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Von der gefühlten Idee und ihrer Unmöglichkeit

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25.10.2006
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Von der gefühlten Idee und ihrer Unmöglichkeit

Meiner Lunge war alle Luft entwichen. Meinem Herzen alles Blut. Meine Lippen waren gerötet, fühlten sich pochend und heiß an. Auch in die Wangen war eine ungeahnte, zarte Röte gestiegen. Ich spürte wie meine kalten Hände zu zittern begannen.
Sein Blick fiel umher; ungewollt fing ich ihn auf, er fiel mir in die Hände, die kalten, zitternden, ängstlichen Hände, die bebenden, erstarrten Hände; und seine Ehrlichkeit überrumpelte mich, überrumpelte mich, dass ich ihn beinah – beinah! – hätte fallen lassen. Doch meine Hände krampften sich um ihn, meine Augen nagelten ihn fest. Angstvoll, geweitet. Kein Wind strich um meine kalten Wangen, kein Regentropfen benässte meine trockenen, begierigen Lippen; eine plötzliche Gänsehaut fuhr mir über die Glieder, rann mir über den in Ängstlichkeit gekrümmten Rücken. Ich fühlte den dürstenden Blick meiner bebenden Lippen auf den seinen, so rot und so wild! Seine Augen ruhten noch immer herrlich sanft und weich, so vorsichtig und furchtlos, so würdevoll in meinen, ohne jegliche Forderung, ohne jeglichen Gedanken, nur so zart! Ich konnte sie nur zärtlich auffangen, verwirrt zurückblicken! Ich hatte doch keine Wahl! Überall, überall und doch nirgends als in dieser Sekunde weilten meine Gedanken, meine Kehle schnürte sich zu. Leere, trockene Luft schluckend.
Ein Kuss, oh je, ein Kuss! Flehte und fürchtete es in mir, ganz unverfroren, ganz vorsichtig. Sein Blick reichte tief in mich hinab, so tief, doch ohne mich zu bedrängen – zärtlich drang er in meine Seele, nein, er drang nicht, ich ließ ihn ein, ohne dass er hatte fragen müssen, ich lud ihn ein, und konnte ihn als guter Gastgeber nicht hinausschicken, ertrug ihn kaum und wollte nicht, dass er geht; und er sah sich um, vorsichtig, er sah nur um sich, betrachtete meine kleine Seele so behutsam, berührungslos und voller Verständnis, als wäre sie in irgendeiner Weise bedeutungsvoll. Ohne ihr auch nur ein Haar zu krümmen, oder sie in beliebiger Form anzufassen, streichelte er sie, so sanft, so vorsichtig, wie man die gedeihlichen, zerknitterten Wangen eines Säuglings berührt, beinah ehrfürchtig, streichelte er, streichelte er sie.
Küss mich, küss mich! Schrien meine Augen, flehten sie, zwangen sie, knieten sie nieder voller Liebe und Blindheit. Doch mein Gesicht, das blasse Gesicht, mit den geröteten Wangen, den Zähnen, die inzwischen ununterbrochen auf der ohnehin schon roten Unterlippe, wie im größten Zweifel, der größten Angst, heftig kauten, ja, mein Gesicht, mit der Stirn, in kreischende Falten gelegt, mein Gesicht wandte sich ab von ihm, wie von allein. In die andere Richtung blickend spürte ich, wie seine Augen sich ebenso, langsam, unschlüssig von mir abwandten, auch er sich umsah.
