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Waschgang und der Weg nach draußen
Die Schönheit des Parks wird abgerundet durch den Regen, der auf Blättern von Bäumen hängen bleibt, kleine Ströme am Wegesrand bildet und alles reinwäscht wie die morgendliche Dusche, die den Dreck vom Tag zuvor wegspült. Wenige Menschen wissen von der Schönheit dieses Parks bei Regen. Die meisten Menschen bleiben zu Hause in ihren Löchern und warten, bis es wieder schön wird und die Sonne scheint. Sie finden dieses Wetter ungemütlich und den Park unnatürlich in diesem Bild. Ich verstehe es nicht. Aber es sind nicht alle so. Es gibt Süchtige, die ohne den Duft von Gras, Blättern und Holz bei Regen nicht leben können - die den nassen Sand nett finden, weil er mit ihnen mitgeht und die Geräusche des Regens als Musik empfinden. Sie sind dankbar, denn sie werden gewaschen - und das tut ihnen gut. Die kleinen Dinge, die sie an diesen Tagen sehen, brennen sich in ihr Herz. Die Gedanken, die sie haben, werden sie nie wieder vergessen. Vielleicht kommt das durch den Regen. Ich bin einmal jemanden begegnet, der es liebt, nach oben zu schauen wenn es regnet. Er schaut erst wieder nach vorn, wenn es aufhört. Er ist ein alter Mann und ich hatte ihn schon oft gesehen - bei Regen Natürlich - im Park, mit seinem alten grauen Hut auf dem Kopf. Ich fragte mich immer, was ihn dazu bringt bei diesem Wetter rauszugehen. Er mag Kleinigkeiten und die Natur. Ich habe mich nur einmal mit ihm unterhalten, aber ich habe viel von ihm gelernt und er war wirklich nett. Sonst gingen wir einfach aneinander vorbei, aber an diesem Tag sagte er zu mir:"Ich kenne dich. Ich kenne dich gut. Wir haben etwas gemeinsam." Ich fand es unheimlich. Wir wechselten ein paar belanglose Worte und setzten uns dann auf eine nasse Bank, sodass die eigentiche Unterhaltung beginnen konnte. "Wie fühlst du dich? Wie siehst du dich? Kannst du mir eine ehrliche Antwort geben? Vielleicht eine, mit der du selber auch zufrieden bist? Ich sehe, dass du unzufrieden bist. Sonst würdest du nicht hier alleine im Regen laufen." Ich schloss die Augen und fühlte die vielen kleinen Regentropfen. Hätte mich das ein anderer gefragt, könnte ich keine Antwort geben, aber da mir dieser Alte so vertraut und doch so fremd vorkam, konnte ich antworten:"Es ist schwer, dir ein unverzerrtes Bild von mir zugeben. Ich weiß nicht recht. Ich fühle mich wie ein kleine Ameise, die auf einem großen runden Stein krabbelt und eigentlich gar nicht weiß, wo sie ist. Bis dann irgendwann der Zeitpunkt kommt, an dem sie ein bisschen unvorsichtig ist und hinunter fällt. Die nassen Sandkörner, die dann auf ihrem Körper kleben, machen es ihr schwer weiter zu gehen. Irgendwann erdrückt sie die Last." Er hatte ein Lächeln auf den Lippen. "Das gefällt mir. Aber denkst du nicht, dass es falsch ist sich so zu fühlen? Ich meine, denk doch mal an ein Rind, das frei auf einer Wiese lebt. Wäre das nicht angenehmer? Du kannst den ganzen Tag fressen und dich erholen und das machen, was du willst. Aber irgendwann wirst du geschlachtet. Einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken, schlachten sie dich." Ich schloss den Mund, sperrte Fragen ein. "Ich weiß nicht." "Schlachten tun wir selber ja vieles, aber dieses Schlachten ist anders. Gott ist ein Schlachter - der Beste unter ihnen. Nur manchmal geraten die Falschen unter sein Beil. Es ist schade, dass einem der Weg so aufgezwungen wird. Wir können ihn nicht selber finden." Wir verstummten eine kurze Weile, dann fragte ich:"Was machst du hier im Regen? Wieso bist du immer hier? Ich sehe dich oft." Wieder lächelte er sanft. "Weiß du, ich bin alt und habe schon viel erlebt - nichts besonders, nichts tragisches. Aber wenn ich den ganzen Tag in meiner Wohnung sitzen würde, könnte es leicht passieren, dass ich den Verstand verliere. Hier im Park fühle ich mich wohl. Aber nur wenn es regnet, denn dann sind immer so wenig Leute hier. Und die Leute die hier sind, sind Menschen, keine Maschinen." An den Rest der Unterhaltung kann ich mich nur noch dunkel erinnern. Sie war auch nicht sonderlich lange - vielleicht eine Viertelstunde. Aber er hatte mich noch gefragt, wieso Gott es regnen ließe. Er glaubte nicht an den Kreislauf vom Regen. Ich hätte ihm keine Antwort geben könne, ohne mich selbst zu belügen, also ließ ich es und sperrte Antworten ein. Er ist sehr religiös, jedenfalls wirkte er so - und weise. Es hatte mir sehr gefallen dort mit ihm zu sitzen, uns von Dingen aus unserem Leben zu erzählen und den Regen zu beobachten. Er meinte, er wolle irgendwann den Weg nach draußen finden - alleine. Er meinte auch, dass er ganz versteckt sei. Er suche ihn in der Natur. Ich weiß nicht wieso gerade dort. Eigentlich wusste ich gar nicht, was er mit alldem meinte. Als der Regen weniger wurde, beschlossen wir aufzustehen und zu gehen. Es hielt uns nichts mehr dort. Wir wollten uns eigentlich wiedersehen - beim nächsten Regen im Park - aber ich hab ihn merkwürdigerweiße nicht mehr getroffen. Ich glaube er hat ihn gefunden, den Weg, und ich hoffe er ist jetzt glücklich - und nicht tot.