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Von der perfekten Ausübung seines Berufes
Alexanders dunkle Augen zogen die zahlreichen Schaulustigen in ihren Bann.
„Haben Sie an so einem schönen Tag nichts Besseres zu tun, als in einem stickigen Gerichtssaal ohne Fenster zu sitzen? Gehen Sie doch nach draußen. Danken Sie Gott für den schönen Tag. Danken Sie für die Farben und die frische Luft. Genießen Sie es und ersparen Sie sich all die grausamen Dinge, die jetzt kommen werden.“
Niemand rührte sich. Sein Blick schweifte über die Menge.
„Nehmen Sie das ernst. Man könnte meinen, Ihnen gefällt es, diese Geschichten zu hören.“
Eine junge Frau stand auf und ging langsam rückwärts zu Türe. In ihrem Gesicht stand panische Angst.
„Sie sind noch so jung. Und trotzdem könnten Sie morgen tot sein. Leben sie jeden Tag so, als würde es ihr Letzter sein. Ich kenne mich da aus.“
Er erntete einige Lacher.
„Auf Wiedersehen“, rief er ihr nach, „obwohl ich so eine Ahnung habe, dass wir genau das nicht werden. Schade.“
Die Richterin hämmerte auf ihr Pult.
„Angeklagter. Beginnen Sie.“
Er drehte sich langsam um. In seinem von freundlichen Fältchen durchzogenen Gesicht lag ein Ausdruck von Weisheit und Verständnis:
Wissen sie, Frau Richter, mir war immer wichtig, in meinem Beruf alles richtig zu machen. Nicht nur gut, sondern perfekt. Jeder sollte das versuchen. Auch wenn er seinen Job nicht liebt. Es gibt unangenehme Dinge, die getan werden müssen. Aber wenn, dann wenigstens ordentlich. Ohne dass mich die Putzfrau am nächsten Tag verflucht. Die Welt wäre viel besser, würden wir alle etwas weiter denken, als bis zum nächsten Schritt.
Wie bitte? Ja, natürlich. Das zeichnet eine gute Richterin aus. Ich soll den Tathergang beschreiben.
Es war nämlich so, dass die bedauernswerte Verstorbene mit ihrer Aussage vor Gericht die Geschäfte meines Auftraggebers aufs äußerste gefährdete. Heutzutage ist ja das Geld auch auf Jersey oder den Kaimaninseln nicht mehr sicher. Als verantwortungsvoller Geschäftsmann musste mein Auftraggeber handeln.
Seinen Namen?
Das kann ich Ihnen erst nach dieser Verhandlung sagen. Mein Vertrag beinhaltet da einige Klauseln, wissen Sie.
Ich war in das Schlafzimmer der Frau Olga Burgejewa eingedrungen. Mit einem Seil von oben durch das Fenster. Die Türe war nämlich zugesperrt. Ich kehrte die Scherben zusammen, und warf sie in den Müll. Dann zog ich den Vorhang vor, damit die Wohnung wieder genauso hübsch aussah wie zuvor. Sie kam nach Hause, drehte das Licht an und begann trotzdem zu schreien.
„Gott hat mich geschickt“, antwortete ich, „haben Sie keine Angst.“
Sie beruhigte sich trotzdem nicht.
„Verschwinden Sie sofort“, heischte sie mich an. Dann sah sie meine Pistole und wurde etwas höflicher.
„Ich habe gehört, Sie lesen die Bibel“, antwortete ich. „Lesen Sie die Bibel nur oder verstehen Sie den Inhalt auch?“
„Ich verstehe Sie. Bitte gehen Sie jetzt. Was sie tun wollen, hat keinen Sinn“
„Dann wissen Sie doch, was uns Gott mit Lukas Vers Zwölf, Kapitel Dreizehn bis Einundzwanzig sagen will? Das Gleichnis vom armen Reichen. Der reiche Gutsbesitzer hatte eine gute Ernte. Und er machte Pläne, was er damit tun sollte. Er wollte eine größere Scheune bauen, um alles unterzukriegen. Dann erst wollte er sich zur Ruhe setzen und das Leben genießen. Doch Gott sagte: Du Narr, noch diese Nacht wirst du sterben. Was wird dann bleiben von deinem Reichtum?“
„Ich weiß, wer Sie geschickt hat. Sagen Sie ihm, es nutzt nichts, wenn ich tot bin. Es gibt eine Rückversicherung. Meine Aussage ist niedergeschrieben. Wenn Sie mich jetzt töten, wiegt sie umso schwerer.“
Ich schüttelte den Kopf. „Das finde ich grundsätzlich recht vernünftig von Ihnen. Ich hoffe Sie haben aber noch etwas anderes niedergeschrieben, als diese hässlichen Anschuldigungen. Wenn nicht, können Sie die nächsten zwei Minuten für einen Abschiedsbrief nutzen. Und dann legen Sie sich bitte auf das Bett. Sie werden nichts spüren. Ich schieße gut.“
„Wie viel bekommen Sie?“, wollte sie wissen. „Nennen Sie mir den Preis. Ich gebe Ihnen das Doppelte.“
„Ich habe jeden meiner Aufträge zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt. 100 Prozent Trefferquote. Das hat seinen Preis. Den können sie nicht so leicht verdoppeln. Ich weiß auch, dass Sie die Polizei verständigt haben.“ In dem Moment bremsten unten zwei Autos, Türen wurden lautstark zugeschlagen. Mehrere Leute liefen zum Haus. Ein leichtes Grinsen huschte über ihr Gesicht.