Eine warme, abendliche Spätsommersonne lächelte mir ins Gesicht, malte mir im Zusammenspiel mit der sanften, streichelnden Brise, die um meine Haarstränen tänzelte, muntere, hin und her hüpfende Schatten auf die Wangen, kitzelte meine erstarrten Mundwinkel beinahe dazu, ihr Lächeln zu erwidern. Ich blickte direkt in den Kern der herausfließenden, gelben Strahlen; rieb mir die schwimmenden Augen. Diese erkannten aus dem Augenwinkel, wie er vorsichtig seine Hand hob, zu meinem Gesicht, mein Kinn berührte, es mit einem einzelnen Finger mühelos und mit äußerst zartem Druck in seine Richtung bewegte. Meine Augen erstarrten in Panik, meine Lippen durchzuckte eine heftige Erregung, ich hörte das Blut in meinen Ohren rasen, die Farbe erneut in mein Gesicht steigend. Ein Messer in meinem Herzen. Meine Hände angstvoll ineinander verwoben. Sanft und vertraut empfingen seine Augen mich, völlig unverändert. Mit unendlicher Wärme fuhren seine Lieder einmal auf und ab, er blinzelte; seine Augen verengten sich ein wenig unter einem wonnevollen, unglücklichen Lächeln, das sich wohl auf seine Lippen verirrt hatte, seine nicht-küssenden Lippen, die sich einfach herausnahmen, in diesem Moment zu lächeln. Die Sonne malte nun auch ihm winzige Schattenspiele ins Gesicht. Eine scheinbar unzerbrechliche, weiche, nicht lastende Stille flog durch die milde Luft, setzte sich neben uns nieder. Die Hand, die schöne Hand, die mein Kinn berührt hatte, näherte sich schon wieder; und vorsichtig, ganz vorsichtig, und liebevoll, ja, so voller Liebe, mehr Liebe, als er sich eingestehen durfte, strichen die warmen Finger, die liebende Hand, zärtlich, unendlich zärtlich und langsam, mich dabei noch mit seinem ewigen Blicke liebkosend über die kalte Wange, die kalte, rote Wange. Ich zerfloss, verlor mich vollkommen, in endlosem Genuss und endloser Angst ließ ich ihn gewähren, zu ängstlich, ihn anzublicken, die Augen schließend und doch gleich wieder öffnend, auf der Flucht, auf der Suche nach seinem Blick. Die Stille war unvorstellbar geworden. Sein Blick war noch da, doch seine Hand ließ langsam ab von mir. Ganz, ganz leise und sanft durchbrachen zart gesprochene, vorsichtige, die Wahrheit lügende Worte die Stille, behutsam, wie von weiter, unwirklicher Ferne schlichen sie in meine schweren Ohren:
„Es muss wohl so sein.“ Sein weniger trockener Blick lächelte mich voller Wärme und Sehnsucht an, umschmeichelte mich nahezu, voller Gefühl, Begierde, voll so vieler unausgesprochener Phrasen und Poesien, alle verschlungen, in diesem kleinen Satz, alle verloren, all die Versprechen, die in seinen Augen, auf seinen Lippen ja so unverfroren warteten - doch erhob er sich, wandte sich ab, straffte sich, setzte langsam, ganz langsam, einen Schritt vor den anderen. Völlig unbewegt blieb ich sitzen. Er sah sich nicht mehr um. Meine Hand umfasste ungläubig meine Wange. Die Sonne war versunken. Es war kalt. Eine plötzliche Bö frischte auf, und wehte mir das Haar ins Gesicht. Das leise, unwillkürliche „Warte“, das ich ihm angstvoll hinterher gerufen hatte, vernahm er längst nicht mehr, noch weniger die unvernommen hinterher gelispelten Worte, denen ich mir selbst nicht mehr ganz im Klaren bin. Mein Heimweg ging durch einen heftigen Sturm; und ich kann nicht sagen, ob ich viel geweint hatte, oder es doch nur die zahlreichen Regentropfen waren, die meine bleichen Wangen benetzten, hinab zu meinen farblosen, kalten Lippen flossen.

