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Was nicht war

kaj

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03.12.2004
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Was nicht war

was nicht war

Ich hätte gern eine Großmutter gehabt, die auf dem Land lebte. Eine kleine, rundliche Frau mit roten Pausbäckchen wie aus der Werbung, die hätte ich gerne zur Großmutter gehabt. Und mein Großvater wäre ein hochgewachsener, hagerer Mann gewesen unter dessen strengem Blick wir Kinder uns klein gemacht hätten wie Häschen in ihrer erdigen Mulde.

Ich hätte mir auch einen Bauernhof gewünscht für meine Großeltern, einen Bauernhof mit vielen Tieren. Meine Großmutter wäre jeden Morgen als erstes aufgestanden. Sie hätte die Kühe gemolken; im Morgennebel auf dem Innenhof die prallen Euterzitzen in die rauen, faltigen Hände genommen und ein fester Strahl reinweißer, schäumender Milch wäre zischend in einen Metalleimer geflossen. Wenn ich im Schlafanzug in die Küche getappt wäre, hätte es nach frischem Kaffee geduftet, den ich nicht hätte trinken dürfen, weil ich noch zu klein gewesen wäre, und meine Großmutter hätte mir wortlos ein Glas schaumige Milch auf die blaublumige Tischdecke gestellt.

Auf dem Hof meiner Großeltern hätte jede Kuh einen Namen gehabt und ich hätte sie aussuchen dürfen. Ich hätte ein eigenes Lämmchen gehabt, mit einer roten Schleife um den Hals, und es mit einer Babyflasche großgezogen. Sonntags wären wir alle in die Kirche gegangen und ich hätte einen steifkragigen Anzug tragen müssen und polierte Schuhe mit Lack. Es wäre unbequem gewesen, aber ich wäre stolz gewesen, weil meine Großmutter gesagt hätte, Jetzt siehst du fast aus wie Großvater, Junge.

Zum Mittagessen hätte es Rinderbraten mit Klößen gegeben oder Schweinshaxe mit Stampfkartoffeln oder Gemüseeintopf. Wir hätten um einen schweren Eichentisch in der guten Stube gesessen, mein Großvater vor Kopf, und hätten vom Familienporzellan gegessen. Vor dem Essen hätte mein Großvater ein Gebet gesprochen und alle hätten Amen gemurmelt.

Nachmittags wäre ich hoch oben auf dem Traktor mitgefahren, hätte das Tuckern des Motors am ganzen Körper gespürt und mich so stark gefühlt, wie sich nur Kinder stark fühlen können. Ich wäre auf die Eiche neben dem Wohnhaus geklettert und mit den Nachbarsjungen um die Wette ins Heu gesprungen. Einmal, beim Kirschkernweitspucken, hätte ich nicht aufgepasst. Und mit einem leisen „Plong“ wäre mein Kirschkern auf der blankpolierten Glatze meines Großvaters gelandet. Er wäre rot angelaufen, hätte mit den Armen gefuchtelt, aber wir hätten oben auf dem Baum gesessen, mucksmäuschenstill mit dem grünen Laub verschmolzen und er hätte uns nicht sehen können.

Abends wäre ich müde gewesen und dennoch kaum dazu zu überreden, ins Bett zu gehen, aber meine Großmutter hätte mich hinaufgebraucht und die dicke, weiße Bettdecke um meinen Körper festgestopft. Ihren Gute-Nacht-Kuss hätte ich nicht mehr mitbekommen, denn ich hätte schon geträumt, vom Traktor und von meinem starken Großvater, von meinem Lämmchen und von der frischen Milch.

Meinen ersten Kuss hätte ich vom braunäugigen Nachbarsmädchen in einer Brombeerhecke bekommen. Mit blutigen Kratzern an Beinen und Armen wäre ich nach Hause gekommen und mein Großvater hätte mich einen Lausbengel geschimpft. Meine Großmutter hätte, wie immer wortlos, brennendes Jod auf die Wunden getropft und ihr stilles Großmutter-Lächeln gelächelt.

Und doch wäre auch diese Kindheit irgendwann und viel zu schnell zuende gegangen. Und ich hätte auf meinem rot-weißen, rostigen Mofa in der Hofeinfahrt gehockt, eine Zigarette in den Mundwinkel geklemmt und missmutig mit meinem Pubertätspickelgesicht in die Ferne gestarrt. Ich hätte kein Lämmchen mit roter Schleife mehr gehabt, hätte keine Kirschkerne mehr gespuckt und hätte den Kühen keine Namen mehr gegeben. Ich hätte Kaffee trinken dürfen, aber da hätte ich schon keinen Kaffee mehr trinken wollen.

 

hi kaj

so, das ist nun die allererste meinerseits getätigte "kritik" und ich hoffe, du bist nachsichtig ;-)


erstmal mögliche fehler:

Ich hätte gern eine Großmutter gehabt, die auf dem Land lebte.
heißt das nicht "Ich hätte gerne eine Großmutter gehabt, die auf dem Land lebt?"
<-- bin mir aber nicht sicher!

Und mein Großvater wäre ein hochgewachsener, hagerer Mann gewesen, unter dessen strengem Blick wir Kinder uns klein gemacht hätten wie Häschen in ihrer erdigen Mulde.

