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Warten

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05.07.2003
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Warten

Jasmin... Oder Flieder? Eine neue Spur im Dschungel der Gerüche, die sie umgeben. Parfüm, Schweiß, Druckerschwärze, Kaffee - und immer wieder Parfüm: zitronig, in Erinnerung an saure Drops den Mund zusammenziehend; blumig, Vorstellungen von Muttertagssträußen und dem damit verbundenen schlechten Gewissen über das "banale" Geschenk weckend; süßlich, wie Frauen mit zu schrillem Lachen und zu langen Fingernägeln.. Warum kann es in dieser Welt der Vorschriften keine Regelung geben, die Frauen den Kampf ihrer Düfte gegeneinander verbietet. Seltsame Ideen schlendern durch das Bewusstsein, wenn es ungebunden ist.

Wie spät wird es sein? Ein Blick auf die Uhr würde genügen, deren Metallband sich in die durch Hitze und Feuchtigkeit gedunsene Haut eingeprägt hat. Sie sieht nicht hin. Die Strecke auf dem Zeitstrahl, die sie überwinden muss, wird nicht kürzer, wenn sie ihre genaue Position kennt. "To travel hopefully is a better thing than to arrive." Welche Hoffnung erfüllt sie auf dieser „Reise“?

Andere Frauen begleiten sie; junge, alte, schöne, unscheinbare... Viele kommen in Gesellschaft einer anderen Frau, einer Schwester im Geiste, mit der sie leise reden und lachen. Andere sind allein, blättern in einem der gerade gekauften Kunstbände, beobachten das Geschehen oder warten einfach nur, in ihre Gedanken und Wünsche eingesponnen wie sie selbst.

Ist es die Schläfrigkeit der Nacht, die die Wartenden besänftigt? Keine angriffslustige Stimmung liegt über der Schlange, nicht dieser zischelnde, böse summende Geräuschteppich, der typisch ist für eine Ansammlung von Menschen, denen die prompte Wunscherfüllung durch die pure Menge der Mitwünschenden verweigert wird.

Ein kaum spürbarer Luftzug lässt sie aufschrecken. Etwas hat sich verändert... Einen Lidschlag lang braucht sie, um es wahrzunehmen: Die rothaarige Frau vor ihr, deren massige, sommersprossige Schultern in den letzten Stunden zur vertrauten Kulisse geworden waren, ist mit einer jähen, fast stürzenden Bewegung nach vorn getreten und verdeckt nun die Sicht auf den Tisch am Ende des Raumes. Besitzergreifend, fast so, als wollte sie ihn abschirmen vor allen anderen, niemanden teilhaben lassen an ihrem Moment der Begegnung, stützt sie sich auf die Kante. Die im Takt ihrer ruckartigen Kopfbewegungen tanzenden Haarspitzen spiegeln die Fülle ihres Redeflusses, während die perlmuttlackierten Nägel ihres rechten Sandaletten-Fußes unablässig an der Wade des anderen Beines kratzen.

Mit einem kurzen, klirrenden Auflachen klappt die Frau ihr signiertes Buch zu und richtet sich wieder auf. Mit deutlichem Widerstreben tritt sie vom Tisch zurück, wendet sich zögernd ab, geht zum Ausgang. Sie sieht der Frau nach, die noch einmal in der Außentür stehenbleibt, sich umdreht und einen langen Blick zurück wirft, doch sie nimmt sie nicht wirklich wahr. Auch ihre Reise ist zu Ende.

Seltsam leer fühlt sie sich, gleichzeitig fern von ihrer Umgebung und dennoch jedes Detail wahrnehmend, als sie auf den Mann hinter dem Tisch zugeht. Schmal sieht er aus, müde, mit tiefen Schatten unter den Augen und Wangenknochen. Abwesend fährt er mit der Hand durch die Haare und schließt für einen Moment die Augen.

Nie hätte sie erwartet, dass ein Gefühl körperlich schmerzen kann. Wie ein Schlag ist sie, die Scham, die das Gesicht brennen lässt und Tränen in die Augen treibt – diese erniedrigende Selbsterkenntnis: Auch sie ist ein Teil dieser hechelnden Meute, die ihn bis zur völligen Erschöpfung hetzt, ihn attackiert, in die Ecke treibt mit ihrem Begehren, ihn zu HABEN, wenigstens als Spur seiner Schrift und Fingerabdruck auf ihrem Buch.

„Hello, thank you for waiting so long.“ So vertraut ist die murmelnde Stimme, die sie doch noch nie angesprochen hat... „What do you want me to write?“ ‚Schreib, was ich dir bedeute! Schreib, dass du mich begehrst! Schreib, dass du dein Leben mit mir verbringen willst!‘ Wie soll sie diese Schreie in ihrem Kopf ersticken, am Herausdringen hindern?

