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Vom Verlieren und Gewinnen
Ich weiß nicht, wie ich da hineingekommen bin, aber eines schönen Nachmittages merkte ich gerade so beim Spazieren gehen, dass ich in einer riesigen Seifenblase steckte.
Ich ging auf dem Fußgängerweg der Baumallee entlang und die Leute schauten mich staunend an:
"Boah, die ist ja schön" ; "Oh, passen sie gut auf. Was sie da haben ist ganz wertvoll"
Aber ich lächelte stets nur zurück, meistens auf eine eher herablassende Art.
Und immer wenn ich an eine Gefahrenquelle für meine Seifenblase kam, so schien es, war jemand da, der mich warnte:
"Achtung, treten sie nicht zu nahe an den Dornenstrauch heran!" ; "So passen sie doch auf, sonst zerplatzt ihre Seifenblase an meinem Messer, das ich den ganzen Tag offen mit mir herumtrage!"
Und auch bei solchen Gelegenheiten lächelte ich nur, wenn auch schon etwas müder, zurück.
Aber irgendwann kam dann der Punkt, wo mir das alles zu viel wurde. Vielleicht ja zu dem Zeitpunkt, als ein kleines Mädchen mit einem Luftballon in der Hand erst mich und dann ihre Mutter mit großen Augen anschaute und zu ihr sagte: "Mama, ich will auch so `ne Seifenblase haben!"
"Was? spinnst du? Sowas kommt uns nicht ins Haus. Das ruiniert doch die ganze Tapete!"
Das empörte mich ganz schön. Ich fing an, die Mutter zur Rede zu stellen, was denn das zu bedeuten habe. Doch sie ignorierte mich.
Erstaunt und noch empörter als zuvor wandte ich mich an das Mädchen und wollte ihr gut zureden, aber sie ging einfach an mir vorbei.
Eher schon verdutzt blickte ich, vielleicht zufällig, auf die Seifenwand und ein Verdacht kam in mir langsam zum Vorschein. Vielleicht konnten die Leute da draußen mich gar nicht hören.
Schon deutlich geknickter ging ich nach Hause und wollte erst mal meine Ruhe haben. Vielleicht erstmal eine Nacht darüber schlafen.
Zuerst war es etwas ungewohnt, auf einer Seifenblasenwand zu schlafen, so nass und auch etwas hell, aber der Mensch gewöhnt sich an alles.
Der nächste Tag sollte mich ablenken. Ich wollte meine Freundin treffen. Und wenn man dann so in bestimmte Sachen vertieft ist, dann vergisst man schon mal, was einen umgibt. Auch wenn es eine Seifenblase ist.
Also ging ich daran, mir ein Frühstück zu bereiten. Aber das stellte sich als unglaublich schwierig heraus, besonders weil mir mein Frühstücksei ständig entglitt. Auch als ich dann begann zu essen, schmeckte alles irgendwie nach Seife.
Zu dem Zeitpunkt war ich schon leicht verärgert.
Jedoch das Maß der Dinge war erreicht, als ich meine Freundin traf.
"Oh, die ist ja schön" empfing sie mich gleich an meiner Haustür. Da mir der tägliche Begrüßungskuss fehlte, versuchte ich ihn nachzuholen. Doch sie hatte das gar nicht bemerkt und fing gleich an, zu reden:
"Woher hast du die denn?"
Ich fing an, zu erzählen, dass ich gar nicht so recht wusste, wo...
Da unterbrach sie mich mitten im Satz:
"Ich glaube es wäre besser, wenn ich jetzt gehen würde, denn du brauchst unbedingt erst mal Zeit, um deine neue Umgebung kennen zu lernen. Ach ja, mach dir keine Sorgen, ich bin auch überhaupt nicht böse. Ich freu´ mich für dich!"
"Aber..." entgegnete ich und dachte an all die schönen Sachen, die wir beide gemeinsam hätten tun können.
Und wieder wurde ich untergebuttert, indem sie sagte:
"Sex können wir später noch haben. Sowas ist ganz selten. Das müssen wir schützen."
Und diesmal brauchte sie mich gar nicht zu unterbrechen, denn bevor ich irgendwas sagen konnte war die Tür schon wieder zu.
"Das war`s" dachte ich mir, "die Seifenblase muss weg!"
Mein Entschluss stand fest. Ich ging heraus und stürzte mich in den nächsten Dornenbusch.
Nichts passierte.
Das war ja komisch gewesen.
Also ging ich wieder zurück in mein Haus, holte mir das schärfste Messer, das wir hatten und stieß es in die Blase.
Die Blase hielt stand.
Nach etlichen Versuchen war ich so verzweifelt, dass ich auf ein Hochhaus kletterte und hinuntersprang.
Nicht weil ich Selbstmord begehen wollte, sondern weil ich diese Seifenblase loswerden wollte.
Dass mir dabei was passieren konnte, daran hatte ich gar nicht gedacht.
Nun, unten angekommen merkte ich, dass ein solcher Gedanke auch überflüssig gewesen wäre, da weder an mir, noch an meiner Blase ein Kratzer zu fnden war.
Frustriert und geängstigt schob ich mich durch die nächsten Wochen. Ich verlor meine Freundin. Meine sozialen Kontakte waren beschränkt auf Leute, die mir auf der Straße sagten, wie schön meine Seifenblase war und ich wollte nur noch sterben.
Aber irgendwann kam die Wende. Ich setzte mich im Park neben einen Mann und wollte ihn neidisch machen. Neidisch auf meine, so viele Qualen bereitende, Seifenblase.
Doch als ich mich setzte, sah er nicht mal von seiner Zeitung auf. "He" sagte ich und im nächsten Moment hielt ich inne und nickte, mich erinnernd. "Mich kann ja sowieso niemand hören"
schrie ich in meine Seifenblase hinein.
"Schreien sie mal hier nicht so `rum. Ich will meine Ruhe haben"
entgegnete er.
"Ich schreie soviel ich will. Das habe ich in den letzten Wochen gelernt. Ich kann machen was ich will. Das interessiert sowieso niemanden"
Ich war soweit. Jetzt konnte ich meine Spezialvorstellung aufführen. Ich zog eine Pistole aus meiner Jackentasche und zielte zuerst auf den Mann und dann auf mein Bein.
Sein entsetzter, Schutz suchender Blick wich nun einem, der zu verstehen versuchte.
Peng.
Mein Bein blutete. Ich schaute verdutzt nach unten.
"Mein Bein blutet, wie geht denn das?"
Mein Bein knickte weg und ich stürzte nach unten.
"Soll ich einen Arzt holen?" fragte der Mann leicht benommen und wie unter Schock.
Und genau da wurde mir bewusst, dass ich meine Seifenblase verloren hatte.
Langsam zog der Schmerz ein.
Mir wurde flau und ich merkte dass ich das Bewusstsein verlor.
Und dann, kurz bevor ich in Ohnmacht fiel, schaute ich mich um.
Alles in meiner Umgebung war trocken. Nirgendwo hätte die Seifenblase zerplatzen können ohne Spuren zu hinterlassen. Ich fand keine.
Und kurz bevor ich meine letzte Schlussfolgerung aus dem allen ziehen wollte, wurde alles um mich herum vollkommen schwarz.