dann war endlich Samstag, der Tag unseres Festivals. Um vier Uhr morgens schlichen wir uns auf die Wiese vor der Uni und trafen die ersten und einzigen Vorbereitungen, stapelten die vier Bierkisten neben der Bühne - ein Stück Wiese, das wir mit geklautem Absperrband von einer benachbarten Baustelle umspannt hatten -, bauten unseren mitgebrachten Tapeziertisch auf, drapierten den Inhalt der beiden Bockwurstgläser kunstvoll auf drei Pappteller, legten ein paar Brötchen dazu und schlossen unsere Bemühungen in Sachen Catering mit dem Schreiben einer Preisliste ab.
Im Laufe des Vormittages trudelte dann auch unsere Band ein, baute ihr Zeugs auf der Bühne auf, versorgte sich aus diversen Autobatterien mit Strom und spielte sich schon mal ein. Ich musste zugeben, dass unter freiem Himmel die Stimme des Sängers der von Mike Patton schon ein wenig ähnlicher war, was aber auch daran lag, dass sie damals im Probenraum eher wie eine verrostete Zahnspange geklungen hatte. So spielten sie zum Aufwärmen ein paar Runden King for a Day und eine verdammt schwüle Version von Evidence. Mehrere Runden deshalb, weil zwischendurch immer mal wieder die Stromversorgung neu organisiert werden musste, da die Besitzer der angezapften Wagen sich wiederholt beschwerten und vereinzelt sogar wutentbrannt mit der Polizei drohten.
Ein paar Studenten, die sogar am Wochenende nichts besseres zu tun hatten, als zur Uni zu gehen, setzten sich in gespannter Erwartungshaltung auf die Wiese und warteten geduldig auf die Dinge, die da kommen würden.
Im Laufe des Tages kamen immer mehr Menschen zusammen und irgendwann begannen die ersten, ihre Grills von zu Hause zu holen und Würstchen zuzubereiten. Das konnten wir natürlich nicht auf uns sitzen lassen, immerhin war das unsere Veranstaltung und somit eigentlich wir allein für die Verpflegung der Massen zuständig - aber da wir zugegebenermaßen den Andrang unterschätzt hatten und die zwei Gläser Bockwurst wohl nur schwerlich reichen würden, beschlossen wir, den Schwarzgrillern kurzerhand Ausschankgenehmigungen zu erteilen. Gegen ein angemessenes Entgelt natürlich.
Als dann am Abend die Sonne unterging und die Pattons sich langsam daran machten, ihr Konzert zu beginnen, hatte die ganze Sache bereits volksfestähnliche Ausmaße angenommen. Irgendjemand hatte sogar ein paar Zelte aufgebaut und schien sich scheinbar auf eine mehrtägige Veranstaltung im Stile Woodstocks einzurichten. Wir handelten schnell, ließen Nathalie noch ein paar Eintrittskarten beküssen und verteilten diese relativ wahllos in der Menge.
Das Konzert selber ging dann leider irgendwie unter, weil die Studenten samt und sonders damit beschäftigt waren, sich gegenseitig unter die nicht vorhandenen Tische zu kiffen, Lagerfeuerromantik mit auf Akustikgitarre gespielten Versionen von Dust in the Wind, Lady in Black und diesem ganzen anderen Bob Dylan - Geseiere zu erzeugen und auch sonst alle Register der Kunst zogen, sich von dem Treiben auf der Bühne nicht ablenken zu lassen. Die meisten lagen paarweise knutschend in irgendwelchen Büschen.
Und so kam es, dass letztlich nur Kurt, Lady Nocturna und ich selbst den Pattons lauschten, lautstark nach Zugaben forderten und zu Stripsearch sehr eng miteinander tanzten. Letzteres natürlich ohne Kurt. Nachdem die Pattons ihr ansehnliches Repertoire nach gut und gerne zweieinhalb Stunden durchgespielt hatten, geschah endlich das, worauf ich die ganze Woche gewartet hatte und wir zogen uns ebenfalls in die Büsche zurück - auch das ohne Kurt natürlich.
...
"Und?"
"Was und?"
"Hast du ihre Nummer?"
"Von Nathalie? Klar." Ich nickte. "Samstag gehen wir wieder ins Headbangers Dungeon. Sie hat zwar keine Ahnung von Musik, ist aber trotzdem eine tolle Frau."
"Ja, Nightwish is echt kein Vergleich zu echtem Rock. Aber erklär das mal ner Frau mit Nietenarmband, weißer Schuhcreme im Gesicht und schwarzen Lippen."
"Naja... ich hab ja Zeit, Nathalie die ganze Sache mal in Ruhe näher zu bringen."
"Bist aber schnell über Lea hinweggekommen, oder?"
"Ohne dich hätte ich das nie geschafft. Danke für die Ablenkung, Mann."
"Kein Ding. Sag mal, hast du was dagegen, wenn ich Lea mal anrufe?"
Es war Montag, acht Uhr zwölf. Knapp vierzig Stunden bis Wochenende.
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* Der Idiotendreier ist ein beliebtes Partyspiel, das wie alle Partyspiele erst ab einem Promillegehalt jenseits der guten Sitten so richtig Sinn macht. Es geht darum, dass einer der drei Anwesenden den Raum verlässt und die anderen beiden herausfinden müssen, wer gegangen ist. Gar nicht so einfach, wenn man sein eigenes Gesicht im Spiegel nur noch anhand des fehlenden Weinfasses von dem eines Bernhardiners unterscheiden kann.