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Was für ein herrlicher Tag!

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28.01.2006
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Was für ein herrlicher Tag!

Hand in Hand ging ich mit meiner Freundin durch die klare Nacht, den Abend hatten wir am Ufer des Flusses genossen, den auf den Kieselstrand platschenden Wellen gelauscht und die wunderbaren Sterne bestaunt, wie es nur Verliebte können. Und das waren wir tatsächlich: verliebt, Hals über Kopf, wie am ersten Tag, dabei waren wir schon seit knapp drei Jahren liiert. Der Sommer hatte gerade begonnen und sie sah wieder einmal wie ein Engel aus, das dunkelblonde, knapp über die Schultern gelockte Haar, ihre grünen Funkeläugchen, in deren Pupillen ich mich winzigklein gespiegelt sah, wenn ich hineinschaute. Ihre Nase aber war mir das Liebste an ihr, sanft und zärtlich küsste ich von ihrem Ansatz zur Spitze hinunter, dass sich schließlich unsere beiden Zungen wie zwei Lilien ineinander verwirrten. Ihr Kopf lehnte auf meiner Brust und ich umfasste sie mit meiner Hand, spürte dabei, dass sie leicht zitterte, begann zu frösteln. Ich fragte sie, ob sie denn lieber gehen wolle, bevor sie sich erkälte und sie nickte zart und schwach, so dass ich ihr über ihr Jäckchen noch meinen Mantel hängte, ehe ich sie auf ihre Beine stellte, ganz eng an mich drückte und versprach, sie nach Hause zu begleiten.

Es war wirklich kühl geworden, zwar leichter, dennoch kalter Frühsommerwind blies in unsere Gesichter, als wir gerade auf die Hauptverkehrsstraße abbogen, von der aus wir noch die Kreuzung überqueren und etwa fünfhundert Meter gehen hätten müssen, um zum Haus ihrer Eltern, wo sie noch wohnte, zu kommen. Als wir zur Fußgängerampel kamen, war diese merkwürdigerweise noch angeschaltet, normalerweise wird die Ampelanlage um zehn Uhr heruntergefahren und es war schon nach elf. Aus den Kneipen und Bars drang tosender Lärm nach draußen, auch das ungewöhnlich für diese Kleinstadt, an einem Sonntagabend. Autos sausten in Scharen an uns vorüber, doch der Kälte wegen machten wir uns hierüber keine weiteren Gedanken und drückten gemeinsam, ihre Hand warm in meiner liegend, den gelben Knopf am Mast der Ampel, damit diese auf grün schaltet. Die Autos stoppten, hupten dabei aber, als wäre es ihnen fremd, dass ein Paar so spät die Straße zu überqueren gedachte. Als das Ampelmännchen uns dann schließlich einlud, loszulaufen, folgten wir seiner Weisung und schritten gemeinsam, aneinander gekuschelt, Richtung andere Straßenseite.

Doch noch ehe wir diese erreicht hätten, schoss ein dunkler Nobelfahrzeug aus den hinteren Reihen an den wartenden Wagen vorbei, wild hupend, der Fahrer ebenso wild gestikulierend. Wie durch ein Wunder erlitt ich nur einige Schürfwunden und Prellungen, wurde durch den Aufprall lediglich ein paar Meter weiter fort geschleudert. Der Fahrer wankte aus seinem Wagen, schrie mich an, machte mir Vorwürfe, was wir denn in dieser Nacht den Verkehr aufhielten, seine Bierfahne roch ich gleich, obwohl ich noch etwas wirr im Kopf, nicht ganz bei Sinnen war, überrascht des Zusammenstoßes. Meine Freundin lag da auf der Straße, rührte sich nicht, Blut strömte aus ihrem Hinterkopf, der Wagen stand beinahe auf ihr drauf. Sofort rannte ich zu ihr, um ihren Puls zu fühlen. Ich hatte ihn oft gespürt, als wir beisammen waren und stets hatte es mich glücklich gemacht, doch nie so glücklich wie in diesem Moment, als ich endlich das Schlagen in ihrer Ader fand. Ich versuchte erste Hilfe zu leisten und telefonierte einen Rettungswagen herbei, welcher auch binnen weniger Minuten an der Unglücksstelle eintraf. Den Fahrer, der noch immer daneben stand und mir im Trunkenzustand Vorwürfe machte, ignorierte ich eben wie das Hupen der umstehenden Autos, meine Freundin war mir selbstverständlich das Wichtigste, etwas anderes, als dass sie es überstehen würde, kam gar nicht in meinen Kopf hinein. Tränen quollen aus meinen Augen, als ich den Sanitätern schildern musste, was passiert war. Diese luden meine Freundin in den Rettungswagen und baten mich mitzukommen, mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fuhren wir die Straße entlang. Erst als sie im Radio von einem deutschen Triumph erzählten, fiel mir ein, dass es der Abend des Weltmeisterschaftsfinales war, was auch die hupenden Autokolonnen, den Lärm aus den Kneipen und die vielen Deutschlandfahnen, die mir zuvor gar nicht aufgefallen waren, erklärte.

