Mitglied
- Beitritt
- 16.10.2009
- Beiträge
- 34
Vom Leben gestraft
Vom Leben gestraft
Seit ich auf der Welt bin, hat mich das Leben bestraft. Nicht, dass es mir beruflich jemals schlecht ging. Nein, das nicht. Ich habe gute Jobs gehabt als Manager, war in vielen Führungspositionen tätig und habe viel Kohle verdient. Frauen, Urlaube, Häuser, eine Yacht. Nur habe ich immer wieder Pech gehabt. Einfach Pech. Als 5-jähriger Junge hatte ich einen knallroten Roller. Ich habe ihn von meinen Großeltern zum Geburtstag geschenkt bekommen. So einen tollen Roller hatte kein Kind im Dorf. Ich fuhr damit voller Stolz durch die Gassen. Einen ganzen Tag lang. Leider bemerkte ich den Nagel auf dem Asphalt nicht. Es war ein langer und rostiger Nagel. Er bohrte sich voller Todesverachtung in den Gummireifen meines Rollers und peng, war mit einem Schlag die Luft draußen. Ich überschlug mich und bremste mit dem Kopf. Gehirnerschütterung, Schürfwunden, eine Platzwunde am Hinterkopf…war das Resultat. Scheiß Nagel.
Im Laufe meines Lebens hatte ich mir so einiges erarbeitet. Durch Fleiß und großen Einsatz. Und doch klebte das Pech noch immer an mir. So zum Beispiel an dem Tag, an dem mich meine Frau verlassen hatte.
Sie teilte mir eines Nachts – und ich erinnere mich noch an diese sternklare Vollmondnacht - einfach aus dem Nichts heraus mit, dass sie es satt habe, meine Gegenwart länger zu ertragen. Dabei war unsere Ehe immer glücklich gewesen. Wir hatten ein tolles Haus in Bestlage, 2 Pferde, 2 Kinder, ein Ferienhaus an der Costa del Sol, eine fantastische Yacht und was noch so alles dazu gehört um glücklich zu sein. Doch sie sagte mir eines Tages mitten ins Gesicht: Ich bin nicht bereit, Deine Fresse länger zu ertragen. Zieh du aus, oder ich ziehe mit den Kindern weg. Ja, so krass war das. Und völlig unvorhergesehen. Ich stand da, mitten in der Küche, hatte, na ja gut, vielleicht ein paar gezwitschert, das kann schon sein…aber ich war völlig ruhig und bester Laune als ich in der Nacht nach Hause kam.
Das glaube ich Dir nicht, schrie ich, wir sind doch glücklich. Du willst uns doch nicht auseinanderreißen! Wir gehören zusammen. Wir sind füreinander bestimmt. Sieben Jahre hatten wir Seite an Seite miteinander verbracht. Na gut, ich war viel auf Reisen. Aber ich habe dafür auch immer gutes Geld mit nach Hause gebracht. Das hat sie gerne genommen. Da hat sie nicht gesagt: Dein Geld passt mir nicht. Habe mir woanders zwar manchmal Appetit geholt, aber hauptsächlich zu Hause gegessen. Bis auf wenige Ausnahmen zumindest. Aber die sind nicht der Rede wert. Wir haben eigentlich so gut wie nie gestritten. Na ja, sie hat ein paar mal mehrere Tage nicht mit mir gesprochen und mir kein Essen mehr gekocht, als ich am frühen Morgen von einer Freundin zurück kam. Aber so was passiert halt mal. Die soll sich nicht so anstellen, das kommt in jeder Beziehung vor. Und sie ist ja auch keine Heilige. Auch wenn es immer den Anschein hatte, aber heilig ist etwas anderes. Wenn man heilig ist, dann ist man mit allem zufrieden. Sie hat sich oft gegen mich aufgelehnt. War nicht selten impertinent, was ich überhaupt nicht verstehen konnte. Sie hatte doch alles, was man sich nur wünschen konnte: ein tolles Haus, viel Geld zum ausgeben, einen Mann, der selten da ist…was will man mehr? Jede andere Frau wäre damit mehr als zufrieden gewesen. Nur meine nicht. Ich bin schon vom Leben bestraft mit solch einer Frau. Sie hat mich einfach vor die Tür gesetzt! Da stand ich eines Nachts und wollte aufschließen, doch fand ich keinen passenden Schlüssel an meinem Bund. Ich probierte lange alle durch, doch keiner passte in das Schloss. Ich komme nicht in mein eigenes Haus rein, dachte ich. Das muss man sich mal vorstellen. Sie muss das Schloss ausgewechselt haben. Wie kann jemand so niederträchtig sein. Meine eigene Frau lässt mich vor der Türe erfrieren, das muss man sich mal vorstellen! Sie muss doch völlig krank sein! Alles hat sie gehabt und dann so etwas. Ich bin wirklich bestraft mit so einer Frau. Wenn ich auf Reisen war, hat sie sich mit den Kindern einen schönen Lenz gemacht, während ich hart arbeiten musste. Sie hat das Haus verschönert und mit ihren Freundinnen Kaffee getrunken oder die Pferde ausgeritten. Das war alles.