Sie schmeckt schon das Salz ihrer Tränen auf den blutig gebissenen Lippen, als sie die Tür erreicht, ihr Buch, das sie mit einer fast trotzigen Geste vom Tisch gerissen hatte, an sich gepresst wie ein Kind, das sie aus dem Feuer gerettet hat. Nicht Hoffnungen hatten sie auf ihrer Reise begleitet – nur Illusionen.

 

Hej Chica!

Willkommen auf kg.de! :anstoss:
Deine Geschichte gefällt mir. Sie ist kurz und irgendwie berührend. Man empfindet mit der wartenden Frau, man hofft mit ihr darauf, dass ihr ein bisschen mehr Zeit vergönnt sein wird, dass er ihr etwas Besonderes sagen wird... und dann platzt diese Seifenblase. Gut gemacht! :thumbsup:
Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Vielen Dank für deine Begrüßung und die netten Worte, chaosqueen! Da fühle ich mich doch direkt motiviert für etwas Neues... ;-)

LG, Chica

 

Hallo Chica,

ja, ja, da kommen längst vergangene Groupie-Gefühle wieder hoch (lang lang ist's her...:D ). Deine Story hat mir gut gefallen (nicht nur wegen Viggo :naughty: ). Du beschreibst die Gefühle deiner Protagonistin sehr bildlich, so daß man sich richtig gut in sie hineinversetzen kann und mit ihr ungeduldig wartet was passiert. Danke für die Story und weiter so.

Viele Grüße
Narya

 

Zannalee und Narya (hast du deinen Link nach dem Ring gewählt, den Gandalf im Herrn der Ringe trägt?), auch euch beiden herzlichen Dank für euer Lob! :)

Wenn ich mal etwas mehr Zeit habe, werde ich auch mal meine Meinung abgeben zu User-Geschichten, aber dafür brauche ich Muße.

GLG, Chica

 

Bisher, Chica, kannte ich die Beweggründe von diesen Menschen – in der Tat hauptsächlich Frauen! -, nicht, stundenlang irgendwo anzustehen, nur um einen Blick aus der Nähe auf einen anderen Menschen zu werfen, das war und ist für mich reine Zeitverschwendung.

Ein wenig hast du nun dieses Geheimnis gelüftet, wenn auch ich nicht sagen kann, ich verstünde diese Leute jetzt, dafür bleibst du mit deinen zugegeben scharfen Beobachtungen zu sehr an der Oberfläche, man erfährt nicht, warum die Protagonistin diesen Mann so sehr begehrt, und daher auch nicht, wieso sie zuletzt erkennt, dass Illusionen und nicht Hoffnungen sie begleitet haben.

Deine Liebe zum Detail ist außergewöhnlich, manchmal dachte ich, ich selber stünde da oder habe diese Geschichte geschrieben, so dicht ist die von dir erzeugte Atmosphäre. Bravo.

Freilich, es ist nicht alles vollkommen, wie bei jeder Geschichte kann man auch hier ein paar Ungenauigkeiten oder Stolpersteine finden:

Zunächst einmal finde ich, dass die Einführung mehr Schaden anrichtet als sie Nutzen hat, weil sie Erwartungen weckt, und vor allem, aus ihr spricht die Angst, du könntest mit der Geschichte allein den Leser nicht überzeugen – ich würde sie ersatzlos streichen.

Dann sind die Anführungsstriche bei „banal“ und „Reise“ überflüssig, denn was sollen sie dem Leser suggerieren? Dass du dich davon distanzierst oder die Reise nicht wörtlich zu nehmen ist? Erstens stoßen Distanzierungsversuche immer sauer auf und zweitens unterschätzt du die Leser.

Ein Blick auf die Uhr würde genügen, deren Metallband sich in die durch Hitze und Feuchtigkeit gedunsene Haut eingeprägt hat.
So schön Details auch sein können, hier tun sie nichts zu Sache – ich würde den zweiten Teil des Satzes entfernen.

Ist es die Schläfrigkeit der Nacht, die die Wartenden besänftigt? Keine angriffslustige Stimmung liegt über der Schlange, nicht dieser zischelnde, böse summende Geräuschteppich, der typisch ist für eine Ansammlung von Menschen, denen die prompte Wunscherfüllung durch die pure Menge der Mitwünschenden verweigert wird.
Statt Geräuschteppich würde ich lieber Gemurmel schreiben – weil es konkreter ist.

