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Warum lesen wir? Wie lesen wir?
Peeperkorn schrieb:(unter riegers Geschichte Riders on the Storm)
Finde ich eine sehr gute Idee. Die Aussage ...offshore schrieb:Heut ist Feiertag bei uns in Ö-Land, vielleicht finde ich Zeit und zerbrech mir über das Thema noch ein bisschen den Kopf und zettle dann abends eine Diskussion an. Mal sehen.
... hielte ich dabei für einen interessanten AufhängerGretha schrieb:Eben die Schablone, nach der hier Geschichten überwiegend gemessen werden.
Worüber ich am Nachmittag nachgedacht hab, also mein persönlicher Aufhänger, war vor allem Jimmys Satz:
jimmysalaryman schrieb:Ich habe eine persönliche Abneigung gegen lange Sätze, die nicht so richtig verschachtelt sind, die Kaskaden sind, mir erschließt sich der Sinn nicht, sie klingen gut, das ja.
Was haben „Renegade“ von Treponem Pal und Bellinis „Casta Diva“ gemeinsam? Oder „Naptime“ von Berufskleidung und Verdis „Dies Irae“? Oder Michael Nymans „Love Doesn't End“ und Edward Griegs „Peer Gynt“?
Zugegeben, auf den ersten Blick nicht viel, mal abgesehen davon, dass alles Musikstücke sind. Darüber hinaus allerdings kann man sich kaum was Gegensätzlicheres vorstellen. Wo das eine brachiale Reduziertheit oder minimalistische Wucht bietet, verkörpert das andere ausufernde Komplexität, also Kompliziertheit im wahrsten Wortsinn.
Trotzdem gibt’s da noch eine Gemeinsamkeit: Das eine wie das andere höre ich wahnsinnig gern.
Und beim Lesen, mit Lektüre geht es mir im Grunde nicht anders: Ich habe keinen Lieblingsstil.
Ich kann in die sprachlichen Amokläufe eines Thomas Bernhard genauso hineinfallen wie in die eissplitternd kargen, glasklaren Sätze eines Cormac McCarthy, die lakonische Poesie eines Robert Olmstead fasziniert mich nicht weniger als das assoziative Endlosfabulieren eines William Burroughs, der puristische Hyperrealismus eines Franz Innerhofer bannt mich ebenso wie die gleichsam anarchischen Syntaxzertrümmerungen einer Elfriede Jelinek … Ballard, Brautigan, Salter, Faldbakken, Coomer, Djian, Yates … hunderte fallen mir ein, und keiner schreibt wie der andere.
Oder, um es mit Jimmy zu sagen: „Sie klingen gut.“
Äh, Themenverfehlung?
Eigentlich nicht, immerhin geht es um „Stil“.
Okay, man könnte natürlich darüber streiten, ob man die Rezeption von Musik mit der von Gelesenem überhaupt vergleichen kann. Ich nehme mal an, dass da z.B. ganz unterschiedliche Gehirnregionen dran beteiligt sind. Immerhin gibt es sogar einen Bereich der Psycholinguistik, die Verständlichkeitsforschung, die sich vor allem mit der Verstehbarkeit schriftlicher Texte befasst. Und laut den Verständlichkeitsforschern hängt die Verstehbarkeit unter anderem mit der Speicherkapazität unseres Kurzzeitgedächtnisses zusammen, der Fähigkeit also, z.B. zwei Wörter, die die zwei Teile eines zweiteiligen Verbs sind, als zusammengehörig zu erkennen. Sie endet angeblich, wenn mehr als 7 bis 10 Wörter dazwischen stehen. Ein wissenschaftlich hieb- und stichfester Grund gewissermaßen, auf lange Sätze tunlichst zu verzichten und …
Verdammt, darum geht’s mir eigentlich gar nicht.
Im Grunde will ich nur wissen, ob’s nicht in eigentlich allen Bereichen, in denen es im weitesten Sinne um originäre, künstlerische Kreativität*) geht, egal, ob nun Malerei, Filmkunst, Musik, Literatur, whatever, bzw. um die Rezeption dieser Kreativität, also ob es da nicht gerade die nahezu unendliche Vielfalt ist, die eine Beschäftigung damit erst so reizvoll macht.
Äh, Themenverfehlung?
Keine Ahnung, ob der Thread im Kaffeekranz nicht besser aufgehoben wäre.
Egal. Vielleicht will ja trotzdem wer was dazu sagen.
offshore
*)Konsenstaugliche Mainstream-Scheiße zähle ich da jetzt ausdrücklich nicht dazu. (Pur-Fans und Ken Follet-Leser mögen mir verzeihen.)