Na ja gut, sie hatte auch einen Job, aber das war ja nur halbtags. Mehr als dreißig Stunden hat sie nie gearbeitet die Woche als Sekretärin. Das ist ja wohl locker zu schaffen! Aber gestöhnt hat sie dauernd. Es sei so viel Arbeit mit dem Haus, den Kindern und dem Job. Ich solle ihr gefälligst helfen.
Gib die Pferde auf, habe ich gesagt, dann hast du genug Zeit.
Was überfordert die sich auch so! Die ist doch selber schuld an ihrer Situation! Außerdem hat sie hartnäckig jede Putzfrau und Haushaltshilfe verweigert. Was soll man dazu sagen. Mir war das schon richtig unangenehm. In meinen Kreisen hat man Haushaltshilfen und Putzfrauen, außerdem auch Aupair-Mädchen, doch sie war stolz darauf alles alleine zu machen. Das nenne ich selbstgezüchtetes Leid. Ich glaube, sie hat sich für Jeanne d’Arc gehalten. Na ja, das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Alle haben in uns das Traumpaar schlechthin gesehen. So eine schöne und kluge Frau hast du, haben sie gesagt. Was für ein charmanter Mann und so großzügig. Aber alles hat ein Ende. Auch meine Großzügigkeit. Als ich nicht mehr in mein eigenes Haus kam, ich dachte ja zuerst, ich hätte vielleicht den Schlüssel mit meiner Sekretärin vertauscht, nachdem wir uns im Nightclub sehr nahe gekommen sind, das kann ja schon mal passieren, wenn man einen zuviel getrunken hat. Ich stand da und probierte alle durch. Doch keiner von ihnen wollte passen. Ich lief ums haus und klopfte gegen die Scheiben. Ich muss wohl ordentlich geschrien haben, aber das ist ja wohl normal in so einer Situation! Da sehe ich doch plötzlich Blaulicht vor meinem Haus. Aus einem Streifenwagen steigen zwei Männer aus und laufen mit gezückten Waffen auf mich zu. Wir nehmen Sie vorläufig fest wegen versuchten Einbruch und Lärmbelästigung um 3 Uhr 15 in der Nacht. Sie können gerne Ihren Anwalt anrufen.
Aber das ist doch mein Haus, sagte ich. Sie können mich doch nicht festnehmen, nur weil ich nicht in mein eigenes Haus herein komme.
Na ja gut. Ich war etwas laut. Aber die hat ja nicht aufgemacht, da musste ich nach ihr schreien. Komm runter und mach auf, du Giftschlange oder ich hol dich, hast du verstanden? Stellen Sie sich mal vor, Sie kommen nicht in ihr eigenes Haus rein!
Sie irren sich, sagte der Polizist ruhig. Dies ist nicht Ihr Haus, Herr Weber. Ihres liegt gegenüber. Beruhigen Sie sich und kommen Sie mit auf die Wache.
Und nur wegen dieser harmlosen Verwechslung hat meine Frau die Scheidung eingereicht. Ist das nicht ungerecht?