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Wahn und Sinn

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11.02.2009
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Wahn und Sinn

~~~~~~~~~~Wahn & Sinn~~~~~~~~~~

Morgens halb acht im Büro. Der Kaffe ist heiß und bitter. Ich suche den Zucker, doch alles Süße hier ist zu einer tranähnlichen, sumpfig-stickigen Masse morphiert. Ich schlucke den Dreck ohne Zusatz herunter, um die Müdigkeit in den Knochen zu verjagen. „Buh“ rufe ich. Einmal, zweimal, endlos. Doch das Müde bleibt. Geht nicht von dannen. Ich habe das Gefühl, dass jedes „Buh“ die Müdigkeit noch stärker in mir verankert, dass es irgendwann mehr Müdigkeit als mich gibt – aber vermutlich ist das bereits der Fall, ich bin nur schon zu träge, um diese Veränderung überhaupt noch wahrzunehmen.

Auf einmal klopft es an meiner Tür. Ich setze ein künstliches, perfekt antrainiertes Lächeln auf und sage: "Herein". Aber das hätte ich nicht tun müssen. Die Klopferin betritt das Büro bevor der Schall seinen Produktionsort vollständig verlassen hat. Mein Grinsen gefriert mir im Gesicht. Die Klopferin ist eine Schwätzerin. Mein dröhnender Kopf wird mit Worten bombardiert die nichts sagen und doch alles an anderen Gedanken durch ihre Penetranz auslöschen. „Sie braucht es“ sage ich mir! „Sie braucht es!“ Aber braucht sie es wirklich? Warum? Will sie sich selbst repräsentieren, ihrer Sinnlosigkeit durch Worte einen Sinn geben. Hat sie das erkannt? Die Sinnlosigkeit jeglicher Existenz? Ist sie eine Weise? Oder denkt sie die Flüchtigkeit der Worte sei durch immer wieder neue Worte zu bekämpfen? Wie ein Fluss, der immer Fluss, immer gleich zu sein scheint, obwohl er sich ständig verändert, jeder Wassertropfen nur einmal dieselbe Stelle passiert. Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich weiß, ist, dass sie es wohl braucht. Was „es“ ist weiß ich allerdings nicht.

Ich resigniere, nicke und sage „jaja“. Dabei frage ich mich, ob der bittere Kaffee die bittere Situation in der ich mich befinde noch verschlechtert oder ob er nun weniger bitter schmeckt, da im Negativen, das weniger negative beinahe positiv wirkt.

Auf einmal bin ich fort. Gedanklich. Mein Körper sitzt noch da am Tisch. Braune Kaffeezunge, gebeugter Bürostuhlkörper, ein ständiges Nicken zu sinnlosen Worten mit einem so dümmlich anmutenden Grinsen, dass ich kotzen müsste, wäre ich nicht gerade der Körperlichkeit entflohen.

Und dann ist er auf einmal da. Mein Bruder André. Er schaut mir in die Augen und sagt : „Ich glaube an die künftige Auflösung der beiden äußerlich so widersprüchlichen Zustände - Traum und Wirklichkeit - in einer Art von absoluter Wirklichkeit.“
„Absolute Wirklichkeit? Was ist das mein Freund?“ frage ich ihn. Er öffnet seinen Mantel und zieht ein langes, mächtiges Gewehr daraus hervor. „Fühle und lasse fühlen“ flüstert er mir scharfsüßlich ins Ohr.

Ich spüre das kalte, glatte Metall in meinen Händen. Es fühlt sich gut an. Es kitzelt mich. Es gefällt mir. Ich schaue auf. Andre ist nicht mehr da, aber die Stimme. War sie überhaupt weg? Ich schaue auf und grinse. Diesmal ist mein Grinsen ehrlich, offen, aufrichtig, ein breites Lächeln. Der Rückstoß ist geringer als erwartet.

 

Hallo betaherms,

und herzlich willkommen hier.
