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Was lange währt …

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07.11.2003
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Was lange währt …

Der Tod kam nicht unverhofft über Johannes Tickl. Eigentlich hatte er schon längere Zeit damit gerechnet, dass ihm etwas Übles widerfahren würde.
Johannes saß auf einer Wolke, und sah sich ein letztes Mal die vertraute Heimat an. Da unten waren sein Haus, der kleine Garten, ein paar Pflanzen und der Baum; und da konnte er auch seine Frau sehen, die es sich im Schatten gemütlich machte. Die missratene Tochter war vermutlich in der Schule. Undankbares Gesindel. Oh, du schreckliches Weib. Was hatte er nicht alles getan, um sie stets milde zu stimmen. Hatte ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen, sie in allem unterstützt, ihr seine ganze Aufmerksamkeit geschenkt. Nichts war ihr gut genug gewesen.
Tief traurig saß Johannes Tickl auf seiner Wolke, eigentlich eine Wolke für jedermann und jede Frau, aber für Johannes war es eben „seine“ Wolke.
Doch da es im Himmel nicht lange dauert, bis einem Engel Trost widerfährt, schwebte da bald ein lustiger Geselle auf Johannes zu. Ein freundlich dreinblickendes Bürschchen mit aufgeweckten Augen und einem entwaffnenden Lächeln. Eigentlich unnötig, da es im Himmel ja gar keine Waffen gab. Nur die kleine Rauchwolke, die der Lustige hinter sich herzog, wollte nicht so recht ins Land der Wattebäuschchen passen.
„Was gibt’s? Weshalb so traurig, Angereister?“
„Ach, da unten, auf der Gartenliege, mein Weib. Was hab ich nicht alles Gutes für sie getan, und wie hat sie‘s mir gedankt?“
„Ja, wie bloß?“
„Ist sie doch so wild auf mir herumgehüpft, dass mir das Herz stehen blieb.“
„Ja, ja, Gevatter. Auf alten Pferden mag das Reiten gut zu erlernen sein, doch ist die Fesche erst geübt, dann geht dem alten Gaul schon bald die Puste aus.“
„Ach, was weißt du denn schon? Hier im Himmel gibt’s ja keine Sünden, und sicher auch keine fleischlichen Gelüste.“
„Oh, eure dummen Märchen von der Erde. Sicher glaubst du auch, dass sich Vampire vor Knoblauch ekeln. Wo doch zwei Wolken weiter Graf Dracula mit diesen Dingern handelt.“
„Ach, wirklich?“
„Pah! Was denkst du denn, glaubst du, der Teufel lügt dich an?“
„Der Teufel, nein, was du nicht sagst. Du, hier oben.“
„Was ist oben, wo ist unten? Das Leben spielt sich ab, da drunten.“
Und Johannes Tickl musste erkennen, dass Belzebub vollkommen Recht hatte.
„Ei, was seh ich denn da? Ich bin noch nicht einmal richtig kalt, da ist das Weib schon wieder in den Steigbügeln.“
„Den Hengst musst‘ Sie wohl nicht lang bitten, in der Art wie er nun wird beritten.“
„Ach, hör endlich auf mich zu verspotten, und deine billigen Reime kannst du dir an die Hutschnur stecken.“
„Na, ganz ruhig, Alterchen. Ist ja schon gut. Aber mit so einem jungen Ding, da musste dir doch klar sein, dass dein Glück nicht von langer Dauer sein konnte. Und – siehst du? Das kleine Fläschchen, dort, im Medizinschrank?“
„Aiieh! Dieses Teufelsweib.“
„Na, davon wüsst ich aber was.“
„Ach, sei doch still. Schau lieber hin! Wieder scheint für die da unten ein Tag vergangen zu sein. Wieder liegt sie faul auf der Liege herum, in Gedanken sicher schon beim nächsten Hengst. Jetzt, da sie mich aus dem Weg geschafft hat. Ich hab mich an alles gehalten, was ein Mann tun sollte: Ein Haus hab ich gebaut, einen Baum gepflanzt und eine verzogene Göre gezeugt. Was ist das für dummes Zeug, dass man uns Männern einredet? Was hat es mir gebracht? Ach, was würd ich darum geben, könnt ich’s dem Teufelsweib irgendwie heimzahlen.“
„Hmm – vielleicht war ja doch nicht alles umsonst. Mein Blick dringt tiefer als du denkst. In die Seelen und ins Erdenreich. Ich sehe da unten etwas, das uns weiter helfen könnte.“
„Ach, wirklich?“
„Na, glaubst du vielleicht, der Teufel lügt dich an?“
„Und was willst du dafür?“
„Nur dein – Lächeln.“

