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Warten auf Selim

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07.11.2003
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Warten auf Selim

Als sie seine Stimme hörte, war sie wie gelähmt. Instinktiv griff sie nach dem Stuhl neben dem Schreibtisch und setzte sich, bevor ihr die Beine versagten. Wie oft hatte sie sich diesen Moment vorgestellt. Sie würde ihn wieder sehen, das wusste sie seit sie die Beziehung beendet hatte.
Der Kulturunterschied und ihre gegensätzlichen Lebensziele machten ein Miteinander unmöglich. In ihren Herzen aber hatte sich eine Liebe zueinander eingenistet, die so einzigartig und so stark war, wie sie Menschen nur selten erfahren dürfen. Diese Liebe war das kostbarste Geschenk für Sandra. Ein Engel hatte sie zusammengeführt, vielleicht als Trost für all die schwierigen Jahre vorher. Mit Selim verbrachte sie den schönsten Sommer ihres Lebens.
Wild, frei und etwas unbeholfen wie junge Pferde liessen sie sich von den lauen Winden treiben. Die ganze Welt drehte sich um ihre Liebe und ihr Glück schien unzerstörbar zu sein.
Die Herbstwinde brachten dann die Verletzungen, den Schmerz und im Winter kam die unausweichliche Trennung. Sandra erinnerte sich an die Zeit als sie ziellos durch die Stadt ging. Tausende geschäftige, gesichtslose Leute eilten an ihr vorbei und sie fühlte einsam, wie das letzte Blatt am Ast einer Buche in der eisigen Kälte.
Mit dem Frühling kam die Hoffnung auf ein neues Glück und die Enttäuschung, als sie einsehen musste, dass nichts auf der Welt die Zeit mit Selim ersetzen konnte.
Am Schlimmsten wurde es für sie, als sie von gemeinsamen Freunden erfuhr, dass er geheiratet hatte. Eine andere Frau war jetzt an seiner Seite. Jemand anderem erzählte er nun mit seiner warmen Stimme von seinen Träumen und Sehnsüchten. Eine andere Haut durfte jetzt seine zärtlichen, rauen Hände spüren. Ein anderer Kopf lehnte nun schutzsuchend an seiner starken Schulter.
Jeder Gedanke an ihn bedeutete Schmerz und Tränen. Die Wut legte ihr Herz in Ketten, beherrschte fortan ihre Gedanken und ihre Gefühle. Wie konnte er ihre Liebe verraten? Empfand er vielleicht nicht dieselbe tiefe Liebe, die sie für ihn fühlte? War alles eine Lüge?
Sie wusste, dass die Bitterkeit ihr Leben zerstören würde und erkannte den Weg, um ihre fröhliche und unbeschwerte Art wieder zu finden. Sie musste ihm verzeihen und ihn endlich gehen lassen. Die Zeit heilte viele Wunden und sein Bild verblasste mit den Jahren immer mehr. Viele Abenteuer lenkten sie ab und es gab sogar Tage, an denen sie nicht an ihn denken musste. Ganz tief im Herzen aber lebte die Gewissheit weiter, dass auch er leiden musste und dass das letzte Kapitel dieser Geschichte noch nicht geschrieben war.
In dem Moment als Selim anrief, klebte Sandra gerade Fotos in ihre Alben ein. Bilder, welche sich seit vielen Jahren angesammelt haben und in Plastiktüten im hintersten Ecken eines Schrankes ihr Dasein fristeten. Sie zu ordnen bedeutete, mit der Vergangenheit aufzuräumen. Endlich hat Sandra die Kraft gefunden, diese Aufgabe anzupacken. Es war ein guter Tag, dieser Tag, als Selim anrief, die Schneeglöckchen ragten aus der Erde und die Vögel begrüssten lautstark die ersten wärmenden Sonnenstrahlen.

 

Hallo Selene!

Sie sind immer wieder ein wunderbares Sujet für romantische Geschichten, diese Paare, die einander gegen jede Wahrscheinlichkeit verfallen, obwohl sie in wichtigen Dimensionen denkbar unterschiedlich sind. Meistens schweißt ihr Trotz gegen den kopfschüttelnden Rest der Welt sie länger zusammen, als es gut ist, aber irgendwann wird der Spagat zu schmerzhaft.

Es ist dein gutes Autorenrecht, den beiden ein zaghaftes Happy-End zu gönnen, wir sind hier im Bereich romantischer Fiktion. Ein bisschen verläuft mir das Geschehen zu "fahrplanmäßig" und mit dem Zufall, dass sie gerade Fotos aus der Vergangenheit ordnet, als er sich nach langer Zeit wieder meldet, überspannst du den Bogen meiner Empfindung nach. Aber es passt zu deiner kleinen gefühlvollen Fabel.

Grüße!
Chica

 

Hallo Chica!

Vielen Dank für deine Beurteilung.
Du hast recht, ich habe mich von der Geschichte persönlich mitreissen lassen, bin richtig euphorisch geworden und habe am Ende wohl ziemlich übertrieben.
Ich werde versuchen, bei der nächsten Geschichte einen kühlen Kopf zu bewahren.

Gruss
Selene

 

Hallo Selene!

Trotz ein wenig Kitsch und Happy-End hat mir deine Geschichte gefallen. Du hast immerhin den Anfang nicht zu klischeehaft gestaltet, d.h., die zwei getrennte Wege gehen lassen, das habe ich gut gefunden, denn oft ist es wirklich so, dass grosse Unterschiede früher oder später zu einer Trennung führen. Und weil das Ende offen ist, wirkt es doch nicht so kitschig.

Liebe Grüsse
sirwen

 

Liebe Mag, liebe sirwen

Vielen Dank für eure Nachrichten. Ich freue mich sehr, dass euch die Geschichte gefallen hat.
Die Liebe hat gewonnen, deshalb kann der Schluss als Happy-End bezeichnet werden.
Die Differenzen zwischen den beiden allerdings, sind immer noch vorhanden und Selim ist ja inzwischen verheiratet. Deshalb werden die beiden noch viel Arbeit vor sich haben und ob sie das schaffen werden, bleibt offen.

Viele Grüsse
Selene

 

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