Leider erzählst du uns nichts, sondern ziehst es vor, eine Erzählerin wertend über eine Kollegin herziehen zu lassen, bis sie dann gedanklich abtaucht.
Das Schlimme an der Wertung ist die totale Entmündigung der Leser, die dem Werturteil glauben müssen, ohne auch nur eine Situation vorgestellt zu bekommen, nach der sie diese Wertung nachvollziehen können. Für die Situation verwendest du die üblichen Zutaten wie natürlich schlechten Kaffee und ein Titelwortspiel, das es wohl schon ähnlich häufig gegeben hat.
Sprachlich jonglierst du mit Fremdwörtern wie "morphiert" in Kinderdeutsch wie "buh", um sich zu wecken.
Kurz: Das hat mir leider überhaupt nicht gefallen.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo betaherms
und willkommen auf kg.de :)

Ja, dein Einstand gefällt mir. Da sind zwar noch derbe Schnitzer drin, aber insgesamt überzeugt mich dein frecher lebendiger Erzählton.

Morgens halb acht im Büro. Der Kaffe ist heiß und bitter. Ich suche den Zucker, doch alles Süße hier ist zu einer tranähnlichen, sumpfig-stickigen Masse morphiert. Ich schlucke den Dreck ohne Zusatz herunter, um die Müdigkeit in den Knochen zu verjagen. „Buh“ ,rufe ich. Einmal, zweimal, endlos. Doch das Müde bleibt. Geht nicht von dannen. Ich habe das Gefühl, dass jedes „Buh“ die Müdigkeit noch stärker in mir verankert, dass es irgendwann mehr Müdigkeit als mich gibt
Bis hierhin finde ich die EInleitung gut. Den Zusatz solltest du streichen, das ist überflüssig und passt obendrein nicht.
Eine Überlegeung wert wäre es, ob du Müde nicht durch die konventionelle Müdigkeit ersetzen solltest.
als mich selbst klingt auch windschief. Da müsste auch eine passendere Konstruktion hin. Etwas in der Art:
dass irgendwann die Müdigkeit mein Ich verschluckt

Zweiter Absatz:
Auf einmal klopft es an meiner Tür. Ich setze ein künstliches, perfekt antrainiertes Lächeln auf und sage
rufe wäre hier besser : "Herein".

Aber das hätte ich nicht tun müssen. Die Klopferin betritt das Büro bevor der Schall seinen Produktionsort vollständig verlassen hat.
Das klingt -mit Verlaub- einfach nur albern.
Mein Grinsen gefriert mir im Gesicht. Die Klopferin ist eine Schwätzerin. Mein dröhnender Kopf wird mit Worten bombardiert ,die nichts sagen und doch alles an
alle anderen
anderen Gedanken durch ihre Penetranz auslöschen. „Sie braucht es“ ,sage ich mir! „Sie braucht es!“ Aber braucht sie es wirklich? Warum? Will sie sich selbst repräsentieren, ihrer Sinnlosigkeit durch Worte einen Sinn geben. Hat sie das erkannt? Die Sinnlosigkeit jeglicher Existenz? Ist sie eine Weise? Oder denkt sie, die Flüchtigkeit der Worte sei durch immer wieder neue Worte zu bekämpfen?
gefällt mir :D
Wie ein Fluss, der immer Fluss, immer gleich zu sein scheint, obwohl er sich ständig verändert, jeder Wassertropfen nur einmal dieselbe Stelle passiert.
ungelenk formuliert, nicht stimmig
Ich weiß es nicht. Das einzige, was ich weiß, ist, dass sie es wohl braucht. Was „es“ ist, weiß ich allerdings nicht.

dritter Absatz:

Ich resigniere, nicke und sage „jaja“. Dabei frage ich mich, ob der bittere Kaffee die bittere Situation in der ich mich befinde noch verschlechtert oder ob er nun weniger bitter schmeckt, da im Negativen, das weniger Negative beinahe positiv wirkt.
gefällt mir

4. Absatz ist Klasse, da will ich nur beanstanden, dass er einen zu ähnlichen Anfang wie der 5. hat. Das liest sich ungepflegt.

