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Vom Lachen
Roller und Sundström, die beide hofften, ohne großen Stress Akademiker zu werden, schlenderten am Top-Café-Haus vorbei, einer alten Kaschemme. Das heißt: Sie kamen nicht vorbei, denn vor der Tür stand Guschis Fahrrad, mit einem Gesundheitslenker wie ein Shopper aus Born to be wild.
„Vielleicht könnte uns Guschi über die Rolle des Lachens beim Erwachsenwerden aufklären und vor allem, wo viele das Lachen ihrer Kindheit verloren haben“, schlug Sundström vor.
Wer wenn nicht er? Guschi, eine lachende, lebende Legende in ihren Plattenbaugebiet, war freier Lachforscher. „Freier Lachforscher – Experte für organisierte Freude“, stand auf seinen lustig mit Papageienköpfen animierten Visitenkarte. Manchmal luden ihn Talkshows als Experten ein. Dann wurde auf dem Bildschirm eingeblendet: „Lachen mit System“ oder „Lachen muss keine Glückssache sein“.
Guschi lachte schallend los, als sie sich zu ihm an den Tresen setzten: „Hahaha-ho-hihi-ho“.
„Ha-Ha-Hallo Guschi.“
Sein Anzug hing zerknittert. Den riesigen Mund umrahmte ein Vollbart mit der Ausstrahlung eines Vogelnestes, Typ krause Glucke.
„Hahaha-ho-hihi-ho Jungs, erzählt doch mal einen Schlag.“
„Sag mal Guschi“, fragte Sundström als Testfrage zum Warmwerden, „wo entsteht eigentlich das Lachen.“
„Macht erst mal ein Bier.“
Sie bestellten ein Bier. Ein Nullvierer.
„Alsooooo .... „, sagte Guschi lässig. „Hahaha-ho-hihi-ho. Da müssen wir erst einmal fundiert eruieren, wo die Lacherzeugung vonstatten geht.“
Wie fast alle Experten, dachte auch Guschi, dass eine verschwurbelte Expertensprache dem Inhalt mehr Gewicht verleihen würde.
„Wo seid ihr denn kitzelig“, fragte er.
„Unter den Achseln.“
„Unter den Füßen. Das war als Kind aber extremer.“
„Seht ihr. Das Lachen entsteht in den unter den Achseln und den Fußsohlen, aber im Prinzip überall. Der Mensch ist bei seiner Entstehung ein großes Lachorgan. Im Laufe des Lebens schwächt sich der Lach-Auslösungs-Faktor der meisten Körperteile ab und sie werden zu Lach-Problem-Zonen.“
„Und was kann man dagegen tun.“
„Man kann täglich eine Spezial-Suppe aus Baby-Öl essen. Sie ist wie eine Frischzellenkur für die Lachzellen, die mit fortschreitendem Alter absterben .... aber die wahre Ursache liegt im Herzen: Und diese Ursachen bekämpft man am besten mit Lachtraining bei mir.“
„Aber wo ist das Lachen der Kindheit verloren gegangen, wo die ungehemmte Lachen des Kindergartens geblieben, wo die Pennäler-Kicherei unter den Schulbänken?“
„Das verlorene Kichern ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zur Reife ... das liegt aber daran, das die Häufigkeit des Lachens genau reglementiert ist.“
„Ahhh. Soso. Und wie oft darf ein Erwachsener lachen?“
„Das errechnet sich aus den Lebensjahren und dem Erwachsenen-Heiterkeitsfaktor. Der beträgt in eurem Fall null komma vier. Das ist von der Expertenkommission auf einem internationalen Kongress so festgelegt worden.“
Das hängt wohl eher damit zusammen, dass er gerade ein Null-Komma-Vier-Bier bekommen hat, dachte Sundström.
„Ein großes Bier noch, ein Nullfünfer, für Guschi“, rief er zur Bedienung. Sie servierte mit schwappendem Busen einen halben Liter.
„Wie war noch mal der Faktor“, fragte Sundström scheinheilig.
Guschi starrte in sein Bierglas hinein.
„Öh ... ich habe mich getäuscht ... der Faktor ist kürzlich modifiziert worden ..... er beträgt jetzt Null-Komma-Fünf.“
Wenn wir ihm jetzt noch einen Schnaps spendieren, gibt es noch ein Bonuslachen, dachte Roller. Lachen war also eine Frage des Geldes. Oder wer die Spendierhosen anhatte.
Roller und Sundström rechneten. Sie durften 15 Mal pro Woche lachen. Roller stellte sich vor: Er befand am Ende einer sehr schönen Woche. Das Lachguthaben war verbraucht. Plötzlich riss jemand einen Witz ... einen richtigen Bretterknaller ... Roller verkniff sich das Lachen .... er biss sich auf die Lippen ... seine Halsschlagader expandierte bis zum bersten .... nein, nicht auch noch beim Lachen Schulden machen ... der Rest der Runde lachte schallend ... sie jagten ihren ganzen Bonus durch die Kehle. Er war erwachsen, aber sie hatten ihren Spaß.
„Und wenn man seinen Bonus überzieht“, fragte Roller.
„Auch in Ordnung“, beschwichtige Guschi. „Ist ja auch nur ein Richtwert.“
Guschi war schon ziemlich besoffen.
„Halhalhalhal-hol-hilhil-hol“, lallchte und becherte er.
„Es ist übrigens egal, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Entscheidend ist, was drinne ist. Hohohoho.“
Als die Vögel schon beseelt zwitscherten, eierten Roller und Sundström blau wie zwei Uno-Helme, voll wie Rollers Briefkasten, nach Hause.
„Eigentlich macht Erwachsen werden richtig Spaß“, gluckste Sundström glasig.
Roller grinste nur ganz breit. Mehr nicht. Man sollte ja sein Lachguthaben nicht so einfach verbraten. Nicht auch noch beim Lachen Schulden machen. Man wusste ja nie in diesen Zeiten.