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Was für ein Tag
Was für ein Tag
Der Tag hatte böse angefangen. Schon am frühen Morgen hatte nichts geklappt. Manchmal wird ein Tag, der schlecht begonnen hat, im Lauf der Stunden noch ganz erträglich. An diesem aber wurde es immer schlimmer. Der Abend schließlich versprach alles in den Schatten zu stellen.
Der Tag begann, indem er eine halbe Stunde zu spät anfing. Warum? Weil meine so um mich besorgte Frau, bevor sie zur Arbeit fuhr vergaß, den Wecker auf halb Acht zu stellen. Dumpfes Glockengeläut verhinderte, dass aus einer halben, eine Stunde geworden wäre. Auf dem Weg zur Dusche hing ich übellaunigen Gedanken hinterher. Frierend stellte ich das Wasser an. Es kam prompt, eiskalt und machte keine Anstalten, seine Temperatur zu wechseln. Es dauerte, bis ich begriff, dass das Thermostat ausgefallen war. Hastig spritzte ich etwas Wasser ins Gesicht, sprühte Deo unter die Achseln und schnitt mich noch schnell beim Rasieren. Genervt ging ich in die Küche, um Kaffeewasser aufzustellen. Am Einschaltknopf hing ein Zettel.
„Tut mir leid Schatz, gibt keinen Kaffee, Filterpapier ist alle. Bringe welches mit. Bis heute Abend, Gisela“.
Griesgrämig trottete ich ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Auf halbem Weg fiel mir ein, dass der Anzug, den ich zu dem Geschäftstermin heute Nachmittag tragen wollte, noch in der Reinigung war. Der alte, graue Nadelstreifen lag sauber gebügelt auf der Anrichte. Na ja, wenigstens etwas.
Wenn ich es von dieser Seite her betrachte, war es kein Fehler, dass ich meine „außereheliche Beziehung“ mit Margit beendete. Das Hausfrauliche, was ich an Gisela schätze, ging ihr völlig ab. Oh, jetzt wird es aber höchste Zeit, dass ich ...
Unterwegs zur Arbeit staute sich an einer Baustelle der Verkehr. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig hineinzugeraten. Als ich endlich entnervt das Büro der klinischen Forschung betrat, teilte mir meine Sekretärin nach einem schnippischen „Guten Morgen“ mit, dass der Chef noch heute den Bericht über die letzte Geschäftsreise nach Köln sehen möchte. Das fehlte mir gerade noch. Ausgerechnet heute, wo ich nach München zu dem arroganten Dr. Möhrke musste. Der glaubt, er wäre der qualifizierteste Hautarzt in ganz Bayern, nur weil er unser neuestes Aknepräparat testen darf.
Den ganzen Vormittag quälte ich mich mit dem Reisebericht herum. Ich unterschrieb gerade den Text, da rief Margit an.
„Bernhard, ich hoffe, ich störe dich nicht? Sei mir nicht böse, es ist dringend. Wir müssen uns unbedingt uns heute noch treffen.“
„Ich denke, wir hatten vereinbart, dass die Liaison zwischen uns beendet ist. Was soll das jetzt? Wie stellst du dir das denn vor? Ich habe keine Zeit, bin geschäftlich voll ausgebucht.“
„Bernhard, ich weiß, dass du heute noch nach München kommst!“ „Woher?“
„Du hast es mir bei unserem letzten Treffen selbst gesagt. Wir treffen uns um 18 Uhr im Englischen Garten. Du weißt wo. Wenn du nicht kommst, wirst du es bereuen.“
„Margit, ich lasse mir nicht von dir drohen. Sei doch vernünftig, so hör doch. Margit, Margit, bist du noch dran?“
Was für ein Tag. Langsam wundere ich mich über gar nichts mehr. Ist sie schwanger? Nein, kann nicht sein. Ob sie es bereut, dass es aus ist zwischen uns..., dabei waren wir uns doch einig. Ich muss auf jeden Fall zu ihr. Wer weiß, was sie anstellt?
Der Zug fuhr zehn Minuten, als er plötzlich auf freier Strecke anhielt. Von einem Zugbegleiter erfuhr ich, dass ein technisches Problem mit der Lok vorlag. Mit zweistündiger Verspätung traf ich bei Dr. Möhrke ein. Der war reichlich ungehalten von wegen, er hätte Wichtigeres zu tun, als stundenlang auf mich zu warten. Ich bat ihn mehrmals höflich um Entschuldigung. Als Entschädigung für mein zu spätes Erscheinen, lud ich ihn nach der Geschäftsbesprechung zum Essen ein. Insgeheim hoffte ich, dass er ablehnen würde, um noch rechtzeitig zu Margit zu kommen. Doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Besaß er vorher keine Zeit zu warten, so ließ er sich beim Essen nicht aus der Ruhe bringen. Er ignorierte auf taktlose Weise meine ständigen Blicke zur Uhr und erging sich stattdessen in Belanglosigkeiten. Gegen 19 Uhr gelang es mir endlich, mich von Möhrke zu verabschieden. Ich nahm ein Taxi, dass mich so schnell es der Verkehr zuließ zum Englischen Garten führ. Unterwegs redete ich mir ein, dass Margit bestimmt auf mich warten würde. Doch Margit war weder am vereinbarten Treffpunkt noch in ihrer Wohnung, zu der ich mich anschließend bringen ließ. Verwirrt und enttäuscht hinterließ ich eine Nachricht, dass sie mich morgen im Büro anrufen sollte.
Mit einem unguten Gefühl nahm ich den nächsten Zug und fuhr nach Hause. Während der Fahrt versuchte ich mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass es ihr wohl doch nicht so wichtig gewesen sein konnte, sonst hätte sie sicher gewartet.
Müde und deprimiert schloss ich schließlich die Wohnungstür auf. Dunkelheit und beängstigende Stille empfing mich. Leise betrat ich das Schlafzimmer, um nachzusehen, ob Gisela schon schlief. Ihr Bett war leer. Kopfschüttelnd ging ich in die Küche. Auf dem Tisch fand ich eine Nachricht von meiner Frau.
„Margit hat mich angerufen und alles erzählt. Ich brauche Abstand von Dir und viel Zeit zum Nachdenken.
Gisela“
© by Reimund