„Absolute Wirklichkeit? Was ist das mein Freund?“ ,frage ich ihn. Er öffnet seinen Mantel und zieht ein langes, mächtiges Gewehr daraus hervor. „Fühle und lasse fühlen“ ,flüstert er mir scharfsüßlich ins Ohr.

Der Abschluss:
Ich spüre das kalte, glatte Metall in meinen Händen. Es fühlt sich gut an. Es kitzelt mich. Es gefällt mir.
So viel es, aber kein eingehen mehr auf das eigentliche ES.
Vielleicht ein Satz in die Richtung: Es fühlt sich nach der Antwort an

Großer Pluspunkt dafür, dass du das Ende nicht ausschlachtest, sondern es in guter Manier "offen" lässt.

Kein Meilenstein und nichts, was lange im Kopf hängen bleibt, aber in seiner Erzähweise durchaus ansprechend.

Ich hoffe, du kannst etwas mit meinen Anmerkungen anfangen :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo betaherms,

schönes, bittersüßes Zynismusbonbon. Nur eine Sache verwirrt mich: André.
Wie passt der hier rein?.

Ich glaube, die Geschichte funktioniert deshalb, eben weil Du eine Wertung der Besucherin eingebaut hast. Hättest Du sie erst einmal lange beschreiben müssen, um eine eigenständige Wertung durch den Leser zu ermöglichen, wäre der Effekt der Pointe IMHO komplett verpufft. Ist aber nur meine ganz persönliche Meinung.

lieben Gruß
Dave

 

Guten Morgen betaherms,

ich bin in Eile, daher erstmal nur ganz rasch (ich muss den Text nochmal in Ruhe lesen, v.a. um genau hinter und durch das Ende zu steigen).
sprachlich: :thumbsup: :thumbsup:
Ein Vergnügen zu lesen, wirklich!

Bei Gelegenheit mehr,

Gruß,

Sister

 

Vielen lieben Dank für Eure Anmerkungen, Kritik und Lob - ich werde versuchen all das reflektierend in einer neuen Geschichte anders, besser und genauso zu machen.
Einen kleinen Hinweis möchte ich noch geben. André ist eine Anspielung auf André Breton, der die Manifeste des Surrealismus verfasst hat. Der Satz "Ich glaube an die künftige Auflösung der beiden äußerlich so widersprüchlichen Zustände - Traum und Wirklichkeit - in einer Art von absoluter Wirklichkeit.“ ist ein Zitat aus diesem. Die Maschinengewehrmetapher führte Breton - auch wenn er diese später relativierte - als Beispiel an. Das surrealistische Moment, das surrealistische Leben an sich, exemplarisch im Alltag des Büro dargestellt, ist Grundtenor und Intention der Geschichte.

Gruß beta

 

Jetzt hab ich's nochmal gelesen, und noch immer sage ich: :thumbsup: :thumbsup:
ehrlich, die Sprache ist herrlich, sie ist weder weitschweifig noch kompliziert und beschreibt dabei auf sehr ungewöhnlich (= sehr gute!!) Art feinste Nuancen im Erleben des Prot.

Ehrlich schön, mich haste begeistert - und ich hätte gerne mehr ;)

Den André am Ende finde ich auch in Ordnung, ich glaube zwar nicht, dass viele Leser Deinen intendierten Bezug in ihm lesen, es funktioniert m.E. allerdings auch ohne. Mein erster Gedanke war, dass André vielleicht wirklich der Bruder des Protagonisten ist, vielleicht der tote Bruder, der als Erscheinung ab und zu mal mental helfend in sein Leben eingreift. Oder so.

Der Müdigkeit auf dem Weg zur Arbeit Buh entgegenschreiend,

Sister

 

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