 

Wow, liebe Anabel,
ich bin zutiefst beeindruckt. Deine Geschichte geht richtig an die Substanz.
Am besten gefällt mir der Anfang, weil du unendlich zähfließende Zeit einer solchen Situation hervorragend rüberbringst, so dass der Satz

Die Stille war unvorstellbar geworden.
mir unnötig erscheint, denn es gilt die eiserne KG.de-Regel show, don't tell und du hast eben so schön geshowt, dass dieser Satz geradezu profan wirkt. Auch das Sehnen und Hoffen, das im Anfang deiner Geschichte so deutlich wird, gefällt gut, wie auch der Schluss, dessen Einsamkeit und Kälte sehr anschaulich ist.
Allerdings muss ich etwas kritisieren, nämlich, dass ab
Eine warme, abendliche Spätsommersonne lächelte mir ins Gesicht...
ein ziemlich Spannungsabfall zu verbuchen ist, allerdings weiß ich auch nicht, wie du das beheben könntest. Der Leser ist so in die innere Anspannung deines Ich-Erzählers, wie auch in die Spannung zwischen dessen Gegenüber gefesselt und diese Fesseln zerbrichst du an dieser Stelle, was ich sehr schade fand.
Jetzt kommt der Kleinkram:
samt drang er in meine Seele
hier stolpert man. Entweder meinst du "sanft" und hast dich nur verschrieben oder du müssest es m.M.n. groß schreiben, am Besten vielleicht sogar "wie Samt" schreiben, auch wenn das deiner wunderschön poetischen Sprache etwas abträglich wäre, so einen simplen Vergleich zu ziehen. Mein Favorit wäre einfach nur "Samt" zu schreiben und sich auf die künstlerische Freiheit zu berufen.

Dann noch ein herzliches Willkommen auf KG.de und viele liebe Grüße,
dein Elias

P.S. Ich weiß nicht, ob ich dir wünschen soll, dass du nie in eine solche Situation kommst, oder nicht, weil sie gleichzeitig so traurig und doch so schön und voller Liebe ist...

 

Lieber Elias!

Vielen Dank für deine Kritik!!

Soo, ich gehe dann nochmal im Einzelnen darauf ein...

Die Stille war unvorstellbar geworden.

Jaa, das ist so eine Sache - im Nachhinein weiß ich, warum ich den eher üerflüssig anmutenden Satz nicht unterlassen habe; er ist sozusagen ein Lückenfüller:

...auf der Suche nach seinem Blick. Die Stille war unvorstellbar geworden. Sein Blick war noch da,...

Vielleicht fällt mir mal eine Umschreibung ein, die die beiden "sein Blick"'s nicht so blöd hintereinander setzt, aber so fällt es zumindest nicht auf...
oder sind solche hirnverbrannten Tricks nicht erlaubt :sealed: :D

Hm, den Moment mit der Sonne habe ich so noch nie betrachtet, ich habe es immer eher als kleinen Ausflug in die äußerliche Atmosphäre gesehen, hingegen ist es aber schon ein bisschen fremd und platt.
Ich werde darüber nachdenken!

Das befremdende "samt" habe ich schlichtweg in "zärtlich" verwandelt.. =)

~
Ich war übrigens so frei für deine Geschichte vom blauen Lolli einen klitzekleinen Kommentar zu schreiben, nur so am Rande sei dieses erwähnt :Pfeif:

Liebe Grüße,
Anabel

 

Hallo Anabel,

ich würde diese Geschichte gerne vorgelesen bekommen. Es erinnert mich an einen poetry slam. Deine Sprache hat mich so mitgenommen, dass ich gar zuerst nicht genau auf den Inhalt geachtet habe ;). Beim zweiten Lesen bemerkte ich, dass mir noch nie eine Geschichte gefallen hat, bei der äußerlich so wenig passiert - aber bei dieser ist es mir tatsächlich egal. Ich denke weniger über den Inhalt nach als dass ich deine Schreibe geniesse, denn die hat was.

Vielleicht denke ich morgen etwas trockener darüber, heute jedoch will ich dir einfach nur schreiben, dass mir diese Geschichte gefällt.

Kurz am Rande noch: Die wenigen Absätze machen das Lesen nicht sehr angenehm.

Mit unendlicher Wärme fuhren seine Lieder einmal auf und ab, er blinzelte; seine Augen verengten sich ein wenig unter einem wonnevollen, unglücklichen Lächeln, das sich wohl auf seine Lippen verirrt hatte, seine nicht-küssenden Lippen, die sich einfach herausnahmen, in diesem Moment zu lächeln

Lieber Gruß
bernadette

 

Hallo Anabel,

abgesehen von den vielen Wiederholungen, die als Stilmittel inflationär ausgereizt und auf diese weise contraproduktiv angewendet werden, liest sich die Geschichte zähflüssig und behäbig, wie ein schwerer, süßlicher Rotwein, von dem man höchstens ein Gläschen vertragen könnte, aber noch zwei Mal nachgeschenkt bekommt. Das ist zu viel, zu viel, zu viel!

