- Beitritt
- 24.04.2003
- Beiträge
- 1.444
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Von Befehlen, explodierenden Hütten, Drachen und unerfüllten Prophezeiungen.
"Ich suche Mombuso."
"Du hast ihn gefunden, Mann! Komm rein in Mombusos bescheidenes Reich."
Erik sieht sich um. Die Hütte ist klein und urig. Die unbarmherzige Nachmittagssonne Tangjaniccas dringt durch zwei Seitenfenster ins Innere. An der hinteren Wand steht ein langer Tisch mit allerhand seltsamen Gerätschaften darauf. In der Ecke befindet sich ein Klo.
"Willst du was trinken, Freund? Ich hab´ leider nur warmes Bier da."
Erik verneint.
"Nun, was führt dich zu mir?"
"Ich müsste mal telefonieren", lügt Erik.
"Du hast Glück, Mann. Das ist nicht nur die einzige Hütte im Umkreis von dreißig Quadratkilometern, dies ist sogar die einzige Hütte mit Telefon im selben Umkreis."
Stolz präsentiert der Schwarze im grünen T-Shirt ihm ein gigantisches Gerät, an dem eine altertümliche Ohrmuschel befestigt ist.
"Das ist er, der Rangfolge 92. Einhundertfünfzehn Tasten, und der teuerste Apparat im ganzen Land. Du kannst ihn benutzen, Mann. Für nur zwanzig Tangjanikkel sprichst du mit der Welt. Na, wie klingt das?"
Etwas verunsichert besieht Erik sich die seltsame Konstruktion.
"Ich gebe dir vierzig, wenn du mir erklärst, wie das Ding funktioniert."
Der Schwarze lacht.
"Hey Mann, der Rangfolge 92 erklärt sich quasi von selbst, aber zu vierzig Tangjanikkeln sag ich natürlich nicht nein. Also, pass auf ..."
Auszug aus der Bedienungsanleitung des Rangfolge 92:
Bürger, du hast dich mit dem Rangfolge 92 für eines der modernsten Telefongeräte in diesem Land entschieden.
Wir beglückwünschen dich zu dieser Anschaffung, an der du ein Leben lang Freude haben wirst.
Eine Verbindung mit dem neuen, vom Militär entwickelten Telefongerät Rangfolge 92 herzustellen, ist rebellenleicht.
1. Stelle sicher, alle Drähte und Kabel an richtiger Stelle mit der standardmäßigen Kommandeursbüchse verbunden zu haben, wie sie in jedem rechtsmäßigen, regierungstreuen Haushalt zu finden sein sollte.
Wie du das genau machst, kannst du dem beigefügten Schaltplan entnehmen.
2. Ist alles richtig, dann sollte die "Warte auf Kommando" Diode aufleuchten. Tut sie das nicht, musst du an deiner Unfähigkeit arbeiten, da du etwas falsch gemacht hast.
3. Auf gehts: Jetzt, wo die Verbindung zu der Welt steht, brennst du sicher schon darauf, ein legales Telefongespräch mit deinen Brüdern und Schwestern im Geiste zu führen.
Um eine Sprechsituation zu bewirken, musst du zuerst eine Schaltstation in deiner Nähe ausfindig machen. Hierbei hilft dir die beigefügte Liste staatlicher Relaispunkte.
Stelle die entsprechende Frequenz ein.
GANZ WICHTIG: Nicht staatliche Relaispunkte führen zur Exekution. Stelle die Frequenz daher sorgfältig ein.
4. Nun kannst du deine Armmuskeln trainieren. Drehe zwei Minuten lang die Kurbel. Sei dabei aber nicht zu langsam, du willst doch schließlich nicht bloß ein paar Sekunden telefonieren, oder Bürger?
Wie die Volksweisheit es sagt: Leute, die nur kurz telefonieren, die haben was zu verbergen. Also: Kurbel, was das Zeug hält.
5. Jetzt sollte die "Kommando wird ausgeführt" Diode aufleuchten. Die Gesprächsnummern werden anhand der einhundert Tasten im Hauptblock eingegeben, wobei eine einzelne Zahl jeweils aus mehreren
Kombinationen zusammengesetzt ist, die du dem Anhang 2b entnehmen kannst.
6. Sollte trotzdem keine Verbindung zustande kommen, liegt dies daran, dass das Telefonnetz augenblicklich nicht in vollem Betriebsumfang arbeitet. Dies kann leider passieren.
In diesem Fall wiederhole die Schritte 2 - 5.
Wir wünschen dir viel Spaß mit dem Rangfolge 92.
"... zwei bis fünf nochmal machen. Alles klar?"
Erik zieht die Pistole aus seiner Gesäßtasche und feuert in das Lächeln seines Gegenübers.
"Vielen Dank auch, du Trottel. Hast nichtmals gefragt, woher ich deinen Namen kenne. Ja, aber jetzt kannst du dich das auch nicht mehr fragen, und aus dem Geld wird natürlich auch nichts. Wenn ich erst die Welt beherrsche, dann ..."
"Alles okay, Erik?"
Linda steht im Hütteneingang.
