Warum
Es war mal wieder so ein trüber Tag. Ein Tag, an dem man sich danach sehnte, ein positives Gefühl in sich zu verspüren. Egal, was für ein Gefühl es auch sein mochte. Aber an diesen trüben Tagen, das wusste ich sehr genau, hatten positive Gefühle keine Chance bei mir. Ich war nun mal so ein Menschentyp, den man gemein hin als „Wetterfühlig“ bezeichnen würde. War das Wetter schlecht, dann fühlte ich mich auch entsprechend. Umgekehrt, wenn das Wetter gut war, war meine Gemütsverfassung ebenso.
Aber an diesem Tag, der so trüb war wie schon lange nicht mehr, war mein seelisches Leiden grenzenlos. Ich saß am Frühstückstisch und starrte in meine volle Kaffeetasse. Ich starrte und starrte. Mein Blick haftete schon eine Ewigkeit an den braunen Inhalt dieser Tasse, ohne das irgendetwas geschehen war. Wie auch? Schließlich war ich ganz alleine. Ich war so alleine, wie man nur allein sein kann. Weder ein singendes oder sprechendes Radio kommunizierte mit mir, noch befand sich eine Fliege in dieser Wohnung, die ab und an mit ihrer belästigenden Art für Ablenkung hätte sorgen können. Selbst meine Gedanken im Kopf waren so tot, so dass ein geistiges Zwiegespräch mit mir selbst nicht stattfand.
Was war geschehen? Lag es wirklich nur am schlechten Wetter, das ich den Inhalt meiner Kaffeetasse anstarrte? Oder hatte meine Gemütsverfassung, die man als solche kaum bezeichnen konnte, einen anderen Grund?
Ich denke, dass das Wetter nur ein Verstärker meiner schwachen Geisteshaltung und meines Starrblicks war. In Wirklichkeit lag der Grund für mein seltsames Verhalten in der Tatsache begründet, dass mich meine Frau vor wenigen Tagen verlassen hatte. Sie hatte mich mit den Worten „ich weiß auch nicht warum“ verlassen und diesen nichts sagenden Satz als ihre Begründung angegeben. Nichts hatte jedoch darauf hingewiesen, das die Entscheidung mich zu verlassen, anstehen würde. Im Gegenteil. Noch am Tag zuvor hatten wir unseren dreizehnten Hochzeitstag mit Freunden und Verwandten gefeiert. An diesem Tag habe ich ihr und sie mir öffentlich ewige Liebe geschworen. Doch die Ewigkeit war am nächsten Morgen, um 9:33 beim Frühstückskaffee vorbei. In dieser Minute stand meine Frau auf, lächelte mich an und teilte mir mit knappen Worten mit dass sie mich für immer verlassen werde. Dann ging sie in den Flur, zog sich den Mantel an und schaute noch mal kurz zu mir herein. „Tut mir leid, aber ich weiß auch nicht warum.“ Das waren ihre letzten Worte. Dann hörte ich nur noch, wie sie die Türe hinter sich zuzog und mit kurzen Schritten das Treppenhaus hinunter ging.
Mittlerweile sind vierzehn Tage vergangen. Meine Frau ist tatsächlich nicht wieder zurückgekommen. Wenn ich genau bin, muss ich sagen, dass in diesen letzten vierzehn Tagen nichts mehr geschehen ist, was ich hier erwähnen könnte. Und selbst wenn ich irgendetwas erwähnen wollte, so wüsste ich nicht was. Denn seit jenem Tag, es war ein Sonntagvormittag 10:33 Uhr, hat es weder an der Haustür, noch am Telefon geläutet. Seit jenem Tag habe ich nur noch dagesessen und in meine Kaffeetasse gestarrt. Kein Gedanke hat seit diesem besagten Moment meine Außenhirnrinde verlassen. Und wenn mich irgendjemand fragen sollte warum dem so ist, dann fällt mir nur eine Antwort dazu ein. „Ich weiß auch nicht warum.“