Grüße von Rick

 

Liebe lea victoria, lieber Rick

eure Meinung und euer Urteil in Ehren aber für ein freudiges posten auf KG.de ist es erforderlich, dass man freundlich behandelt wird und das tut ihr beide in keiner Weise.
Wie ihr eine Geschichte beurteilt ist eure Sache, aber sowas wie

Extrem schlecht. Und noch etwas anders wiederholt sich bis zum Erbrechen...
und
das ist grausig
brauch erstens kein Mensch, da es der Sinn der Kritik ist die Geschichte zu verbessern und nicht den Autor zu beleidigen und kann zweitens auch freundlicher ausgedrückt werden, insbesondere da man an Hand von bernadette erkennen kann, dass sich dabei ausschließlich um eine Meinung handelt.
Das mir die Geschichte gefällt hat damit übrigens nichts zu tun, es ist lediglich eine Frage der Höflichkeit

Liebe Grüße,
sheepdogv0

 

Hallo!

Zunächst einmal vielen Dank an alle, die hier ihre Kritiken abgegeben haben, obwohl der großteil für mich ja eher unerquicklich ist :Pfeif:

@Bernadette
Lieben Dank! Deine kurze Kritik rettet mein Ego gerade so noch =)
Es erfreut mich auf Äußerste, was du geschrieben hast.
Ganz gleich, wie du Morgen darüber denkst, für den Moment hat die Geschichte ihren Dienst vielleicht getan - und das ist immerhin ein Anfang!
Mit den Absätzen hast du sicherlich recht.
Bei Gelegenheit werde ich es wohl überarbeiten müssen.


@lea victoria, Rick, Nachtschatten
Nun, was soll ich sagen?
Ich denke nicht, dass es einzig an den Wiederholungen liegt, dass euch die Geschichte nicht gefallen hat, wir befinden uns scheinbar geschmacks/gefühlsmäßig nicht auf dem selben Dampfer. Meine Schreibe ist meistens etwas verkorkst, ein für so manchen wohl chaotisch anmutendes Gesprudel.

Ich gestehe, dass die Masse der "so"'s wahrhaft übertrieben ist.
Wenn mir eine bessere Ausdrucksmöglichkeit für die Intensität und die herbe, zärtliche, zeitlose Hast einfällt, werde ich es ändern.


@Sheepdogv0
... danke! ;)


Liebe Grüße!
Anabel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sheepdogv0,

ich habe zu der KG eine ganz normale Kritik geschrieben, die der Autorin deutlich macht, wie ihr Text bei mir als Leser ankam. Was ich versäumte, und hiermit gern nachhole, ist, Anabel hier herzlich willkommen zu heißen. Ich hoffe, liebe Anabel, dass du hier Spaß haben wirst! Herzlich willkommen!

Das letzte was ich allerdings brauche, ist eine Belehrung über Höflichkeit, zumal du (jetzt meine ich wieder dich, Sheepdogv0!) bei deinen Negativ-Beispielen nichts aus meiner Kritik zitiert hast - und sicher auch nicht konntest. Weil es daraus nichts Unhöfliches zu zitieren gibt. Dass man gelegentlich etwas kürzer kritisiert, mag ab und zu an mangelnder Zeit liegen. Als Autor sollte man sich grundsätzlich erst einmal darüber freuen, überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden. Mir tun viel mehr die KGs Leid, die hier unkommentiert im Nirwana verschwinden.

Es ist schön, dass dir Anabels Geschichte gefallen hat. Das ist dein gutes Recht. Bitte gestehe aber mir das Recht zu, die KG weniger gut zu finden, und es sollte schon weitgehend mir überlassen sein, in welcher Form ich das zum Ausdruck bringe. Es geht hier sicher nicht nur ausschließlich um den Lerneffekt. Hier ist ein Markt. Und ich bin ein Leser. Eine Meinung.

Grüße von Rick

 

@lea victoria

Hmm, gibt es abgesehen von den Wiederholungen nichts, was du zu der Geschichte zu sagen hast?
So überdimensional hart wie deine Worte über dieses zahlreich verwendete Stilmittel gewesen sind, bin ich davon ausgegangen, dass sie in gewisser Weise auch deine umfassende "Gesinnung" der Geschichte gegenüber darstellen würden.
Lag ich damit etwa falsch?

 

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