Die rothaarige Frau vor ihr, deren massige, sommersprossige Schultern in den letzten Stunden zur vertrauten Kulisse geworden waren, ist mit einer jähen, fast stürzenden Bewegung nach vorn getreten und verdeckt nun die Sicht auf den Tisch am Ende des Raumes. Besitzergreifend, fast so, als wollte sie ihn abschirmen vor allen anderen, niemanden teilhaben lassen an ihrem Moment der Begegnung, stützt sie sich auf die Kante. Die im Takt ihrer ruckartigen Kopfbewegungen tanzenden Haarspitzen spiegeln die Fülle ihres Redeflusses, während die perlmuttlackierten Nägel ihres rechten Sandaletten-Fußes unablässig an der Wade des anderen Beines kratzen.
Hier dachte ich zuerst, die rothaarige Frau verdeckt nur zufälligerweise den Blick auf den Tisch, der irgendwo weit am Ende des Raumes steht, aber im nächsten Satz steht sie schon davor, stützt sich gar auf die Kante - hier solltest du vielleicht für mehr Deutlichkeit sorgen.

Mit einem kurzen, klirrenden Auflachen klappt die Frau ihr signiertes Buch zu und richtet sich wieder auf. Mit deutlichem Widerstreben tritt sie vom Tisch zurück , wendet sich zögernd ab, geht zum Ausgang.

Die Reise ist zu Ende.

Seltsam leer fühlt sie sich, gleichzeitig fern von ihrer Umgebung und dennoch jedes Detail wahrnehmend, als sie auf den Mann hinter dem Tisch zugeht.

Hier hat mich erstens die Aussage „Die Reise ist zu Ende.“ gestört, denn sie ist nicht zu Ende, die Protagonistin ist lediglich am Ziel angekommen. Falls du diesen Satz eingefügt hast, um die Unterscheidung zwischen den beiden Frauen machen zu können, dann würde ich vorschlagen, die ersten 3 der zitierten Sätze zu streichen und den nächsten so zu ändern, dass die Protagonistin nicht auf den Mann hinter dem Tisch zugeht, sondern vor ihm steht.

Du, Chica, hast Talent, die Kraft deiner Schreibe ist gewaltig, mache also weiter und befolge den Rat Allen Ginsbergs:

Der erste Gedanke ist der beste Gedanke.
Beobachte, was lebendig ist.
Bemerke, was Du bemerkst.
Ertappe Dich beim Denken.

Dion

 

Danke fürs Ausgraben eines meiner Frühwerke, Dion.

Ein wenig hast du nun dieses Geheimnis gelüftet, wenn auch ich nicht sagen kann, ich verstünde diese Leute jetzt, dafür bleibst du mit deinen zugegeben scharfen Beobachtungen zu sehr an der Oberfläche,

Da ich mich nicht in eine solche Schlange einreihen würde, könnte ich selbst auch nur mutmaßen über die Beweggründe. Allerdings lasse ich beim Schreiben sowieso gerne den Figuren einiges an Geheimnis; sie taugen meiner Meinung nach dann besser als Projektionsfläche.

Mit der Einführung hast du recht, ich weiß allerdings nicht, ob ich nach so langer Zeit noch editieren kann.

Dann sind die Anführungsstriche bei „banal“ und „Reise“ überflüssig, denn was sollen sie dem Leser suggerieren?

Da gebe ich dir jetzt aus der Distanz, die ich zur Geschichte gewonnen habe, recht.

Das Metallarmband: Daran möchte ich festhalten, das Bild verkörpert imho ganz prägnant das unbehagliche Körpergefühl am Ende eines langen, anstrengenden, drückend schwülen Tages.

Hier hat mich erstens die Aussage „Die Reise ist zu Ende.“ gestört, denn sie ist nicht zu Ende, die Protagonistin ist lediglich am Ziel angekommen.

Für den Zeitpunkt, zu dem der Satz kommt (also für die Logik der Story) hast du recht. Aber sie ist am Ziel und gleichzeitig am Ende, weil sie sich nach der Erfahrung aus dem Fankreis verabschieden wird.