*​

„… komm, lass uns den Fall abschließen.“
„Trotzdem, in meiner ganzen Laufbahn ist mir so etwas noch nicht begegnet. Es ist zwar rein theoretisch möglich, aber die Chancen, dass es passiert, stehen eins zu einer Million.“
„Falls das überhaupt ausreicht. Aber der Fall scheint dennoch klar. Die Spurensicherung hat Anzeichen dafür gefunden. Da fällt mir übrigens ein Sprichwort ein. Nur müsste man in diesem Zusammenhang sagen: ‚Was lange währt, tut dir nicht gut‘. Und Zeit war so ziemlich das Einzige, was das Ding ausreichend zur Verfügung hatte. 60 lange Jahre hat es gewartet, um dann plötzlich loszuschlagen, 250 Pfund geballte Ladung.“
„Ja, und wie gespenstisch ist denn das? Schau dir nur mal den Krater auf dieser Luftaufnahme an. Mit ein bisschen Phantasie erscheint es einem so, als blickte man auf die schmerzverzerrte Fratze eines alten Mannes. Recht mysteriös, das Ganze.“
„Tja, wer konnte auch ahnen, dass eine harmlose Baumwurzel eine solche Katastrophe auslösen würde?“
„Die Tote mit Sicherheit nicht.“

 

Hey fugalee,

alles ganz nett. So ein bisschen Faust-mäßig, mit dem Mephisto-Verschnitt. Tja, kann wenig zu sagen, ist eine nette Idee, ganz nett umgesetzt, ein bisschen liest es sich so, wie ein Theaterstück. Hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber ganz nett eben.

Nette Grüße
Quinn

 

Hallo!

Für mich geht diese Geschichte schon mehr in Richtung Humor, Horror habe ich zumindest keinen gesehen, dafür ist sie viel, viel, viel zu brav.

Die ersten beiden Sätze sind im Grund schöne Einstiegssätze (vielleicht solltest du das "eigentlich" aus dem zweiten Satz rausnehmen), aber dann geht es weiter mit dem auf der Wolke sitzen. Das ist ein Bild, dass man so gar nicht mit einer Horrorgeschichte verbinden kann, und dieses Bild bleibt dann auch bestehen. Übergeht man jetzt diesen Einwand, ist deine Geschichte durchaus lesenswert und gut.

Beste Grüße

Nothlia

PS: Der Knilch nennt sich Beelzebub (was streng genommen nicht das Gleiche wie der Teufel ist. Das nur mal so als Klugscheiß). ;)

 

Hi Quinn und Nothlia,

na, ihr habt das Wesen der kleinen Geschichte ja bereits erkannt. Also Horror war’s beim besten Willen nicht. Sollte eher in Richtung sanftes Gruseln gehen. Vielleicht ganz kurz, wie’s zu der Story kam.
ACHTUNG SPOILERWARNUNG!
Vor kurzem fiel mir ein Bericht über die Bergung eines „Blindgängers“ in die Hände. Nachts im Bett hab ich mir dann vorgestellt, wie es wäre, wenn es verfilmte Gruselgeschichten von Kg.de gäbe. :D Der Trailer: Im Hintergrund würde seltsame Musik erklingen, während eine Kurzgeschichtlerin im Bikini auf einer Gartenliege eine Gruselgeschichte liest. (Sorry, aber Sex sells :D) Die Kamera würde dann von ihr weg- und auch ins Erdreich zoomen, und der Zuschauer könnte erkennen, wie sich drunten in der Tiefe, ein Wurzelgeflecht immer enger um eine alte Fliegerbombe legt. Diese drehen und quetschen würde, bis sich die knorrigen Finger schließlich an dem Zünder zu schaffen machen …
Die Idee fand ich irgendwie lustig. Dann hab ich mir überlegt, wie ich’s aufschreiben könnte, und dann sind mir allerlei seltsame Bilder im Kopf entstanden. Da war natürlich Mephisto dabei, ein „Aloisius“ im Himmel, dann wieder, eine Art Gruselmärchen. Und am Ende ist dann das dabei heraus gekommen. Eigentlich fand ich auch die Vorstellung witzig, dass der Teufel seine Seelen jetzt schon im Himmel rekrutiert. Erst zum Ende hin, als ich mir das Bild aus der Luft vorstellte, indem sich die Gesichtszüge des Alten abzeichneten, die einem die wahre Natur des teuflischen „Lächelns“ aufzeigen sollten, ließ mich leicht gruseln.
Etwas Kurzes halt, für zwischendurch. Wenn es euch ein bisschen unterhalten konnte, hat’s den Zweck schon erfüllt. Ach, eines noch. Es ist zwar noch eine Weile hin, aber falls auch ihr im Sommer auf einer Pritsche im Schatten eines Baumes liegen solltet, und Gruseliges lest – genießt den Augenblick. ;)