Im Krankenhaus angekommen wurde ich gebeten, zu warten, sie müssten meine Freundin notoperieren, es stehe schlecht um sie, ich solle die Hoffnung dennoch nicht aufgeben. Im Wartesaal lief ich auf und ab, meine Prellungen konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht verarzten lassen, mein Gesicht war inzwischen zu einem Meer voller Tränen geworden, voller Angst um sie, meine Freundin, die ich über alles liebe.

Just in dem Moment, als der operierende Arzt zu mir kam, sagte, dass er alles für sie getan habe, jede Hilfe aber zu spät kam, just in diesem Moment hatte ich auf den Fernseher geblickt, der oben an der Wand hängend Bilder des Finalorts übertrug.

Ein Moderator stand da mit seinem Mikrophon in der Hand, hinter ihm die jubelnde Menschenmenge:

„Nur mit Hilfe dieser großartigen Fans, hier im Stadion und vor den Fernseher zu Hause, in Kneipen und Sportlokalen oder vor den Großbildleinwänden, haben wir es geschafft, lange haben sie gezittert, mit unserer Manschaft gelitten und haben es jetzt natürlich verdient, ausgelassen zu feiern. Was für ein herrlicher Tag für dieses Land! Was muss das für ein herrliches Gefühl sein, all seine Bürger in diesen unglaublichen Freudentaumel versetzt zu haben! Dieser Tag geht in die Annalen“, seinen Satz konnte er nicht zu Ende sprechen, von hinten kam einer der Spieler gelaufen, der ihm einen Humpen voll Bier über die sauber gescheitelten Haare schüttete. Der Gerstensaft aus seinem Gesicht, vom schicken Designeranzug tropfend, übergab er zurück ins Studio, verabschiedete sich jubelhochjauzend vom Publikum mit den Worten: „Natürlich sollten wir auch nicht vergessen, den treuen Sponsoren zu danken, ohne die das alles niemals möglich gewesen wäre.“, während genau das Wagenmodell über den Bildschirm fuhr, das meine Freundin erfasst hatte, der Kofferraum voll von dem Bier, das auch in unserer Stadt überall ausgeschenkt wurde, von dem wohl auch der Fahrer mehr als ein, zwei Gläschen in sich hineingeschüttet hatte.

 
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Kleine Anmerkung:

Da ich nicht weiß, in wie weit es rechtlich Probleme geben könnte, gezielte Markennamen zu verwenden (kann mir da wer nähere Auskunft geben?), habe ich im letzten Absatz fiktive Markennamen eingebaut.

Auch würde ich gerne um eure Meinung bitten: Satire oder Gesellschaft? Ich tendierte eher zu Gesellschaft, aber habe, wie so oft schon, gezweifelt, ob nicht vielleicht doch Satire ;)

 

Hi Sebastian,

Die Sueddeutsche Nobelautomarke stoert genauso wie das wasauchimmer Pils. Es wuerde reichen, wenn Du am Ende z.B: etwas schreibst wie: " ... nur vom Bildschirm prangte mir noch das Emblem des Autos von heute Abend entgegen."
Zwecks Satire: Dahingehend konnte ich kaum etwas finden. Auch denke ich, dass es in diesem Zusammenhang und der momentanen Gestaltung der Geschichte eher weniger gesellschaftskritisch ist.

Abgesehen davon: Der Bezug auf die Automarke lenkt eher etwas ab. Das Wesentliche dieser Geschichte ist der Tod der Freundin, die Gefuehle, die sich damit verbinden, die Angst, Hoffnungslosigkeit, der Schmerz, etc ... (und nicht eine moegliche Antipathie des Erzaehlers mit suddeutschen Nobelwaegen :D )
Der letzte Absatz wie auch die Berichterstattung ueber die WM koennten als guter Kontrast genutzt werden, momentan lenken sie aber am Ende vom Inhalt der Geschichte eher ab, da sich zu wenige Bezugspunkte zur Vorgeschichte finden - es klingt fast schon konstruiert, da der Erzaehler nur ganz beilaeufig und im Nachhinein bemerkt, dass das der Tag des Endspiels ist.
Ausserdem fehlt mir voellig, wie es in dem Erzaehler nach der Nachricht vom Tod seiner Freundin aussieht. Die Geschichte bricht foermlich an dieser Stelle ab.

So - ich hoffe, diese Kommentare helfen Dir etwas weiter. Hinsichtlich Textkram bin ich der falsche Kritiker, dafuer gibt es andere Spezialisten :D

servus,

sarpenta

 
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Hallo sarpenta,

danke für deine ausführliche Kritik.

