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Würfelgeld

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23.10.2004
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Würfelgeld

Nummer Eins nahm sich kurz die Zeit, den Würfel zu begutachten. Natürlich, er musste ihn begutachten, sonst hätte er seine Glaubwürdigkeit verloren, und die war das wichtigste beim Spielen. Man musste den Mitspielern vertrauen können.
Langsam drehte er den Würfel in seiner Hand, nahm jede Seite unter die Lupe; als er 21 Augen gezählt hatte, war er fürs erste zufrieden. „1“ gegenüber „6“, „2“ gegenüber „5“, das Gewicht zu allen Seiten gleich, alles in Ordnung.
Die Blicke um ihn herum wurden ungeduldig. Seine fixierten Augen, die keine Müdigkeit seiner Konzentration anmerken ließen, ließen ihn routiniert und professionell wirken. Dann kamen die Probewürfe. Der Würfel war in Ordnung. Keine bevorzugte Seite. Er nickte seinen Mitspielern zu.
Still begann das Spiel.
Der erste warf. 4. Der zweite warf. 5. Der dritte. 1. Der vierte. 6. Der fünfte. 4.
„Ich zähle 4,5,1,6,4, ergibt 20. Nummer Fünf: Strich eins.“
Nächste Runde: „Ich zähle 4,1,2,3,1, ergibt 11. Nummer Eins: Strich eins.“
Er war Nummer Eins. Das Spiel interessierte ihn nicht wirklich. Es war ein Spiel wie immer, mit immer dem selben Ende. Ja, das Ende war immer gleich.
Er hatte einen Strich bekommen und schon jetzt 300€ gewonnen. Für Strich 1 mussten die anderen Mitspieler 100€ hinblättern, für Strich 2 200€, für den dritten 300€. Er konnte nach Hause gehen. Für diese Woche war gesorgt. Doch wie er es immer tat, blieb er auch heute bis zum Schluss. Das hatte er jedenfalls vor.
4,1,2,2,6. „15, Nummer Fünf: Strich zwei.“
Nummer Fünf bekam von jedem 200€. Vorhin hatte er schon 400€ verdient, das heißt, er hatte jetzt 1200€, minus die 100€ für Nummer Eins.
Doch Nummer Fünf blieb ruhig sitzen. Er ging nicht, weshalb er das Geld erstmal ganz behalten durfte. Nummer Fünf sah nicht sehr glücklich aus und Nummer Eins hatte das Gefühl, dass Nummer Fünf auf jeden Fall bis zum Ende sitzen bleiben würde.
„1,1,2,4,3, ergibt 11. Nummer Eins: Strich zwei.“
Ein Glück, dass wir zu fünft sind, dachte Nummer Eins. Er rechnete nicht gern. Augenzahl durch Spielerzahl. Der Rest wird von Nummer Eins ausgehend abgezählt. Den Spielleiter triffts, wenn die Rechnung aufgeht.
Nummer Eins bekam von jedem Mitspieler 200€.
Wahrscheinlich hatte er einen extrem schlechten Tag gehabt und ihm war eh alles egal. Eigentlich bemitleidenswert, wie tief ein Mensch sinken konnte.
2,2,5,4,1. „14. Nummer Vier: Strich eins.“
Nummer Eins wusste natürlich, dass dieses Spiel mehr als deutlich zeigte, wer Mut hatte, und wer „nur“ um des Geldes Willen spielte.
Noch war er nicht mutig, doch ein Strich war ja auch noch nichts, wovor man Angst haben musste.
Nummer Fünf leitete das Spiel neben Nummer Vier, dem Co-Leiter, für den Fall, dass Nummer Fünf verlor.
„6,6,4,1,5“, zählte er, „22. Nummer Zwei: Strich eins.“
Nummer Eins las kopfüber die Tabelle, die vor Nummer Fünf lag:
I ´´
II ´
III
IV ´
V ´´
Zu ausgeglichen, dachte er sich. In der Tat hatte Nummer Eins jetzt 700€ verdient. Er wollte also bleiben…
WILL ich bleiben? dachte er sich, …. Oh Gott, wie tief bin denn ich schon gesunken?
Der Würfel ging wieder herum. Nummer Eins würfelte eine 6, die anderen eine 5, eine 4, noch eine 1 und Nummer Fünf eine 4.
„6,5,4,1,4. 20. Nummer Fünf: Strich drei.“
Hm… Nummer Eins wurde skeptisch. Er gab die 300€ an Nummer Fünf, welche die Spielregeln forderten.
Jetzt war er gezwungen zu bleiben. Er sah Nummer Fünf an. Und er bekam auf der Stelle Mitleid. Die Augen sahen etwas tränenunterlaufen aus. Wahrscheinlich hatte er heute keinen schlechten Tag erlebt, sondern den schlechtesten seines Lebens.
Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Nummer Eins glaubte all seine Gedanken bestätigt zu sehen: Dieser Mann würde bis zum Ende bleiben.
Der Würfel fiel: Nummer Eins blickte auf ihn und wünschte sich nur eins: Keine 5 oder 0 am Ende.