Wurzlige Grüße von Fugali P8sh

P. S.
@Nothlia
Danke für die Texthilfe. „Eigentlich“ ist rausgeflogen, „Belzebub“ war Rechtschreibfehler. Herkunft wusste ich schon, aber in unserem Kulturkreis, wird es oft mit „Teufel“ gleichgesetzt. Außerdem ist der Name einfach geil (Wortmagie).

 
Zuletzt bearbeitet:

Johannes saß auf einer Wolke, und sah sich ein letztes Mal die vertraute Heimat an.
hab ich dich erwischt, du Kommapsychopath! LAss es ganz langsam sinken ... keiner will dir hier was tun ... wir sind alle deine Freunde ... und jetzt nimm das Komma da weg ...
und da erkannte er auch seine Frau
im biblischen Sinne? ;)
„Was ist oben, wo ist unten? Das Leben spielt sich ab, da drunten.“
hm ... Faust? :confused:
Und Johannes Tickl musste erkennen, dass Beelzebub vollkommen recht hatte.
Recht
„Aiieh! Dieses Teufelsweib.“
„Na, davon wüsst ich aber was.“
:)
250 Pfund geballte Ladung.“
400 Pfund geballte Ladung Scheiße :silly: (sorry, Insider) [EDIT: Huch, welch schröcklicher Fehler ... muss natürlich 450 statt 400 heißen]

Hallo F-P,

nette, kleine, unterhaltende, zeitvertreibende Geschichte ;)

Ja, die Faustanlehnungen habe ich auch erkannt ;)
Das Ende habe ich allerdings erst durch deine Erklärung verstanden.

Tserk

 

Zitat:
Johannes saß auf einer Wolke, und sah sich ein letztes Mal die vertraute Heimat an.
hab ich dich erwischt, du Kommapsychopath! LAss es ganz langsam sinken ... keiner will dir hier was tun ... wir sind alle deine Freunde ... und jetzt nimm das Komma da weg ...
Arrrgh! Ja, manchmal kommt es noch durch. :D
Zitat:
und da erkannte er auch seine Frau
im biblischen Sinne?
Ja, ich hab ihn dann doch „sehen“ lassen. :)
„Was ist oben, wo ist unten? Das Leben spielt sich ab, da drunten.“
hm ... Faust?
Dieser Schüttelreim ist aus der Feder des Literaturmonsters F. Page. Und so schrecklich, dass sich Johannes Wolfgang im Grabe umgedreht hat, wie mir jüngst ein befreundeter Guhl berichtete. Aber, was soll’s? Dies ist schließlich die Horror-Rubrik. :D
Zitat:
250 Pfund geballte Ladung.“
400 Pfund geballte Ladung Scheiße (sorry, Insider)
400 Pfund Kacke würde den Rahmen dieser Gruselgeschichte „sprengen“. :D
nette, kleine, unterhaltende, zeitvertreibende Geschichte
Dann hat sie ihren Zweck erfüllt.
Das Ende habe ich allerdings erst durch deine Erklärung verstanden.
Das ist natürlich nicht optimal. Lag es an dem ungewohnten Bild? Dem Gesicht in der Erde?

Cruz F. P.

 

Hi Fugalee Page!

