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Was ist grün und stinkt nach Fisch?
"Mütze?"
"Check."
"Schal?"
"Check."
"Kutte?"
"Check."
"Beck's?"
"Che... nein, warte... nur noch drei Stück."
"Wie lautet deine Unternehmensstrategie zwecks Änderung dieses bedauerlichen Umstandes?"
"Ich schlage eine umgehende Routenänderung zugunsten einer nahe gelegenen Tankstelle zwecks Aufstockung unserer Vorräte vor."
"Vorschlag angenommen und Reiseziel vorübergehend geändert."
Finale.
Also, nicht ganz. Um genau zu sein, war es eines dieser stinknormalen Spiele, von denen es jedes Wochenende neun Stück gibt. Und das vierunddreißig Mal im Jahr. Aber es war eben doch keines dieser stinknormalen Spiele, das hier war Nordderby. Ab in die Höhle des Löwen, dem Feind direkt in die Augen sehen. Der Bestie ins Maul springen, im Höllenschlund mit dem Teufel tanzen. Auf nach Hamburg.
War es in den letzten Jahren dabei um nicht viel mehr als die sprichwörtliche goldene Ananas gegangen, weil beide Vereine sportlich in etwa so viele Welten trennten, wie Schalke und Zauberfußball, würden die beiden sich dieses Jahr endlich mal wieder auf Augenhöhe treffen. Letzter Spieltag, wer gewinnt, steht weiter vorne in der Tabelle. Diesmal gings um was. Scheiß auf die Pokale, scheiß auf WM - hier ging es einzig und allein um die Ehre. Beste Mannschaft im Norden, Meister des Universums, König von allem.
"Wäre es angebracht, diese Gelegenheit gleich mit einem auf lange Sicht ohnehin nicht aufschiebbaren Termin zur Pipimachung zu verbinden?"
"Ich finde durchaus Anlass, deinen Vorschlag mit einer gewissen Angebrachtheit zu würdigen."
"Dann herrscht in dieser Sache also Einigkeit?"
"Sei dir meiner Zustimmung in diesem Punkt gewiss."
"Haben wir denn ansonsten eine beruhigende Vollständigkeit erreicht, was den Status unseres Gepäcks angeht?"
"Ansonsten nähert sich der Status unseres Gepäcks mit einem gewissen Hang zur Absolutheit der Vollständigkeit. Das kann ich mit gutem Gewissen bestätigen."
Auf dem Weg von Bremen nach Hamburg. A1 Richtung Nordwest. Stadtteil Stellingen, dann zur Arena mit dem Sponsornamen, wo die Sonne nur hingeht, um festzustellen, dass es anderswo viel schöner ist. Da, wo unsere Tauben höchstens zum Kacken hinfliegen. Dort, wo direkt neben der Müllverbrennungsanlage unsere drei Punkte abholbereit auf uns warteten.
Noch waren wir inkognito unterwegs, die hauptsächlich grüne Montur eingepackt in der Reisetasche, die in diesem Moment geöffnet auf meinen Knien lag: ein letzter traditioneller Check, genau mittig auf dem Weg. Wir trugen das Zeug nicht etwa deshalb nicht, weil wir uns schämten, sondern aufgrund der Wette: zwei Trikots in der Tasche, eins in grünweiß, das andere grünorange.
"Darf ich den Plan um eine weitere sinngebende Ergänzung... ähh... ergänzen?"
"Sagtest du sinngebend?"
"So lauteten meine Worte."
"Ha, Bullshit! Ich hab gewonnen!" Bullshit-Bingo. Jeder notiert vor Fahrtbeginn zehn geheime Begriffe. Wessen Worte zuerst in der Unterhaltung fallen, der hat gewonnen. Ich verlor immer.
"Also ich in Orange?"
"Du in Orange."
"Das ist meiner Gemütslage unsagbar abträglich. Ich möchte den Vorschlag einwerfen, auf unserer nächsten Fahrt ein anderes Spiel zwecks Zeitvertreibung zu suchen. Ich empfange optische Signale von etwas, das dir keine optischen Signale sendet wäre eine wunderbare Idee."
"Das Spiel ist vorbei, kannst wieder normal reden."
"Endlich. Ging mir ziemlich auf die Eier auf Dauer. Also, wie is?"
"Nix da. Kein neues Spiel. Und wenn du noch weiter maulst, werf ich nächstes Jahr das pinke Torwarttrikot in den Ring."
Die nächste Raststätte war die unsere. Wir füllten die Bierreserven auf, zogen unsere magischen Trikots über und nutzten die Chance, vorher ein letztes Mal austreten zu können. Voll beladen und - teilweise - in standesgemäße Vereinsfarben gehüllt gings zurück zum Wagen. Irgendwie hat der Feind es geschafft, ebenfalls diese Raststätte zu finden. Hamburg hat scheinbar auch Fans von außerhalb.
"Was ist grün und stinkt nach Fisch?", schallte es uns quer über den Parkplatz entgegen. Sie waren zu dritt, wir zu zweit.
"Weiß nicht...", sagte ich. "Grüner Fisch vielleicht?"
"Und was noch?"
"Beck's, wenn man's zu lange in der Sonne stehen lässt."
"War mir klar, dass in eurer Pampe Aale schwimmen."
"In eurer Plörre würden sie höchstens verdursten."
"Ach, scheiß der Hund drauf... prost." Er reichte uns zwei Flaschen Holsten. "Aber glaubt ja nicht, dass wir euch die Punkte nachher auch schenken."
"Braucht ihr nicht. Das wird auch so ein Spaziergang. Auf ein geiles Spiel."
"Auf ein geiles Spiel." Wir stießen an. Schmeckte gar nicht mal so übel, diese Elbplörre.
"Meinste, ihr packt das nächstes Jahr wieder?", fragte er.
"Deutscher Meister? Nee, ich glaub nicht. Ihr aber auch nicht. Hauptsache, nicht Schalke."
"Ja, das ist die Hauptsache. Und Nordmeister ist ja auch nicht schlecht."
"Ach komm... Das letzte Mal, als ihr Nordmeister wart, hat Uwe Seeler noch die Tore geköpft. Und so bleibt das auch. Sollst mal sehen."
Abfahrt Stellingen.
Irgendwo parken und dann im Tross mit den anderen Bremern die Arena stürmen. Wenn man ehrlich ist, sieht das Ding ja so übel gar nicht aus. Hübsch modern und so. Schnell noch irgendwo ne Bratwurst organisieren und dann ab in den Fanblock.
"Mütze?"
"Check."
"Schal?"
"Check."
"Kutte?"
"Check."
"Wurst?"
"Check."
Samstag, halb vier nachmittags. Anpfiff.
Finale.