"Was, ehm, selbstverständlich. Warum sollte denn etwas nicht okay sein? Sehe ich etwa aus wie jemand, der die Kontrolle verloren hat, hm? Denkst du möglicherweise, ich verliere schnell die Fassung, und baller ohne Grund in der Gegend rum? Ja, denkst du das?"
Sie erfasst die Gehirn-Blut Suppe auf dem Holzboden, und wehrt ab.
"Nein, natürlich nicht. Ganz ruhig."
"Ich bin ganz ruhig!"
Dann, den Blick auf den Rangfolge 92 gerichtet: "Dummer Wilder. Hat diese fantastische Maschine hier stehen, und benutzt sie zum telefonieren. Pah!"
"Sollen wir sie denn jetzt gleich mitnehmen", fragt Linda.
"Nein. Wir warten bis Weihnachten, saufen solange warmes Bier, und machen uns ganz tolle Geschenke. Mädel: Ich geh jetzt kacken. Wenn der Rangfolge 92 danach immer noch hier steht, dann ..."
Linda und Bernd können das Ungetüm kaum tragen. Zu allem Überfluss müssen sie draußen noch einen Bogen um die klümpchendurchsetzte, übelriechende Flüssigkeit machen, die durch ein Rohr direkt in den Wüstensand geleitet wird.
"Verdammt, hier gibts kein Toilettenpapier", hören sie Erik von drinnen brüllen.
Dann stellen sie den Apparat auf die Ladefläche, steigen in den Wagen, starten den Motor, und fahren los.
"Was macht ihr da", kommt es von innen.
Bernd setzt die Panzerfaust an, und beendet Eriks Sitzung ziemlich abrupt.
"Okay, wir haben den Rangfolge 92. Jetzt müssen wir dem Leser kurz was erklären. Sollen wir das in Dialogform geschehen lassen?"
Linda schüttelt den Kopf.
"Es ist nicht so, dass ich mich nicht gerne mit dir unterhalte, aber diese Informationsverbreitungen, die in Nebenbeigespräche eingebaut sind, wirken doch immer ziemlich gekünstelt, findest du nicht?"
"Recht hast du!"
ZUR ERKLÄRUNG: (wegen der langen Version der Erklärung *)
Vor Äonen lebte ein Magier in Afrika. Der hatte einen Drachen erschaffen, und somit das heutige Tangjanicca unter seine Fittiche gebracht.
Irgendwann wurde er jedoch von den Soldaten des Königreichs dahin gerafft. Da der Magier damit zuvor allerdings gerechnet hatte, war der Drache anhand einiger hoch komplexer Zauberformeln versteinert, vergraben, und mit einem ziemlich rätsellastigen Schloss vom Erdboden verschwunden worden, oder so.
Ein paar tausend Jahre später, die Legende wird nach wie vor munter weiter rumgeflüstert (hinter hervor gehaltener Hand, versteht sich), wird das Militär des diktatorischen Staates aufmerksam, und will den Drachen aus seiner Versteinerung zurückholen, um den Rebellen heiße Hintern zu bereiten.
Also wird eine Dechiffriermaschine gebaut, die das alte Rätsel knacken soll. Anschließend wird die Militärregierung zum zweiten mal im Jahr von einer anderen militanten Gruppe geputscht, die Entwickler der Maschine sterben dabei, und da keiner mehr weiß, wie das Ding funktioniert, und man zufällig herausfindet, dass es auch zum telefonieren taugt ... aber der Rest ist bekannt.
* - Die lange Version der Erklärung entfällt, da der Autor gerade wenig Zeit hat.
"Wir haben die Begräbnisstätte gleich erreicht."
"Du hast die Erklärung mitgehört?"
"Ja, ich habe meinen MP3-Player die ganze Zeit an das Loch in der Hütte gehalten. Wir sollten also keinerlei Probleme haben.
"Da! Sieh nur ... wie wunderschön!"
Rot golden geht die Sonne hinter den Bergen des Horizonts unter. Oh du märchenhafte, wundervolle Wüste. Alles was ich will, ist deine unendliche Romantik.
"Also, da sind acht Einkerbungen, in denen wir verschiedenartige Gegenstände unterbringen müssen. Hast du alles in deinem Inventory, äh, deinem Rucksack?"
"Selbstverständlich. Wir legen nacheinander: Taschentuch, Kruzifix, goldener Esel, angebissene Karotte, roter Legostein, Jazz Schallplatte, Gulasch mit spezieller Sauce, und Hoffnung da rein."
"Jetzt müssen wird den Drachen rufen!"
...
"Was ist los?"
...
"Sag schon!"
... - "Sag mal, wir haben irgendwie die Anhänge zur Anleitung verpasst. Keine Ahnung, welche Kombination welche Zahl ergibt."
"Ach Mensch, du Doofkopf."
In diesem Augenblick tauchen mehrere hundert Panzer aus dem Nichts der Nacht auf.
"Ihr seid umstellt. Keine Chance, tut mir leid."
Bernd verschränkt die Arme in den Hüften.
"Habt ihr wenigstens eine Anleitung mitsamt Anhang für den Rangfolge 92 da?"
Ein Blick des Soldaten in Richtung des Kommandantens. Der schüttelt aber bloß den Kopf.
"Die werden nicht mehr gedruckt."
"Ist ja ne tolle Scheiße!"