Ich kann mich meinen Vorkritikern eigentlich nur anschließen. Dir ist da eine schöne, unterhaltsame Geschichte gelungen. Auch der Goethe-Stil der Dialoge – sehr lesenwert, wie ich finde. ;)

Beim Ende habe ich aber leider gar nicht verstanden, was da passiert sein sollte. Erst deine Erklärung brachte da Erleuchtung. Gut, die Anspielungen auf die Fliegerbombe und die Wurzel sind da, aber vielleicht könntest du das Bild von der Wurzel, die sich quasi willentlich an der Bombe zu schaffen macht, noch etwas verdeutlichen. Dann kommt der etwas gruseligere Charakter des Endes auch ganz gut rüber.

Oh, da liegt ja noch ein kleines Tippfehlerchen rum! :schiel:

„… komm, lass und den Fall abschließen.“

MfG
Travis

 

Hi Travis,

freut mich, dass auch du ein wenig Kurzweile hattest.
Das Baumwurzelproblem ist bei mir ein grundsätzliches, glaub ich zumindest. Ich neig dazu, ein wenig kryptisch zu schreiben. Allerdings hilft‘s auch nix, wenn der Leser, selbst bei genauem Lesen den Zusammenhang nicht erkennt.
Ich hab den Teufel noch ein wenig deutlicher werden lassen. Zu „tief-gründig“ soll‘s aber auch nicht sein. Sonst droht Gefahr, dass neben dem Baum noch ein Zaunpfahl winkt. :Pfeif:
So, dann mach ich mich mal auf die Reise. Allerdings nur mit dem Finger auf der Landkarte, oder sollte ich besser sagen, im „Globus“. ;)

Es grüßt, der Wurzelsepp.

 

Hallo Fugalee Page,

auch ich habe die Geschichte sehr genossen. Klar, ist kein Horror, aber die Vorgabe in dieser Rubrik spricht ja auch von "sanftem Gruseln, Abgründen menschlicher Psyche und morbiden Gedanken", die hier ebenfalls hereinpassen. Nicht nur harter Horror, wie manche meinen ;)

Interessant, dass wir beide mit nur einer Woche Unterschied Geschichten rund um denselben Gegenstand basteln. Ob das Wachstum von Wurzeln für so einen Effekt ausreicht...? Ich habe die Geschichte verstanden in dem Moment, als von "250 Pfund" die Rede war. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es nicht "Kilogramm" heißen müsste. Die meisten, die gefunden werden, bringen es auf fünf Zentner.

Gleich in der ersten Zeile das Wort "unverhofft" bedeutet, dass er es sich den Tod insgeheim gewünscht hat, ist das so gemeint?

Alles in allem - sehr kurzweilig.

Grüße, nic

 

Hi nic,

freut mich, dass es ein wenig unterhalten konnte.
Was die Größe der Bombe angeht, hatte ich für die Story gegoogelt und war auf verschiedene „Formate“ gestoßen. Ich hab mich dann für eine kleinere Version entschieden, da ich nicht die ganze Gegend wegpusten wollte. Es sollte nur ein größerer Krater entstehen, in dem von oben sichtbar, das verzerrte Gesicht des Alten und vielleicht noch Metallreste der Bombe, um die sich ein Wurzelgeflecht schlängelte, zu erkennen war. So hatten die Tatortermittler dann darauf geschlossen, dass es dadurch zur Explosion kam. Ist natürlich seeehr weit hergeholt, aber hier hatte ja auch der Teufel höchstpersönlich seine Hand im Spiel. :)

Das „unverhofft“ war in dieser Form gedacht als Kurzform von: „Unverhofft kommt oft“. Im Sinne: Dinge scheinen zu passieren, wenn man sie am wenigsten erwartet. Durch das Wörtchen „nicht“, entsteht eine Art doppelte Verneinung, demnach: „Der Tod kam nicht gänzlich unerwartet für Joseph Tickl.“
Der komische Name, Tickl, sollte im übrigen eine kleine Anspielung auf die Bombe und ihr Ticken sein. Obwohl sie ja eigentlich gar nicht tickte, also nur im übertragenen Sinne (Mein Gott! Was schreib ich da eigentlich? Ich glaub fast, bei mir tickt’s nicht mehr richtig).:silly:

Es grüßt dich aus dem feuchten Erdreich. :D

F. P.

 

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