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Warten

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04.11.2005
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Warten

Leise senkte sich die Dämmerung über das Tal. Wie ein roter Feuerball verschwand langsam die Sonne hinter den Hügeln. Die Blüten schlossen ihre Kelche, gleichsam zum Schutz gegen die aufkommende Kühle. Die Mücken begannen ihr Spiel über dem Wasser. Eine Lerche stieg hoch in der Luft und erfreute mit ihrem unvergleichlichen Gesang.

Im Haus war es still. Nur das Knistern der brennenden Holzscheite war zu hören. Lautlos schwang das Pendel der großen Uhr hin und her. Unaufhörlich verrannen die Minuten.

Elisabeth hielt es schon lange nicht mehr in ihrem geliebten Sessel. Sie hatte das Buch zur Seite gelegt. Immer wieder hatte sie versucht sich zu konzentrieren, die Spannung der Handlung mit Freude aufzunehmen. Am Ende der Seite fing sie jedoch immer wieder von vorne an, weil nichts von den Worten im Gedächtnis haften geblieben war. Zu sehr waren ihre Gedanken abgelenkt. Sie kreisten nur um das eine. Sabine! Wo war sie?

Seit einer Stunde müßte sie bereits hier sein. Die kurze Strecke war leicht in vierzig Minuten zu fahren. Ihre Tochter war mit ihrem neuen, kleinen Flitzer unterwegs zu ihr. Sie hatte angerufen und fröhlich mitgeteilt: "Mutti, ich komme. In einer guten halben Stunde bin ich bei dir. Mach schon mal einen guten Kaffee. Ich habe dir ganz viel zu erzählen." Ich antwortete: "Ich freue mich Kind. Fahr Vorsichtig!"

Das sgt sie nicht ohne Grund. Viel zu sehr waren ihr noch die schrecklichen Augenblicke in Erinnerung. Augenblicke, die alles verändern sollten. Ihr ganzes Leben von einer Minute zur anderen.

Auch damals war es ein wunderschöner Abend. Auch damals hatte sie zu lesen versucht und war zu unruhig, weil er so lange ausblieb. Seit Stunden hätte er schon da sein müssen. Seine Arme hätten sie umfangen, seine dunkle volle Stimme sie begrüßen müssen. Ihr Herz hätte einen Takt schneller schlagen und das Haus wäre lebendig geworden.

Wie heute, so stand sie damals am Fenster, unruhig, angstvoll. Damals vor fast acht Jahren. Zwei Polizeibeamte brachten schließlich die Nachricht. Fast schuldbewußt standen sie in der Türe. Es war ihnen unangenehm ihr in das kalkweiße Gesicht zu sehen, ihren Schmerz miterleben zu müssen. Höflich boten sie Hilfe an und waren froh, als sie diese ablehnte.

Sabine hatte es ebenfalls furchtbar getroffen. Monatelang weigerte sich sich in ein Auto zu steigen. War es doch eines von ihnen, der ihr den geliebten Vater genommen hatte. Lange wollte sie keinen Führerschein machen. Erst im vergangenen Sommer, mit zweiundzwanzig Jahren, konnte sie ihr Freund dazu überreden. Seit dem jedoch, war sie mit Freude unterwegs. Leider fuhr sie viel zu schnell. Die Sorglosigkeit der Jugend hatte gesiegt.

Nun war sie seit über einer Stunde überfällig. Natürlich wird es einen harmlosen Grund geben. Das Schicksal würde doch nicht zweimal auf die selbe grausame Weise zuschlagen.

Der Zeiger der Uhr rückte unaufhörlich weiter. Die Sonne war nun ganz hinter dem Horizont verschwunden. Morgen wird wieder ein schöner Tag werden.

Endlich kam ein Wagen die Auffahrt herauf. Langsam, als wolle er gar nicht vorwärtskommen. Es war nicht der kleine silberne Intaliener. Das Polizeiauto fuhr ohne Sirene, aber das Blaulicht schickte seine rotierendes Licht gespenstisch über die Wiesen als schicke es gleichsam die Botschaft voraus.

Das Warten hatte ein ENDE.

 

Hallo angi02,

leider ist mir deine Geschichte ein wenig dünn geworden, fast schon zu "alltäglich".
Das liegt vor allem daran, dass mir die Punkte für "Spannung" und/oder "Krimi" zu kurz kommen.
Das Auftauchen der Polizei macht eine Geschichte nicht zum Krimi. Zwar kann sich ein Krimi auch durch einen Unfall auflösen, aber er kann kein Ausgangspunkt sein.
Spannung wird auch nur zu einem ganz geringen Maß aufgebaut, da der Leser schon viel zu früh zu der Schlußfolgerung verleitet wird hier eine Parallelität der Ereignisse vorzufinden.

Der inhaltliche Aspekt ist also für meinen Geschmack noch ausbaufähig.
Der sprachliche Stil dagegen liest sich sehr schön, passt aber nicht ganz zu der beschriebenen Geschichte (ausser im einleitenden Absatz).
An manchen Stellen könntest du aber noch streichen: "Roter Feuerball" - Zwar mag er farblich variieren können, aber nur sehr geringfügig. Grün oder Lila wird er nicht sein, zudem ist Feuerball schon sehr ausdrucksstark. Mit der Definition "rot" nimmst du ihm wieder etwas von dieser Kraft.

Vielleicht würde es die Geschichte vom Anspruch her ein wenig heben, wenn du sie anders enden lässt:
Sabine kommt verspätet doch nach Hause (damit hättest du den ersten Überraschungseffekt) und zudem lässt du die Geschichte darauf hinauslaufen, dass die Mutter immer und immer wieder solche Qualen ausstehen muss. Jedes Mal auf die Uhr schaut und den Minutenzeiger vorantreiben will, indem sie ihn bloß anstarrt.
Vielleicht kommen Sabine und ihre Mutter darüber in einen Streit, weil die Mutter immer und immer wieder Vorwürfe macht...

Arbeite ruhig weiter an dieser Geschichte. Lass sie sich entwickeln und dich überraschen, was schließlich dabei herauskommt. ;)

Lieben Gruß, Zensur

 

Hallo angie02,

ich kann ich Zensur nicht anschliessen.

Aus folgendem Grund: Du versuchst, die bedrückende Stimmung im "Stilleben" der Natur und des hauses auszudrücken.
Deshalb halte ich die Geschichte für gelungen.
Der Spannungsaufbau ist da. Der sprachliche Ausdruck ist da.

Was fehlt, ist die "Überfälligkeit" vielleicht noch gedehnter und penetranter auszudrücken. denn dies ist Dein Höhepunkt: Die Tochter ist seit einer Stunde überfällig.

Das Ende gefällt mir gut.
A la Hitchcock kündigst Du das (Todes-)Grauen in Form eines rotierenden Blaulichts an. Sehr schön. ich bin grosser Fan von solchen einfachen, implizierten Art von Gefahrdarstellung. Quasi impressionistisch.

LG
WU

 

Hei! WU
Vielen Dank für Deine ehrliche Meinung!
Das Schreiben hat mir auch sehr viel Spaß gemacht.
Gruß Angi

 

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