Auf dem Hof meiner Großeltern hätte jede Kuh einen Namen gehabt und ich hätte sie aussuchen dürfen.
die kuh aussuchen (für was?) oder ihren namen? dann wärs "ihn" :-P

weil meine Großmutter gesagt hätte, Jetzt siehst du fast aus wie Großvater, Junge.
ist das stilistisch so gewollt oder sollte es heißen ...weil meine Großmutter gesagt hätte: "Jetzt siehst du fast aus wie Großvater, Junge."
oder etwa indirekte rede (..weil meine Großmutter gesagt hätte, jetzt sähe ich aus wie Großvater.)
*koppkratz*

.., mein Großvater vor Kopf,
öhh.. "mein Großvater am Kopfende" .. weiß nicht, irgendwie passt die formulierung nicht so ganz.

so.. jetzt fällt mir kein fehler mehr auf, nu haben die anderen auch noch was zu knabbeln *zwinker*


aaalso.. ich finde den ausblick interessant. allerdings wirkt das ganze durch die leerzeilen zwischen den abschnitten verrissen, ist aber nicht wirklich schlimm.
mich stören viel mehr die ständigen wiederholungen..
vor allem das wörtchen "hätten" .. rein stilistisch würde es einmal pro abschnitt ausreichen, und wäre mit geschickteren formulierungen zu vermeiden gewesen.. aber eventuell ist das ja mit absicht zur intensivierung reingesetzt :-) mir persönlich gefällt es nicht..
etwas im hadern bin ich noch mit dem schluss.. was ist daran so schlimm, als halb erwachsener auf dem moped zu sitzen und sich von der kindheit zu lösen? da fehlt irgendwie die verbindung zur wirklichkeit..
na ich warte mal ab ob andere bessere kritikpunkte anbringen können..

wie gesagt, ein paar sachen stören, aber im großen und ganzen weckt die geschichte ein rundes bild beim lesen.. nur den tieferen sinn, der ist noch etwas verschwommen..

mfg,
H21

 

Hallo Armalite!

Für die erste Kritik vollkommen okay, finde ich :)
Jetzt zu deinen Kritikpunkten:

Zum tieferen Sinn: ich geb's zu, die Idee war ein bisschen geklaut. Der Text wurde von einem anderen inspiriert, der in der Anthologie des Leipziger Literaturinstituts erschienen ist. Dieser Text (also quasi meine Vorlage) entstand in einem Seminar zum Thema "Eine perfekte Kindheit". That's it.

Und das Ende... Findest du nicht, dass der Abschied von der Kindheit auch ganz schön traurig machen kann? Zumindest in dem Moment, wo ein Kind sich "auf der Schwelle" befindet, also in der Pubertät und wo auf einmal nichts mehr stimmt, was früher einmal richtig war.

Ach so, mein Konditional II ist absichtlich so gewählt (ja, und damit ist auch das "lebte" am Anfang richtig! Auch wenn man umgangssprachlich für gewöhnlich "gelebt hätte" sagen würde oder eben "lebt") und durchgehalten. Einmal, weil's grammatikalisch einfach richtig ist und zum zweiten, weil es betont, dass das alles nur Fantasie ist, nicht wirklich war. Aber es wäre eben die perfekte Kindheit gewesen...

Gruß, kaj

 

Hi,

auf mich wirken die vielen Wiederholungen störend.
Das Ende finde ich gut, aber etwas plötzlich und zu kurz, im Verhältnis zum Anfang und Mittelteil der Geschichte.

Gruß
Sylvia

 

kaj schrieb:
Hallo Armalite!

Für die erste Kritik vollkommen okay, finde ich :)

#### danke *freu*


Zum tieferen Sinn: ich geb's zu, die Idee war ein bisschen geklaut. Der Text wurde von einem anderen inspiriert, der in der Anthologie des Leipziger Literaturinstituts erschienen ist. Dieser Text (also quasi meine Vorlage) entstand in einem Seminar zum Thema "Eine perfekte Kindheit". That's it.

#### okay, das klärt auf.. nette idee aber


Und das Ende... Findest du nicht, dass der Abschied von der Kindheit auch ganz schön traurig machen kann? Zumindest in dem Moment, wo ein Kind sich "auf der Schwelle" befindet, also in der Pubertät und wo auf einmal nichts mehr stimmt, was früher einmal richtig war.

#### doch, aber irgendwie finde ich mich bei dem schluss da nicht rein.. wie sylvia sagte, im verhältnis irgendwie so kurz dass man beim lesen unwillkürlich drauf wartet, dass da noch was kommt.. irgendwas das sagt wieso es nicht so ist und wie es dem jungen wirklich geht.. aber ne, von der idee her hast du recht


Ach so, mein Konditional II ist absichtlich so gewählt (ja, und damit ist auch das "lebte" am Anfang richtig! Auch wenn man umgangssprachlich für gewöhnlich "gelebt hätte" sagen würde oder eben "lebt") und durchgehalten. Einmal, weil's grammatikalisch einfach richtig ist und zum zweiten, weil es betont, dass das alles nur Fantasie ist, nicht wirklich war. Aber es wäre eben die perfekte Kindheit gewesen...

#### *lach* ok ok hab ja nichts gesagt! ich fands beim lesen furchbar *kicher* aber es war lesbar..

Gruß, kaj


####

mfg,
H21


(sorry, mein browser spinnt grad, geht deshalb nicht mit zitieren so toll *grummel*)

 

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