Ich freue mich natürlich sehr über deine grundsätzliche Anerkennung; da ich meistens daran verzweifle, dass es mir meiner Meinung nach so unvollständig gelingt, meine inneren Bilder in Worte umzusetzen, sind solche Bemerkungen wie heiße Schokolade nach einem langen Marsch durch Kälte und Wind. ;)

Chica

 

hi chica,

sprachlich finde ich diese geschichte toll. aber beim lesen draengte sich in mir die frage auf, was die anwesenden wohl machen wuerden, wenn sich jemand stundenlang anstellen und sich dann auf viggos gesamte notitzen und autogrammzettel uebergeben wuerde :D

fan-kult? ich weiss nicht. nichts fuer mich - wenn ich mich wirklich mal in so eine schlange stelle, dann ganz bestimmt nicht zu hdr-film-fanatikern! "nein, haldir ist nicht tot, weil er gar nicht in der schlacht bei helms klamm gewesen ist..." "KETZERIN! VERBRENNT SIE!"
diese leute sind so unentspannt...

glg, vita

 

Hallo Vita,
danke für dein Feedback!

aber beim lesen draengte sich in mir die frage auf, was die anwesenden wohl machen wuerden, wenn sich jemand stundenlang anstellen und sich dann auf viggos gesamte notitzen und autogrammzettel uebergeben wuerde

Tja... Lynchjustiz? :p Ich kann es dir nicht beantworten, ich kann die Beweggründe auch nicht nachvollziehen, aber ich finde es immer wieder ein interessantes Experiment, ein bestimmtes Verhalten in der Vorstellung zu imitieren und dann zu spüren, welche Gefühle sich einstellen.

 

Hallo Chica

Dieses Experiment, von dem Du sprichst, finde ich auch immer wieder interessant. Gerade, bei Menschen, die anders als man selbst sind. Oder man glaubt, sie seien anders und man entdeckt plötzlich eine Gemeinsamkeit, die sich bei einem selbst nur anders ausdrückt oder nicht so offensichtlich ist. Ich glaube fast, es muss auch so sein, sonst funktioniert es nicht.

Die Geschichte gefällt mir. Es gelingt Dir einerseits, die Sätze auszuschmücken und andererseits, nicht auszuufern und die Handlung vorwärtszubringen, ohne zu hetzen.

Trotzdem noch ein paar Kritikpunkte:

Der Vorspann kann wirklich raus. Die Geschichte spricht für sich selbst. Außerdem erzeugt es gerade dann Spannung, wenn sich der Leser erst zurechtfinden muss.
Sehr schön ist die Schilderung der rothaarigen Frau. "Die Reise ist zu Ende" finde ich ok so. Was mich beim Lesen irritierte, kommt direkt danach.

Seltsam leer fühlt sie sich, gleichzeitig fern von ihrer Umgebung und dennoch jedes Detail wahrnehmend, als sie auf den Mann hinter dem Tisch zugeht.
Ich dachte zuerst, es beziehe sich noch auf die Rothharige, dabei warst Du zur Prot zurückgekehrt, oder?

Weiter so. Wann kommt die nächste Geschichte? :)
franck

 

Danke, Franck, für deine positive Kritik! Ich habe den Vorspann wirklich rausgenommen und auch den Absatz, der dich irritiert hat, hoffentlich etwas weniger missverständlich gemacht. Ja, da war der Bezug wirklich nicht ganz klar, manchmal ist man als Autor eben betriebsblind.

Die nächste Story? Wäre sie eine Rinderhälfte, würde ich sagen: Sie befindet sich zum Abhängen in der Kühlkammer. ;)

Chica

 

Hallo Chica
Wie ich las - Dein Erstlingswerk. Beachtlich, aber auch strittig. Mir sind beide Positionen bekannt. Vor und hinter dem Tisch. Wenn Du als Fan etwas verehrst, bewunderst, vergötterst - da interessiert Dich nicht, ob der Angehimmelte müde ist - er hat gerufen, hat sich öffentlich gemacht - dann muss er mich aushalten; mich und alle anderen. Da stelle ich seine Gefühle hinter sein Werk; es wäre eine andere Situation, wenn ich ihn persönlich, privat, unvorbereitet träfe - z.B. in einem Restaurant. Niemals würde ich einen Star oder Bekannten in einem Lokal öffentlich ansprechen - hier sollte er ein Recht auf Privatleben haben - aber Autogrammstunde - da muss er durch.
Sitze ich hinter dem Tisch, dann muss mir die Meute schmeicheln - je mehr, um so lieber. Alle kommen, um mich zu sehen - in meinem Film bin ich der Star - Ideal. Ich habe alles unternommen, alles in die Waagschale geworfen, um jetzt hier zu sitzen - fame. Mein Traum - da darf kein Zicken sein.
Natürlich sind da Zwischentöne - die hast Du wunderbar aus der Schale gepellt und die Menschlichkeit, die Gefühle in Farbe gekleidet.
Ob das jetzt der Realität entspricht oder nicht - das ist nicht der Punkt. Es geht um den Zwiespalt, der wie ein Gummiband in der Prot. wütet und das las sich gut. Yes!
Detlev

 

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