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Vision Impossible
Es war wieder Weihnachtszeit. In der gesamten Stadt lag ein Geruch von süßlichem Zimt und Glühwein in der Luft, herzlos ausgeschenkt von findigen Saisonarbeiterinnen. An allen Stellen des Marktes gab es kleine Geschäftsbuden, deren Besitzer versuchten ihre Waren an den Mann zu bringen. Mir war sofort klar, dass ich diesem tollen Treiben entgehen musste, wollte ich mich einem geruhsamen Kauf diverser Weihnachtsgeschenke zuwenden.
Nun ja, wie der Zufall so will, fand ich eine recht beschauliche kleine Nebenstraße, in der nur ein paar einzelne Vagabunden umherzogen. Ich sah ein kleines Geschäft, dessen Schaufenster in wohlig warmes, orangenfarbiges Licht getaucht war. Es handelte sich um ein Antiquariat. Ein kleiner Laden mit altem Geschirr, ein paar Gemälden aus Räumungskäufen, kitschigen Porzellanfiguren in Pinguinform und sonstigem Krimskrams. Der Verkäufer war mir nicht gerade entgegengestürzt. Tatsächlich befand er sich sogar in einer etwas undefinierbaren Pose, zwischen Ladentisch und Buchregal und schien mein Eintreten überhaupt nicht bemerkt zu haben. Ich tat also ersteinmal so, als würde ich, äußerst entzückt von seinem Sortiment, seinen Laden durchstöbern. Als ich ihn etwas näher betrachtete, sah ich, dass er wohl eine Perücke trug. Er war sehr geschäftig bei dem was er gerade tat und rückte sich ständig seine Frisur zurecht, was bedeutete, dass sein gesamter Schopf wieder ein Stück weit höher auf die Glatze geschoben wurde, bevor er wieder herunterrutschen durfte. Als er mich bemerkt hatte stand er auf und sah mich etwas verdutzt an. „Oh, schönen Guten Abend und ein frohes Fest wünsche ich. Haben sie schon etwas für sich entdecken können?“ fragte er in ruhigem Ton. „Nein“, bisher wäre mir nichts interessantes aufgefallen, antwortete ich ihm. Er sah mich eine Weile ruhig an und fragte dann „Wie wär’s mit einer Zitronenlimonade?“. Dabei ergoss sich ein beites Lächeln über sein Gesicht. „Öhhm“, stammelte ich. „Nun, sie können die Limonade zwar nicht mit nach Hause nehmen und ihren Liebsten schenken aber es führt zumindest dazu, dass Sie ein paar Minuten länger in meinem Laden verweilen.“ Das überzeugte mich fürs erste und ich stimmte dem kleinen Umtrunk zu. Er war schnell hinter gegangen und hatte dabei zwei Gläser, voll mit gelber Limonade und je einem Strohhalm herbeigezaubert. Das Getränk schmeckte wirklich ausgezeichnet und so beschloss ich, eine Weile inne zu halten und mich an dem Genuss zu laben. Der Verkäufer trank ein, zwei Schlücke und fragte mich dann unvermittelt, ob seine äußere Erscheinungsform dem Klischee eines durchschnittlichen Antiquitätenhändlers entsprechen würde. Ich war etwas überrascht von dieser Frage, da ich eigentlich annahm, er würde versuchen, mir ein Kompliment für seine Limonade abzuringen.
Bevor ich etwas antworten konnte erklärte er mir, dass der Zweck seiner Anwesenheit in meiner Zeit noch nicht erfüllt sei und er, so lange dies nicht eingetreten wäre, nicht auffallen dürfe. In einer ersten Schrecksekunde dachte ich, der Typ wäre völlig übergeschnappt, weil sein Geschäft vielleicht beim großen Weihnachtshamsterkauf leer ausgegangen war. Doch er fuhr fort und zeigte mir hastig ein kleines Gerät. Es hatte ungefähr die Größe einer Klammer, die silbern war und wie ein kleiner Bumerang aussah. Als er es kurz vor meinen Augen hin und her geschwenkt hatte, drückte er mit seinem Daumen auf eine Ecke des Gerätes und bedeutete mir das gleiche, auf der anderen Seite, zu tun. Als ich dies getan hatte schien ich mich plötzlich an einem anderen Ort zu befinden. Ich saß im Kreise der Familie, unterm Weihnachtsbaum und jeder packte fröhlich seine Geschenke aus. Zwar war ich mittendrin im Geschehen aber irgendwie betrachtete ich alles, wie von außen, durch eine Glasscheibe. Na ja, jedenfalls dankte mir plötzlich meine Mutter gerade für irgendetwas, das ich ihr geschenkt hatte. Als ich näher hinsah erkannte ich, dass es sich um ein bestimmtes Parfüm handelte. Auch die anderen packten nach und nach ihre Geschenke aus und immer erfuhr ich, was ich ihnen geschenkt hatte, oder besser, noch schenken würde. Mit einem Mal verschwand diese Szene und ich sah meine Mutter gerade ins Bad gehen. Sie schien mich gar nicht bemerkt zu haben. Ich folgte ihr und sah wie sie mein Parfum in den Händen hielt, es mit einer etwas abfälligen Mimik jedoch, zugunsten eines anderen, wieder hinstellte um sich mit diesem zu bestäuben. Anscheinend war mein Geschenk nicht gut angekommen. Sie murmelte dabei etwas und ich verstand bruchstückhaft den Namen eines anderen, neueren Parfüms, das ihr wohl besser gefallen hätte. Kurz danach wechselte die Szenerie wieder und jedes Mal musste ich mit Erschrecken feststellen, wie unpassend meine Präsente doch gewesen waren. Allerdings bekam ich auch immer einen Hinweis, welche die richtigen waren. Plötzlich war alles schwarz und im nächsten Moment stand ich wieder in dem kleinen Antiquitätenladen. Der Verkäufer schaute mich schief an und fragte mich, was ich denn suche. Er sah dabei so aus, als würde er mich zum ersten Mal erblicken. Ich dachte nicht weiter darüber nach, drehte mich um und verließ sein Geschäft.