Das mit dem Emblem der Automarke ist eine gute Idee, das würde das wohl wieder mehr in die Wirklichkeit zurückholen, ich glaube, das werde ich so umsetzen und auch das mit der Pilssorte irgendwie umgehen. Danke :)

Der Bezug auf die Automarke lenkt eher etwas ab. Das Wesentliche dieser Geschichte ist der Tod der Freundin, die Gefuehle, die sich damit verbinden, die Angst, Hoffnungslosigkeit, der Schmerz, etc ... (und nicht eine moegliche Antipathie des Erzaehlers mit suddeutschen Nobelwaegen )
Eben darauf wollte ich nicht das Wesentliche der Geschichte lenken, viel mehr habe ich die Pointe gezielt versucht, auf das Finalspiel und den ganzen Sponsorenkram zu legen, dass somit die ganzen fanatischen Anhänger, die sich in den Kneipen volllaufen lassen, Schuld daran sind, dass des Prots Freundin gestorben ist. Und die Fans werden natürlich durch die ganze Medienhetze, sprich Werbung ohne Ende dazu verleitet, zu konsumieren, Bier und "Nobelautomarken" zu kaufen, quasi manipuliert und viele lassen sich das eben mit sich machen, was dann für den Prot solch tragisches Schicksal mit sich zieht.

es klingt fast schon konstruiert, da der Erzaehler nur ganz beilaeufig und im Nachhinein bemerkt, dass das der Tag des Endspiels ist.
Naja, wenn ich ehrlich bin: Ich weiß auch nicht genau, wann der Tag des Finales ist, musste sogar nachschlagen, ob es wirklich auf einen Sonntag fällt. Also wer sich nicht für Fußball (bzw. die jeweilige Sportort, ich habe ja nirgends explizit erwähnt, dass es sich auf die Fußball-WM bezieht, wenn man auch alles automatisch damit verbindet) interessiert, so überhaupt nicht, wird das wohl nicht unbedingt wissen, oder?

Ausserdem fehlt mir voellig, wie es in dem Erzaehler nach der Nachricht vom Tod seiner Freundin aussieht. Die Geschichte bricht foermlich an dieser Stelle ab.
Auch das war Absicht, weil ich wie gesagt, den Akzent nicht auf die tote Freundin, viel mehr auf den ganzen Weltmeisterschaftskram legen wollte.


Also kurzum habe ich mich an einer Art (!) "Ironischer Brechung" versucht, wollte die Geschichte daher auch erst in die Satire ordnen. Fängt alles ganz harmlos süßlich an, dann Autounfall, die Freundin stirbt und dann nur noch Bezug auf die Finalübertragung. Wenn du meine Geschichte "Schöne Kindheit" liest, wird dir sicher ein ähnlicher stil auffallen.

Hat jetzt alles weniger mit deinem Kommentar zu tun, aber ich erkläre meine Geschichten gerne, bzw. meine Absichten ;D
Was ich auch noch kritisieren wollte, war dieses Diktat des Moderators "Was für ein herrlicher Tag für unser Land!", daher auch dieser Titel der Geschichte. Warum ist es ein herrlicher Tag für ein Land, wenn eine Sportmannschaft ein Finale gewinnt? Gehören alle die, die sich nicht für das Sportereignis interessieren etwa nicht mehr zum Land? Muss ich mir jetzt von den Medien vorschreiben lassen, wann ein Tag herrlich und wann nicht so schön ist? Ich glaube nicht, dass der Tag für den Prot. "herrlich" gewesen ist.


Ich hoffe, dass das nicht so klang, als dass ich mich jetzt um jeden Preis verteidigen wollte, es ist ja eher ein Fehler meinerseits, wenn die Akzente in der Geschichte nicht klar ankommen, d.h. dass ich daran noch feilen muss.

Vielen lieben Dank nochmal für Lesen und Kritik,

liebe Grüße,

Sebastian


EDIT:
So, habe das Problem mit den Marken jetzt mal ausgebessert, so sollte es finde ich auch gehen, ohne Marken wie "Wasauchimmer Pils" und "Süddeutsche Nobelmarke" zu erfinden :D

 

Hi Bölljüngling,

den Plot mit dem herrlichen Tag habe ich verstanden... Kann aber die og Kritik nachvoll ziehen. Habe auch Deine kritik an dem Weltmeisterschaftskram eben nicht verstanden, weil nicht nach zu vollziehen, denn Du hast für solch ein Kritik zu sehr die Geschichte um die Freundin und die Liebe gewebt, das man die kritik verstehen könnte.

Nun les ich die nächsten Geschichten von Dir;)

Herzlichst JH.Rilke

 

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