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Von Affen und Truthähnen

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12.01.2011
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Von Affen und Truthähnen

Es sind genau diese Tage, an denen ich mich frage, ob ich Freunde habe. Richtige Freunde.
Menschen, die mich in meinem Leben begleiten und mich lieben können.
Und es sind genau diese Tage, an denen ich mir diese Frage mit einem klaren Nein beantworten kann. Vielleicht der einzig klare Gedanke, den ich im Moment habe.
Ich liege naßgeschwitzt im Bett. Mein Kopfkissen ist ein feuchter Daunenklumpen, meine Bettdecke liegt auf mir, als wäre sie vorher durch die Badewanne gezogen worden. Ich bin zugedeckt, weil mich friert, aber ich schwitze, als hätte ich drei Vorgärten bei dreißig Grad im Schatten mit einer Fingernagelschere zurechtgeschnitten. Jeder meine Schweißporen pumpt mich leer. Wenn ich nicht bald was trinke werde ich ohnmächtig. Und wenn ich einen Schluck trinke, dann kotze ich mich tot.
Jeder meiner Knochen schmerzt, als wäre er gebrochen. Meine Muskeln schmerzen als würden sie versuchen jeden dieser gebrochenen Knochen in seine ursprüngliche Position zurückzudrücken. Ich kann nicht aufstehen, nicht mit diesen Schmerzen.
Ich habe ins Bett gekotzt, aber nicht ganz. Während mein Magen seinen Inhalt aus mir rauspresste, konnte ich meinen Kopf gerade noch so weit drehen, daß der Schwall nicht komplett auf der Matratze gelandet ist. Schätzungsweise dreißig zu siebzig Prozent. Ich könnte stolz auf mich sein, hätte nicht im selben Moment mein Arschloch versagt.
Den Kopf und den Arsch gleichzeitig aus dem Bett hängen lassen wäre die Lösung gewesen.
So liege ich also da. Gerädert. Kiloweise Schweiß. Dreißig Prozent Kotze und hundert Prozent Scheiße im Bett. Und keine Freunde. Außer einem.
Der Freund, der mich aus dieser Lage befreien kann. Der zu mir steht, wenn ich es nicht tue.
Der Freund, der immer da ist, wenn ich ihn brauche, der es mich auf seine Art spüren läßt, wenn ich ihn verlassen will.
Der Freund, der mich mit seinen sanften Händen trägt.
Der Freund, der mir Leiden schafft und den ich liebe.
Aber was versteht ihr denn schon von Liebe!

 

Die Geschichte beschreibt wohl einen kalten Drogenentzug - Heroin vielleicht. Und beschreibt dabei nur einen kurzen Zustand des Erzählers, eine Wasserstandsmeldung. Ja, die Wendung im letzten Satz ist wirklich gelungen finde ich, von dem rein Körperlichen weg, das man schon kennt, in diese rabenschwarze Ironie rein. Die Sehnsucht nach der Droge, das ist eine clevere Wendung, das Romantisieren, das Personalisieren. In Sehnsucht steckt die Sucht ja schon mit drin.

Davon ab und kritisch gesagt: Mir gefallen Geschichten besser, in denen der Autor den Fokus auf einer Handlung hat. Hier geht es ja nur um das Dartstellen einer Gefühlswelt, eines winzigen Ausschnitts einer Person, um das Darstellen eines Sachverhalts, den jeder auch irgendwie schon kennt: "Drogenentzug ist eine richtig harte Sache".
Bei einer Geschichte zu diesem Thema in dieser Kürze ist einfach wenig drin. Da hat man kaum Spiel. So ein Text will schockieren ein bisschen - das tut er bei mir zumindest nicht, weil es da so viel zu gibt und so viel schonungsloses und hartes, das man da abgestumpft ist. Ja .. ich weiß nicht, was ich da groß zu sagen soll. Der letzte Satz ist stark, ansonsten kann man aus dem Thema in der Kürze und mit dem Ansatz wenig rausholen.

Wenn es autobiografisch gefärbt ist, tut es sicher gut, sowas zu schreiben. Allerdings ist dies auch kein Forum für therapeutisches Schreiben, sondern für literarisches.

Es gibt von Manuela Korn eine ganz ausgezeichnete Drogengeschichte hier im Forum, nach deren Lektüre hatte ich das Gefühl, etwas über Sucht erfahren zu haben, nach deiner Geschichte hier, habe ich dieses Gefühl nicht.

Gruß
Quinn

 

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