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Vom Busfahren

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13.02.2005
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Vom Busfahren

Und da gehst du wieder, nimmst ein bisschen Wärme mit, tauschst sie beim Busfahrer gegen eine Fahrkarte ein.

In Sibirien, da brauchen die Menschen keine Wärme, habe ich gehört. Dort leben sie von etwas anderem. Sie lesen Geschichten, vom Atmen, vom Leben, die andere für sie schreiben. Für alle, denen es auch mit Kamin immer ein wenig zu kalt ist, die gerne in morgendlichen Seen baden, wenn die Maisonne erst langsam hervorkommt, aus ihrem Winterschlaf, der immer nur eine Nacht dauert. Nur eine Nacht, um zu schreiben. Aber genug Zeit, um tief durchzuatmen, und zu lesen.

Es genügt eine fremde Hand zu halten, um Gedanken zu lesen. Um auf Reise zu gehen, zu Orten, wo Zeit keine Rolle spielt. Nur um dann aufzuwachen und zu merken, dass man nie weg war, immer hier war, im Grau, im Blau, wo man sein will. Oder wo man glaubt, zu sein.
Kleine, nuancierte Wärme. Es gibt nichts Unbedeutenderes. Und für mich nichts, das je mehr Bedeutung hatte. Sie bleibt an den Fahrkarten kleben, du bezahlst mit ihr. Das Lächeln kriegt der Busfahrer umsonst, weil er so spät noch draußen sein muss. Weil er seine Kinder so selten sieht, und seine Frau. Weil er glaubt, unglücklich zu sein. Das Essen ist immer schon kalt, wenn er nach Hause kommt.
Er hasst dieses Schild in seinem Bus: Nicht mit dem Fahrer sprechen.

Doch hier laufen die Uhren noch richtig herum, und die Menschen immer falsch herum, im Kreis, auf dem Kopf. Sie sehen Dinge, die gar nicht da sind. Spüren Wärme, die nie da war. Suchen Wege durch ein Labyrinth aus Weiß und Schwarz, obwohl sie sich nur umdrehen müssten, um den Ausgang zu finden.

Es bringt mir nichts, der einzige zu sein, der ohne Regenschirm im Regen spazieren geht, weil er den Regen so mag, das habe ich gelernt. Nur etwas Zeit, und eine kleine Portion nuancierte Wärme habe ich gebraucht, um zu lernen, wie man lebt, falsch herum, wie die anderen. Ich fahre nie mit dem Bus, und du immer zu früh. Deswegen sind wir uns nie begegnet. Nie richtig. Begegnungen aneinander vorbei, Gespräche um einander herum und Wärme, viel zu tief in einem drin. Ich würde sie gerne auch gegen eine Fahrkarte eintauschen, wenn ich könnte.

„Letzte Haltestelle in P., bitte alle aussteigen.“
„Auf Wiedersehen“, lächelst du und spannst deinen Regenschirm auf.

 

hallo nephelyn,

leider verstehe ich diese geschichte nicht. wie kann ein mensch seine wärme gegen eine fahrkarte tauschen? man gibt sein gefühl für eine reise??? ohne wärme kein lächeln, der versuch gäbe nur eine fratze.
wieso brauchen die menschen in sibirien keine wärme? sind sie tot? wieso gehen die menschen hier falsch rum, falsch mit welcher messung? also, es tut mir leid, aber ich kann auch nach dem 2. mal lesen diese geschichte nicht verstehen. vielleicht sind andere leser klüger in dieser geschichte.

sorry

barde

dass man nie weg war, immer hier war, im grau, im blau, wo man sein will.

"blau" und "grau" gross

 

Hi Neph,

mir gefällt deine Geschichte gut.

Ein Sinnieren über die Möglichkeiten, wie Menschen Wärme, Zutrauen, Liebe oder Bestätigung finden. Dies manchmal physisch zwar vorhanden ist, aber doch nicht in der ersehnten Form und wie der Prot diese Sehnsucht nicht duch den Menschen erfüllen kann, den er sich auserwählt hat, da äußere Umstände nicht stimmig sind.

Mein Lieblingssatz:

Nur etwas Zeit, und eine kleine Portion nuancierte Wärme habe ich gebraucht, um zu lernen, wie man lebt, falsch herum, wie die anderen.

Lieber Gruß
ber

 

Hi :)

@Barde:
Danke für deine Kritik. Da die Geschichte viel Autobiografisches enthält und von mir geschrieben wurde, weil ich die Gefühle und Gedanken einfach zu Papier bringen wollte, hatte ich auch Angst, dass sie außer mir niemand versteht. Allerdings habe ich versucht gerade durch den sprachlichen Stil und vielen Bildern die Geschichte auslegbar zu gestallten - sie soll jedem etwas geben, eben das, was der Leser in ihr sieht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du keinen Sinn in ihr findest. Denk nicht über die Worte nach, sondern das, was vielleicht dahinter steckt.

@bernadette:
Danke für dein Lob, genau das habe ich oben gemeint. Man kann an der Geschichte durchaus viel herumdeuten und zu einem eigenen Schluss kommen. Du hast sogar Vieles richtig erkannt und verstanden, was eigentlich das schönste für mich ist, dass ich mit den Worten doch andere außer mich selbst erreiche ;)

Viele Grüße,
Neph

 

Hallo Nephelyn,

was mir gefallen hat an diesem Text sind einige ungewöhnliche Gedanken, die ich so noch nie gehört habe. Und sie sind manchmal sprachlich sehr gut verpackt.

Beispiele:
Wärme gegen Tickets tauschen, Gedanken lesen, indem man eine fremde Hand hält, nuancierte Wärme. Auch die Behauptung, dass die Sibirier keine physikalische Wärme brauchen, sondern nur literarische, hat mir gefallen.

Ein guter Text, finde ich.

Grüße,
Stefan

 

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