Er wusste, dass er diesen Mann heute glücklich vom Tisch gehen sehen wollte. Wollte, dass der Mann lächelte, denn diese Trauer in seinem Blick ließ Nummer Eins erschaudern. Wieso bot sich so ein junger Mann als Spielleiter an?
„2,1,4,3,1.“
Nummer Fünf blickte nicht nervös durch die Runde, eher teilnahmslos.
„11. Nummer Eins: Strich drei.“
Plötzlich sah sich Nummer Eins mit 1200€ an Gewinn konfrontiert und zugleich mit seinem Schicksal. Er konnte jetzt nicht gehen. Selbst wenn er gewollte hätte. Nein, Nummer Fünf blieb, also blieb auch er.
Die Gesichter der Mitspieler spannten sich an. Sie wussten, dass das Spiel jeden Moment enden konnte. Wussten, dass sie dann fast alle gewonnen hätten.
Nummer Eins blieb bis zum Schluss, genau wie alle anderen.
Sie würfelten. Nummer Eins nahm den Würfel, schüttelte ihn in der Hand. …
4.
Jetzt plötzlich glaubte Nummer Eins so etwas wie Angst bei Nummer Fünf erkennen zu können.
Nummer Zwei warf eine 3.
Oder vielleicht war es auch eine Art von Erwartung. Nein, es war definitiv Angst. Nummer Fünf standen sogar Schweißperlen auf der Stirn.
Nummer Eins dachte auch über Nummer Drei nach. Der hatte noch keinen einzigen der bisher 8 Striche bekommen und hatte schon 1400€ ausgegeben. Nummer Drei wartete sogar sehnsüchtigst auf das Ende.
Nummer Drei würfelte eine 6.
13, dachte Nummer Eins, zwei Würfel fehlen noch.
Nummer Zwei und Vier waren professionelle Spieler. Das sah man ihnen an. Sie blieben cool, und Nummer Eins war sich sicher, dass sie auch cool bleiben würden, wenn der Revolver vor Nummer Fünf zum Einsatz kommen wird. Hätten sie drei Striche, würden sie das Geld nehmen und den Tisch verlassen. Sie würden nicht auf Risiko spielen.
Nummer Vier würfelte eine 5.
Hohe Zahlen, dachte sich Nummer Eins. Doch Spiel ist Spiel. Hier stand schließlich mehr auf dem Spiel als die Ehre.
Nummer Eins atmete tief durch. Genauso, wie Nummer Fünf, der sein eigenes Schicksal gleich mit seinem Würfel besiegeln würde. Und er zitterte.
Alle Augen sahen voller Anspannung zu Nummer Fünf. Nein, sie starrten auf den Würfel.
Nummer Fünf nahm ihn; und er warf ihn.
Der Würfel rollte. Kante für Kante überschlug sich. Die Zahlen kämpften darum oben liegen zu dürfen.
Niemand atmete.
Nummer Eins sah Nummer Fünf an, dessen Augen gebannt auf den Würfel starrten. Das Geräusch dieses kleinen Steins war ohrenbetäubend. Unerträglich. Beinahe selbständig änderte er die Richtungen, drehte sich, schien endlos zu tanzen. Bis er die letzten Zentimeter zurücklegte. 5 … er kippte weiter, wie in Zeitlupe… 4 … 2 … ein letzter Überschlag:
3.
„Ich zähle 4,3,6,5,3, ergibt 21. Nummer Eins: Letzter Strich.“
Stille.

Nummer Fünf nahm den Revolver, legte an, zielte, schoss.
Nummer Eins war tot.
Die anderen hielten die Schweigeminute ein.
Das Spiel war erst vorbei, als das Geld vom Tisch verschwand.

 

Hallo Auenland,

eine recht ungewöhnliche Geschichte mit für meinen Geschmack zu vielen Zahlen. Dein Text strotzt nicht gerade vor Handlung, prinzipiell lässt sie sich auf viel Gewürfel und einen Schuss mit Todesfolge herunterkürzen. Die Regeln des Spiels werden ausführlich an vielen Beispielen dargelegt, schaffen es jedoch nicht, mich als Leser zu unterhalten, zu fesseln oder auch nur zu interessieren. Die Prots sind so flach wie nur irgendwie möglich, daran ändern auch kurze Überlegungen nichts. Wo ist der gesellschaftliche Bezug?
Die Schweigeminute empfinde ich übrigens als sehr unpassend.
Du verschenkst dir bei diesem Text viel Potential. Dann du schreiben kannst, wird überdeutlich, leider schilderst du jedoch die falschen Sache, um die Geschichte mehr als stilistisch gut zu machen. So bleibts bei vielen unwichtigen Details, Zahlen und Nummern, von denen es am Schluss eine weniger gibt.

lieben Gruß,
Anea

 

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