„Geben Sie auf. Das Haus ist umstellt. Vielleicht gibt es auch für Sie eine Kronzeugenregelung. Und eine Belohnung.“
„Ich weiß von der Belohnung“, sagte ich. „Die kommt nicht von unserem geschätzten Staat, sondern von den Gegnern meines Auftraggebers.
Und jetzt legen Sie sich bitte hier auf das Bett, oder Ihre Putzfrau wird morgen eine Sonderschicht einlegen müssen.“
Ich hörte schwere Stiefel draußen auf der Treppe. Olga sicher auch. Deshalb tat sie etwas Dummes. Sie drehte sich um und wollte davonlaufen. Ich schoss ihr von hinten durchs Herz. Sie schrie kurz auf, fiel vorne über und eine große Blutlache breitete sich über den Teppich aus. Dann legte ich meine Waffe vor mich deutlich sichtbar auf den Boden.
„Ich ergebe mich“, sagte ich zu den drei mit gezogenen Waffen hereinstürmenden Polizisten und hob meine Hände. Einer stürzte auf Olga zu und fühlte ihren Puls.
„Unnötige Arbeit“, warf ich ein. „Genau durchs Herz. Aus dieser Entfernung keine Kunst. Schade um den Teppich. Den Blutfleck kriegen sie nie wieder raus.“
Ja natürlich. Ich streite nichts ab. Ich habe sie getötet, so wie es ausgemacht war. Und meine Arbeit war sehr gut. Sie hat kaum gelitten. Allerdings wollte mich einer der Staatspolizisten erschießen, obwohl ich unbewaffnet war. Ich bin doch schon ein alter Mann und ohne meine Pistole völlig ungefährlich. Darum sollten Sie sich kümmern. Ich meine, ich tue meine Arbeit und er die Seine. Ich achte darauf, dass niemand Unschuldiger zu Schaden kommt und dann möchte mich der Polizist einfach niederknallen. Da gibt es doch Vorschriften. Jeder Bodyguard hält sich da besser dran. Aber ich will nicht so sein. Verzeihe deinen Feinden und dir selbst wird verzeihen werden, heißt es, nicht wahr. Und so kurz vor meinem Ende fällt es mir leicht.
Ja, Sie haben richtig gehört. Ich kenne den Tag, an dem mich Gott abberuft. Eine seltene Gnade. Sie allerdings wissen es nicht. Haben Sie heute ihre Kinder geküsst? Ihren Mann?
Ach so. Wollen Sie sie anrufen und sich von ihnen verabschieden?
Es ist nämlich so, dass Sie mit allen ihren Plänen, meine Auftraggeber zu überführen, ganz übersehen haben, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Bitte glauben Sie mir, bevor es zu spät ist. Ja, das weiß ich. Ich wurde deshalb auch im Voraus bezahlt. Bei 100 Prozent Trefferquote kein großes Problem. Ich hatte genug Zeit alles zu ordnen, Sachen und Wohnung zu verkaufen und dann das Geld nach meinen Vorstellungen zu verteilen.
Warum ich mich erwischen ließ?
Natürlich, damit ich zu Ihnen gelange. Sie werden zugegebenermaßen recht gut abgeschirmt.
Meine Vorgänger sind alle gescheitert. Schöner Zufall übrigens, dass sie meine Richterin sein wollen, nicht? Dabei ist es doch genau umgekehrt.
Ja, das könnte man so sagen. Die Wachen sind eingeschlafen. Für sehr lange Zeit allerdings. Ich haben mir zum Abschluss etwas ganz Besonderes überlegt. Sehen sie diese Plastiktäschchen? Nichts als Luft drinnen, würde ein unbedarfter Beobachter glauben. Niemand hätte erkennen können, was das wirklich ist. Unglaublich, welche Wirkung so eine kleine Dosis hat. Jetzt bitte nur keine Panik. Bleiben Sie einfach sitzen und atmen Sie ruhig ein und aus. Ich werde auch schon müde. Es tut gar nicht weh. Wie ich schon gesagt habe. Wer kann ahnen, wann es passiert? Haben Sie wirklich geglaubt, die modernsten Errungenschaften unseres großartigen Militärs würden ihre segensreiche Wirkung nicht auch einmal bei Ihnen verbreiten? Wäre doch schade, um die jahrelange Arbeit der Wissenschaftler. Wie sie angestrengt über den Molekülstrukturen saßen und dann die vielen Versuche. Das investierte Geld muss jetzt irgendwie verdient werden. Bitte! Bleiben Sie doch sitzen? Sie trampeln sich ja zu Tode. Die Tür ist doch von außen verschlossen.